Miles Davis

US-amerikanischer Jazz-Trompeter, -Flügelhornist, Komponist und Bandleader
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Miles Dewey Davis III. (* 26. Mai 1926 in Alton, Illinois; † 28. September 1991 in Santa Monica) war ein afroamerikanischer Jazz-Trompeter, Komponist und Bandleader. Er gilt als einer der einflußreichsten und innovativsten Musiker des 20. Jahrhunderts.

Leben

Jugend (1926 - 1944)

Miles Davis stammte aus einem vermögenden Elternhaus. Sein Vater verdient als Zahnarzt gut für die Verhältnisse der Schwarzen damals. Außerdem besaß die Familie eine Farm mit 500 Morgen Land. Dort lernte Miles auch reiten. Bereits 1927 zog er mit seinen Eltern nach East St. Louis in ein Viertel ohne Rassentrennung um, wo er seine gesamte Kindheit verbrachte. Mit 9 Jahren bekam er von einem Freund seines Vaters seine erste Trompete geschenkt, aber erst als er mit 13 ein neues Instrument und Unterricht bekommt macht er wirklich Fortschritte. Sein erster Lehrer Elwood Buchanan lehrt ihn auch ohne Vibrato zu spielen, obwohl dass damals bei den Jazztrompetern sehr in Mode war. Miles sollte den Rest seiner Karriere für seinen klaren Ton bekannt bleiben.

Während seiner High School zeit freundet sich Davis mit Clark Terry an. Das coole Auftreten und der Trompetenstil des sechs Jahre älteren Mannes hatten großen Einfluss auf Miles Davis. Mit sechzehn trat Miles in die Musikergewerkschaft ein und mit siebzehn spielte er ein Jahr lang in Eddie Randle's “Blue Devils”. Während dieser Zeit bekam er das Angebot mit der Tiny Bradshaw Band auf Tour zu gehen, aber seine Mutter bestand darauf, dass er seine High School beendete. 1944 besuchte die Billy Eckstine Band St. Louis. Damals waren Dizzy Gillespie und Charlie Parker Bandmitglieder und Davis durfte als dritter Trompeter für ein paar Wochen den kranken Buddy Anderson vertreten. Diese Band hatte mit ihrem Bebop einen nachhaltigen Eindruck bei dem 18jährigen hinterlassen.

Ebenfalls 1944 bekommt seine Freundin Irene Birth eine Tochter. Da Irene aber auch noch andere Liebschaften hatte wusste Miles nicht sicher ob Cheryl sein Kind ist, er übernahm aber die finanzielle Verantwortung dafür.

Bebop und Cool Jazz (1944 bis 1955)

Im selben Jahr noch (1944) zog Davis nach New York City unter dem Vorwand die Juilliard School of Music zu besuchen. Tatsächlich aber machte er sich sofort auf die Suche nach Dizzy Gillespie und Charlie Parker. Bereits nach wenigen Semestern brach er das Studium ab, da die dortige Ausbildung zu sehr eingeschränkt, klassisch und für Davis's Geschmack zu “weiß” war. Gleichzeitig warf er aber Parker und Lester Young vor sich zu wenig mit dieser Musik auseinanderzusetzen. Davis ging öfters in die öffentliche Bibliothek um sich die Partituren von Strawinsky, Alban Berg, Prokofieff und anderen auszuleihen. Mittlerweile war er Mitglied in Charlie Parkers Quintet. 1945 machte er seine ersten Plattenaufnahmen zusammen mit Charlie Parker. Davis' Trompetenstil war bereits ausgeprägt, doch es mangelte ihm an Selbstvertrauen und an der technischen Virtuosität seiner Vorbilder. Seine ganze Karriere über sollte Davis in seinen technischen Möglichkeiten auf der Trompete begrenzt bleiben, ohne dass dies seine Kreativität und seinen Einfluss auf die Jazzmusik behindert hätte.

1946 ging Miles für einige Zeit mit Charlie Bird und Dizzy Gillespie nach Los Angeles, um den Bebop auch an der Westküste bekannt zu machen. Im selben Jahr brachte Irene ihr zweites Kind Gregory auf die Welt. Als Charlie Birds' Heroinabhängigkeit immer mehr zum Problem wurde began Miles Davis sich auf seine Solokarriere zu konzentrieren und arbeitete mit Gerry Mulligan und Gil Evans, und anderen auf die Gründung eines Nonets hin. Dies war gleichzeitig der Beginn einer 20-jährigen Zusammenarbeit mit Gil Evans. Um den gewünschten Sound zu erreichen wurden so ungewöhnliche Instrumente wie die Tuba und das Horn eingesetzt. Im September 1948 trat diese Gruppe dann zum ersten mal auf. Bereits ein Jahr später löste sich das Nonet wieder auf, hatte aber vorher zwölf Aufnahmen für Capitol Records gemacht, die als 78er Schallplatten nicht allzu erfolgreich verkauft wurden. Die Aufnahmen wurden erst 1957 richtig berühmt, als sie gesammelt unter dem Titel “The Birth Of The Cool” veröffentlicht wurden. Der Einfluss war aber schon vorher in der Jazzszene zu spüren, da sie den “Cool Jazz” begründeten, der von Chet Baker, Stan Getz und Shorty Rogers aufgenommen wurde und die bald schon den Ton angaben was gerade angesagt war.

In New York war Davis ständig in Kontakt mit Drogen. Als er 1950 vom Pariser Jazzfestival zurückkehrte, wo er sich unglücklich in Juliette Greco verliebt hatte und sich dann in den USA wieder den Rassismusproblemen ausgesetzt sah, während er in Paris wie ein Star behandelt worden war wurde Davis immer mehr drogenabhängig. Er teilte diese Abhängigkeit mit vielen seiner Kollegen, so zum Beispiel Thelonious Monk, Chet Baker, Billie Holiday, Sonny Rollins, Stan Getz und vielen anderen. Für die nächsten Jahre spielte Davis zwar viele Sessions, zumeist jedoch uninspiriert. Aufgrund seiner Sucht und des damit verbunden Imageschadens konnte er nur für kleine Labels wie "Prestige" oder "Blue Note" Aufnahmen machen. Er schaffte es auch nicht eine feste Gruppe zusammenzuhalten. Um sich von der Droge zu befreien zog er 1954 nach East St. Louis und wurde dort mit Unterstützung seines Vaters seine Abhängigkeit los. Um nicht ständig in Berührung mit den New Yorker Drogenkontakten zu kommen, ging er vorerst nach Detroit, wo er auch musikalisch wieder zu kräften kam.

Im März 1954 kam er dann wieder nach New York. Dort entdeckte er bald darauf den Harmon-Dämpfer aus Metall den er mit entferntem Stiel spielte. Dieser Dämpfer prägte vortan den Sound vieler seiner Stücke und er sollte ihn zeit seines Lebens verwenden. Im laufe des nächsten Jahres machte er mehrere wichtige Aufnahmen für das Prestige Label. Aufgrund der Weiterentwicklung der Tontechnik zur Langspielplatte war es mittlerweile möglich Jazzstücke aufzunehmen die länger als 3 Minuten waren. Miles hatte jetzt die Möglichkeit sein Können bei längeren Soli unter beweis stellen. So zum Beispiel beim über 13 Minuten langen “Walkin'”, dass für die Jazzmusiker der Zeit ein wegweisendes Stück war, von den Kritikern aber noch nicht so richtig anerkannt wurde.

Sein großes Comeback hatte Miles Davis im Juli 1955 als er unangekündigt beim Newport Jazz Festival für drei Stücke auf die Bühne kam und zu Monk's “'Round Midnight” ein legendäres Solo spielte. Dieser Auftritt führte dazu, dass George Avakian ihn bei Columbia unter Vertrag nahm, obwohl er gleichzeitig noch einen Vertrag bei Prestige zu erfüllen hatte. Die Erlaubnis dafür erreichte er bei Prestige, indem er sie überzeugte, dass Prestige bei den noch ausstehenden Aufnahmen von der Werbung der wesentlich größeren Plattenfirma Columbia profitieren würde.

Das erste Quintet und Sextet (1955 - 1958)

1955 gründete Davis dann sein brühmtes Miles Davis Quintet. Die Band bestand aus John Coltrane (Tenorsaxophon), Red Garland (Piano), Paul Chambers (Bass) und Philly Joe Jones (drums). Das Quintet wurde schnell berühmt. Um den Vertrag bei Prestige zu erfüllen nahm die Band an nur zwei Tagen insgesamt vier Alben auf (Workin', Cookin', Steamin' und Relaxin'). Dass die Qualität der Alben unter dieser Fließbandarbeit praktisch nicht gelitten hatte zeigt wie gut das Quintet damals funktionierte. Für Columbia nehmen sie fast zur selben Zeit das Album “'Round About Midnight” auf, auf dem die Gruppe noch fokusierter und sorgfältiger zu Werke geht. Zu dieser Zeit wurde Miles Davis zu einem echten Star in der Jazzszene. Sein distanzierte und coole Haltung - er drehte dem Publikum bei Auftritten des öfteren den Rücken und verließ bei den Solos seiner Kollegen die Bühne - waren der Inbegriff dessen was zu der Zeit hip und cool war. Sein selbstbewußtes Auftreten in der Öffentlichkeit war vielen der Schwarzen damals ein Vorbild.

