Ein Naturgesetz ist eine Regelmäßigkeit, die bei Erscheinungen in der Natur auftritt und durch zahlreiche Beobachtungen oder Experimente untermauert wird. Von einem Naturgesetz spricht man vor allem dann, wenn ein allgemein notwendiger, wesentlicher Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung zu bestehen scheint.
Einleitung
Ob Naturgesetze Bestandteil der Natur sind und den Vorgängen zugrunde liegen, oder ob sie vielmehr Konstrukte zur Beschreibung von Naturvorgängen sind, ist umstritten. Nach der erstgenannten Auffassung sind die Naturgesetze unumgängliche Regeln, nach denen sich die Natur verhält. (Die Physik beschränkt sich allerdings ausschließlich auf die Berechnung von Modellen der Natur sog. physikalischer Systeme, die sich exakt berechnen lassen.) Ziel der Naturwissenschaften ist es dann, diese Gesetze zu erforschen. Der Wissenschaftler ist Entdecker der Naturgesetze. Als Mittel zur Aufdeckung der Naturgesetze wird entweder das Experiment und die Beobachtung (Empirismus) oder die Vernunft und das analytische Denken (Rationalismus) bevorzugt. Nach der letztgenannten Auffassung werden die Naturgesetze von Menschen als Abstraktionen der beobachteten Naturvorgänge geschaffen. Der Wissenschaftler ist Erfinder der Naturgesetze. Diese Auffassung liegt zum Beispiel dem Konstruktivismus zugrunde. Oft wird es auch vermieden, von Naturgesetzen zu sprechen, da die spätere Falsifikation eines für richtig gehaltenen Gesetzes nie ausgeschlossen werden kann.
Göttliche Gesetze für die Natur
Dies ist wohl die älteste Bedeutung des Begriffs. Menschen suchen nach Erklärungen für die beobachteten Phänomene. Manches in ihrer Umwelt haben Menschen gemacht (Häuser, Werkzeuge usw.), anderes aber nicht. In der Natur herrscht aber ein ständiges Werden und Vergehen. Die nahe liegende Erklärung ist das Wirken höherer Wesen, die die Welt erschaffen und eingerichtet haben, und nun in ihr handeln, gerade so wie Menschen ein Haus bauen und in ihm wohnen.
Offensichtlich gibt es eine gewisse Ordnung in der Natur, wie den Lauf der Gestirne, der Wandel der Jahreszeiten, der Wechsel zwischen bestimmten Wetterbedingungen usw. Diese Ordnung muss nach jenem Verständnis göttlichen Ursprungs sein, höhere Wesen haben Regeln erlassen, nach denen alles abläuft. Es gibt also explizite Gesetze, nach denen sich die Natur richtet, und wenn sie anders wären, würde sich die Natur anders verhalten.
Auch wenn in der Neuzeit überall Mythen durch wissenschaftliche Erklärungen ersetzt wurden, lehren doch viele Religionen die Erschaffung der Welt und ihrer Naturgesetze durch einen göttlichen Schöpfungsakt. Auch dort, wo kein Gott konkret in das Geschehen eingreift, läuft alles nach göttlichen Regeln ab. Danach wären die Naturgesetze etwas, das außerhalb oder über der Natur steht. In jedem Fall sind sie nach diesem Verständnis für sich existent, und nicht nur beschreibende Konstrukte des menschlichen Geistes. Auch viele nicht-religiöse Menschen gehen von einer solch realen Existenz der Naturgesetze aus, wie auch immer sie entstanden und dokumentiert sein mögen.
Naturgesetze als Spiegel des wissenschaftlichen Fortschritts
Wissenschaftsgeschichtlich beobachtet man, wie sich immer wieder ein ganzes Bündel zuvor beschriebener einzelner Gesetze auf ein zu Grunde liegendes Gesetz zurückführen lässt, zu dessen Verständnis dann umfassendere Vorkenntnisse erforderlich sind. Ein Beispiel hierfür sind die zahlreichen in der Mechanik beschriebenen Kräfte und die Gesetze ihres Wirkens, die letzten Endes alle auf elektromagnetische Wechselwirkungen zwischen und in den involvierten Körpern zurückgeführt werden können.
