Lebensmittelverband Deutschland

Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft
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Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft.

Lebensmittelverband Deutschland
Rechtsform Eingetragener Verein
Gründung 1955 in Berlin
Sitz Berlin
Vorstand Präsident: Werner Wolf
Stellv.: Hans-Dieter Bischof
Weiterer Vorstand:
Joachim Bergmann
Manfred Esser
Jens Harting
Werner Hilse
Stefan Leitz
Heinz-Werner Süss
Susanne Langguth
Geschäftsführer Matthias Horst; (HGF)
Angelika Mrohs
Marcus Girnau
Peter Loosen (Büro Brüssel)
Mitglieder rund 90 Verbände, 300 Unternehmen und 100 Einzelmitglieder
Website http://www.bll.de/

Profil

Zu den Mitgliedern des BLL zählen rund 90 Interessenverbände, ca. 300 Unternehmen und ca. 100 Einzelmitglieder. Sie kommen nach eigenen Angaben aus den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie, Lebensmittelhandel, Zulieferbereiche, Verpackungsindustrie, Chemische Industrie, private Untersuchungslaboratorien, Anwaltskanzleien und Verlage. Die Mitglieder der Verbände eingerechnet, vertritt der BLL rund 500.000 Unternehmen mit etwa 330 Milliarden Euro Jahresumsatz.[1] Die Finanzierung erfolgt durch die Mitglieder aus der Lebensmittelindustrie, es werden jedoch keine Zahlen bekanntgegeben.

In den BLL-Büros in Berlin und Brüssel arbeiten Juristen und Naturwissenschaftler interdisziplinär zusammen. Ihre Aufgabengebiete umfassen die Entwicklung des europäischen, deutschen und internationalen Lebensmittelrechts. Mitglieder des Verbandes arbeiten regelmäßig an der Fortentwicklung des Deutschen Lebensmittelbuches mit, dessen Vorschriften eine entscheidende Grundlage für die operative Tätigkeit der meisten Verbandsmitglieder darstellen.[2]

Kontroverse

Der Verband steht seit langem in einer Kontroverse um die Einschätzung der Legitimität seiner Aktivitäten. Hierbei stehen sich in der Regel Kritik an der Transparenz und klaren Interessenvertretung in seinem Handeln einerseits und die Beurteilung seiner wirtschaftspolitischen Bedeutung und wissenschaftlichen Seriosität andererseits gegenüber.

Skeptische Positionen

Verbraucherverbände wie foodwatch werfen dem BLL vor, als "unsichtbare Lebensmittel Loge" Stimmung für Gentechnik zu machen und die Gesetzgebung beispielsweise beim Verbraucherinformationsgesetz massiv zu beeinflussen. Greenpeace bekam zum Thema Gentechnik ein brisantes Papier zugespielt, das die Beteiligung des BLL an Pro-Gentechnik-Kampagnen zeigt. [3], [4]

Das kritische Fernsehmagazin Kontraste zeigte in einer Sendung vom 15. Januar 2004 die Einflussnahme des BLL auf die Gesetzgebung:

„Die Verbraucherschutzkommission in Brüssel hat gerade mit einem Gesetzesentwurf versucht, Kinder-Werbung einzuschränken.
Thomas Isenberg, Verbraucherzentrale Bundesverband:
"Die ersten Entwürfe der Europäischen Kommission hatten einen entsprechenden Passus, der eine Werbung, die an Kinder gerichtet ist, bezüglich dieser Gesundheitsauslobung verboten hätte. Das war nicht mehrheitsfähig. Auf Druck der Lobbyinteressen. So dass es in dem jetzigen Entwurf nicht mehr vorhanden ist." Der Verband der Lebensmittelhersteller gibt seine Einflussnahme in Brüssel offen zu.
Matthias Horst, Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde:
"Wir sind zu den Vorentwürfen natürlich gefragt worden im Rahmen unseres europäischen Verbandes und da haben wir dagegen argumentiert. Klar."
Frage:
"Mit Erfolg?"
Prof. Matthias Horst, Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde:
"Mit Erfolg." [5]

Die Lebensmittelchemiker Udo Pollmer und Eva Kapfelsperger schrieben über den BLL:

„Die Interessen der Lebensmittelindustrie gegenüber dem Gesetzgeber nimmt der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) wahr. Unter dem Motto »Recht korrigieren und interpretieren« lobt das Fachblatt »Ernährungswirtschaft«: Der BLL »in Bonn spielt eine in der Öffentlichkeit wenig auffällige, für den Verbraucher kaum wahrnehmbare, von der Lebensmittelindustrie dankbar anerkannte ... Rolle«. Er »begleitet jede auch nur in Ansätzen erkennbare gesetzgeberische Initiative mit ... Argwohn« und »wirkt auf die Gesetzgebung ein und korrigiert, wo es nötig ist ...«. So erfreulich diese Tätigkeit für die Ernährungsindustrie ist, so steht ihr kein gleichmächtiger Partner gegenüber, der einer Gesetzgebung im Stile des BLL Paroli bieten könnte. [6]

Herbert Schäfer schrieb über den BLL:

„Am Beispiel der "Attacke seitens des BLL auf eine vorschnelle bundeseinheitliche Hygieneverordnung" wird belegt, mit welchem Engagement zugunsten der Wirtschaft die Vereinigung "politischem und juristischem Gesetzeseifer" entgegentrete - nicht selten mit Erfolg. So habe der BLL seinerzeit vorgeschlagen, "den Entwurf einer Hygieneverordnung so lange zurückzustellen, bis eine materielle Zusammenstellung des Inhalts erfolgt sei. Dieses Angebot wurde auch von der Regierung angenommen." Eine der wichtigsten Aufgaben des BLL: "Abwehr von Verängstigungskampagnen, auch durch manche Medien." Nicht zu vergessen die Ausstellung von Persilscheinen für die Firmen "wann immer ein Unternehmen seine Unterstützung benötigt, sei es durch eine Unbedenklichkeitsbestätigung zugunsten eines Produktes, durch wissenschaftlich begründete Argumente gegen eine Kampagne oder durch gezielte oder allgemeine Imagepflege für die gesundheitlich unbedenkliche und hohe Qualität des Angebots der deutschen Ernährungsindustrie". Führende Köpfe der Organisation wirken am regierungsamtlichen Ernährungsbericht mit, den die Bundesregierung alle vier Jahre vorlegt, wodurch wiederum der starke Einfluss der Ernährungswirtschaft auf die Bonner Gesundheitspolitik deutlich wird. Dazu die Zeitschrift natur (2/85): "Sehr stark, wenn nicht entscheidend beeinflusst wurde der Ernährungsbericht durch eine siebenköpfige Seilschaft des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, der die bundesdeutsche Nahrungsmittelindustrie [...] vertritt [...]. Da kann man nur noch sagen: Es ist ungesund sich solchen Ernährungsfilz wie den Ernährungsbericht 1984 zu Gemüte zu führen." Die Einschätzung der Grünen im Bundestag zum Ernährungsbericht '88: "Auch nach diesem Ernährungsbericht ist weder eine fortschrittliche, von Industrieinteressen unabhängige Informationspolitik zu erwarten noch effektive Verbesserungen im Bereich gesetzlicher Schutz." Die Grünen sehen einen Grund in der personellen Verflechtung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und den Autoren des Ernährungsberichtes mit dem BLL, "der Lobby der Ernährungsindustrie". [7]

Unterstützende Positionen

Helmut Erbersdobler schreibt in der Ernährungs-Umschau:

„Der BLL galt und gilt als der wissenschaftlich ausgerichtete Dachverband der Lebensmittelwirtschaft in Deutschland – selbstverständlich Partei ergreifend, aber immer seriös. Seine Hauptaufgabe ist es, Kontakte zur Politik herzustellen, zu pflegen und bei der Entwicklung des Lebensmittelrechts die Interessen der Wirtschaft konstruktiv einzubringen. [...] Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des BLL seit über 30 Jahren konnte ich immer feststellen, dass es möglich ist, eigene, auch konträre Ansichten zu vertreten und damit im Diskurs zur Entwicklung der Lebensmittelbranche beizutragen. [8]

Quellen

  1. Otmar Berndhard: Die verbraucherpolitischen Schwerpunkte der Verbraucherschutzministerkonferenz im Jahre 2008. (PDF) Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, 19. September 2008, abgerufen am 29. Oktober 2012.
  2. vgl. z.B. Peter Mühlbauer: Geheimsache Fruchtkremfüllung. Telepolis, 10. März 2010
  3. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15902/1.html
  4. http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2003/10/26/18444.html
  5. http://www.rbb-online.de/_/kontraste/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_1137121.html
  6. Eva Kapfelsperger; Udo Pollmer: Iß und stirb, Chemie in unserer Nahrung. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1992, ISBN 3-462-02187-7. Seite 265
  7. Herbert Schäfer: Tatort Lebensmittelmarkt, Wie auf dem Nahrungssektor gelogen und betrogen wird. Orac, Wien 1993, ISBN 3-7015-0268-4. Seite 32f.
  8. http://www.ernaehrungs-umschau.de/archiv/editorial/?id=2073