Der Ödipuskomplex (nach Ödipus - einem Held der griechischen Mythologie) beschreibt in der psychoanalytischen Theorie Sigmund Freuds das wichtige Entwicklungsstadium, in dem das Kleinkind einen rivalistischen Kampf gegen den Vater (die Vaterinstanz) um die Mutter (die Muttersinstanz) austrägt. Der günstige Ausgang des Ödipuskonflikts bedeutet, dass das Kind die Vaterinstanz und ihre Autorität anerkennt.
Bei Jacques Lacan erfährt diese Darstellung des Ödipuskomplexes eine Rekonstruktion. Zunächst weist Lacan darauf hin, dass der Ödipuskomplex ein Mythos sei, d.h. eine sprachliche Fiktion. Bei Lacan bedeutet das Auftreten einer Regeln und Gesetz repräsentierenden Instanz (der große Andere in Lacanscher Terminologie) vor allem das Eintreten in den Bereich des Symbolischen - ganz allgemein, in den Bereich des Sprachlichen: dieser Bereich ist ein Bereich der Vermittlung, nicht nur der unmittelbaren (sprachlosen) Aktionen oder Reaktionen.
Der günstige Ausgang des Ödipuskomplexes bei Lacan bedeutet insbesondere die Möglichkeit des Subjekts, sich aus der narzisstischen, dualistischen Relation zu seinem klein anderen lösen zu können. Erst ab diesem Zeitpunkt kann das Kleinkind zwischen sich und "vielen anderen" unterscheiden und sich als soziales Wesen entwickeln, das sich in die Regeln und Gesetze eines gemeinschaftlichen Lebens einfügen kann.