Haus ohne Hüter ist ein Roman des deutschen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Heinrich Böll, erschienen 1954 bei Kiepenheuer und Witsch.
Handlung
Der Roman spielt zu Anfang der fünfziger Jahre in einer Stadt am Rhein. Fünf Personen bestimmen die Handlung, die in stetig wechslender Perspektive jeweils aus der Sicht der einzelnen Personen dargestellt wird. Alle fünf Personen leben in Familien, deren Väter im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Die Kinder haben keinen Vater, die Frauen keine Männer mehr. Aus dieser Situation, die für die Nachkriegszeit in Deutschland typisch war, entstehen Konflikte, die Heinrich Böll anhand zweier Familien zeigt:
Heinrich Brielach ist ein zwölfjähriger Junge, der in seiner Familie schon früh Verantwortung übernehmen mußte. Seine Mutter lebt mit wechselnden Partnern in "Onkel-Ehen" zusammen, muß eine Abtreibung durchführen lassen und bekommt später ein nichteheliches Kind. Ihr Sohn muß sich um seine Stiefschwester Wilma kümmern und ist in der Familie verantwortlich für die Haushaltskasse. Trotz seiner Jugend ist er derjenige, der dafür sorgen muß, daß sein "Onkel" Leo ausreichend zum Familienunterhalt beiträgt. Wichtigstes Ziel ist für Heinrich, daß genug Geld für die Zahnprothese seiner Mutter zusammenkommt.
Heinrichs Freund Martin Bach ist der Sohn eines ebenfalls verstorbenen berühmten Dichters. Die Mutter Nella (die "Witwe des Dichters") und ihr Sohn sind ohne materielle Sorgen, die Mutter bringt aber durch ihre Stimmungsschwankungen Unruhe und Unfrieden in die Familie.
In dieser Nachkriegs-Atmosphäre des Mangels, der Not und der moralischen Orientierungslosigkeit erleben Heinrich und Martin ihre Pubertät. Ihr Denken kreist um das Leben ihrer Mütter, das beide als "UNSCHAMHAFT" und "UNKEUSCH" empfinden. Diese Ausdrücke stammen aus dem katholischen Beichtspiegel der damaligen Zeit. Der Gedanke an "die Vereinigung" der Frauen mit fremden Männern, das "Wort, das die zum Bäcker gesagt hatte", läßt die Jungen nicht los.
Im weiteren Verlauf des Romans zieht Heinrichs Mutter zu ihrem neuen Partner. Dies bedeutet für die Familie mehr finanzielle Sicherheit; die moralischen Probleme jedoch bleiben unverändert. Martins Mutter lernt den ehemaligen Offizier Gäseler kennen, der indirekt für den Tod ihres Mannes verantwortlich ist: Im Krieg hatte er den Dichter Bach in ein Himmelfahrtskommando abgeordnet, auf dem dieser den Tod fand. Gleichgültig läßt sich Nella Bach mit Gäseler ein, der sich mittlerweile als Literat ausgibt. Ein Freund des toten Dichters schlägt ihn mit der Faust nieder: Sein feiges und verräterisches Handeln im Krieg ist auch im Frieden nicht vergeben und vergessen.
Stellung des Romans in Bölls Werk
Ein immer wiederkehrendes Thema in den Werken Heinrich Bölls ist die Wiederherstellung der Normalität, die bürgerliche Restauration der alten Bundesrepublik im Geist des rheinischen Katholizismus kleinbürgerlicher Prägung. Die Personen werden scharf, zum Teil klischeehaft, unterschieden: Jene, die die verbrecherische nationalsozialistische Vergangenheit ohne Weiteres verdrängen und sich skrupellos ihrer wirtschaftlichen Karriere widmen (Wirtschaftswunder), stehen im Gegensatz zu den anderen, die sich nicht mit dem nahtlosen Übergang in die neue Ordnung abfinden können.
Ausgaben
Böll, H.: Haus ohne Hüter. Kiepenheuer & Witsch 1954 u.ö., ISBN: 3462031473
Hörbuch, Lesung durch den Autor
Böll., H.: Haus ohne Hüter, Dhv der Hörverlag, 2003, ISBN: 3899400690