Saaremaa

größte Insel Estlands, Ösel
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Saaremaa (deutsch: Inselland, dt. Bezeichnung: Ösel) ist mit etwa 2.673 km² die größte baltische und estnische Insel. Sie liegt in der Ostsee und begrenzt den Rigaischen Meerbusen (estn. Liivi Laht) in seinen nördlichen Gewässern.

Lage von Saaremaa
Karte der Insel Saaremaa
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Leuchtturm bei Sääre, Sõrve
Datei:Ohessaare.jpg
Bockwindmühle in Ohessaare, Sõrve

Allgemeines

Saaremaa (Ösel)

Saaremaa ist die Hauptinsel des sich in 15 Gemeinden und eine Stadt gliedernden Landkreises Saare (Saare Maakond), dem auch die umliegenden Inseln Muhu (Moon), Abruka (Abro), Vilsandi (Filsand), Ruhnu (Runö) sowie diverse kleinere Inseln angehören. Die zweitgrößte estnische Insel Hiiumaa (Dagö) liegt etwa 6 km vom nördlichsten Punkt der Pammana-Halbinsel entfernt. Saaremaa ist mit Muhu durch einen befahrbaren Damm verbunden, von Kuivastu (Kuiwast) an der Ostküste von Muhu bestehen Fährverbindungen zum Festlandhafen Virtsu (Werder). Hauptort der Insel und des Landkreises ist Kuressaare (Arensburg) mit etwa 16.000 Einwohnern an der gleichnamigen Bucht im Süden Saaremaas. Zweitgrößter Ort ist Orissaare (Orrisaar) im Nordosten.

Auf Saaremaa leben etwa 36.000 Einwohner (13,5 je km²), das sind nur etwa 3% der estnischen Bevölkerung. Die isolierende Lage westlich des Festlandes ließ die Insel relativ unberührt von der immensen Russifizierungspolitik der sowjetischen Besatzungszeit, 98% sind Esten, nur etwa 1,2% sind russischer Abstammung, jeweils nur 0,2% sind Ukrainer und Finnen.

Weitere Schiffsverbindungen zu umliegenden Inseln und zum Festland bestehen über die Häfen in Mõntu (nach Ventspils in Lettland), in Roomassaare (nach Abruka und Ruhnu) und Triigi (nach Sõru auf Hiiumaa). Bei Roomassaare befindet sich der einzige Flughafen der Insel.

Die 1300 Kilometer lange Küste Saaremaas ist weitgehend durch große Halbinseln und vorgelagerte kleinere Inseln (ca. 600) geprägt, die Halbinsel Sõrve (Sworbe) erstreckt sich gar bis zu 30 Kilometer in den Rigaischen Meerbusen und endet im südlichsten Punkt des Archipels im Dorf Sääre, markiert durch einen 52 Meter hohen Leuchtturm aus dem Jahre 1960 (ursprünglich von 1646). Trotz der überwiegend steinigen und flach ins Meer übergehenden Küstenstreifen finden sich aber auch Steilküsten wie die 22 m senkrecht abfallende Panga Pank an der Küdema-Bucht oder die Steilküste Undva Pank an der im Nordwesten der Insel gelegenen Halbinsel Tagamõisa. Die nordwestlich anschließende Halbinsel Harilaid ist eine ehemalige Insel (estn. laid = kleine Insel), der Leuchtturm am Kap Kiipsaare stammt von 1933 und droht aufgrund seiner durch starke Wellenerosion verursachten Schieflage ins Meer zu fallen.

Saaremaa ist weitgehend durch eine auffallend flache Topografie geprägt, die höchste Erhebung, der Viidu Raunamägi liegt bei Kihelkonna (Kielkond) im Westen der Insel im 1957 gegründeten Naturreservat Viidumäe und erreicht nur etwa 54 m. Wie auch große Teile des Festlandes ist auch Saaremaa dicht bewaldet, etwa 40% der Insel sind von Wäldern bedeckt. Größere Seen sind die Suur Laht (dt. Große Bucht), die Mullutu Laht bei Kuressaare und der Karujärv (dt. Bärensee) bei Kärla (Kergel). Von geologischem Interesse ist der in Steinbrüchen bei Kaarma (Kermel) abgebaute und zu Kunsthandwerk verarbeitete Dolomit.

Abruka (Abro)

Die etwa 9 km² große Insel Abruka mit den Nachbarinseln Vahase und Kasselaid liegen etwa 6 km von Kuressaare entfernt. Die Inseln bilden ein Naturschutzgebiet, denn mit seiner reichhaltigen Flora und Fauna bieten sie ein Rückzugsgebiet für zahlreiche Arten. Selbst Hirsche finden sich auf der - für Estland eher untypisch - mit Laubwald bedeckten Insel.