1957 nimmt Davis das Album “Miles Ahead” auf, das aufwendig orchestriert ist und ihm wenig improvisatorischen Spielraum läßt. Trotzdem ist Miles sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Ausnahmsweise spielt er fast alle Aufnahmen mit dem Flügelhorn ein. Das Album wird ein kommerzieller Erfolg. Aufgrund ihrer Drogenexszesse ersetzte Davis Coltrane und Jones durch Sonny Rollins und Arthur Taylor. Doch er ist mit dem Sound des neuen Quintets nicht hunderprozentig zufrieden und engagiert Julian Cannonball Adderley. Mittlerweile haben Rollins und Red Garland das Quintet verlassen. Neuer Pianist war Tommy Flanagan. Als John Coltrane seine Drogensucht überwunden hatte wollte Miles in zurückholen. Vorher ging er aber nach Paris um dort mit Kenny Clarkes Quartet zu spielen. Als er Louis Malle vorgestellt wurde ließ er sich überreden die Musik für den Film “Ascenseur pour l'échafaud” (Fahrstuhl zum Schafott) zu schreiben und aufzunehmen. In nur einer Nacht entstanden die Aufnahmen die Miles mit einer ganz neue Arbeitsweise im Studio vertraut machten. Statt großer Plannung wurde auf kurze Anweisungen und Spontanität gesetzt. Eine Technik die auch bei so legendären Alben wie "Kind of Blue" oder "Bitches Brew " anwendung finden sollte.

In New York zurück gelang es Miles sein Traumsextett zusammenzustellen indem er Coltrane und Garland zurück holte. Nach einigen Auftritten spielte die Gruppe das Album “Milestones” ein, das durch Adderleys Beitrag neben dem Bebop auch etwas blusigere Stück hatte. Auserdem wird der neu aufkommende modale Jazz weiterentwickelt. Miles Davis spielte bei der Entwicklung dieser Stilrichtung wieder ein wegweisende Rolle. Bei den Aufnahmen dazu kam es zu einem Streit zwischen Garland und Davis, so dass letzterer bei dem Stück “Sid's Ahead” selbst Klavier spielte. Etwa zu der Zeit als Bill Evans an Garlands stelle trat verließ Philly Joe Jones entgültig die Band. Da Jones das Sextet kurz vor einem Auftritt in Boston verließ musste sein Ersatz Jimmy Cobb aus New York nachreisen und baute sein Instrument auf während die Band schon spielte und begann sein Engagement beim Miles Davis Sextet mitten in “'Round Midnight”.

Ende Mai stand mit den beiden Neuzugängen eine zuverlässige und musikalisch geschliffenere Version des Sextets, die in dieser Form 7 Monate bestehen sollte und sich dann für “Kind of Blue” nochmals im Studio versammelte. Als Bill Evans die Gruppe verließ weil ihn das ständige Touren auslaugte wurde kurzzeitig Red Garland zurückgeholt um ihn dann als er wieder einmal zu spät zu einem Auftritt kam durch Wynton Kelly zu ersetzten.

Kind of Blue (1959 – 1964)

Damit stand die Formation, mit der Miles Davis im Frühjahr 1959 ins Studio ging und sein legendäres Album Kind of Blue Aufnahm. Bill Evans kehrte dafür nocheinmal zurück und überließ Wynton Kelly nur für das Stück “Freddie Freeloader” das Klavier. In zwei Sessions am 2. März und 22. April entstand ein Album, das beispielhaft für den modalen Jazz ist und nach Aussage von Columbia Records und der RIAA das meistverkaufte Jazzalbum überhaupt ist. Über 6 Millionen Einheiten sollen davon bisher abgesetzt worden sein.

