Mumblecore

Subgenre des Independent-Films
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Mumblecore ist ein in den USA entstandenes Subgenre des Independentfilms. Charakteristisch für Mumblecore sind kleine bis sehr kleine Produktionsbudgets, improvisierte Dialoge, die Nutzung von Innenräumen, die Auftritte von Laienschauspielern und generell Do it yourself-Ästhetik. Im Mittelpunkt der Handlung stehen oft junge Leute, ihre Innenansichten und zwischenmenschlichen Probleme, die sich in langen Dialogen Bahnen brechen. Mumblecore ist der Versuch, realitätsnahe menschliche Interaktionen unter Einbezug der persönlichen Erfahrungen der Regisseure und Schauspieler darzustellen. Namhafte Mumblecore-Filmemacher sind Andrew Bujalski, Mark Duplass, Jay Duplass, Aaron Katz, Greta Gerwig, Joe Swanberg,[1] Lynn Shelton und Axel Ranisch.

Schauspielerin und Regisseurin Greta Gerwig bei einer Premiere 2011

Geschichte

Andrew Bujalski wird als Godfather des Mumblecore bezeichnet.[2] Sein Regiedebüt aus dem Jahr 2002 Funny Ha Ha wird als erster Mumblecorefilm betrachtet.[3]

Im Jahr 2005 liefen einige Mumblecorefilem auf dem South by Southwest Film Festival (SXSW) in Austin/Texas, so z. B. Bujalskis zweiter FIlm Mutual Appreciation, The Puffy Chair von den Brüdern Mark und Jay Duplass und Kissing on the Mouth von Joe Swanberg.[2][4] Auf diesem Filmfestival lernten sich die Mumblecore-Regisseure erstmals kennen, sodass von einer Bewegung nicht gesprochen werden kann.

Das Wort Mumblecore stammt von Andrew Bujalskis Tontechniker Eric Masunaga. Er wurde während 2005 des South by Southwest Film Festivals nach den Gemeinsamkeiten der Filme Mutual Appreciation, The Puffy Chair und Kissing on the Mouth gefragt. Die für ihn offensichtlichste Gemeinsamkeit war die schlechte Qualität der jeweiligen Tonspuren der Filme. Sound ist ein häufig vernachlässigtes Element bei d.i.y.-Produktionen. Die Dialoge waren für ihn nur als mumble, als Genuschel hörbar.[5] Der Begriff ist zuerst von Bujalski in einem Interview mit der Zeitschrift indieWIRE verwendet worden.[3]

Direkte Vorbilder der Mumblecore-Regisseure sind die Lo-Fi-Independentfilme der 90-er Jahre. Archetypisch ist der Film Slacker von Richard Linklater, aber auch John Cassavetes wird sehr geschätzt. Spürbar ist auch der Einfluss von Kevin Smith (Clerks), Rose Troche und Guinevere Turner (Go Fish), letztlich auch Andy Warhols The Chelsea Girls und diverse andere seiner Talkies genannten stark dialoglastigen improvisierten Filme.[6]

Im Jahr 2007 wurden zehn Mumblecore-Filme im IFC Center, einem Programmkino in New York, unter der Überschrift „The New Talkies: Generation D.I.Y.“ gezeigt, die dem Genre zu weiterer Bekanntheit verhalfen. Eine ebensolche Rolle als Katalysator hat der von Filmkritikern betriebene New Yorker DVD-Verleih Benten Films inne, der Mumblecore-Filme promotete.[1]

Seit dem Erscheinen des Film Cyrus wird über das Ende des Mumblecore aufgrund der Professionalisierung der Regisseure gemutmaßt. Cyrus ist eine Studioproduktion unter Beteiligung bekannter Schauspieler. Die Filmemacher Mark und Jay Duplass sind jedoch weitgehend ihren Prinzipien treu geblieben. So haben sich die Schauspieler auf die Improvisation eingelassen.[7]

Mumblecore ist kein rein US-amerikanisches Phänomen. Seit etwa 2009 gibt es Berlin Mumblecore. Ähnlich wie bei der Berliner Schule wird versucht, in den Diskurs über den Deutschen Film einzugreifen, indem die Förder- und Produktionsbedingungen desselben kritisch reflektiert werden. Im Januar 2012 wurde Andrew Bujalski von den Betreibern des Filmmagazins Revolver zu einem Werkstadtgespräch nach Berlin eingeladen, die gleichzeitig wichtige Protagonisten der Berliner Schule sind. Wesentlich für die Entstehung des Berlin Mumblecore ist die Verbreitung von Crowdfunding in Deutschland seit etwa 2010. So ist die Finanzierung von Filmen jenseits der öffentlichen Filmförderung möglich geworden, die jedoch mit kleinen und sehr kleinen Budgets auskommen müssen oder wollen. Akteure des Berlin Mumblecore kritisieren die Deutsche Filmförderung dafür, dass der Zugang zu ihr sehr schwierig und langwierig ist. Um überhaupt produzieren zu können, verzichten sie auf größere geförderte Budgets.[8]

