DNA-Sequenzierung

biologische Untersuchungsmethode
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DNA-Sequenzierung ist die Bestimmung der DNA-Sequenz, d.h. der Nukleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül. Die DNA-Sequenzierung hat die biologischen Wissenschaften revolutioniert und die Ära der Genomforschung (Genomik) eingeleitet. Seit 1995 konnte durch DNA-Sequenzierung das Genom von über 150 verschiedenen Organismen analysiert werden (siehe Sequenzierte Organismen).


Problemstellung

Die DNA-Sequenzierung als Ablesen der Nukleotidfolge von der DNA war über Jahrzehnte hinweg bis in die Mitte der siebziger Jahre ein ungelöstes Problem. Heute stehen verschiedene biochemische bzw. biotechnologische Methoden zur Verfügung, weitere Details dazu im Abschnitt Sequenzierungsmethoden. Die Kunst der DNA-Sequenzierung beschränkt sich jedoch nicht auf diese Methoden des direkten Ablesens: In jeder einzelnen Sequenzierreaktion werden auf Grund technischer Beschränkungen nur kurze DNA-Abschnitte (engl. reads) von weniger als 1000 bp (Basenpaare) abgelesen. In einem Sequenzierprojekt müssen folglich längere DNA-Abschnitte zunächst in kleinere Einheiten zerlegt, sequenziert und anschließend wieder zu einer vollständigen Gesamtsequenz zusammengefügt werden. Genomprojekte wie das Humangenomprojekt, bei denen mehrere Milliarden Basenpaare sequenziert werden, erfordern deshalb ein organisiertes und koordiniertes Vorgehen sowie den Einsatz von bioinformatischen Methoden. Um aus den rohen Sequenzdaten biologisch relevante Informationen zu gewinnen (beispielwseise Informationen über vorhandene Gene und deren Kontrollelemente), schließt sich an die Sequenzierung die DNA-Sequenzanalyse an. Ohne sie bleibt jede Sequenzinformation ohne wissenschaftlichen Wert.

Sequenzierungsmethoden

Es gibt heute mehrere Verfahren zum Ablesen der Sequenzinformation von einem DNA-Molekül, noch finden aber überwiegend Weiterentwicklungen der Methode nach Frederick Sanger Verwendung. Die Methode von Maxam und Gilbert ist in erster Linie historisch interessant. Die neuere Pyrosequenzierung, die für Spezialanwendungen genutzt wird, bietet Möglichkeiten der beschleunigten Sequenzierung durch hochparallelen Einsatz.

Maxam und Gilbert Methode

Die Methode von Allan Maxam und Walter Gilbert von 1977 beruht auf der basenspezifischen chemischen Spaltung der DNA durch geeignete Reagenzien und anschließender Auftrennung der Fragmente durch Gelelektrophorese. Die DNA wird zunächst am 5'-Ende mit radioaktivem Phosphat markiert. In vier getrennten Ansätzen werden dann jeweils bestimmte Basen vom Zucker-Phosphat-Rückrad der DNA abgespalten, beispielsweise spaltet das Reagenz Dimethylsulfat die Base Guanin (G) ab. Danach wird der DNA-Strang an den jetzt basenlosen Stellen komplett gespalten. In jedem Ansatz entstehen Fragmente unterschiedlicher Länge, deren 3'-Ende stets an bestimmten Basen gespalten worden war. Die Gelelektrophorese trennt die Fragmente nach der Länge auf, wobei Längenunterschiede von einer Base aufgelöst werden. Durch Vergleich der vier Ansätze auf dem Gel lässt sich die Sequenz der DNA ablesen. Ihren Erfindern ermöglichte diese Methode die Bestimmung der Operon-Sequenz eines Bakteriengenoms. Die Methode kommt heute kaum noch zum Einsatz, da sie hochgefährliche Reagenzien benötigt und schwerer automatiserbar ist als die zur gleichen Zeit entwickelte Didesoxymethode nach Sanger.


Didesoxymethode nach Sanger

Datei:Didesoxymethode.png
Prinzip der DNA-Sequenzierung nach der Didesoxy-Methode.
dNTP ist die allgemeine Abkürzung für ein Nucleotid und kann für dATP, dCTP, dGTP oder dTTP stehen. ddNTPs sind die entsprechenden Didesoxy-Varianten der dNTPs. Der Einbau eines ddNTPs führt zum Abbruch der Polymerisationsreaktion. Die blauen Punkte am 5'-Ende des Primers stellt eine Markierung dar (z.B. eine fluoreszierende Gruppe), mittels der die Syntheseprodukte später im Gel sichtbar gemacht werden können. Alternativ lassen sich auch radioaktiv markierte Nucleotide zur Polymerisationsreaktion einsetzen.

Die Didesoxymethode nach Sanger wird auch Kettenabbruch-Synthese genannt und stellt eine enzymatische Methode dar. Sie wurde von Sanger um 1975 entwickelt und ebenfalls 1977 mit der ersten vollständigen Sequenzierung eines Genoms (Bakteriophage φX174 [1]) vorgestellt. Sanger erhielt für seine Arbeiten zur DNA-Sequenzierung zusammen mit Gilbert 1980 den Nobelpreis für Chemie.