Daneben zeigt der Übergang von der Newton'schen Physik zur Relativistik Albert Einsteins, wie sich als unumstößlich erkannt geglaubte Gesetze dann doch nur als Modell für einen Spezialfall erweisen.
Diese Überlegung führt zur Suche nach "letzten" und grundlegenden Gesetzen, einem Weltgesetz, auf dem aufbauend "alles" erklärt und aufgebaut werden kann, vergleichbar den mathematischen Axiomen. "Stringtheorie", "Quantengravitation" und "Große Vereinheitlichte Theorie" sind einige Stichwörter dazu.
Jedes Naturgesetz, das auf ein allgemeineres Gesetz zurückgeführt werden kann, hat danach nur noch den Rang eines Modells. Ein starkes Argument für die Vermutung, alle uns bekannten Naturgesetze seien tatsächlich nur Konstrukte des menschlichen Geistes.
Ein "reales" Naturgesetz sollte in einer abstrakten Sprache formuliert sein, die weithin gültig ist (vgl. genetischer Code). Geeignete Mechanismen müssten das Gesetz "lesen" und umsetzen, oder sonstwie in der Welt der beobachteten Phänomene erzwingen. Änderungen der Gesetze sollten im Prinzip möglich sein. Bisher gibt es allerdings keinerlei Erkenntnisse über einen solchen Mechanismus.
Naturrecht
Auch die Moralphilosophie oder Naturrechtswissenschaft verwendet den Begriff des Naturgesetzes. So besteht das spezifisch für die menschliche Vernunft- und Gewissensnatur erkennbare Naturgesetz nach Johannes Messner "nicht in einem unveränderlich für alle Zeiten gleichen Moralkodex, vielmehr in den das vollmenschliche Sein bedingenden und den Menschen verpflichtenden Grundwerten oder Grundprinzipien, die nur in ihrem allgemeinen Gehalt unveränderlich und nur insoweit absolute Geltung besitzen, als sie dem unveränderlichen und selbst einen absoluten Wert darstellenden Grundwesen der Personnatur des Menschen entsprechen." Nach Messner drängt das durch den Sündenfall jedoch verwundete menschliche Naturgesetz zur Verwirklichung des Menschen zu seinem wahren Selbst, d. h. zu einer gewissenhaften Selbst-Verwirklichung, immer mehr der zu werden, der man sein soll, in Folge der Wirkweise des Naturgesetzes in Vernunfteinsicht und Gewissensurteil. Dies unterscheidet das menschliche Naturgesetz vom rein instinktiven oder technisch-fachwissenschaftlich (und daher nicht philosophisch verstandenen) Naturgesetz.
Gültigkeit von Naturgesetzen
In der modernen Wissenschaftstheorie, wie sie vor allem auf Karl Popper zurückgeht, können Naturgesetze nicht bewiesen, sondern nur widerlegt werden. Die wissenschaftliche Methode besteht also nicht darin, ein Naturgesetz zu beweisen, sondern ein Modell für die Wirklichkeit aufzustellen und zu versuchen, dieses mit Experimenten zu falsifizieren. Liefern die Experimente keine Widersprüche zu den Voraussagen des Modells, so kann das Modell als Naturgesetz angenommen werden. Dieses gilt nur, solange nicht neuere Experimente einen solchen Widerspruch zeigen.
Ein hinreichend oft bestätigtes Gesetz wird durch seine Falsifikation jedoch nicht wertlos, denn die vielen vorherigen Experimente beweisen, dass es in einem bestimmten Bereich dennoch in guter Näherung gilt. Jedes neu aufzustellende Gesetz muss daher dieses Gesetz als Grenzfall enthalten. Ein solches Gesetz wird daher in der Regel auch nicht als falsch, sondern als nur eingeschränkt gültig angesehen.
Mathematische Formulierung
Um nun Naturvorgänge zu quantifizieren, also in Zahlen zu fassen, ist es notwendig, mathematische Beziehungen zwischen den Beobachtungen anzugeben. Hierzu werden Naturgesetze meist mathematisch formuliert. Ein Beispiel dafür ist das Gravitationsgesetz von Isaac Newton. Es lautet: Die Anziehungskraft F zwischen zwei Massen und ist proportional der Größe der Massen und umgekehrt proportional zum Abstandquadrat .