Doch die großen Innovativen Kräfte, die für die Klasse dieses Albums verantwortlich waren sorgten auch dafür, dass das Sextet nicht allzulange bestand hatte. John Coltrane konnte noch zu einer letzten Europatournee im Frühjahr 1960 überredet werden bevor er Ausstieg um seine eigene Band zu gründen. Cannonball Adderley hatte die Gruppe schon im Herbst 1959 verlassen, und Davis probierte verschiedene Ersatzmänner für die beiden Saxophonspieler aus, unter anderem Sonny Sitt und Hank Mobley. Am 21. Dezember 1960 heiratete Miles Davis seine Freundin Frances Taylor. Im April des folgenden Jahres nahm er im Blackhawk in San Francisco zum ersten mal explizit für eine LP-Veröffentlichung ein Konzert auf. 1961 wurde bei ihm dann die Sichelzellenanämie diagnostiziert. Während es ihm mittlerweile finanzielle gut geht und er ein fünfgeschossiges Haus in der Uppper West Side von Manhattan bezieht tritt er musikalisch zu dieser Zeit etwas auf der Stelle. 1963 verließ dann auch die Rhythmusgruppe aus Kelly, Chambers und Cobb die Band. Davis formte schnell eine neue Band zusammen mit George Coleman am Saxophon und Ron Carter am Bass. Später stießen noch Schlagzeuger Tony Williams und Pianist Herbie Hancock zu der Gruppe die 1963 das Album Seven Steps to Heaven aufnahm. Miles war von Anfang an von dieser Formation begeistert. Das Repotoir bestand hauptsächlich aus Bebop und Standards, die man schon von Davis frühere Bands kannte, die jetzt aber mit mehr rhymsicher und strutureller Freiheit gespielt wurden.

Ende Februar 1964 starb dann auch Davis' Mutter. Um die Gelenkschmerzen die durch die Sichelzellenanämie entstehen zu lindern trank Miles viel Alkohol und nahm Kokain, was auch seine Ehe in schwere Mittleidenschaft zog. Im selben Jahr verließ Coleman das Qintet und der Avantgarde Saxophonist Sam Rivers übernahm für kurze Zeit. Da Rivers sich aber Richtung Free Jazz orientierte, ein Stil den Davis ablehnte, suchte Davis weiter nach einem Saxophonisten Im Sommer 1964 bringt er Wayne Shorter dazu Art Blakey's Jazz Messengers zu verlassen und zu ihm zu stoßen. Shorter machte dies nur widerstrebend, da er bei Art Blakey der musikalischen Leiter geworden war.

Das zweite Quintet (1965 – 1968)

Mit Tony Williams (Schlagzeug), Herbie Hancock (Piano), Ron Carter (Bass), Miles Davis und dem neuen Wayne Shorter stand das zweite große Quintet Miles Davis' das auch seine letzte akkustische Gruppe sein sollte. 1965 nahm die Formation das Album E.S.P. auf, das neue Kompositionen und ein neues Spielkonzept vorstellt. Im selben Jahr wurde Davis nach einer gewalttätigen Auseinandersetztung von seiner Frau Frances verlassen. Im April dann muss Davis an der Hüfte operiert werden. Da die Operation fehl schlug wurde eine weitere im August notwendig, so dass er erst im November wieder Auftretten konnte. Kurz vor Weihnachten entstanden bei einem Gastspiel im Chicagoer Plugged Nickel Mitschnitte, die zeigen, wie gut die offene Interaktion der Band mittlerweile funktionierte. Doch schon im Januar 1966 erkrankte Miles an einer Leberentzündung und mußte erneut drei Monate lang aussetzen.

In die folgenden Jahren entstand eine Serie weiterer Schallplatten: Miles Smiles (1966), Sorcerer (1967), Miles in The Sky (1968) und Filles de Kilimanjaro (1968). Doch die Verkaufszahlen der Alben sanken rapide. 1967 stieß Tenorsaxophonist Joe Henderson für einige Zeit zur Band ohne das aber Aufnahmen mit ihm entstanden. Im lauf des Jahres begann die Band mit der ungewöhnlichen Praxis ihre Livekonzert in durchgehenden Sets zu spielen, wobei ein Stück nahtlos in das Nächste überging. Davis' Bands würden diese Technik bis zu seinem Rückzug von der Musik 1975 beibehalten. Ende '67 begann Miles im Studio mit dem Fender-Rhodes-Piano zu Experimentieren. Bereits in den 40ern hatte er Klavierspielen gelernt. Außerdem holte er sich zur Erweiterung seines Quintets Gitarren ins Studio (unter anderem George Benson). Die meisten Stück schrieb zu dieser zeit Wayne Shorter. Auf den Alben Miles Smiles und Filles de Kilimanjaro tauchen zum ersten mal elektrische Instrumente auf und weisen den Weg zu Davis' Fusion-Phase. 1968 verliessen Herbie Hancock und Carter das Quintet und wurden durch Dave Holland (Bass) und Chick Corea (Piano) ersetzt. Auf dem Album Filles de Kilimanjaro sind sowohl die neue als auch die alte Besetzung zu hören. Am 30. September heiratete Davis die 23jährige Sängerin Betty Mabry deren Gesicht auch auf dem Album Filles de Kilimanjaro zu sehen ist.