Vilsandi (Filsand)

Die flache Insel Vilsandi im äußersten Westen des Landes ist Teil des Nationalparks Vilsandi und umfasst zusätzlich noch etwa 161 kleinere Inseln (etwa 10% der estnischen Inseln). Vilsandi besitzt eine Fläche von nur etwa 9 km² und ist größtenteils bewaldet.

Gemeindegliederung

Datei:Saaremaakond.jpg
Gemeinde Fläche Einwohner Bevölkerungsdichte
1 Kaarma Vald 400 km² 4.225 10,5 / km²
2 Kärla Vald 218 km² 1.995 9,2 / km²
3 Kihelkonna Vald 246 km² 1.097 4,5 / km²
4 Kuressaare Linn 15 km² 16.111 1.074 / km²
5 Laimjala Vald 116 km² 934 8,0 / km²
6 Leisi Vald 348 km² 2.521 7,2 / km²
7 Lümanda Vald 199 km² 995 5,0 / km²
8 Muhu Vald 206 km² 2.169 10,5 / km²
9 Mustjala Vald 236 km² 926 3,9 / km²
10 Orissaare Vald 136 km² 2.391 17,6 / km²
11 Pihtla Vald 228 km² 1.616 7,1 / km²
12 Pöide Vald 123 km² 1.134 9,2 / km²
13 Ruhnu Vald 11,5 km² 72 6,3 / km²
14 Salme Vald 115 km² 1.371 11,9 / km²
15 Torgu Vald 126 km² 468 3,7 / km²
16 Valjala Vald 180 km² 1.653 9,2 / km²

Geschichte

Gemäß archäologischer Funde darf angenommen werden, dass Saaremaa seit etwa 5.000 Jahren besiedelt ist. In den skandinavischen Sagas wird Saaremaa als Eysysla erwähnt, in alten deutschen und schwedischen Aufzeichnungen ist von Oesel (dt. etwa "Sieb aus Inseln") die Rede.

Mit Beginn der Expansionspolitik des Deutschen Ordens im 13. Jahrhundert geriet auch Saaremaa unter Fremdherrschaft, wobei es dem etwa 20.000 Mann starken deutschen Heer erst 1227 gelang, die Inselbevölkerung zu unterwerfen. Jedoch musste der deutsche Orden Teile der Insel bald dem Bistum Ösel-Wiek überlassen, was ständige bewaffnete Auseinandersetzungen beschwor. Der Machtfestigung des Ordens diente vor allem die Errichtung großer Burgen in Kuressaare und Maasi im Nordosten der Insel, von letzterer zeugen allerdings nur noch die Mauerreste. Trotz zahlreicher Erhebungen gegen die Besatzungsmacht gelang es dem Orden, die Oberhoheit über die Insel bis 1559 aufrechterhalten zu können. 1343 gelang den Aufständischen mit der Zerstörung der Ritterburg in Pöide (Peude) die vorübergehende Vertreibung der Deutschen von der Insel.

 
Laurentiuse Kirik, Kuressaare

Im Dreikronenkrieg (1563-1570) zwischen Polen, Schweden und Dänemark fiel Saaremaa schließlich unter dänische Herrschaft. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts wechselten die Machtverhältnisse auf Saaremaa ständig zwischen Dänen, Schweden und den 1710 im Großen Nordischen Krieg die Insel übernehmenden Russen. Die die schwedischen Machthaber erheblich schwächende Pestepidemie, die der Krieg mit sich brachte, dezimierte die Bevölkerung der Insel enorm. Allein in der Stadt Kuressaare überlebten nach Berichten die Seuche nur elf Menschen. Die russische Besatzungszeit auf Saaremaa währte noch etwa 200 Jahre bis zum Ende der Zarenherrschaft im Jahre 1917.

Die wirtschaftliche Erschließung und Entwicklung Saaremaas wurde vor allem 1858 mit der Eröffnung von Schiffsverbindungen nach Rīga und Sankt Petersburg und 1888 mit der Aufnahme von Fährverbindungen nach Muhu und dem estnischen Festland vorangetrieben. 1894 erfolgte der Bau des Hafens von Roomassaare und zwei Jahre später schließlich mit der Errichtung einer Landbrücke über den Väike Väin (Kleiner Sund) der Anschluss Saaremaas an Muhu. 1912 wurde die selbstständige Energieversorgung mit dem Bau eines Elektrizitätswerkes ermöglicht.

Im Ersten Weltkrieg übernahmen die Deutschen erneut die Bestimmung über die Ostseeinsel, die aber nach der Kapitulation von 1918 wieder abzogen. Mit Erlangung der Unabhängigkeit am 24. Februar 1918 übernahm Estland erstmals seit Beginn der Jahrhunderte währenden Fremdherrschaft im 13. Jahrhundert die Selbstbestimmung über das Gebiet am Finnischen Meerbusen. Der Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion von 1939 zwang die baltischen Staaten zur Stationierung russischen Militärs auf eigenem Territorium und führte zu einer erneuten Besetzung Estlands.

 
Sowjetisches Mahnmal in Tehumardi

1941-1944 besetzten deutsche Truppen die Insel, zahlreiche Bewohner der Halbinsel Sõrve (Sworbe) wurden deportiert. Während des Zweiten Weltkrieges ereignete sich am 8. Oktober 1944 auf Sõrve eine der erbittertsten Schlachten des Krieges in Estland zwischen den sich von Saaremaa zurückziehenden Deutschen und den von Osten nachrückenden Russen. Heute erinnert bei Tehumardi ein 21 m hohes Mahnmal in Form eines abgebrochenen Schwertes an diese verlustreiche Auseinandersetzung, der Tausende zum Opfer fielen. Dabei wurde nahezu die gesamte Halbinsel dem Erdboden gleichgemacht, alte Geschützstände und verfallene Befestigungsanlagen finden sich noch heute an der Südspitze Sõrves. Die Verwüstungen des Krieges und die Deportationen nach Deutschland und Russland reduzierten die Inselbevölkerung um mehr als 30%.

In der Nachkriegszeit war Saaremaa, bedingt durch die strategisch wichtige Lage an der Westgrenze der UdSSR und durch die massive Präsenz des dort stationierten sowjetischen Militärs (ca. 4000 ha Sperrgebiet), nahezu isoliert vom Festland - selbst Esten benötigten eine Genehmigung, um die Insel zu betreten.

1991, mit der erneuten estnischen Unabhängigkeitserklärung erlangte auch Saaremaa das Recht der Selbstbestimmung und –entwicklung.

Der Kaali-Meteoritenkrater

Der 18 Kilometer von Kuressaare im Wäldchen bei Kali gelegene Krater, umgibt mit einem 16 Meter hohen Erdwall, welcher einen Durchmesser von 110 Metern hat, einen 50 Meter breiten grünlichen Tümpel. Im weiteren Umfeld des Einschlagkraters lassen sich acht weitere Nebenkrater finden, welche in ihren Ausmaßen deutlich kleiner ausfallen.

Der wahrscheinlich um 700 v.Chr. eingeschlagene Meteorit wurde zwar in keinen einheimischen Schriften erwähnt, doch hinterließ der Einschlag Spuren in finnischen und skandinavischen Überlieferungen und soll auch von dem griechischen Autoren Pytheas in seinen Aufzeichnungen erwähnt worden sein. Jedoch haben sich bis heute Mythen in der Bevölkerung Saaremaas erhalten. So soll die Erde hier aus Entsetzen einer Geschwisterheirat die Trauerkirche verschlungen haben. Eine andere Sage berichtet von einem Gutsherren, der nach einer zügellosen Orgie samt Gutshof und Feiergesellschaft vom Erdboden verschlungen sein soll. Selbst im 18. und 19. Jahrhundert enstanden zweifelhafte Theorien über einen Vulkanausbruch und ein vorzeitliches Wasserreservoir.

Schließlich konnte der Geologe I. Rheinwald im Jahre 1937 nach Funden verkohlter Holzreste und Meteoritenbruchstücke, mit einem Nickelgehalt von 8,3% eindeutig den Einschlag eines Meteoriten nachweisen.

Weitere Nachforschungen vervollständigten das heute anerkannte Gesamtbild. So wird vermutet, dass ein ursprünglich 400 bis 10.000 Tonnen schwerer Meteorit aus nordöstlicher Richtung mit einer Geschwindigkeit von 15 bis 45 km/s in die Atmosphäre eintrat, durch die auftretende Reibung stetig Masse verlor und schließlich in einer Höhe von etwa 5 bis 10 km in mehrere Fragmente auseinanderbrach. Das größte dieser Fragmente schlug mit einem Gewicht von 20 bis 80 Tonnen und einer Aufprallgeschwindigkeit von 10 bis 20 km/s auf und hinterließ den besagten Krater. Weitere kleinere Bruchstücke verursachten die acht Nebenkrater.

Sehenswertes

Von vordergründig architektonischem Interesse ist die Arensburg in Kuressaare von 1380, errichtet vom Deutschen Orden für die Bischöfe von Ösel-Wieck. Ende des 14. Jahrhunderts wurde die quadratisch angelegte Festung mit trutzigen Schutzwällen versehen. Überragt wird die Burg vom 29 m hohen Turm Pikk Hermann (Langer Hermann). Heute befindet sich in dem Komplex das Saaremaa-Museum. Auch in Valjala (Wolde) besteht noch eine Festung mit einer Kirche aus dem 13. Jahrhundert.

In Karja befindet sich eine Kirche aus dem 14. Jahrhundert, die reich verzierte Kanzel aus der Spätrenaissance stammt von 1638. Eine der ersten Steinkirchen Estlands und die größte auf der Insel ist in Pöide zu finden.

Charakteristisch für Saaremaa sind vor allem die so zahlreich über die Insel verteilten Bockwindmühlen, bei Angla finden sich gleich fünf gut erhaltene Exemplare.

Persönlichkeiten

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