Verbrechen und Strafe von Fjodor Dostojewski erschien 1866 und ist der erste der großen Romane Dostojewskis
Schuld und Sühne ist zwar in der deutschen Sprache die geläufigste Bezeichnung des Romans, die genaue Übersetzung des russischen Titels Преступление и наказание (Prestuplenie i nakazanie) ist aber Verbrechen und Strafe. Außerdem wurde der Roman im Deutschen auch unter dem Namen seiner Hauptfigur, Rodion Raskolnikow, herausgegeben.
Handlung
Schauplatz des Romans ist Sankt Petersburg um 1860. Es geht um die Geschichte des bitterarmen, aber überdurchschnittlich begabten Jura-Studenten Rodion Romanowitsch Raskolnikow. Die Mischung aus Armut und Überlegenheitsdünkel spaltet ihn zunehmend von der Gesellschaft ab. Unter dem starken Eindruck eines von ihm zufällig belauschten Wirtshausgesprächs entwickelt er eine Theorie der "außergewöhnlichen" Menschen, die im Sinne des allgemein-menschlichen Fortschritts natürliche Vorrechte genießen sollten. Er selbst, jung und talentiert, doch mit Armut geschlagen, sieht sich als solchen bevorrechtigten Menschen.
Sein Selbstverwirklichungsdrang wird durch die zwingenden äußeren Umstände behindert. Seine Kleidung ist zerlumpt und er haust in einem Zimmer von sargähnlicher Enge. Die finanziell prekäre Situation zwingt Raskolnikow, sich an eine alte wucherische Pfandleiherin zu wenden. Jene ist eine geizige und herzlose Alte, die nur dafür lebt, ein immer größeres Vermögen zusammenzuraffen. Für Raskolnikow ist sie der Inbegriff einer "Laus", eines wertlosen Menschen, über dessen Leben die wirklich großen Menschen rücksichtslos hinweggehen. Motiv für seinen Mord ist letztlich eine perverse Art der Selbstfindung, wie er später Sonja, einem jungen Mädchen welches sich auf Grund von Geldnöten ihrer Familie prostituiert, gesteht: "Ich wollte damals erfahren, so schnell wie möglich erfahren, ob ich eine Laus bin, wie alle, oder ein Mensch." "Ein Mensch" bedeutet hier für ihn: Ein großer Mensch, ein Napoleon, den er als Beispiel für vorbildliche Rücksichtslosigkeit anführt.
Unter einem Vorwand besucht er die Alte erneut, erschlägt sie mit einer Axt und raubt ihre Wertsachen. Nur mit großem Glück kann er unentdeckt entkommen, wobei seine nervliche Anspannung fast in Wahnsinn mündet. So fällt er nach gelungener Tat in einen mehrtägigen fiebrigen Dämmerzustand. Immer mehr zeigt sich, dass er seiner eigenen Theorie nicht gewachsen ist. Er ist nicht der Mensch ohne Gewissen, der er zu sein glaubte. Außerdem hat ihn seine Tat verändert. Die gesellschaftliche Abspaltung, zuvor äußerlich durch Raskolnikows Armut bedingt, empfindet er, der Mörder, innerlich nun umso schmerzhafter.
Nach der Mordtat findet er keine Ruhe mehr, selbst seine eigene Mutter verwirft er. So dauert es nicht lange und er wird von einem Ermittlungsrichter als Schuldiger erkannt. Dieser kann jedoch nicht beweisen, dass Raskolnikow den Mord begangen hat. Beiden, Täter wie Ermittler, ist dies klar, wenngleich es nicht offen ausgesprochen wird. Stattdessen steigert sich das intellektuelle Gefecht zwischen Ermittler und Täter zu einem subtilen psychologischen Spiel, welches Raskolnikow, wiewohl er nach äußerlichem Stand der Untersuchungen beruhigt sein könnte, immer mehr in die Enge treibt. Die gläubige Prostituierte Sonja, welche er kennen und lieben lernt, rät ihm schließlich, sich zu stellen um für seine Sünden zu "bezahlen". In der Haft in einem sibirischen Arbeitslager folgt die Wandlung Raskolnikows zum Christen. Der Roman überzeugt durch psychologisch realistische Charaktere und präzises, anschauliches Erzählen.
Raskolnikow ist eine Figur, die anfangs ihre Ideen und Vorstellungen vom Sein und der Welt über die Wirklichkeit selbst stellt. Von seinem eigenen Genie überzeugt, veröffentlicht er in einer Literaturzeitschrift einen Artikel, in dem er den "außergewöhnlichen" Menschen Rechte über die "gewöhnlichen" Menschen einräumt. Seine These gipfelt in der Behauptung, außergewöhnliche Menschen hätten das Recht und die moralische Pflicht, die gewöhnlichen Menschen zu ihren höheren Zwecken zu gebrauchen.
Raskolnikow verwirft die Welt, da sie ihm unvollkommen erscheint. Erst durch sein ideelles Scheitern aufgrund seines Gewissenskonflikts ist er fähig, einen unvoreingenommenen Blick auf die Wirklichkeit zu tun und sie als das zu entdecken, was sie ist: komplexer, reicher und vollkommener als seine Ideale; er erkennt in ihr demütig das Wirken Gottes.
Autobiographisches
Dostojewski war ein atheistischer Sozialist, der in ein sibirisches Gefangenlager kam und dann Militärdienst ableisten musste. Im sibirischen Gefangenenlager bekommt Dostojewski das neue Testament, welches er nun aufmerksam studiert. Nach seiner Gefangenschaft vollzieht sich der Wandel vom atheistischen Revolutionär zum Christen. So ist Raskolnikows Wandlung das Abbild der Wandlung Dostojewskis vom Revolutionär zum Christen.
Musikalische Bearbeitungen
Giovacchino Forzano hat ein musikalisches Drama nach Dostojewskis Roman geschrieben, das 1929 von Walter Dahms ins Deutsche übersetzt wurde. Die Musik stammt von Arrigo Pedrollo.
Eine Oper wurde 1948 von Peter Sutermeister geschrieben. Die Musik stammt von Heinrich Sutermeister.
Verfilmungen
- Crime and Punishment (1935) mit Peter Lorre, Edward Arnold und Marian Marsh in den Hauptrollen;
- RASKOLNIKOFF (1962), Fernsehfilm mit Oskar Werner Porphyri, Regie Hermann Wenninger, Musik Bernd Scholz
- Dostoevsky's Crime and Punishment (1998), Fernsehfilm mit Patrick Dempsey, Ben Kingsley und Julie Delpy;
- Crime and Punishment (2002) mit Crispin Glover, Vanessa Redgrave und John Hurt.
Übersetzungen ins Deutsche
Die Titel der jeweiligen Übersetzungen beziehen sich auf die Erstausgabe. Spätere Ausgaben der gleichen Übersetzung wurden teilweise unterschiedlich betitelt.
- Wilhelm Henckel (?) als "Raskolnikow"
- Hans Moser (ca. 1888) als "Raskolnikow's Schuld und Sühne"
- Paul Styczynski (ca. 1891) als "Schuld und Sühne"
- E. K. Rahsin (1906) als "Schuld und Sühne" ISBN 3-492-04002-0
- Adam Kotulski (ca. 1907) als "Raskolnikow oder: Schuld und Sühne"
- Michael Feofanoff (ca. 1908) "Rodion Raskolnikoff"
- Hermann Röhl (1912) als "Schuld und Sühne" ISBN 3-15-002481-1
- Alexander Eliasberg (ca. 1924) als "Verbrechen und Strafe"
- Gregor Jarcho (?) "Verbrechen und Strafe"
- Bernhard Dedek (1925), Übersetzung und Bearbeitung, "Raskolnikow. Schuld und Sühne"
- Werner Bergengruen (1925) als "Schuld und Sühne"
- Valeria Lesowsky (?) als "Raskolnikow : (Schuld und Sühne)"
- Alexander Eliasberg (1948) als "Schuld und Sühne"
- Benita Girgensohn (1963) als "Schuld und Sühne"
- Richard Hoffmann (1977) als "Schuld und Sühne" ISBN 3-538-06910-7
- Margit und Rolf Bräuer (1994 (?)) als "Schuld und Sühne"
- Swetlana Geier (1994) als "Verbrechen und Strafe" ISBN 3-250-10174-5 und ISBN 3-250-10175-3