In den folgenden Jahrzehnten spielte er mit den Großen des Jazz. Er entwickelte immer wieder neue Richtungen im Jazz und vermischte verschiedene Stilrichtungen in seiner Musik. So wirkte er stilbildend auf andere Musiker.

Fusion (1969 - 1975)

Im Februar 1969 nahm Miles das Album In a Silent Way auf. Die Platte wird als erstes echtes Fusionalbum bezeichnet, da es eine Fusion aus Jazz und Rockmusik darstellt. Seine Ehefrau Betty Mabry, die mit Jimi Hendrix befreundet ist, wird als großer Einfluss auf Davis' damalige musikalische Entwicklung gesehen (der Nachfolger Bitches Brew wurde bezeichnenderweise wenige Tage nach dem Woodstock Festival aufgenommen). Neben seinem Quintet holte Miles für die Aufnahmesession den jungen Gitarrist John McLaughlin ins Studio. Außerdem kam Herbie Hancock zurück und Joe Zawinul komplettierte die Formation, die damit zusammen mit Chick Corea immerhin drei Keyboarder beinhaltete.

Das neue an dem Album ist die große musikalische Freiheit die den Musikern zugestanden wird. Ein echtes Songkonzept ist kaum mehr zu erkennen. Außerdem werden die langen Improvisationen von Miles und dem Produzent Teo Macero intensiv nachbearbeitet. Die Track die schließlich auf dem Veröffentlichten Album landen sind zusammenschnitte aus verschiedenen Sessions und der Einfluss des Produzenten auf das fertige Produkt ist so groß wie noch nie bei Miles Davis. Tatsächlich blieb Teo Macero, mit dem Miles seit Sketches of Spain regelmäßig gearbeit hatte für die nächste Zeit ein wichtiger Partner für Miles' arbeit. Das Album besteht letzt endlich nur aus zwei Stücken die jeweils eine komplette Schallplattenseite füllen. Nach diesen Aufnahmen verließ Tony Williams die Band um seine Gruppe Lifetime zu gründen. Er wurde durch Jack DeJohnette ersetzt.

Im August ging Miles dann ins Studio um Bitches Brew (veröffentlicht 1970) aufzunehmen. Das Album gilt als einer der größten Meilensteine in Miles schaffen. Die Besetztung von In a Silent Way wird noch durch weitere Musiker, zum Beispiel Bennie Maupin, erweitert. Das Prinzip von In a Silent Way wird noch weiter geführt und heraus kam eine völlig neue Interpretation von Jazz.

Im Gegensatz zum bisherigen Jazz bestand die Band nicht aus den üblichen Blechbläsern, akkustischem Klavier und Bass und einem Schlagzeug. Zum ersten Mal dominierten die elektrischen Instrumente, Miles begann zu dieser Zeit auch den Sound seiner Trompete zu verstärken und durch Effektegeräte wie etwa das Wah-Wah Pedal zu beinflußen. Auch spielten bis zu drei Schlagzeuger und zwei Bassisten gleichzeitig. Der Rhytmus wurde auch nicht mehr von Swing dominiert sondern von elementen des Funk und ähnlicher Rockmusikrichtungen. Die Postproduktion, zum Beispiel durch Loops, wurde viel wichtiger als bei traditionellen Jazzaufnahmen und war echter Bestandteil des kreativen Prozesses. Das Stück “Pharaoh's Dance” zum Beispiel besteht aus 19 schnitten.

