Mathilde von Tuszien (auch Tuscien oder Toskana), auch Matilda oder Mathilde von Canossa genannt, (* 1046; † 24. Juli 1115) war Markgräfin auf der Burg Canossa im toskanischen Apennin, 18 km südlich von Reggio nell' Emilia. Hier trat im Februar 1077 König Heinrich IV. Papst Gregor VII. entgegen, um die Lösung vom Kirchenbann zu erreichen.

aus Cod. Vat. lat. 4922 (1115)
Leben
Ihr Vater war Markgraf und Herzog Bonifaz von der Toskana (Bonifacius von Tuscien), Fürst von Reggio nell' Emilia, Modena, Mantua, Brescia, und Ferrara, also eines großen Gebietes zu beiden Seiten des Apennin, dessen Schwerpunkt in der Toskana lag. Ihre Mutter war Beatrix von Lothringen, eine Tochter des Friedrich II. von Lothringen und der Mathilde von Schwaben. Sie war das jüngste Kind. Ihr Vater wurde 1052 ermordet, ihre älteren Geschwistern starben kurz darauf.
Beatrix heiratete ihren Cousin Gottfried den Bärtigen, der Herzog von Niederlothringen war, bis er gegen Kaiser Heinrich III. rebellierte. Sein Bruder wurde Papst Stephan IX., die folgenden Päpste Alexander II. und Nikolaus II. stammten aus der Toskana. Beatrix und Gottfried schlugen sich im Investiturstreit auf die päpstliche Seite.
Mathilde wurde verheiratet mit dem Sohn ihres Stiefvaters, Gottfried IV., genannt der Bucklige († 1076), der nach dem Tod seines Vaters 1069 die Regierung in Lothringen antrat. Bereits kurze Zeit nach der Eheschließung verließ Mathilde ihren Mann und lebte von ihm getrennt auf ihren Gütern in Italien. Nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Mutter im selben Jahr regierte sie ihre weitläufigen Besitzungen in der Toskana und der Po-Ebene allein. Eine ihrer wichtigsten Burgen war Canossa.
Dorthin zog Heinrich IV. von Speyer mit seiner Gemahlin als Büßer, wo er auf den Papst traf. Vom 25. bis zum 27. Januar 1077 harrte er vor den Toren der Burg barfuß im Schnee aus. Am 28. Januar hob Gregor VII., hauptsächlich auf Vermittlung der Mathilde von Tuszien, den Kirchenbann auf. Die Absetzung allerdings nahm der Papst nicht zurück, und so wurde am 15. März Rudolf von Schwaben von den deutschen Fürsten zum Gegenkönig gewählt.
Der Gang nach Canossa war ein wichtiger Meilenstein im Investiturstreit. Auch weiterhin blieb Mathilde die wichtigste Stütze der Päpste. Um 1090 heiratete sie – auf Wunsch Papst Urban II. – Welf V. von Bayern aus dem Geschlecht der Welfen, um diesen noch enger an die päpstliche Sache zu fesseln. Indessen lebte sie auch von diesem meist, zuletzt ganz getrennt. Ihre Heirat mit Welf V. veranlasste den Sohn Heinrichs IV., Heinrich V., nach Italien zurückzukehren. Mathilde musste in die Berge fliehen, Heinrich konnte sich jedoch nicht durchsetzen.
Den ihr allgemein gegebenen Namen der großen Gräfin verdankt sie ebenso ihrer Macht wie ihren glänzenden Geistesgaben und ihrer hohen Bildung. Sie besaß Toskana, Mantua, Parma, Reggio, Piacenza, Ferrara, Modena, einen Teil von Umbrien, Spoleto, den Kirchenstaat von Viterbo bis Orvieto und einen Teil der Mark Ancona, welche Besitzungen teils Allodien, teils Reichslehen waren. Ihre Regierung war gerecht und mild, ihr Hof glänzend. Mit der kindlichsten Liebe und Verehrung schloss sie sich Papst Gregor VII. an, was schon der Mitwelt Anlass zu Verdächtigungen gab, die aber unbegründet waren, und setzte alle ihre Kräfte daran, dessen hierarchische Herrschaftspläne verwirklichen zu helfen. Bereits 1077 gewährte sie dem Papst auf ihrem Schloss Canossa eine Zuflucht, stand ihm 1081 gegen den Kaiser bei und unterstützte ihn mit Geld, als er in Rom eingeschlossen war.
Schon 1077 hatte sie im Fall ihres kinderlosen Ablebens, welches am 24. Juli 1115 in dem von ihr erbauten Kloster zu Polirone erfolgte, den Papst zum Erben ihrer Besitzungen ernannt, was zu langen Streitigkeiten Veranlassung gab, indem der Kaiser ihre Güter (Mathildische Erbschaft) als eröffnete Reichslehen, Papst Paschalis II. aber als ihm durch Testament zugehörig und Welf als Gatte der Verstorbenen in Anspruch nahmen. Man verglich sich endlich dahin, dass der Kaiser den größeren Teil der Mathildischen Güter an die Kirche abtrat.
Im 17. Jahrhundert wurden ihre Gebeine in den Petersdom übertragen.
Den Gang nach Canossa behandelt Luigi Pirandellos Stück Heinrich IV.
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Mathilde von Tuszien |
ALTERNATIVNAMEN | Mathilde von Canossa |
KURZBESCHREIBUNG | Markgräfin von Tuszien |
GEBURTSDATUM | 1046 |
STERBEDATUM | 24. Juli 1115 |