Rolf Hochhuth (* 1. April 1931 in Eschwege) ist ein deutscher Dramatiker und ein maßgeblicher Anreger des Dokumentartheaters. In seiner Funktion als Schriftsteller trat er als ebenso streitbarer wie versierter Anreger politischer Auseinandersetzungen zur NS-Vergangenheit und zu aktuellen politischen Fragestellungen hervor.
Aufsehen erregte Hochhuth durch sein umstrittenes Gedächtnisstück Der Stellvertreter, das sich erstmals kritisch mit der Haltung des Papstes Pius XII. gegenüber dem Holocaust befasste. In der Uraufführung durch den Regisseur des politischen Theaters Erwin Piscator in West-Berlin löste Der Stellvertreter 1963 die bis dahin größte und weitreichendste Theaterdebatte der Bundesrepublik aus (Stellvertreter-Debatte) und sorgte international für erhebliche Kontroversen.
Sein 1967 uraufgeführtes Drama "Soldaten, Nekrolog auf Genf" stützte sich wesentlich auf Studien des damals noch unbekannten britischen Publizisten David Irving, der zwei Jahrzehnte später als Holocaustleugner hervortrat. In diesen frühen Werken Irvings wird der Alliierte Bombenkrieg als Kriegsverbrechen dargestellt.
Durch einen Vorabdruck seiner investigativen Erzählung "Eine Liebe in Deutschland" in der Wochenzeitung Die Zeit entfachte Hochhuth 1978 die Diskussion um die Vergangenheit des Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger als NS-Richter (Hochhuth: der "furchtbare Jurist"). Filbinger trat im selben Jahr zurück und musste alle Ämter niederlegen.
In dem halb fiktiven Drama "Alan Turing" schrieb Hochhuth 1987 einfühlsam über den Vater des modernen "Computers", der mithalf Funksprüche der Wehrmacht automatisch und kriegsentscheidend zu entschlüsseln. Hochhuth brachte Turing mit all seinen Widersprüchen auf die Bühne. Turing wurde wegen Homosexualität verurteilt und starb wahrscheinlich durch Zyankali-Suizid.
Neben geschichtspolitischen Stoffen kreist das späte Werk Hochhuths um die vielfältigen Facetten des Themenkomplexes soziale Gerechtigkeit ("Wessis in Weimar", 1993; "McKinsey kommt", 2004, als Neufassung von "Arbeitslose oder Recht auf Arbeit", 1999).
Kontroversen um den politischen Autor seit 2000
Kritiker werfen Hochhuth vor, rückläufige öffentliche Aufmerksamkeit als Dramatiker mit publikumswirksamen skandalträchtigen Effekten zu kompensieren. Darauf seien vermehrte Skandal-Meldungen in den Medien und darauf folgende öffentliche Diskussionen zurückzuführen.
McKinsey kommt
So hatte Hochhuth in "McKinsey kommt" eine Passage eingebaut, die von Medienvertretern als mögliches "Verständnis für einen Mordaufruf" gegen den Deutsche-Bank-Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann interpretiert wurde. Darin heißt es: „Die FAZ lehrt A's (=Ackermann) rechtlose Opfer als 'Umbau' zu tarnen! / 'Tritt' A. (=Ackermann) nur 'zurück' wie Geßler durch - Tell? / Schleyer, Ponto Herrhausen warnen.” In Schillers "Wilhelm Tell" wurde der tyrannische Landvogt Geßler durch den Freiheitsheld Tell getötet. Einer der Vorgänger Ackermanns, Alfred Herrhausen, war einem Anschlag der Rote Armee Fraktion (RAF) zum Opfer gefallen, ebenso wie die in der Passage erwähnten Wirtschaftsvertreter Hanns-Martin Schleyer (ehemaliger Arbeitgeberpräsident) und Jürgen Ponto (ehemaliger Präsident der Dresdner Bank). Hochhuth wies den Vorwurf des Mordaufrufs entschieden zurück und erklärte, er habe auf eine objektive Bedrohung für die deutsche Wirtschaftselite als Folge u.a. der aktuellen Reform des Sozialsystems hinweisen wollen. Der Kontext des Zitats im Text stützt diese Darstellung jedoch sehr begrenzt.
