In den letzten zwanzig Jahren wurden verschiedene Formen der Unterhaltungsmusik immer mehr als Vehikel für rechtsextremistisches Gedankengut benutzt. Von wenigen Ausnahmen wie dem Liedermacher Frank Rennicke abgesehen (– seine Lieder sind größtenteils rechtsradikal, aber von ihrem Charakter her keine Rockmusik), fallen darunter Bands, die der Rockmusik zuzuordnen sind, weshalb sich als Oberbegriff, auch unter den Rezipienten selbst, „Rechtsrock“ eingebürgert hat.
Das Phänomen des Rechtsrock
Rechtsrock umfasst mittlerweile eine Fülle von Genres und vermittelt rechtsradikales Gedankengut auf unterschiedliche Art. Der Kern sind die mehr oder weniger eindeutigen Texte. Auch die verwendeten Symbole, das Design der CD-Hüllen, die Musik-Videos sowie das Auftreten der Bandmitglieder bei Konzerten und deren Aussagen in Interviews kennzeichnen das Genre.
Geschichte des Rechtsrock
Rechtsrock ist ein Phänomen, das es erst seit den frühen 1980er-Jahren gibt. Zwar gab es auch vorher Musik von deutschen beziehungsweise für deutsche Nationalisten, doch bewegten sich solche Lieder (etwa die Hymnen der DVU oder der Wiking-Jugend) eher im Marschmusik-Rahmen, wie er vielleicht alte Nationalsozialisten, nicht aber Jugendliche ansprach.
Im Zuge von Punkrock und vor allem „Oi!“ traten dann erstmals Bands auf, die rechtsextreme Botschaften per Rockmusik vermittelten. Neben den britischen Skrewdriver ist hier auch die sehr umstrittene Frankfurter Gruppe Böhse Onkelz (bis Mitte der 80er-Jahre) zu nennen. Auffällig ist für die Entwicklung in Deutschland, dass die rechten Bands noch verhältnismäßig harmlos waren und noch keine klare politische Ausrichtung gefunden hatten (man vergleiche Störkraft oder Endstufe mit Landser). Die Entwicklung des Rechtsrock in den 80er-Jahren beschränkte sich auf ein Wiederaufleben des Chauvinismus in einer Jugendkultur.
Anfang der 1990er Jahre, nach der Wiedervereinigung und ungefähr zeitgleich mit der Welle von rassistischen Morden und Pogromen, extremisierte sich auch der (deutsche) Rechtsrock. Waren die Bands der ersten Phase deutschnational und eher verhalten rassistisch (im Sinne von: „Ausländer raus!“), so ergingen sich die Bands der 90er-Jahre in Vernichtungsphantasien, offenen Bekenntnissen zum Nationalsozialismus und neigten eher zur Verherrlichung denn zur Leugnung des Holocausts (beides wurde, sogar innerhalb des selben Liedes, vertreten). Aktuell ist die Lage so, dass das Gros der Rechtsrock-Veröffentlichungen rasch indiziert beziehungsweise beschlagnahmt wird, die Musik aber dennoch durch beispielsweise Tauschbörsen mehr oder minder große Verbreitung findet.
Das Vorkommen rechtsextremer Musik beschränkt sich keineswegs auf Deutschland. So können die britischen Skrewdriver als Pioniere des Rechtsrock gelten. Deren Sänger Ian Stuart war maßgeblich an der Gründung des Blood-and-Honour-Netzwerks beteiligt, dessen Ziel es ist, neonazistische Bands organisatorisch miteinander zu verknüpfen und zu fördern. Auch in Deutschland gibt es eine Division dieses Netzwerks, die trotz ihres Verbots im Jahre 2000 weiterhin aktiv ist. Trotz des extrem nationalistischen Charakters der einzelnen Bands ist die gesamteuropäische Koordinierung der Szene äußerst intensiv. Gründe für diese internationale Koordinierung der einzelnen Szenen ist sicher die rassistische Grundeinstellung der Musiker, durch die sie sich den ausländischen Bands verbunden fühlen.
