Berufsgenossenschaft

Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Unternehmen der deutschen Privatwirtschaft
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Die deutschen Berufsgenossenschaften sind die für die gesetzliche Unfallversicherung zuständigen Sozialversicherungsträger. Sie versichern Berufstätige gegen die Risiken, Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Die Berufsgenossenschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Man unterscheidet zwischen den so genannten gewerblichen Berufsgenossenschaften und den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften.

Aufgaben

Die Berufsgenossenschaften haben die Aufgabe,

  • Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren mit allen geeigneten Mitteln zu verhüten (Prävention). Dies geschieht durch das Erlassen von Unfallverhütungsvorschriften und die Überwachung deren Einhaltung.
  • Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten nach einem Arbeitsunfall oder dem Eintritt einer beruflich bedingten Erkrankung mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen (Rehabilitation)
 * Heilbehandlung (Arzt, Medikamente, Krankenhausaufenthalt,...)
 * Verletztengeld (bei Verdienstausfall)
 * Berufshilfe (Wiedereingliederung ins Berufsleben, eventuell Umschulung)
  • Versicherte oder deren Hinterbliebene gegebenenfalls finanziell durch Geldleistungen zu entschädigen (Kompensation).
 * Verletztenrente (bei Erwerbsunfähigkeit)
 * Hinterbliebenenrente (Witwen-, Witwer-, Waisenrente)
 * Sterbegeld (Finanzieller Zuschuss zur Bestattung)

Nach Eintritt des Versicherungsfalles (Arbeits-, Wegeunfall oder Berufskrankheit) entschädigt die Berufsgenossenschaft den Versicherungsfall durch Übernahme der Kosten für die Heilbehandlung, Hilfsmittel, Medikamente und bei Verbleib einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe (ab 20 %) auch durch eine Rente und andere Geldleistungen an den Geschädigten oder an dessen Angehörige.

Berufsgenossenschaften erzielen keinen Gewinn. Die wesentlichen Entscheidungen werden durch paritätisch mit Arbeitgeber- und Versichertenvertreter besetzte Gremien, den Vorstand und die Vertreterversammlung getroffen.

Finanzierung

Die Berufsgenossenschaften finanzieren sich aus den Beiträgen der Unternehmer/Arbeitgeber in Form der nachträglichen Bedarfsdeckung (Umlageverfahren). Arbeitnehmer zahlen im Gegensatz zu den anderen Sozialversicherungen (Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung) keine Beiträge. Die Unternehmer tragen die Lasten zur Unfallversicherung nach dem Haftungsersetzungsprinzip in Gänze selbst, weil sie von der Unternehmerhaftpflicht grundsätzlich freigestellt sind (Ausnahme bei vorsätzlicher Schädigung des Versicherten, §§ 104 ff. SGB VII).

Die Höhe der Beiträge richtet sich dabei nach der durchschnittlichen Unfallgefahr in der jeweiligen Branche, in der ein Unternehmer dem Schwerpunkt seiner Tätigkeit nach tätig ist. In den Gefahrtarifen der Berufsgenossenschaften werden von den Vertreterversammlungen Gefahrklassen für alle Gewerbezweige festgesetzt, für die eine Berufsgenossenschaft nach § 122 SGB VII zuständig ist und die im Verhältnis zueinander der Unfallgefahr der Gewerbezweige entsprechen. Die Finanzierung auf der Grundlage gefahradäquater Gefahrklassen dient der Prävention von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, weil es sich so für den Unternehmer merklich auszahlt, Gefahren vorzubeugen.

Die Beiträge sind, mit Ausnahme der 1990er Jahre (Einführung der Umlage der DDR-Altlasten), stetig gefallen. Sie belaufen sich zur Zeit auf durchschnittlich ca. 1,4% der Bruttolohnsumme. Eine Überwachung der Berufsgenossenschaften findet durch das Bundesversicherungsamt sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit statt.

Erst seit 2003 zeichnet sich ein Anstieg ab, der auf die sinkende Zahl der Beschäftigten in der gewerblichen Wirtschaft zurückgeht. Die Beitragsbelastung pro Beschäftigtem erhöht sich, weil die Gesamtlasten auf weniger Beschäftigte umzulegen sind.

Geschichte

Kaiser Wilhelm I. hatte am 17. November 1881 in seiner sog. »Kaiserlichen Botschaft« vor dem Deutschen Reichstag die Einführung einer Sozialversicherung verlangt, insbesondere eine Versicherung der Arbeiter gegen »Betriebsunfälle«.

Rechtsgrundlage für diese neue Unfallversicherung war ursprünglich das von Bismarck im Rahmen der Sozialen Gesetzgebung initiierte Unfallversicherungsgesetz von 1884, welches nicht zuletzt aufgrund der Kaiserlichen Botschaft, aber auch aus Sorge vor einer Revolution durch unzufriedene Arbeiter erlassen worden war. Ziel war der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht. Betriebsunfälle sollten unabhängig von der Verschuldensfrage von einer gut organisierten staatlichen Behörde entschädigt werden.

Es folgte die Reichsversicherungsordnung von 1911. 1997 wurden die Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung von der Reichsversicherungsordnung in das Sozialgesetzbuch VII überführt.

Die Überführung der zentral organisierten DDR-Unfallversicherung in das gegliederte System der westdeutschen Sozialversicherungsträger (also auf alle Unfallversicherungsträger, nicht nur auf die gewerblichen Berufsgenossenschaften) führte zu erheblichen Belastungen, die sich in einem starken Anstieg des durchschnittlichen Beitragssatzes der Berufsgenossenschaften niederschlugen. Rechtsgrundlage war der Einigungsvertrag.

Derzeit gibt es 28 gewerbliche Berufsgenossenschaften. Die bisher regional gegliederten Metall-Berufsgenossenschaften befinden sich zurzeit in der Fusionsphase. Weitere Berufsgenossenschaften wie z.B. die Bergbau- und die Steinbruchs-BG haben Verwaltungsgemeinschaften gebildet.

Eine weitere Reduzierung der Anzahl der Berufsgenossenschaften ist von seiten der Politik angestrebt, stößt aber vermehrt auf Gegenwind bei den Selbstverwaltungsorganen der Berufsgenossenschaften mit Hinweis auf die Homogenität der Versicherten- und Mitgliedergruppen, auf die effektive, zielgerichtete und kundenorientierte Prävention und nicht zuletzt auf das System an sich, das sich - insbesondere im internationalen Vergleich - bewährt hat. Politische Gegenargumente beschränken sich bisher im Wesentlichen auf allgemeine Sparzwänge.

Für den Bereich des öffentlichen Dienstes übernehmen Eigenunfallversicherungsträger (der Länder und Gemeinden, meist in Form von Gemeindeunfallversicherungsverbänden oder Feuerwehr-Unfallkassen) die Aufgaben der Berufsgenossenschaften. Dort sind auch ehrenamtlich Tätige und Schüler versichert).

Siehe auch

Liste der gewerblichen Berufsgenossenschaften

Liste der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften