Evangelische Studierendengemeinde
Die Evangelische StudentInnengemeinde ist der Verband von evangelischen Studierenden- und Hochschulgemeinden in Deutschland in studentischer Selbstverwaltung. Zu ihr gehören etwa 145 Gemeinden in den jeweiligen Hochschulorten und eine Bundesgeschäftsstelle der Dachorganisation. Juristischer Träger der ESG ist der gemeinnützige Verein „ESG e.V.“
Geschichte
Die ESG ist entstanden aus dem Zusammenschluss der 1895 gegründeten Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV), des 1896 gegründeten Studentenbundes für Mission (SfM) und der 1905 gegründeten Deutschen Christlichen Vereinigung Studierender Frauen (DCVSF), die 1938 verboten worden waren, und den Studentengruppen der Bekennenden Kirche, die vielerorts zur gleichen Zeit von den Nationalsozialisten zerschlagen worden waren. Unter dem Dach der Kirche traf man sich bereits vor dem Zweiten Weltkrieg zu gemeinsamen Andachten und Freizeitgestaltungen. Vorläufer der Evangelischen Studentengemeinde gab es also bereits vor 1945, als Organisation entstand sie dann nach der Befreiung. In den 1950er Jahren hatte die ESG das größte Ansehen, die meisten Gemeindeglieder und auch den größten Einfluss.
Seit den 60er Jahren und später wurde die ESG vielerorts Teil der sich politisch verstehenden Studentenbewegung. In manchen Orten verstand man sich dezidiert als „Politische Gemeinde“. Die ESG unterstützte sozialkritische, antikapitalistische und antiimperialistische Bewegungen und nahm deren Fragen auf. Dies brachte Sie in vielen Hochschulstädten in Konflikt mit den Landeskirchen, die zum Beispiel in Marburg oder Hannover rigoros gegen sie vorgingen. In einigen Orten entstanden so genannte Autonome Evangelische Studentengemeinden (aESGn), von denen die meisten bis Ende der 80er Jahre bestanden. Die letzte aESG in Heidelberg löste sich 2003 auf. Nach der Deutschen Wiedervereinigung erfolgte 1997 der Zusammenschluss der ESG in der BRD und der ESG in der DDR zur „ESG in der Bundesrepublik Deutschland“ mit zwei Geschäftsstellen in Köln und Berlin.
Die zusammengeführte Bundesgeschäftsstelle der ESG hat seit 2002 ihren Sitz in Berlin. Der derzeitige Generalsekretär ist seit Dezember 2000 Ulrich M. Falkenhagen.
In der DDR bildeten die Evangelischen Studentengemeinden einen Teil des (geduldeten) Widerstands gegen die Politik der SED, da sie sich unter dem Dach der Landeskirchen befanden. Studentenpfarrer und Studentengemeinden waren bevorzugte Ziele der Beobachtung und Anwerbung für das MfS, aufgrund der Offenheit der Studentengemeinden mit größerem Erfolg als in regulären Gemeinden. Viele Akteure der friedlichen Revolution waren geprägt durch die ESG. Das Studentenpfarramt galt oft als Prüfstein für folgende kirchenleitende Funktionen, so waren mehrere spätere Bischöfe wie beispielsweise der heutige Bischof Axel Noack vorher Studentenpfarrer.
Im Westen Deutschlands gab es eine ähnliche Entwicklung wie bei den Katholischen Hochschulgemeinden (KHGn): Das Experimentierfeld Campus wurde gerade von jungen, ehrgeizigen, promovierten Pfarrern genutzt. Bedeutende Bischöfe wie der katholische Werner Guballa oder der evangelische Johannes Friedrich waren vorher Studentenpfarrer.
Die ESG versteht sich als „Gemeinde Jesu Christi an der Hochschule“, das heißt, sie „zeigt sich solidarisch mit allen Formen des Widerstandes gegen Unterdrückung, wie etwa rassistisches, antisemitisches und sexistisches Denken und Handeln, wie es durch bestehende Herrschaftsstrukturen hervorgerufen wird. Sie setzt sich ein gegen Militarisierung, wirtschaftliche Ausbeutung und Zerstörung der Lebensgrundlagen und engagiert sich für Menschenrechte, Solidarität und Selbstbestimmung in Hochschule, Kirche und Gesellschaft. Sie unterstützt die Forderung der Armen und Unterdrückten nach Befreiung und Gerechtigkeit. Die ESG ist eine ökumenische Gemeinde.“ (aus der Präambel). Sie ist Mitglied im Christlichen Weltstudentenbund (WSCF).
Literatur
- Heinz-Werner Kubitza: Geschichte der Evangelischen Studentengemeinde Marburg; Marburg 1992