Deutscher Film

Aspekt der Geschichte
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Die Deutsche Filmgeschichte ist ein vielfältiger und wechselhafter Teil der internationalen Filmkultur. Sie reicht von technischen Pioniertaten über die frühen Kinokunstwerke des Stummfilms bis zu nationalsozialistischen Hetzstreifen, biederen Heimatfilmen und zum innovativen Autorenkino.

1895 - 1918: Pionierzeit; vom Kintopp zur Filmindustrie

Zu dieser Epoche siehe auch Filmgeschichte und Stummfilm

Die Filmgeschichte beginnt in Deutschland bereits im Geburtsjahr des Films überhaupt: schon vor der ersten Vorführung der Brüder Lumière in Paris zeigten die Brüder Skladanowsky im Wintergartenpalais zu Berlin kurze Filme auf einem Überblendprojektor. Dessen aufwändige Technik konnte allerdings gegenüber dem praktischeren Gerät der Lumières, das sowohl für Aufnahme als auch zu Projektion genutzt werden konnte, nicht bestehen. Weitere bekannte deutsche Filmpioniere waren Guido Seeber und Oskar Messter.

Die neuartige Kinematographie war zunächst eine Attraktion für die "höheren Schichten", die Neuheit nutzte sich allerdings rasch ab; belanglose Kurzfilmchen wurden Jahrmarktsattraktionen für Kleinbürger und Arbeiter. Die Ladenbuden, in denen damals Kino veranstaltet wurde, hießen im Volksmund einigermaßen verächtlich „Kintopp“. Dem versuchten künstlerisch interessierte Filmleute mit längeren Spielhandlungen nach literarischen Vorbildern entgegen zu wirken: nach 1910 entstanden erste künstlerische deutsche Filme, z. B. „Der Student von Prag“ des Reinhardt-Schauspielers und Regisseurs Paul Wegener. Vor 1914 wurden allerdings auch viele ausländische Filme importiert, besonders dänische und italienische Kunstfilme standen in hohem Kurs, Sprachgrenzen gab es im Stummfilm naturgemäß nicht. Der Wunsch des Publikums nach weiteren Filmen mit ganz bestimmten Darstellern schuf auch in Deutschland das Phänomen des Filmstars, die Schauspielerin Henny Porten war einer der ersten Stars. Der Wunsch der Zuschauer nach Fortsetzungen bestimmter Filme regte die Produktion von Filmserien (Serials) an, beliebt war vor allem der Detektivfilm - hier begann auch der Regisseur Fritz Lang seine glänzende Karriere.

Der Boykott z. B. französischer Filme in der Kriegszeit hinterließ eine spürbare Lücke, teilweise mussten Filmvorführungen durch Varieté-Nummern ergänzt oder ersetzt werden. Um 1916 existierten schon 2000 feste Abspielstätten im Deutschen Reich. Bereits 1917 setzte mit der Gründung der UFA die massive und halbstaatliche Konzentration der deutschen Filmindustrie ein, auch als Reaktion auf die sehr effektive Nutzung des neuen Mediums durch die alliierten Kriegsgegner zu Propagandazwecken. Unter militärischer Ägide entstanden sogenannte „Vaterländische Filme“, die in Sachen der Propaganda und der Verfemung des Kriegsgegners entsprechenden Streifen der Alliierten teilweise gleich kamen. Das Publikum mochte die patriotische „Medizin“ jedoch nicht ohne den Zucker der umrahmenden Unterhaltungsfilme schlucken, welche daher ebenfalls gefördert wurden. Auf diese Weise wuchs die deutsche Filmindustrie zur größten Europas heran.

1918 - 1933: von den Stummfilmklassikern zum frühen Tonfilm

Ab 1919 erlangte der deutsche expressionistische Film (Das Cabinet des Dr. Caligari, 1919, von Robert Wiene; „Nosferatu“, 1922, von Friedrich Wilhelm Murnau) Weltruhm. Der expressionistische Film, geboren aus der Not, eher mit improvisatorischer Phantasie als mit großem Budget arbeiten zu müssen, schien eine vorübergehende Modeerscheinung zu sein. Tatsächlich beeinflusste er stark die düstere Ästhetik späterer Horror- und Gangsterfilme weltweit. Auch Regisseure wie Jean Cocteau oder Ingmar Bergman ließen sich hier inspirieren. Von der zeitgenössischen Filmkritik - siehe Lotte H. Eisner und Siegfried Kracauer - wurden dem frühen deutschen Kunstfilm allerdings auch apokalyptische und autoritätsfromme Tendenzen attestiert.