Die beiden Alben, besonders Bitches Brew, sind auch kommerziel ein großer Erfolg für Miles Davis. Für Bitches Brew bekommt er zum ersten Mal eine Goldene Schallplatte für damals 400.000 verkaufte Einheiten (heute ist die Grenze bei 500.000 Stück). Es ist auch gleichzeitig die erste goldene Schallplatte der Jazzgeschichte. Damit ist es zu diesem Zeitpunkt sein meistverkauftes Werk. Erst viel Später wurde es von dem 11 Jahre vorher veröffentlichten Kind of Blue überholt, dass mittlerweile als das meistverkaufte Jazzalbum überhaupt gilt. Während dieser Zeit tourte mit dem “Lost Quintet”, bestehend aus Shorter, Corea, Holland und DeJohnette. Die Gruppe spielte Stücke aus den letzten beiden Alben, den Platten des zweiten Quintets aber hin und wieder auch alte Jazz Standards.

Mit dieser Musik zog Miles ein großes Publikum aus dem Bereich der Rockmusik an während er einige alte Fans abschreckte. Miles trat im Vorprogramm von Rockbands wie der Steve Miller Band und Santana auf. Carlos Santana ist sich Miles musikalischer Bedeutung durchaus bewußt und sagte, dass eigentlich er im Vorprogramm von Davis spielen hätte sollen und nicht anderst herum. Davis tritt 1970 auch in Bill Grahams Fillmore East und Fillmore West auf, beides große Foren der damaligen Rockmusik, und dem Isle of Wight Festival.

1972 musste sich Miles einer Gallensteinoperation unterziehen. Das ganze Jahr über hatte Miles gesundheitliche Schwierigkeiten. Mit dem Album On The Corner versuchte Miles bewußt das schwarze Massenpublikum zu ereichen. Die Keyboard-Flächen von In a Silent Way und Bitches Brew wurden zu einem dichten Perkussionsgeflecht. Der Erfolg war jedoch mäßig. Im Oktober hatte er dann einen Autounfall bei dem er sich beide Knöchel brach.

Im Jahr darauf (1973) trennte sich seine Lebensgefährtin Jackie Battle von ihm. Zudem nahme er gegen Schmerzen immer mehr Kokain. Auf seinen Konzerten spielte er mittlerweile immer öfter Keyboards. Seine Popularität sank wieder. Trotz gesundheitlicher Probleme spielte er weiter zahllose Konzerte und Tourneen. Während der Japan Tournee im Januar und Februar 1975 nahm er um die Tour durchstehen zu können pro Tag acht Schmerztabletten. Pangaea und Agharta, zwei am selben Tag bei dieser Tournee aufgenommene Live-Alben, gelten heute noch als die wichtigsten Live-Alben des Electric Jazz. Nach einem Konzert in St. Louis an Ostern mußte er wegen blutenden Magengeschwürden ins Krankenhaus eingeliefert werden. Kurz darauf wurden ihm auch achtzehn Polypen im Kehlkopf entfernt. Am 5. September spielte er ein im Central Park in New York. Es sollte bis 1981 sein letztes Konzert sein. Weitere geplante Konzerte mussten aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden. Im Dezember mußte er ein weiteres mal an der Hüfte operiert werden. Aber auch künstlerisch fühlte Miles Davis sich ausgelaugt.

Von 1975 bis Anfang 1980 nahm Davis sein Instrument nicht in die Hand. Er nahm große Mengen an Alkohol, Schmerzmittel, Heroin und Kokain zu sich und rauchte viel. Anfang 1978 entstanden mit Gitarrist Larry Coryell Aufnahmen die allerdings nicht veröffentlicht wurden. Davis spielt darauf nur Keyboard. Columbia veröffentlichte in dieser Zeit Archivaufnahmen um die Zeit zu überbrücken.

Während dieser Zeit wurde der Fusion Jazz von Miles Proteges und anderen weiterentwickelt und fand einzug in den Mainstream. Treibende Kräfte dieser Musik, wie zum Beispiel Herbie Hancock, Chick Corea, John McLaughlin's Mahavishnu Orchestra und Weather Report (mit Wayne Shorter und Joe Zawinul), spielten alle bei Miles Davis in der Band.

