Turbo Pascal ist eine integrierte Entwicklungsumgebung der Firma Borland für die Programmiersprache Pascal.
Die Anfänge
Der Compiler basierte auf dem Blue Label Pascal Compiler, der von Anders Hejlsberg ursprünglich für das Kassetten-basierte Betriebssystem NasSys des Mikrocomputers Nascom entwickelt wurde. Dieser Compiler wurde zunächst als Compass Pascal Compiler für das Betriebssystem CP/M und dann als Turbo Pascal Compiler für MS-DOS und CP/M weiterentwickelt.
Turbo Pascal 1.0
Die erste Version von Turbo Pascal erschien 1983, zu einer Zeit, als das Konzept der integrierten Entwicklungsumgebungen noch recht neu war. Ein Programmierer hatte zu dieser Zeit auf einem IBM-kompatiblen PC im Wesentlichen die Wahl zwischen dem mit DOS mitgelieferten Microsoft BASIC-Interpreter oder einem professionellen und teuren BASIC-, C-, Fortran- oder Pascal-Compiler (UCSD). Die Compiler waren eher umständlich zu benutzen: Mangels Multitasking unter MS-DOS bestand jeder Testlauf aus dem Verlassen, Starten und Neuladen der verschiedenen Tools (Editor, Compiler, Linker, Debugger), die für die Softwareentwicklung via Compiler notwendig sind. Da die meisten PCs zu dieser Zeit keine Festplatten hatten (eine solche kostete 2000 US-Dollar und mehr), musste oft sogar noch mehrmals die Diskette gewechselt werden.
In diese Situation hinein kam Turbo Pascal mit dem IDE-Konzept, das die verschiedenen Tools in einem Programm vereinte. Es war zudem gerade einmal rund 60 KB groß und lief damit auf jedem damaligen PC in hoher Geschwindigkeit. Selbst auf einem PC mit nur einem Diskettenlaufwerk konnte auf Diskettenwechsel verzichtet werden, da auf der Turbo Pascal-Diskette noch genug Platz für das gerade bearbeitete eigene Programm war. Schließlich war das System preislich selbst für Schüler und Studenten erschwinglich – mit dem Ergebnis, dass es im Laufe der 1980er Jahre auf dem PC zum Quasistandard wurde. Ende der 1980er Jahre wurde wahrscheinlich mehr als 70% der Anwendungssoftware in Turbo-Pascal geschrieben.
Folgeversionen
Ohne Turbo Pascal hätte die Sprache Pascal sicher das gleiche Schicksal ereilt wie viele an Universitäten vorher und nachher geborene „Kunstsprachen“, z. B. Prolog, Modula-2 oder Oberon (die letzten beiden auch von Niklaus Wirth), die heute praktisch verschwunden sind. A. Hejlsberg entwickelte die Sprache und das System pragmatisch weiter: Von Anfang an wurde die Laufzeitbibliothek um Routinen ergänzt, die einen C-ähnlichen Zugriff auf das System ermöglichten – ganz entgegen dem ursprünglichen Konzept von Wirth.
- In Version 3 kam Grafik dazu. Dies war die letzte Version, die für CP/M erschien.
- In Version 4 kam das Unit-Konzept dazu, das Bibliotheken und große Projekte ermöglichte
- In Version 5 wurde der Debugger in die Entwicklungsumgebung integriert. Damit wurde es möglich, innerhalb der IDE zu debuggen, Haltepunkte zu setzen, und Variablenwerte anzuschauen.
- In Version 5.5 kam die Objektorientierung hinzu
- In Version 6 kam eine objektorientierte Interface-Bibliothek hinzu (Turbo Vision), ähnlich der späteren MFC für Windows.
- In Version 7 wurde in der professionellen Variante (Borland Pascal) die Entwicklung von Protected Mode-Anwendungen innerhalb der IDE möglich – allerdings ohne integrierten Debugger.
Anfang der 1990er Jahre wurde Turbo Pascal auf Windows portiert. Dies war allerdings eine Sackgasse. Die Programmierung ganz einfacher Aufgaben war unter Turbo Pascal für Windows zu kompliziert. Der Hauptvorteil des einfachen, kompakten Systems war verloren. Borland besann sich und adaptierte das Rapid Application Development-Prinzip, das sich vorher schon bei Visual Basic von Microsoft stark bewährt hatte: Die grafischen Elemente einer Windows-Anwendung werden mit der Maus zusammengestellt, der zugehörige Code wird automatisch generiert. Dieses Produkt wurde Delphi genannt, die zugrundeliegende Sprache war aber immer noch Object Pascal von Borland.
Heute findet Turbo Pascal kaum noch praktische Anwendung. Eine Ausnahme bildet die vereinzelt noch anzutreffende Verwendung als Programmiersprache im (schulischen) Informatikunterricht.
Weblinks
- Im „Museum“ des Borland Developer Network kann man die Versionen 1.0, 3.02 und 5.5 von Turbo Pascal kostenlos und legal herunterladen.
- Mit Free Pascal gibt es einen Turbo-Pascal-kompatiblen freien Compiler, der für zahlreiche Betriebssysteme zur Verfügung steht.
- Virtual Pascal ist ein Turbo-Pascal-Klon für 32-Bit-Windows inkl. voller IDE-Funktionalität und Turbo-Vision, lediglich die DOS-Grafikbibliotheken fehlen.
- Die Firma TMT bietet ebenfalls Turbo-Pascal-Klone für 32-Bit-Systeme an, eine abgespeckte Variante ist kostenlos.
- Viele weitere Informationen und Ressourcen zu Turbo-Pascal finden sich auf der Turbo Pascal Programmers Page.