Nachfolgestil war der stärker sozialkritisch geprägte neusachliche Film, realisiert beispielsweise von Georg Wilhelm Pabst („Die freudlose Gasse“, 1925; „Die Büchse der Pandora“, 1929). Zeitweise produzierten über 230 Filmgesellschaften allein in Berlin, neue Studios in Babelsberg ermöglichten noch größere Filmprojekte: im Kinospektakel „Metropolis“ (1927) von Fritz Lang wirkten 36.000 Komparsen mit, der Kameramann und Tricktechniker Eugen Schüfftan brachte hier sein revolutionäres Spiegeltrick-Verfahren erstmals ausführlich zum Einsatz. Mitte der 1920er Jahre wurden riesige Kinopaläste mit 1600 und mehr Plätzen eröffnet.

Der deutsche Stummfilm wurde wichtiges Exportprodukt und Devisenbringer für den verarmten Kriegsverlierer Deutschland. In dieser Zeit war der deutsche Film ernsthafte Konkurrenz für die „Filmnation Nr.1“, die USA. So zog es nicht wenige der fähigsten deutschen Filmschaffenden - wie z. B. 1923 das Komödiengenie Ernst Lubitsch - früh nach Amerika. Außerdem: sogenannte Asphalt- und Sittenfilme nahmen sich „anrüchiger“ Themen (Abtreibung, Prostitution, Homosexualität, Nacktkultur, Drogensucht etc.) an und zogen die Kritik konservativer Kreise sowie die Zensur auf sich. Auch Dokumentar- und Experimentalfilm blühten auf, siehe etwa das Schaffen der Lotte Reiniger, Oskar Fischingers, Robert Siodmaks oder Walter Ruttmanns. Eine neuartige Mischung aus Natur- und Spielfilm stellte das Bergfilm-Genre dar. Der Düsseldorfer Draufgänger Harry Piel realisierte frühe Spielarten des Actionfilms.

Die umstrittenen „Preußenfilme“ erfreuten sich bei der politischen Rechten großer Beliebtheit, das „Dritte Reich“ sollte diese Reihe fortsetzen. Die UFA war 1927 Teil des konservativen Hugenberg-Konzerns geworden. Auf der Linken entwickelte sich die „Volksfilm-Bewegung“.

Die frühe Tonfilmära (1929 bis 1933) war dann nochmals ein Höhepunkt des deutschen Kinos. Werke wie Josef von SternbergsDer blaue Engel“ (1930), wie „Berlin Alexanderplatz“ (1931) oder wie die Filmversion von Brechts „Dreigroschenoper“ (1931) entstanden. Fritz Lang drehte einige seiner Meisterwerke, u. a. „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931). Mit dem Arbeiterfilm „Kuhle Wampe“ (1932) kam ein in authentischem Milieu gedrehtes und von diesem getragenes Werk in die Kinos. Trotz - oder gerade wegen - der Wirtschaftskrise waren die Lichtspielhäuser damals gut frequentiert. 1932 existierten bereits 3800 Tonfilmkinos.

1933 - 1945: Film im Nationalsozialismus

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte sich die Produktion: über 1500 Filmschaffende emigrierten - u. a. Fritz Lang, Marlene Dietrich, Peter Lorre, Max Ophüls, Elisabeth Bergner, Friedrich Hollaender, Erich Pommer, später auch Detlef Sierck. Wegen der antisemitischen „Arisierungs“-Politik der Nazis mussten Filmkünstler jüdischer Herkunft ihre Arbeit in Deutschland aufgeben. Einige Künstler, wie beispielsweise Kurt Gerron, entkamen dem Regime nicht und wurden später in Konzentrationslagern ermordet.

Es wurden nur noch solche Filme genehmigt, die dem Regime ungefährlich erschienen. In den späten 1930er und frühen 1940er Jahren entstanden dementsprechend vor allem Unterhaltungsfilme („Die Feuerzangenbowle“, 1944), Durchhalte- und Propagandafilme („Jud Süß“, 1940; Filme zum Thema Friedrich der Große, regelmäßig mit Otto Gebühr). Offensive NS-Propaganda - vgl. z. B. den Pseudodokumentarfilm „Der ewige Jude“ - wurde dabei zugunsten glamouröser und erstmals auch farbiger UFA-Zerstreuung an die Seite gedrängt: vom meist tristen Alltag im totalitären Deutschland, später auch vom Schrecken des „totalen Krieges“ konnten sich die Zuschauer so ablenken. Nebenbei propagierten viele Unterhaltungsstreifen auch „deutsche Werte“ wie Schicksalsergebenheit und das Führerprinzip.

