Windkanal

Zur Untersuchung der aerodynamischen und aeroakustischen Eigenschaften von Objekten
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Ein Windkanal dient dazu, die aerodynamischen Eigenschaften von Objekten zu untersuchen und vermessen.

Datei:Windkanal.jpg
Windkanal der NASA mit dem Modell eines Flugzeuges

Am bekanntesten sind wohl die Windkanaluntersuchungen von Flugzeugen und Autos. Während bei Autos hauptsächlich ein niedriger Luftwiderstand erzielt werden soll, spielen bei Flugzeugen wesentlich mehr Aspekte eine Rolle: Luftwiderstand, Auftrieb, Tragflächenprofil, Stabilität, Steuerung usw.
Daneben werden inzwischen auch Eisenbahnzüge und Schiffe im Windkanal untersucht. Ganz wichtig ist mittlerweile auch die Untersuchung von hohen Bauwerken wie Schornsteinen oder Wolkenkratzern. Hier muss darauf geachtet werden, dass die Bauwerke bei Stürmen dem Winddruck standhalten und nicht in Schwingung geraten. Um die Windströmung richtig simulieren zu können, muss dafür manchmal die gesamte nähere Umgebung nachgebaut werden. Nur selten können Objekte in Originalgröße im Windkanal untersucht werden; Autos bilden hier eine Ausnahme, da sie nicht allzu groß sind und die relativ niedrigen Luftgeschwindigkeiten große Windkanäle erlauben. Für Flugzeuge oder Gebäude müssen daher maßstabsgerechte Modelle gebaut werden. Ein Problem besteht jedoch darin, dass die Luft sich bei kleinen Modellen anders verhält als bei den Objekten in ihrer tatsächlichen Größe (siehe Reynolds-Zahl). Durch Erhöhung des Luftdrucks und/oder Verringerung der Temperatur lassen sich jedoch die Lufteigenschaften dem Maßstab des Modells anpassen. In manchen Windkanälen wird daher statt mit Luft mit -160°C kaltem Stickstoff gearbeitet.

Windkanäle bestehen aus einem oder mehreren großen Gebläsen, die die Luftströmung erzeugen, Gleichrichterelementen und einer Düse, die für eine möglichst gleichmäßige, unverwirbelte Strömung sorgen sollen, sowie der eigentlichen Messstrecke, in der die Untersuchungen durchgeführt werden. Die Strömung in der Messstrecke soll dabei möglichst gleichförmig, parallel, turbulenz- und lärmarm sein. Eine quantitative Aussage über die turbulenten Schwankungsgeschwindigkeiten macht der Turbulenzgrad des Windkanals, der gleichzeitig ein Maß für die Güte desselben darstellt. Die Messstrecke kann, wie in der Grafik dargestellt, offen sein, d.h. die Strömung wird von der Düse in eine Messhalle ausgeblasen und an der anderen Messhallenseite von einem Auffänger oder Kollektor aufgefangen, wobei sich in der Messhalle eine Scherschicht zwischen der bewegten und der stehenden Luft aufbaut. Es gibt jedoch auch geschlossene Messstrecken, in denen die Strömung auch in der Messstrecke durch eine Wand geführt wird und geschlitzte Messstrecken, bei denen diese Wand mit Schlitzen durchbrochen ist.

Geschlossener Umlaufwindkanal in Göttinger Bauart für den subsonischen Geschwindigkeitsbereich.

Auch Windkanäle selbst können offen oder geschlossen sein. Bei der offenen Bauweise wird die Luft aus der Umgebung angesaugt, fließt durch die Messkammer und entweicht am anderen Ende wieder ins Freie. Geschlossene Windkanäle haben einen ringförmigen Luftkanal. Tiefe Temperaturen und hoher Druck können nur in geschlossenen Windkanälen erzeugt werden.
Windkanäle für Unterschallgeschwindigkeiten können mehrere Meter Durchmesser haben, dagegen schrumpft die Größe von Windkanälen für den hohen Überschallbereich auf wenige Zentimeter zusammen.
Windkanalexperimente sind jedoch stets mit hohen Kosten verbunden. Daher versucht man heute zunehmend die Versuche durch numerische Strömungssimulation (CFD, computational fluid dynamics) zu ersetzten. Aufgrund der hohen Komplexität des Strömungsfeldes wird in der Regel jedoch nur eine qualitative Übereinstimmung der Ergebnisse erreicht. Die Phänomene werden bereits heute recht gut abgebildet, hier z.B. eine numerische Strömungsvisualisierung einer Flugzeugumströmung. Langfristiges Ziel ist es, den Windkanal durch einen virtuellen, numerisch simulierten Windkanal zu ersetzen.

Historisches

Von Gustave Eiffel wurden in den 1890er Jahren am Eiffelturm Untersuchungen zum Strömungswiderstand von rechteckigen und ovalen Platten gemacht, indem diese von der zweiten Plattform des Turmes aus an einem Drahtseil geführt senkrecht nach unten fallen gelassen wurden. Hierbei wurde die auf die Platte wirkende Kraft auf einem berußten Metallzylinder aufgezeichnet. Später baute Gustave Eiffel auf dem Marsfeld ein Laboratorium mit einem ersten Windkanal auf, der aus einer geschlossenen Meßkabine bestand, aus der auf der einen Seite mit Hilfe einer Luftschraube Luft abgesaugt wurde. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes strömte Luft von außen durch eine Düse in das innere des Meßstrecke nach. In dem so erzeugten Strahl wurden von Eiffels Mitarbeitern später auch Untersuchungen zum Verhalten der ersten Tragflügelformen für Flugzeuge angestellt. Diese Art eines offenen Kanals, der durch Außenluft gespeist wird, trägt daher auch den Namen ""Eiffel-Kanal".

Ein Eiffel-Kanal hat den Nachteil, daß das ständige Ansaugen von Außenluft Verunreinigungen, erhöhte Feuchtigkeit und in ungünstigen Fällen auch Niederschlag in die Meßstrecke zieht. Aus diesem Grunde wurde von Ludwig Prandtl eine andere Form des Windkanals entwickelt und erstmals 1904 in der von ihm gegründeten "Modellversuchsanstalt" in Göttingen umgesetzt. Bei einem Windkanal nach Göttinger Typ wird hinter der Meßstrecke die Luft in einem Auffangtrichter von einem Gebläse abgesaugt, von wo aus sie über einen Kanal wieder der Düse vor der Meßstrecke zuströmt. Auf diese Weise können die physikalischen Eigenschaften der Luft im Kanal gut kontrolliert werden. Man kann z.B. den ganzen Kanal und die Meßstrecke unter erhöhten Druck bringen oder herabkühlen. Es gibt Kanäle, in denen mit Drücken bis 120 bar oder Temperature bis - 200 Grad Celsius gearbeitet wird.

Diese Bauweise wurde inspiriert von einem Experimentierkanal, mit dem Prandtl in Hannover Untersuchungen mit strömendem Wasser unternahm. Anstelle des Gebläses wurde bei diesem etwa 2m langen und 20 cm breiten Kanal ein Wasserrad mittels einer Handkurbel in Drehung versetzt, woraufhin das Wasser in der Meßstrecke abgesaugt wurde und durch einen Umströmkanal, der sich unter dieser befand, wieder auf die andere Seite der Meßtrecke strömte. Von oben konnten in den offenen Kanal Hindernisse eingesetzt und ihre Umströmung beobachtet werden.

Siehe auch