G ist dabei ein Proportionalitätsfaktor, der die Massen und und das Inverse des Abstandsquadrats miteinander in Relation setzt. Da dieser Faktor in allen denkbaren physikalischen Systemen den exakt gleichen Wert besitzt und eine fundamentale physikalische Wechselwirkung (die Anziehung von Massen untereinander) beschreibt, spricht man von einer Naturkonstante, der Gravitationskonstante.
Beispiele für Naturgesetze
- Licht breitet sich im Vakuum mit einer universellen Geschwindigkeit aus.
- Wenn biologische Organismen Vererbung haben und ihre Nachkommen nicht identisch sind, wird ihre Population durch Evolution verändert (Natürliche Selektion).
- Der 2.Hauptsatz der Thermodynamik
Kein Naturgesetz
Die Abgrenzung was ein Naturgesetz ist und was keines, ist nicht immer ganz scharf.
Widerlegte Naturgesetze
- Die Genetische Information fließt immer von der DNA zur RNA und nicht umgekehrt.
- Dieses Dogma der Genetik wurde mit dem Auftauchen der Retroviren wie zum Beispiel HIV und ihre reverse Transkriptase widerlegt.
- Das Licht braucht den Äther als Trägermedium.
- Die Ätherlehre wurde am Anfang des 20.Jahrhunderts durch genaue Messungen der Lichtgeschwindigkeit abgeschafft.
- Leben entsteht immer wieder neu. (Heuaufgusstheorie)
- Leben entsteht immer durch Zeugung anderer Lebewesen.
- Nur am Anfang des Lebens auf der Erde ist das Leben aus dem Unbelebten neu entstanden.
- Organische Stoffe können nicht aus anorganischen hergestellt werden - es wird eine Art "Lebenskraft", die "Vis Vitalis" benötigt.
- Durch Friedrich Wöhlers erfolgreiche Harnstoffsynthese wiederlegt.
- Phlogiston (griechisch phlogistós – verbrannt) oder Caloricum ist eine hypothetische Substanz, von der man im späten 17. und 18. Jahrhundert glaubte, dass sie allen brennbaren Körpern bei der Verbrennung entweicht, sowie bei Erwärmung in sie eindringt.
- Die Phlogiston-Theorie wurde Ende des 18. Jahrhunderts von Antoine Lavoisier durch die Oxidationstheorie abgelöst. Er untersuchte die Gewichtsveränderung verschiedener Stoffe bei Oxidation bzw. Reduktion und entdeckte, dass das gerade entdeckte Element Sauerstoff dabei die entscheidende Rolle spielt.
Historisches Ereignis, aber kein Naturgesetz
- Der genetische Code gilt für alle Lebewesen gleichermaßen.
- Die Aussage ist wahr, beruht aber auf einem historisch einmaligen Ereignis (der Evolution des genetischen Codes), nicht auf einer Gesetzmäßigkeit.
- Der Mensch und der Affe haben gemeinsame Vorfahren.
- Die Aussage ist ebenfalls wahr, gilt aber nur für die genannten Arten (Mensch und Affe) und kann daher kein Gesetz mit universeller Gültigkeit sein.
Mathematischer Lehrsatz, aber kein Naturgesetz
Viele mathematische Sätze enthalten wichtige Aussagen, die in der Naturwissenschaft und anderswo genutzt werden. So ist der Satz korrekt: Die Winkelsumme im Dreieck in der Ebene beträgt 180 Grad. Nach allgemeiner Meinung ist er allerdings ein mathematischer Lehrsatz, der auf gewissen Grundaxiomen der Geometrie beruht. Er ist aber kein Naturgesetz.
Offene Fragen
Es gibt Aussagen in der Naturwissenschaft, die zwar Grundlage vieler Überlegungen sind, die bis jetzt aber nicht sinnvoll überprüft werden können. Ein wichtiges Beispiel ist die Frage nach der eigenständigen Existenz von Information. Die allgemeine Meinung besagt, Information ohne Informationsträger gibt es nicht.
Weblinks
- http://www.thur.de/philo/physgesetz.htm - Wissenschaftsphilosophischer Text zu "Physikalischen Gesetzen"
- http://www.gottwein.de/Grie/VSAtomLit02.htm - Heisenberg Texte zum Thema
- http://www.falter.at/heureka/archiv/01_6/08.php - sechs Meinungen zum Thema