1943 und 1944, auf dem Höhepunkt des Bombenkrieges, wurden Zuschauerzahlen von jeweils über einer Milliarde erreicht. Die an den Kinokassen erfolgreichsten Filme waren:

Es gab aber durchaus Werke, welche nicht ganz dem NS-Menschenbild und der Ideologie der Machthaber entsprachen, siehe nur „Viktor und Viktoria“ (1933), „Der Maulkorb“ (1938) und die Filme von Helmut Käutner und Curt Goetz. Auch die „Soundtracks“ vieler Musikfilme waren beschwingter, als es die Vorstellung der Nazis über völkische Folklore eigentlich erlaubte (vgl. Peter Kreuder u. a.). Mutige Filmschaffende waren aber immer auch von Repression und Zensur bedroht. Meist war offizielle Zensur jedoch unnötig; so hatte die Filmindustrie sich schon 1933 in quasi vorauseilendem Gehorsam mit der Produktion des Propagandafilms „Hitlerjunge Quex“ der NS-Bewegung angedient. 1934 wurde die Präventivzensur von Filmen, bzw. Drehbüchern, eingeführt, 1936 die Filmkritik endgültig verboten.

Mitte 1936 übertrug auch ein Gesetz zur „Vorführung ausländischer Filme im Deutschen Reich“ dem NS-Propagandaministerium die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Vorführungszulassung. Deutsche Revue-, Musical- und Spielfilme mussten nach der Einführungsbeschränkung auch den Mangel an ausländischen, vor allem amerikanischen Filmen ausgleichen. Ab 1937 stand die Filmindustrie gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Die Produktion von Unterhaltungsware wurde von der NS-Führung zu einem Staatsziel erklärt.

Die dem Kinofilm vom Regime zugemessene Wichtigkeit wurde auch durch die Aufrechterhaltung von aufwändigen Filmprojekten - z. B. Herstellung eines deutschen Langfilms in Farbe noch 1943 - und Großproduktionen praktisch bis zum Kriegsende deutlich (vgl. Kolberg (Film)). Technisch innovatives und gleichzeitig politisch fatales leistete Leni Riefenstahl mit ihren Reichsparteitags- und Olympia-Dokumentationen sowohl für den Dokumentar-, als auch für den Sportfilm (1936 - 1938). Die Werke zeichneten sich durch die verführerische Massenästhetik des Totalitarismus aus.

Siehe auch:

1945 - 1980: Film in einem geteilten Land; Generationskonflikt

Nach dem Krieg bekamen viele Deutsche im Rahmen der Reeducation schockierende Filmbilder der NS-Konzentrationslager zu sehen. Ungleich beliebter waren allerdings die nun wieder zugänglichen ausländischen Spielfilme: besonders ältere Chaplin-Streifen und US-Melodramen fanden großen Zuspruch. Seither beanspruchen ausländische Produktionen im Westen einen Marktanteil von 70 bis 90 Prozent.

Westdeutscher Film

Nach dem kurzen Intermezzo des teilweise neorealistischen „Trümmerfilms“ in der unmittelbaren Nachkriegszeit setzte man in Westdeutschland weiterhin vorwiegend auf Unterhaltung, besonders auf den Heimatfilm, was vom filmischen Nachwuchs kritisiert wurde (Oberhausener Manifest, 1962). Sonja Ziemann und Rudolf Prack gaben das Traumpaar des idyllischen Genres.

Viele Filme dieser Zeit waren Remakes alter UFA-Produktionen, so auch zahlreiche Heimatfilme, die nun allerdings weitgehend von der Blut-und-Boden-Schwere der Vorbilder aus der NS-Zeit befreit waren. Der Heimatfilm, von der seriösen Kritik lange ignoriert, wird seit einigen Jahren auch zwecks Analyse früher westdeutscher Befindlichkeiten ernsthaft untersucht.

Fernsehen (ab 1954) und verpasster Anschluss an neue Filmtrends führten zur Krise des westdeutschen Kinos, auch wenn es durchaus einzelne Qualitätsfilme wie etwa Bernhard WickisDie Brücke“ (1959) und kontroverse Produktionen wie „Die Sünderin“ (1951, mit Hildegard Knef) gab. Immerhin ging aus den Reihen der Heimatfilmdarsteller mit Romy Schneider ein späterer Weltstar hervor. Weitere typische Genres der Zeit waren Operetten- und Arztfilme sowie Gesellschaftskomödien. Der Schlagerfilm blieb bis in die 1960er Jahre erfolgreich

Mit der Wiederbewaffnung Westdeutschlands 1955 setzte auch eine populäre Kriegsfilmwelle ein. Die problematischen Streifen zeigten den deutschen Soldaten des 2. Weltkrieges als tapferen, unpolitischen Kämpfer, der eigentlich immer schon „dagegen“ gewesen war. Ansonsten erschöpfte sich die „Vergangenheitsbewältigung“ weitgehend in einigen Filmen zum militärischen Widerstand gegen Hitler.

Von der Produktivität und internationalen Bedeutung her konnte sich die (west-)deutsche Filmindustrie nicht mehr mit der französischen, italienischen oder japanischen messen. 1956 erreichten die bundesrepublikanischen Zuschauerzahlen mit 817 Millionen Kinobesuchern ihren Zenit.

Ostdeutscher Film

Der ostdeutsche Film konnte zunächst davon profitieren, dass die Infrastruktur der alten UFA-Filmstudios im nun sowjetisch besetzten Teil Deutschlands (Gebiet der späteren DDR) lag. Die Spielfilmproduktion kam daher schneller in Gang als in den Westsektoren.

Grundsätzlich verband die Filmschaffenden und die Kulturpolitiker der DDR, bei allen sonstigen Differenzen und Reibungspunkten, das antifaschistische Engagement und die Überzeugung, für das „bessere Deutschland“ zu arbeiten. Allerdings war dabei „vielen 'führenden' Antifaschisten zugleich auch der Stalinismus in Fleisch und Blut übergegangen.“ (Ralf Schenk)

In der DDR entstanden unter Regisseuren wie z. B. Wolfgang Staudte einige bemerkenswerte Filme (u. a. „Der Untertan“ nach Heinrich Mann, 1951). Staudte ging später nach Westdeutschland.

Von der Produktion heroischer Personenkult-Filme wie denen der „Ernst Thälmann“-Serie (ab 1954) nahm man später Abstand.

Weitere bekannte Filme des halbstaatlichen ostdeutschen DEFA-Monopolbetriebs waren etwa „Der geteilte Himmel“ (1964, nach Christa Wolfs Roman), „Die Legende von Paul und Paula“ (1973), „Solo Sunny“ (1978), „Jakob der Lügner“ (1975, nach Jurek Becker). Produktionen, die sich kritisch mit dem DDR-Alltag beschäftigten, wurden von der Parteiführung mitunter aus dem Verleih genommen - vergleiche die „Spur der Steine“ von 1966. Dieses Werk gehörte zu jener fast kompletten DEFA-Jahresproduktion von Gegenwartsfilmen, die in einem rabiaten Kahlschlag nach dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 verboten wurde.

Bekannte ostdeutsche Regisseure waren beispielsweise Frank Beyer, Konrad Wolf und Egon Günther. Nach 1976 verließen auch zahlreiche bekannte Filmschauspieler die DDR, u. a. Angelica Domröse, Eva-Maria Hagen, Katharina Thalbach, Hilmar Thate, Manfred Krug. Armin Mueller-Stahl konnte seine Karriere gar in Hollywood fortsetzen. Da die DDR in den 80er Jahren auch zahlreiche Filme aus dem Westen in ihr Verleihsystem nahm, reduzierte sich die Rolle der DEFA immer stärker.

Während ihres Bestehens produzierte die DEFA neben TV-Filmen und - teils sehr guten - Dokumentarfilmen (Volker Koepp, Barbara und Winfried Junge u. a.) insgesamt ungefähr 750 abendfüllende Spielfilme fürs Kino.

„Neuer“ und „alter“ deutscher Film

Waren 1960 noch fast 100 westdeutsche Spielfilme entstanden, verzeichnete man 1965 nur noch 56 neue Produktionen, meist konventionelle Genrewerke (Western-, Agenten-, Sexfilme). In die Zeit dieses Tiefpunktes fiel die Gründung des Kuratoriums Junger Deutscher Film zur Förderung neuer Talente: der anspruchsvolle, gesellschaftskritische neue deutsche Film versuchte, sich von „Opas Kino“ abzuheben. Autorenfilmer wie Alexander Kluge und in den 70ern Rainer Werner Fassbinder sind hier exemplarisch. Speziell Fassbinder betrieb mit dem Engagement von Stars der deutschen Kino-Tradition aber auch eine Versöhnung von neuem und altem deutschen Film. Manchmal wird auch zwischen dem eher avantgardistischen „Jungen Deutschen Film“ der 1960er und dem zugänglicheren „Neuen Deutschen Film“ der 1970er Jahre unterschieden. Einflüsse waren der italienische Neorealismus, die französische Neue Welle und das britische New Cinema. Eklektisch wurden auch Traditionen des Hollywood-Kinos mit seinen wohletablierten Genres aufgegriffen und zitiert.

Mit der neuen Bewegung gewann der deutsche Film erstmals seit den 1920er und frühen 1930er Jahren wieder einige internationale Bedeutung. Werke wie „Abschied von Gestern“ (1966), „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972), „Angst essen Seele auf“ (1974), „Die Ehe der Maria Braun“ (1979) oder „Paris, Texas“ (1984) gingen in die Filmgeschichte ein. Die deutschen Autorenfilme waren dabei im Ausland oft früher anerkannt als in der Heimat. Literarische Vorlagen des neuen deutschen Films lieferten vielfach die Werke Heinrich Bölls und Günther Grass' (vgl. etwa „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ und einige Filme von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub). Da die etablierte Filmindustrie die neuen Filmleute ignorierte, entwickelte sich eine neuartige Partnerschaft zwischen jungem Film und öffentlich-rechtlichem Fernsehen: Sendeplätze wie „Das kleine Fernsehspiel“ oder Tatort boten und bieten auch Nachwuchstalenten Chancen zur Erprobung ihres Könnens.

In Zusammenhang mit dem neuen deutschen Film entwickelte sich ebenfalls der deutsche feministische Film, vertreten beispielsweise von den Regisseurinnen Helma Sanders-Brahms, Helke Sander und Margarethe von Trotta. Vom Muff befreite Jugendfilme drehte Hark Bohm.

Die „ästhetische Linke“ (Enno Patalas) des neuen Films kann sogar als eine Art Vorläufer und Anregerin der Studentenbewegung von 1968 gelten.

Auf dem Unterhaltungssektor entwickelten sich derweil Filmreihen nach Autoren wie Karl May (Winnetou) und Edgar Wallace, später die sogenannten „Lümmelfilme“ über Schülerstreiche sowie die Reihe der Verfilmungen nach Johannes Mario Simmel. Die zentrale Produzenten-Persönlichkeit hinter den Wallace- und Winnetou-Filmen war der Berliner Artur Brauner. Den edlen Uramerikaner des westdeutschen Kinos gab der Franzose Pierre Brice, die Leinwände Ostdeutschlands veredelte als Entsprechung der Serbe Gojko Mitić. In der Wallace-Serie häufig zu sehen waren u. a. Klaus Kinski, Heinz Drache und Wolfgang Völz.

Eine weitere Welle wurde durch Oswalt Kolles Aufklärungsfilme ausgelöst, unter dem Etikett „Report“ drehte man billige Sexfilme für das breite Publikum.

1980 - 2005: neuere Entwicklungen

Nachdem der neue (west-)deutsche Film manche seiner Ziele durchsetzen konnte (Etablierung der staatlichen Filmförderung, Oscar für „Die Blechtrommel“ u. a.) zeigte er spätestens in den 1980er Jahren Ermüdungserscheinungen, wenn auch Protagonisten wie Werner Herzog, Werner Schroeter, Volker Schlöndorff, Edgar Reitz oder Wim Wenders weiterhin erfolgreich produzierten. Auch hatten sich die politischen Rahmenbedingungen gewendet.

Kassenschlager waren eher die Otto-Filme (ab 1985), die Verfilmung der „Unendlichen Geschichte“, Roadmovies wie „Theo gegen den Rest der Welt“ (1980) oder das auch international erfolgreiche Untersee-Epos „Das Boot“ (1981). Als Produzent von Erfolgsfilmen tat sich in diesen Jahren erstmals Bernd Eichinger hervor. Herbert Achternbusch konnte mit seinem Werk „Das Gespenst“ 1983 noch einmal für einen veritablen Film-Skandal sorgen. Doris Dörrie belebte mit ihrem Film „Männer1985 die deutsche Filmkomödientradition neu. Ein weiterer Filmemacher der neuen Generation war Detlev Buck.