Rechtsrock wird mittlerweile gezielt zur Werbung Jugendlicher für rechtsextreme Ideologien eingesetzt. In dem so genannten „Projekt Schulhof-CD“ versuchten deutsche Neonazis 2004 mehrere zehntausend Exemplare einer kostenlosen Compilation mit Stücken bekannter deutscher und internationaler Rechtsrock-Bands in der Nähe von Schulen und Jugendtreffs im gesamten Bundesgebiet zu verteilen, bis dagegen ein bundesweiter Beschlagnahmebeschluss erging. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) griff die Idee wenig später auf und nutzte für verschiedene Wahlkämpfe eigene CD-Produktionen.
Mangels Untersuchungen und Statistiken lässt sich kaum einschätzen, wie groß die verschiedenen rechtsextremen Musikszenen sind. Eine Hauptrolle dürfte jedoch der aus der Skinhead-Musik entstandene Rechtsrock spielen. In Deutschland sind viele Mitglieder rechter Musikgruppen wegen Volksverhetzung und anderen Delikten verurteilt worden.
Christian Dornbusch und Jan Raabe schätzen, dass zwischen der deutschen Wiedervereinigung 1990 und 2004 ca. 380 deutsche Bands annähernd 1.000 Rechtsrock-Platten veröffentlichten, wobei 2003 allein 86 Neuveröffentlichungen zu verzeichnen waren. Während 1990 lediglich das Kölner Label Rock-O-Rama rechtsextreme Musik vermarktete, konkurrieren heute (2004/2005) mehr als 30 Firmen, Labels und Vertriebe um deutsche und internationale Bands.
Bekannte Bands
- 08/15 (D)
- Böhse Onkelz (D) (Bis Mitte der 80er-Jahre)
- Blue Eyed Devils (USA)
- Brutal Attack (GB)
- Endstufe (D)
- Freikorps (D)
- Hauptkampflinie (D)
- Kahlkopf (D)
- Kommando Freisler (D)
- Kraft durch Froide (D)
- Kraftschlag (D)
- Kroizfoier (D) (seit 1996 eher als Rechtsextreme Metal-Band einstufbar)
- Landser (D)
- Macht und Ehre (D)
- Max Resist (USA)
- No Remorse (GB)
- Noie Werte (D)
- Nordwind (D)
- Nordfront (D)
- Oithanasie (D)
- Radikahl (D)
- Sachsonia (D)
- Skrewdriver (GB)
- Stahlgewitter (D)
- Störkraft (D)
- Sturmwehr (D)
Wichtige Personen im Bereich Rechtsrock
Siehe auch
Literatur
- Andreas Speit: Ästhetische Mobilmachung. Unrast Verlag, Dez. 2001, ISBN 3897718049
- Christian Dornbusch, Jan Raabe: RechtsRock. Unrast Verlag, Sept. 2002, ISBN 3897718081
- Rat u.a. (Hg.): White Noise. Unrast Verlag, Jan. 2001, ISBN 3897718073
- Christian Dornbusch, Jan Raabe: "Rechtsrock fürs Vaterland". In: Andrea Röpke/Andreas Speit (Hg.): Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis, Berlin : Links, 2004, S. 67-85, ISBN 3861533162.
Weblinks
- www.ida-nrw.de/ Überblicksartikel mit viel Onlineliteratur am Ende vom Verfassungsschutz NRW
- www.verfassungsschutz.de/ Rechtsextremistische Skinheads: Musik und Konzerte (pdf) Broschüre vom Bundesamt für Verfassungsschutz
- PopScriptum, Nr. 5, Rechte Musik Umfassendes Themenheft zur rechten Musik (von Rechtsrock bis Rennicke), herausgegeben vom Forschungszentrum Populäre Musik der Humboldt-Universität zu Berlin.
- Karl-Otto Albrecht, Ingo Dortelmann: Rechtsradikale Musik - wie erkennen?. Artikel in: Die Berufsbildende Schule (BbSch) 55 (2003) 10 (PDF
- Rechtsrock-Propaganda im Umfeld von Schulen? Artikel in: Telepolis, 12. Juli 2004, über das "Projekt Schulhof-CD"
- www.turnitdown.de Internetplattform, die dem Einfluss von Rechtxextremismus in der Musik- und Subkultur entgegentreten will
- Rechte ohne Trachten - Internetplattform will dem Einfluss von Rechten in der Musik- und Subkultur entgegentreten Artikel in Telepolis, 18.12.2004, über turnitdown.de
- www.antimanifest.de umfassende Auflistung von Bands und Liedermachern der rechten Szene