Berlin Mumblecore-Filme sind z. B. Austern ohne Schale (2009) von Jette Miller. Im Jahre 2011 wurden die Filme Frontalwatte (von Jakob Lass) und Papa Gold (von Tom Lass) veröffentlicht. Im Jahr 2012 erschien Klappe Cowboy von Timo Jacobs und Ulf Behrens sowie Dicke Mädchen von Axel Ranisch (mit Heiko Pinkowski), der eine ganze Reihe Filmpreise auf Festivals einspielte und überwältigte Reaktionen bei Kritikern und Publikum hervorrief.[9] Ranisch verfasste zu Dicke Mädchen ein eigenes Manifest, das Sehr gute Manifest.[10]

Auflistung von Mumblecore-Filmen

  • 2002:
    • Funny Ha Ha von Andrew Bujalski
  • 2005:
    • Kissing on the Mouth von Joe Swanberg
    • The Puffy Chair von Jay Duplass und Mark Duplass
    • Mutual Appreciation von Andrew Bujalski
  • 2006
    • Dance Party USA (film)|Dance Party USA von Aaron Katz
    • LOL von Joe Swanberg
    • In Between Days von So Yong Kim
  • 2007
    • Hannah Takes the Stairs von Joe Swanberg unter Mitarbeit von Greta Gerwig
    • Quiet City von Aaron Katz
    • Hohokam von Frank V. Ross
    • Orphans von Ry Russo-Young
    • Team Picture von Kentucker Audley
    • Frownland von Ronald Bronstein
  • 2008
    • Baghead von Jay Duplass und Mark Duplass
    • In Search of a Midnight Kiss von Alex Holdridge
    • The Pleasure of Being Robbed von Joshua Safdie und Ben Safdie
    • Nights and Weekends von Joe Swanberg und Greta Gerwig
    • Yeast von Mary Bronstein
    • Momma's Man von Azazel Jacobs
  • 2009
    • Alexander the Last von Joe Swanberg
    • Medicine for Melancholy von Barry Jenkins
    • Humpday von Lynn Shelton
    • Beeswax von Andrew Bujalski
    • Daddy Longlegs von Josh Safdie and Ben Safdie
    • Sorry, Thanks von Dia Sokol
    • The Exploding Girl von Bradley Rust Gray
    • Breaking Upwards von Daryl Wein
    • You Wont Miss Me von Ry Russo-Young
    • Austern ohne Schale von Jette Miller
  • 2010
    • Cyrus von Jay Duplass und Mark Duplass
  • 2011
    • Cold Weather von Aaron Katz
    • Uncle Kent von Joe Swanberg
    • Frontalwatte von Jakob Lass
    • Papa Gold von Tom Lass
  • 2012
    • Jeff, Who Lives at Home von Jay Duplass und Mark Duplass
    • Your Sister's Sister von Lynn Shelton
    • The Do-Deca-Pentathlon von Jay Duplass und Mark Duplass
    • Entrance von Dallas Richard Hallam und Patrick Horvath
    • The Comedy von Rick Alverson
    • Dicke Mädchen von Axel Ranisch

Websites

Quellen

  1. a b Dennis Lim: A Generation Finds Its Mumble. New York Times vom 19. August 2007, abgerufen am 17. Dezember 2012.
  2. a b A Genre Worth Shouting About, The Independent. abgerufen am 17. Dezember 2012.
  3. a b Youth Quake: Mumblecore Movies, New Yorker. abgerufen am 17. Dezmeber 2012.
  4. Mumblecore Goes Mainstream, Variety. abgerufen am 17. Dezember 2012.
  5. Amy Taubin: MUMBLECORE: ALL TALK? PROS AND CONS OF THE MUCH-HYPED NEO-INDIE MOVEMENT. In: Filmcomment abgerufen am 17. Dezember 2012.
  6. Alicia Van Couvering: WHAT I MEANT TO SAY. In: Filmmaker Magazine. abgerufen am 17. Dezember 2012
  7. Mumblecore meets the mainstream in Cyrus at Sundance, abgerufen am 17. Dezember 2012
  8. Acthung Berlin 2012 wrapup: The talks. Berlin Film Central. Berlin News and Indie Film Making in Berlin. 24. April 2012, abgerufen am 17. Dezember 2012
  9. Denis Demmerle: Eine neue Schule. In: Berliner Filmfestivals. vom 28. April 2012, abgerufen am 17. Dezember 2012.
  10. Axel Ranisch, Heiko Pinkowski, Dennis Pauls, Anne Baeker: Sehr gutes Manifest. In: Schnitt.de vom 8. Februar 2012.