Als ungewöhnlicher Regisseur zwischen Dokumentar- und Spielfilm erwies sich Romuald Karmakar. Die Regisseure Wolfgang Petersen und Roland Emmerich konnten sich nach ihren einheimischen Erfolgen in den USA etablieren. Fatih Akin und andere etablierten das Kino des "Cultural Clash" in Deutschland. Thema sind hier vor allem Verwerfungen und Konflikte der multikulturellen Gesellschaft. Ferner: mit den Gebrüdern Lauenstein wurde 1990 auch der deutsche Animationsfilm durch einen Oscar gewürdigt. Der Undergroundfilm florierte ebenfalls: die morbiden Splatterkunstfilme des Jörg Buttgereit beispielsweise sind in der einschlägigen Szene weltweit bekannt geworden. Fern des Mainstream befinden sich auch die Filme Werner Nekes', Christoph Schlingensiefs oder Heinz Emigholz'. Derartige Werke, sowie ausländische Kunstfilme, gelangen kaum in den allgegenwärtigen Multiplex-Kinos, sondern eher in den seit den 70er Jahren stärker verbreiteten Programmkinos zur Aufführung.

Im Allgemeinen hatte das Kino seit Mitte der 80er Jahre mit Video und Privatfernsehen zu kämpfen: die Zuschauerzahlen brachen weiter ein, bevor sie sich wieder leicht erholten. Keine einfachen Jahre für junge Filmemacher. Seit den späten 1990er Jahren beteiligen sich allerdings auch einige Privatsender finanziell an der Filmstiftung, zahlreiche neue Talente speziell des Komödienfachs nutzen die "Privaten" als Sprungbrett zum Film.

Gleichzeitiger Erfolg deutscher Filme an Kinokasse und bei der Filmkritik bleibt ein relativ seltenes Phänomen: in jüngerer Zeit erreichten dies z. B. Tom TykwersLola rennt“ (1998) und Wolfgang BeckersGood bye, Lenin!“ (2003). Seit 2001 überrascht der durchschlagende kommerzielle Erfolg neuer deutscher Filmparodien („Der Schuh des Manitu“) - Zuschauerzahlen im zweistelligen Millionenbereich waren bei einheimischen Produktionen zuvor rar gewesen.

Auch international bekam der deutsche Film wieder größere Anerkennung. So wurde Caroline Links LiteraturverfilmungNirgendwo in Afrika2002 mit dem Oscar für den besten nichtenglischsprachigen Film ausgezeichnet, Oliver Hirschbiegels ambitionierter Film über die letzten Tage Hitlers und des Deutschen ReichesDer Untergang“ wurde 2005 mit einer Nominierung belohnt.

Zitate

  • "...eine Filmindustrie [kann] nur dann international sein [...], wenn sie sich ihrer nationalen Identität bewußt ist." (Volker Schlöndorff)
  • "Eine unverkennbare Identität abseits nationalistischer Definitionen zurückzugewinnen gehört zu den primären Erfordernissen der Zeit, soll das heimische Filmschaffen nicht in einer westlichen Einheitsproduktion ohne charakteristische Stimme aufgehen." (Thomas Kramer, in: Reclams Lexikon des deutschen Films)

Siehe auch

Literatur

  • Alfred Bauer, Deutscher Spielfilmalmanach. 1929-1950, Berlin 1950
  • Francis Courtade, Pierre Cadars, Geschichte des Films im Dritten Reich, München (Heyne) 1975
  • Robert Fischer, Joe Hembus: Der neue deutsche Film 1960 - 1980 (1981)
  • Jerzy Toeplitz, Geschichte des Films, Frankfurt (Zweitausendeins) 1983 (2 Bände: 1895-1933, 1934-1945)
  • Boguslaw Drewniak, Der deutsche Film 1938-1945. Ein Gesamtüberblick, Düsseldorf (Droste) 1987
  • Werner Faulstich, Helmut Korte (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte. (1994)
  • Hans Helmut Prinzler: Chronik des deutschen Films 1895 - 1994. (1995)
  • Thomas Kramer: Reclams Lexikon des deutschen Films. (1995)
  • Rainer Rother (Hrsg.): Mythen der Nationen: Völker im Film. (1998)
  • Geoffrey Nowell-Smith (Hrsg.): The Oxford History of World Cinema (1999)
  • Werner Faulstich: Filmgeschichte. (2005)