Jászberény

ungarische Stadt an den Flüssen Zagyva und Tarna
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Jászberény [ˈjaːsbɛreːɲ] (deutsch: Jaßbring[1], lokal auch Berény) ist eine Stadt mit ca. 28.000 Einwohnern in Ungarn. Sie liegt im nordwestlichen Ausläufer der Großen Ungarischen Tiefebene 75 km östlich von Budapest an den beiden Ufern der Zagyva und gilt als Hauptstadt der Region Jászság, in der eigene volkskundliche Traditionen (z. B. Volkstänze) überliefert werden.[2]

Jászberény
Jászberény (Ungarn)
Jászberény (Ungarn)
Jászberény
Basisdaten
Staat: Ungarn Ungarn
Region: Nördliche Große Tiefebene
Komitat: Jász-Nagykun-Szolnok
Kleingebiet bis 31.12.2012: Jászberény
Koordinaten: 47° 30′ N, 19° 55′ OKoordinaten: 47° 29′ 51″ N, 19° 54′ 49″ O
Fläche: 221,35 km²
Einwohner: 26.516 (1. Jan. 2022)
Bevölkerungsdichte: 120 Einwohner je km²
Telefonvorwahl: (+36) 57
Postleitzahl: 5100
KSH-kód: 18209
Struktur und Verwaltung (Stand: 2012)
Gemeindeart: Stadt
Bürgermeister: Tamás Szabó (Fidesz)
Postanschrift: Lehel vezér tér 18
5100 Jászberény
Website:
(Quelle: Localities 01.01.2022. bei Központi statisztikai hivatal)
Hauptkirche

Geschichtlicher Überblick[3]

Die ältesten archäologischen Funde im Jászság stammen von nomadisch lebenden Menschen der Steinzeit und datieren auf ca. 16500 Jahre v. Chr. Durch Ausgrabungen (2002) in Jászberény und Jásztelek zur Erforschung der Jäger- und Sammlerkulturen der Mittelsteinzeit im nördlichen Teil der ungarischen Tiefebene durch Róbert Kertész konnten deutliche Siedlungsspuren entdeckt werden.[4] In dieser Zeit erwärmte sich das Klima.[4] Dadurch wurden die eiszeitlichen Nadelwälder entlang der Flusstäler durch Laubwald abgelöst, das Ökosystem veränderte sich und eine neue Fauna etablierte sich im Karpatenbecken.[4] Die vormals nomadischen lebenden Kulturen wurden unter Druck gesetzt und am Übergang vom Pleistozän zum Holozän wurden sie sesshaft.[4] Spuren aus dieser Zeit weisen darauf hin, dass die Menschen aktiv auf die Verbreitung von Haselnussbüschen hinwirkten - eine frühe Form der landwirtschaftlichen Nutzung.[4] Südlich des Jászság konnten zur gleichen Zeit schon Ackerbau und Viehwirtschaft nachgewiesen werden.[4][5] Da die Entwicklung des Ackerbaus im Karpatenbecken bestimmend für die neolithische Revolution in Europa war, stellen diese Untersuchungen einen wesentlichen Meilenstein in der Archäologie dar.[6][5]

Ab ca. 6000 v. Chr. finden sich entlang der Ur-Zagyva permanent bewohnte Ansiedlungen. Ab rund 2800 v. Chr. besiedeln von Süden her neue Völker mit der Fähigkeit des Bronzegiessens das Land. Im Jászság finden sich die aus Ägypten bekannte Siedlungsform - Tell - und damit das nördlichste Vorkommen dieser Formen.

Ab dem vierten und dritten Jahrhundert vor Christus lassen sich Spuren der von Westen kommenden Kelten im Jászság feststellen. So finden sich keltische Friedhöfe bei Jászbereny, Hajta und Jászjákohalma. Ab dem ersten Jahrhundert nach Christus siedelte der aus Sarmatien eingewanderte Stamm der Jazygen in der ungarischen Tiefebene, zu der auch das Jászság gehört. Nach verlorenen Kämpfen mit den Römern im Zuge der Markomannenkriege[7] wird das kriegerische Reitervolk zu einem tributpflichtigen Bündnispartner hinter dem von Rom im vierten Jahrhundert errichteten Limes Sarmatiae. Ihre Siedlungen sind noch in der Zeit des Hunnensturms (fünftes Jahrhundert n. Chr.) nachzuweisen. In der Mitte des sechsten Jahrhunderts siedeln Awaren in der Region und werden schließlich 895 von den landnehmenden Ungarn verdrängt.