Die letzte Dekade (1981 - 1991)

Mit der Rückkehr von Cicely Tyson in sein Leben begann Miles seinen Drogenkonsum zu reduzieren. Im April fing er auch damit an mit jungen Chicagoer Musikern zu proben. Im Mai entsanden die ersten Aufnahmen zu The Man With The Horn, sein Comback-Album das 1981 erschien. Das Album kam aber nicht besonders gut an. Auf dem Album spielte unter anderem Mike Stern. Miles verzichtete weitestgehend auf Effektegeräte und spielte seine Trompete wieder auf traditionellere Weise. Die Band dagegen ist mehr Pop orientiert. Mit Mike Stern, Marcus Miller (Bass) und Bill Evans (Saxophon und keine Verbindung zum Pianisten) und anderen begann er wieder zu Touren. Seine Mitmusiker bekamen recht schlechte Kritiken, insgesamt hielt sich die Begeisterung über Miles Davis' neue Musik in Grenzen. Am 27. November 1981 heiratete Miles dann Cicely Tyson. Im Februar 1982 hatte er einen Schlaganfall und für einige Wochen war seine rechte Hand gelähmt. Er behandelte sie mit chinesischen Kräutern und Physiotherapie. Im April ging er schon wieder auf Europatournee.

Während dieser Zeit begann er sich für die Malerei zu interessieren um sich von Drogen abzulenken. Zunächst zeichnete er primitve Figuren um dann später viel mit kräftigen Farben zu experimentieren. Die Arbeiten der Mailänder Memphis Group hatte starken Einfluß auf ihn. Später wurden seine Kunstwerke stark von der afrikanischen Einflüssen inspiriert. Im Gegensatz zu seiner umfassenden Musikerausbildung arbeitete er bei der Malerei als Autodidakt.

Das 1982 erschienene Live Album We Want Miles, aufgenommen 1981, bekamen sehr gute Kritiken und wurde mit einem Grammy ausgezeichnet. 1983 war er durch eine erneute Hüftoperation und eine Lungenentzündung wieder für Monate außer Gefecht gesetzt. 1984 kehrte er auf die Bühne zurück. Mittlerweile war John Scofield zu seiner Band gestoßen, der an der Prokution von Star People (1983) und Decoy (1984) stark beteiligt war. Miles experimentierte bei diesen Alben mit Soul Musik und Elektronik. Zu dieser Zeit spielte auch Darryl Jones in seiner Band, der später bei den Rolling Stones Bill Wyman ersetzen sollte.

1985 nahm er dann You're Under Arrest auf bei dem er wieder den Stil veränderte. Er spielte Interpretationen von zwei Popsongs, Cyndi Lauper's Time After Time und Michael Jackson's Human Nature. Dafür bekam er viel Kritik in der Jazzpresse obwohl der Rest der Platte durchaus gelobt wurde. Davis merkte dazu nur an, dass viele akkzeptierte Jazz Standards einfach nur Popsongs von Broadwaystücken seien. You're Under Arrest sollte auch Davis's letztes Album für Columbia sein. Da er verärgert war über das demonstrative Engagement für den jungen Trompetenstar Wynton Marsalis, der Miles für seine ständigen musikalischen Experimente und neuen Wege kritisiert hatte, und das gleichzeitige Desinteressiert an Davis Aufnahmen wechselte er zu Warner Brothers.

Ebenfalls 1985 spielte er in einer Folge von Miami Vice den Drogendealer und Zuhälter Ivory Jones. Einen weiteren Auftritt als Schauspieler hatte er in der australischen Produktion Dingo von 1990 die ein Jahr später in den Kinos erschien. Dazu steuerte er mit Michel Legrand auch den Soundtrack bei. Ebenfalls 1990 arbeitete er am Soundtrack zu The Hot Spot mit, einem Film von Dennis Hopper mit Don Johnson in der Hauptrolle. Dieser Soundtrack war stark von John Lee Hookers Bluesgitarre und dessen Musikstil geprägt. Miles Davis fügte sich aber nahtlos in das musikalische Konzept ein.

Auf dem ersten Album für Warner Brothers Tutu (1986) waren zum ersten mal auf einem Davis-Album programmierte Synthesizer, Samples und Drumloops zu hören. Mit dem Album gewann er 1987 nach Bitches Brew und We Want Miles seinen dritten Grammy. 1988 ließ er sich von Cicely Tyson wieder scheiden. Im gleichen Jahr wurde er in den Malteser Orden aufgenommen.

1989 erschien dann seine Autobiografie, die er zusammen mit Quincy Troupe geschrieben hatte, erschienen. Darin gibt er Auskünfte über sein Schaffen und Einflüsse, allerdings ließ Miles wenig Zweifel daran dass sein Anteil am entgültigen Text eher gering war. Alle Biographen taten sich schwer Miles Informationen über sein Leben zu entlocken und Quincy Troupe war es stellenweise nur wenig besser ergangen.