Ausgehend von einem kurzen Abschnitt bekannter Sequenz (Primer) wird durch das Enzym DNA-Polymerase einer der beiden komplementären DNA-Stränge verlängert. In vier sonst gleichen Ansätzen wird je eine der vier Basen zum Teil als Didesoxynukleotid (ddNTP) zugegeben. Diese "Kettenabbruch-Nukleotide" besitzen keine 3'-Hydroxygruppe: Werden sie in den neusynthetisierten Strang eingebaut, ist eine DNA-Verlängerung durch eine DNA-Polymerase nicht mehr möglich. In der Folge entstehen DNA-Fragmente unterschiedlicher Länge, die in jedem Ansatz stets mit dem gleichen ddNTP enden. Entweder der Primer oder das Kettenabbruchnukleotid ist radioaktiv markiert. Nach der Sequenzier-Reaktion werden die markierten Abbruchprodukte aus jedem Ansatz mittels Gelelektrophorese der Länge nach aufgetrennt. Durch Vergleich der vier Ansätze auf dem Gel kann man die Sequenz ablesen. Als Sequenzier-Reaktion kommt heutzutage eine Variation der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zum Einsatz. Anders als bei der PCR wird nur ein Primer eingesetzt, so dass die DNA nur linear amplifiziert wird.

Seit Anfang der neunziger Jahre werden vor allem mit Fluoreszenz-Farbstoffen markierte Didesoxynukleotide eingesetzt. Jedes der vier ddNTPs wird mit einem unterschiedlichen Farbstoff gekoppelt. Diese Modifikation erlaubt es, alle vier Didesoxynukleotide in einem Reaktionsgefäß zuzugeben, eine Aufspaltung in getrennte Ansätze und der Umgang mit Radioisotopen entfällt. Die entstehenden Kettenabbruchprodukte werden mittels Kapillar-Gelelektrophorese aufgetrennt und mit Hilfe eines Lasers zur Fluoreszenz angeregt. Die ddNTPs am Ende jedes DNA-Fragmentes zeigen dadurch Fluoreszenz unterschiedlicher Farbe und können so von einem Detektor erkannt werden. Die Abfolge der Farbsignale, die am Detektor erscheinen, gibt direkt die Sequenz der Basen des sequenzierten DNA-Stranges wieder.

Pyrosequenzierung

Die Pyrosequenzierung nutzt wie die Sanger-Sequenzierung die Fähigkeit der DNA-Polymerase zum Ablesen der DNA. Allerdings wird die DNA-Polymerase gewissermaßen „in Aktion” beobachtet wie sie nacheinander einzelne Nukleotide an einen neusynthetisierten DNA-Strang anhängt. Der erfolgreiche Einbau eines Nukleotids wird durch ein ausgeklügeltes Enzymsystem unter Beteiligung von Luziferase in einen Lichtblitz übersetzt und von einem Detektor erfasst. Die zu sequenzierende DNA dient als Matrizenstrang und liegt einzelsträngig vor. Ausgehend von einem Primer erfolgt die Strangverlängerung Nukleotid um Nukleotid durch kontrollierte Zugabe von Nukleotidtriphosphaten (NTPs). Bei Zugabe des passenden (komplementären) Nukleotids erhält man ein Signal, bei den unpassenden NTPs bleibt der Lichtblitz aus. Da überschüssiges NTP schnell aus der Lösung entfernt wird, kommt es zu keiner Vermischung der Signale. Werden mehrere gleiche Nukleotide hintereinander eingebaut, erhält man ein zur Nukleotidzahl proportional stärkeres Signal. Diese Möglichkeit der quantitativen Auswertung von Signalen ist eine der Stärken der Pyrosequenzierung. Sie wird zur Bestimmung der Häufigkeit von bestimmten Genmutationen (SNPs, engl. single nucleotide polymorphism), beispielsweise bei der Untersuchung von Erbkrankheiten eingesetzt. Die Pyrosequenzierung ist gut automatisierbar und eignet sich zur hochparallelen Analyse von DNA-Proben.

Sequenzierung durch Hybridisierung

Zu diesem Zweck werden auf einem Glasträger (DNA-Chip oder Microarray) kurze DNA-Abschnitte (Oligonukleotide) in Matrix-Anordnung fixiert. Die Fragmente der zu sequenzierenden DNA werden mit Farbstoffen markiert und das Fragmentgemisch wird auf der Oligonukleotidmatrix ausgebracht, so dass komplementäre fixierte und freie DNA-Abschnitte miteinander hybridisieren können. Nach dem Auswaschen ungebundener Fragmente lässt sich das Hybridisierungsmuster anhand der Farbmarkierungen und deren Stärke ablesen. Da die Sequenzen der fixierten Oligonukleotide und deren Überlappungsbereiche bekannt sind, kann man letztlich aus dem Farbmuster auf die zugrundeliegende Gesamtsequenz der unbekannten DNA rückschließen.

Hilfsmethoden

  • Shotgun-Sequenzierung
  • Chromosomal walks

Literatur

  • Maxam, A. & Gilbert, W.: A new method of sequencing DNA. In:

Proceedings of the National Academy of Sciences 74/1977. S. 560-4.

  • Sanger, F. , Nicklen, S. & Coulson, A.R.: (1977).

DNA sequencing with chain-terminating inhibitors. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 74/1977. S. 5463-7.


Allgemein:

Zu Maxam-Gilbert- und Sanger-Sequenzierung (englisch):

Zur Pyrosequenzierung:

Anschauliche Präsentation des Prinzips (englisch):
Zum hochparallelen Einsatz (englisch):

Zum Nobelpreis für Chemie 1980 (englisch):