Während der Regierungszeit des ungarischen Königs Bela IV siedelte sich im 13. Jahrhundert das Volk der Jász, die ebenfalls auch „Jazygen“ (Jaßen) genannt werden, in Ungarn an. Die Jász werden, begründet auf Sprachforschungen, den indo-iranischen Völkern zugeordnet.[8] Ihr ursprünglicher Name Àsz veränderte sich unter slawischen und türkischen Einflüssen zu Jász. Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich am Südrand der Mátra nach Westen bis an das Gödöllöer Hügelland, im Osten bis fast an die Theiß und nach Süden hin bis zum heutigen Szolnok, nördlich der dort siedelnden Kyptschaken (ungarisch Kun). Das Siedlungsgebiet bildete im 15. Jahrhundert einen Burgbezirk mit dem Sitz (sedes) Berény, der bis 1876 Hauptstadt des Komitats Jász-Nagykun-Szolnok war.

1536 wurde das Jászság durch die Türken angegriffen und besetzt. In Berény errichteten die Türken einen Militärposten aus dem zerstörten Franziskanerkloster und der 1472 errichteten Kirche[9].

Nach dem Ende der Türkenherrschaft verkaufte Leopold I. den Jászság, genauer Jaziger District, Groß- und Kleinkumanien, am 22. März 1702 an den Deutschen Orden und hob damit die Privilegien des Bezirks auf.[10] Der Deutsche Orden begründete in Berény seinen Hauptsitz und ernannte die Stadt nun auch offiziell zur Hauptstadt des Bezirks Jászkun (Jászság, Kiskunság und Nagykunság). Die Bevölkerung stimmte dem Verkauf nicht zu. Während der Rákóczi-Aufstände unterstützte die Bevölkerung Franz II. Rákóczi, und wandt sich nach der Niederschlagung der Aufstände juristischen Mitteln zu. Sie erhoben die notwendige Summe und kauften ihr eigenes Land zurück. 1745 erkannte Maria Theresia den Freikauf (Redemption~Erlösung) an, und stellte die ehemaligen Privilegien weitgehend wieder her.

In der Folge der ungarischen Revolution von 1848–49 wurde das selbständige Verwaltungssystem im Jászkun wieder aufgehoben. Die Dreierregion (Jászság, Kiskunság und Nagykunság) wurde in Kreise eingeteilt, von denen zwei aus dem ehemaligen Jászság gebildet wurden. Kreisstädte waren Jászberény und Jászapáti.

1860 errang die Region ihre autonome Selbstverwaltung noch einmal zurück, nur um sie 1877 endgültig zu verlieren. Kiskunság wurde auf die Komitate Pest und Bács aufgeteilt, Jászság und Nagykunság wurden dem Komitat Jász-Nagykun-Szolnok zugeschlagen. Neue Komitatshauptstadt war Szolnok und damit verlor Jászberény seine frühere Bedeutung.

Wirtschaft

Jászberény ist ein wichtiges Schul- und Verwaltungszentrum. Ein 1767 in Jászapáti gegründetes Gymnasium wurde 1779 nach Jászberény verlegt.[9] Das 1917 eingerichtete Lehrerkolleg wird seit dem 1. Januar 2000 als "Szent István" Universität in Jászberény weitergeführt.[9] Im Rahmen des ersten ungarischen Fünf-Jahres-Plans (1959-54) wurde eines der drei wichtigsten Projekte in der ungarischen Tiefebene - die Aprítógépgyár RT (Schwermaschinenfabrik) - in Jászberény gegründet.[11] 1952 wurde daneben ein Kühlschrankwerk - LEHEL Hűtőgépgyár (ung. Lehel Kühlschrankwerk) - gegründet, das sämtliche Kühlschränke für Ungarn produzierte und somit nationale Bedeutung erlangte.[11] 1991 übernahm der schwedische Haushaltsgerätehersteller Electrolux das Werk, das seither erheblich um- und ausgebaut wurde.[9] Das Werk ist mit ca. 3500 Beschäftigten[12] eines der größten Unternehmen in Ungarn. Im Rahmen dieser Entwicklung siedelten weitere Industrieunternehmen - hauptsächlich Maschinenbau und Kunststoffverarbeitung[12] - in der Region an, wodurch sich auch der Handel belebte und Jászberény seine Rolle als wichtigster Handelsplatz der Region festigte. Daneben bleibt, auch nach der Privatisierung des Landbesitzes, die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die wichtigsten Anbaupflanzen sind Getreide, Zwiebeln und Melonen.[9]

Kultur

 
Luftaufnahme: Jászberény – Kirche

Jaszberény hat ein lebhaftes Kulturleben. Bekannt sind aus der Stadt die folgenden Chöre, Volksmusikgruppen und Tanzgruppen: Jászság Népi Együttes, Lehel Társastánc Klub, Palotásy János Vegyeskar, Székely Mihály Kórus, sowie Vasas Kórus.