Im Januar und Februar 1991 ging er dann mit dem Hop-Hop Produzenten Easy Mo Bee ins Studio, doch vor seinem Tod wurden nur sechs Tracks zumindest provisorisch fertig. Die restlichen Stücke für das posthum veröffentlichte Album Doo-Bop mischte Easy Mo Bee aus Trompetenlinien unveröffentlichter Studiosessions aus den 80ern zusammen. Damit war Davis auch in seinem letzten Lebensjahr an der aktuellen Entwicklung der Jazzmusik beteiligt.

Am 25. August spielte Miles Davis in Hollywood seine letztes Konzert. Das Stück Hannibal von diesem Konzert ist auf dem 1996 erschienenen Album Live Around The World zu hören.

Anfang September 1991 ließ sich Davis im St. John's Hospital and Health Care Center in Santa Monica durchchecken. Bei einem Streit mit einem Arzt erlitt er einen schweren Schlaganfall und fiel daraufhin ins Koma. Am 28. September beschloss seine Familie die künstliche Lebensverlängerung zu beenden. Miles Davis wurde in der Woodlawn Cemtery in der Bronx in New York beerdigt.

Miles Davis war und ist bekannt für seine Improvisationen mit wenigen und lang anhaltenden Tönen. Er schaffte so einen großen Kontrast zu den Musikern seiner Zeit, besonders im Bebop. Diese Musikrichtung ist bekannt für ihre virtuosen (schnellen) Soli. Alles in allem legte Davis konzeptionell immer wieder neue Grundsteine, indem er nie konservativ auf irgendeinem Jazz-Stil beharrte, sondern immer mit der Zeit ging und mit jungen Musikern experimentierte. «Doo-Bop» könnte man sogar als die erste echte Fusion von Jazz und Hip Hop bezeichnen.

Diskografie

Eine komplette Liste der von Miles Davis aufgenommenen Alben zu erstellen, ist nicht einfach, da - je nach Blickwinkel - bis zu 150 Aufnahmen aufgezählt werden könnten. Des Weiteren werden immer wieder die jeweiligen Aufnahmesessions der Musiker als Neuauflage des Albums herausgegeben. Die folgende Liste versucht, bei besonderen Alben die aus heutiger Sicht neu entstandene Richtung im Jazz anzugeben. Dabei muss (wie immer) beachtet werden, dass bei solchen Unterteilungen und Begrifflichkeiten die Grenzen fließend sind!

  • Birth of the Cool (1949) Cool Jazz
  • Walkin' (1954) Bebop
  • Bags Groove (1954) m. S. Rollins u. T. Monk u. n. Milt Jackson
  • Round About Midnight (1955)
  • Miles Ahead (1957, m. Gil Evans)
  • Ascenseur pour l'échafaud (Fahrstuhl zum Schafott)- Soundtrack (1958) Modaler Jazz
  • Porgy and Bess (1958, m. Gil Evans)
  • Milestones (1958)
  • Kind of Blue (1959) Modaler Jazz
  • Sketches of Spain (1960, m. Gil Evans)
  • Sorcerer (1962)
  • Quiet Nights (1963, m. Gil Evans)
  • E.S.P. (1965)
  • Miles Smiles (1966)
  • Nefertiti (1967)
  • Filles de Kilimanjaro (1968)
  • In a Silent Way (1969) Fusion
  • Bitches Brew (1969)
  • A Tribute to Jack Johnson (1970)
  • Live-Evil (1970) Fusion
  • Dark Magus (1974)
  • Agharta (1975)
  • Pangea (1975)
  • The Man with the Horn (1981) Jazz Pop
  • We Want Miles (1982)
  • Star People (1983)
  • Decoy (1984)
  • You're Under Arrest (1985)
  • Tutu (1986)
  • Amandla (1989)
  • Doo-Bop (1991) Hip-Hop
  • Miles & Quincy Jones: Live at Montreux (1991)

Literatur

  • Peter Niklas Wilson: Miles Davis. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten. Waakirchen, Oreos 2001. ISBN 3-923657-62-5
  • Miles Davis und Quincy Troupe: Miles Davis. Die Autobiographie. München: Heyne, 2000. ISBN 3453171772
  • Eric Nisenson: 'Round About Midnight. Ein Porträt von Miles Davis. Wien, Hannibal Verlag, 1985. ISBN 3854450214
  • Franz Kerschbaumer: Miles Davis. Stilkritische Untersuchungen zur musikalischen Entwicklung seines Personalstils. Graz, 1978. ISBN 3201010715

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