Hochhuth und Irving
Im März 2005 geriet Rolf Hochhuth erneut in die Schlagzeilen, da er in einem Interview mit der rechtsnationalen Wochenzeitung Junge Freiheit den britischen Historiker David Irving verteidigt hatte, der mehrfach gerichtlich als Holocaustleugner verurteilt wurde (München 1993, London 2000) und in Deutschland mit einem Einreiseverbot belegt ist. Hochhuth sagte: "Irving ist ein fabelhafter Pionier der Zeitgeschichte, der großartige Bücher geschrieben hat. Ganz zweifellos ein Historiker von der Größe eines Joachim Fest. Der Vorwurf, er sei ein Holocaustleugner, ist einfach idiotisch!" (Junge Freiheit 08/05, 18.2.2005). Gegenüber dem Berliner Tagesspiegel bekräftigte Hochhuth die Parteinahme einen Tag später. Hier sagte er, dass Irving „sehr viel seriöser (sei) als viele deutsche Historiker“. Irving, mit dem er eine persönliche Freundschaft pflege, sei ein "ehrenwerter Mann" (Der Tagesspiegel, 19.2.2005).
Unter massivem Druck der Öffentlichkeit, insbesondere des Zentralrats der Juden, rückte Hochhuth eine Woche später von seinen Stellungnahmen ab und entschuldigte sich, nachdem er zuvor noch jedes Wort der Reue abgelehnt hatte. Er habe nicht den Rechten das Wort reden und die Gefühle der jüdischen Bürger verletzen wollen. Die späten Äußerungen David Irvings seien ihm nicht bekannt gewesen (dpa, 26.2.2005). Tatsächlich beruhte Hochhuths Freundschaft zu Irving auf dessen provokanten Publikationen der sechziger Jahre; Irvings späte Veröffentlichungen haben in Hochhuths Texten keinerlei Niederschlag gefunden.
Dass sich ausgerechnet Hochhuth in dieser Weise für eine Symbolfigur der extremen Rechten einsetzte, gilt vor dem Hintergrund seiner Vita als besonders gravierend. Seine publizistische Unbefangenheit gegenüber der Jungen Freiheit (Nachruf auf Ernst Jünger, JF, 27.2.1998; Hochhuth-Interview "Gespräch über Konservatismus, Bismarck und Martin Walser", JF, 20.10.2000; Interview zu Irving, JF, 18.2.2005) steht in eklatantem Kontrast zu Schriften, in denen er sich auch in der Gegenwart entschieden für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit einsetzt ("Hitlers Dr. Faust", 2001 u.a.). Die Berufung auf Uninformiertheit bezüglich der Rolle David Irvings steht in einer merkwürdigen Diskrepanz zu der investigativen Anlage seiner Texte, die die Aufklärung von NS-Unrecht zum Gegenstand haben.
In direkter Folge des Skandals lehnte es die Deutsche Verlagsanstalt (DVA) ab, Hochhuths Autobiografie zu verlegen. Ein Verlag, der sehr viele jüdische Autoren im Programm habe, müsse hier Rücksicht nehmen. Gleichwohl regte sich demgegenüber auch öffentlicher Protest: Hochhuth habe sich entschuldigt, ein politisches Lebenswerk könne nicht durch eine einzige Bemerkung zerstört werden.
Werke
- 1963 Der Stellvertreter (über die Rolle von Papst Pius XII im 2. Weltkrieg), Die Berliner Antigone
- 1967 Soldaten, Nekrolog auf Genf (über den Bombenkrieg gegen Deutschland)
- 1979 Juristen (zum gesellschaftlichen und politischen Einfluß von Altnazis in Deutschland)
- 1980 Ärztinnen (zum Thema Medikamententests und Praktiken der Pharmaindustrie)
- 1984 Judith (über die chemische Wiederbewaffnung der US-Armee und die Person Ronald Reagans)
- 1989 Unbefleckte Empfängnis (zum Thema künstliche Befruchtung)
- 1993 Wessis in Weimar
- 2004 McKinsey kommt (über den als "neoliberal" bezeichneten "Zeitgeist")
- 2005 Familienbande
Weblinks
- Vorlage:PND
- Bibliographie aller Titel
- Biographie Rolf Hochhuth
- FAZ zu Vorwürfen gegen Hochhuth bzgl. "McKinsey kommt"
- ZDF.de zu "McKinsey kommt": Verständnis für einen Mordaufruf?
- Bericht N-TV über David-Irving-Skandal
- Kommentar der Zeit zum Irving-Skandal (Die Zeit)
- Kommentar der Welt zum Irving-Skandal (Die Welt)
- Kommentar der Taz zum Irving-Skandal (TaZ) von Wiglaf Droste
Personendaten | |
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NAME | Hochhuth, Rolf |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Dramatiker |
GEBURTSDATUM | 1. April 1931 |
GEBURTSORT | Eschwege |