Jährlich veranstaltet Jászberény ein Internationales Tanzhaus- und Musiker-Camp (Nemzetközi Táncház és Zenésztábor), ein Tschango-Festival (Csángó Fesztivál), den Nationalen Honigmarkt (Országos Mézvásár) und seit 1996 diverse Veranstaltungen im Rahmen des Jászberényer Sommer (Jászberényi Nyár)[9].

Museum

Am 24. Dezember 1874 wurde auf Betreiben des stellvertretenden Bürgermeisters Orbán Sipos das Museum der Stadt Jászberény in einem Nebengebäude des damaligen Rathauses eröffnet.

Das Museum enthält eine große Sammlung von archäologischen, historischen und ethnologischen Ausstellungsstücke mit Bezug auf die Region Jász (Jászság).

Die Lehel-Sage

 
Horn des Lehel

Mit Jászberény verbindet sich eine der beliebtesten Volkssagen Ungarns, die Lehel-Sage.

Während eines Feldzugs der Ungarn nach Deutschland um 950 kam es auf dem Lechfeld bei Augsburg zu einer großen Schlacht. Ein Teil der Ungarn wurde von Deutschen Einheiten umringt, dann getötet oder gefangen genommen. Auch zwei Heerführer der Ungarn gerieten so in Gefangenschaft. Vor den Kaiser gebracht bot dieser ihnen an, sich für eine Todesart zu entscheiden, die ihnen genehm sei. Der eine – Lehel – bat daraufhin darum, noch einmal sein Horn spielen zu dürfen. Man reichte ihm sein Horn. Er ergriff es, stürzte zu dem Kaiser und erschlug diesen mit dem Horn und rief dabei: „Du wirst im Jenseits mein Knecht sein!“ Dies, da die alten Magyaren glaubten, erschlagene Gegner würden im Jenseits als Diener des Siegers weiterleben.

Im Museum von Jásberény wird ein byzantinisches Horn aus Elfenbein aufbewahrt, welches seit langem als „Horn des Lehel“ bekannt ist. Wissenschaftlich lässt sich weder die Sage, noch die Identität des Horns belegen.

Entwicklung der Bevölkerungszahl

Jahr Einwohner
1900 25 227
1910 29 675
1920 31 971
1960 30 332
1985 30 983
1990 29 221
1996 28 502
2001 28 207

Partnerstädte

Söhne und Töchter der Stadt

Quellen

  1. Liste deutscher Ortsnamen in Ungarn
  2. Pallas Online Großlexikon
  3. Edit Bathó Horti et al. (1999) Das Leben im Land der Jászen, Stiftung für das Jász-Museum (Eigenverlag) ISBN 963-03-6864-1
  4. a b c d e f Róbert Kertész (2002) Mesolithic Hunter-Gatherers in the Northwestern Part of the Great Hungarian Plain; PRAEHISTORIA vol. 3 (2002)
  5. a b Wolfgang Haak (2006) Populationsgenetik der ersten Bauern Mitteleuropa - Eine aDNA-Studie an neolithischem Skelettmaterial; Inauguraldissertation zur Erlangung des Akademischen Grades eines Dr. phil. an der Johannes Gutenberg Universität, Mainz; Online
  6. William J. Eichmann (2004) Mesolithic Hunter-Gatherers in the Carpathian Basin and the Spread of Agriculture in Europe; Fulbright Student Conference Papers in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Institut der ungarischen Akademie der Wissenschaften
  7. Marcelo Tilman Schmitt: Die römische Außenpolitik des 2. Jahrhunderts n. Chr. Friedenssicherung oder Expansion? Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997. ISBN 978-3-515-07106-2. S. 146.
  8. 1950 in der Széchényi-Nationalbibliothek entdeckte Urkunden wurden durch vergleichende Sprachforschung mit der ossetischen Sprache in Verbindung gebracht. Online
  9. a b c d e f Selbstdarstellung der Stadt auf der Homepage, abgerufen am 1. September 2012
  10. Sammlung Breitenbach zur Geschichte des Deutschen Ordens (Onlinezugriff) im Landesarchiv Baden-Württemberg, abgerufen am 23. Juli 2011
  11. a b Sebők Balázs (2009) The Industrialisation of the Great Hungarian Plain - (Phd. Thesis); University of Szeged Graduate School of History; Online, abgerufen am 1. September 2012
  12. a b Business Opportunities in Jászberény; Broschüre im Rahmen des Széchenyiplans der Nationalen Entwicklungsagentur in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union.
Commons: Jászberény – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien