Überfall auf Polen

Angriff des Deutschen Reiches auf die Zweite Polnische Republik, Beginn des Zweiten Weltkrieges in Europa
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Im Polenfeldzug wird der Beginn des Zweiten Weltkrieges gesehen. Unter dem Decknamen Fall Weiß marschierte die deutsche Wehrmacht in Polen ein.

Polenfeldzug 1939

Militärischer Verlauf

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Schleswig-Holstein beschießt die Westerplatte
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Deutsche Truppen überschreiten die Polnische Grenze
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Deutsche Panzer in Polen

Der Zweite Weltkrieg wurde in Europa vom Deutschen Reich am 1. September 1939 durch den Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen begonnen. Um den Angriff auf Polen zu rechtfertigen, fingierte die deutsche Seite mehrere Vorfälle. Der bekannteste ist der Überfall auf den Sender Gleiwitz am 31. August, wo SS-Angehörige sich als polnische Widerstandskämpfer verkleideten und in polnischer Sprache die Kriegserklärung Polens gegen das Deutsche Reich verkündeten.

Polen war den Forderungen Hitlers nicht nachgekommen, Deutschland die Herrschaft über die Freie Stadt Danzig zu übergeben und hatte die Erlaubnis verweigert, eine Autobahn durch den polnischen Korridor, der seit 1919 Ostpreußen vom Rest Deutschlands trennte, bauen zu dürfen. Polen hatte sich der ihm zugedachten Rolle als „Juniorpartner“ im Kampf gegen die Sowjetunion widersetzt und sollte durch die taktische Wendung des Hitler-Stalin-Paktes, mit dem sich das nationalsozialistische Deutschland vorübergehend mit dem ideologischen Todfeind verbündete, nun zuerst ausgeschaltet werden.

Den militärischen Angriff begann das deutsche Schulschiff Schleswig-Holstein das bereits einige Tage vorher zum Freundschaftsbesuch in Danzig angelegt hatte. Es beschoss die Westerplatte in Danzig. Hitler verkündete, dass Polen nun „zum ersten Mal auf unserem eigenenen Territorium [...] mit [...] regulären Soldaten geschossen“ hätte und dass "seit 5.45 Uhr [...] zurückgeschossen" würde. (Hitler irrte sich hier. Der Angriff hatte offiziell bereits um 4.45 Uhr begonnen, inoffiziellen Berichten zufolge hatten die Kampfhandlungen sogar bereits gegen Mitternacht angefangen.)

Die polnische Armee war der vordringenden Wehrmacht zahlenmäßig nicht einmal sehr stark unterlegen, entscheidend war vielmehr die Überlegenheit der Ausrüstung und die geostrategische Lage Polens, das von 3 Seiten von Deutschland "umzingelt" war. Das Deutsche Reich hatte bis dahin insgesamt 100 aktive Divisionen einschließlich der Reservedivisionen, von denen 57 Divisionen gegen Polen angesetzt wurden. Die Polen verfügten über 39 Infanteriedivisionen, elf Kavalleriebrigaden, zwei motorisierte Brigaden und einige Truppen des Grenzkorps (umgerechnet etwa 44 Divisionen). Weiters standen noch drei Reservekorps mit etwa neun Divisionen bereit, die allerdings kaum zum Einsatz kamen. Die durch Garantieerklärungen an Polen gebundenen Länder Frankreich und England hatten zu diesem Zeitpunkt 100 bzw. 20 Divisionen. Bei einem Vergleich von Ausrüstung und Bewaffnung verschlechterte sich das Bild aber zuungunsten der Polen: 3200 deutschen Panzern standen nur 600 qualitativ unterlegene polnische Panzer gegenüber; den deutschen Luftflotten 1 und 4 mit zusammen 1929 einsatzbereiten Flugzeugen, zum Teil modernster Art, konnten die Polen lediglich 842 meist veraltete Maschinen entgegenstellen. Für den Angriff waren die deutschen Truppen in zwei Heeresgruppen unterteilt worden: Die Heeresgruppe Nord (630.000 Mann unter Generaloberst Fedor von Bock) mit der 4. Armee in Ostpommern und der 3. Armee in Ostpreußen sollte von Westen und Osten her die polnischen Streitkräfte im "Korridor" zerschlagen, um eine Verbindung zwischen Ostpreußen und dem Rumpfgebiet des Deutschen Reiches herzustellen, und von Ostpreußen aus über die Flüsse Narew und Bug tief nach Polen vorstoßen. Die Heeresgruppe Süd (886.000 Mann unter Generaloberst Gerd von Rundstedt) verfügte über drei Armeen. Die 14. Armee sollte von der Slowakei aus die polnischen Grenzbefestigungen in Ostoberschlesien einnehmen und in Galizien bis zum San durchbrechen. Die 10. Armee (mit 300.000 Mann und der Masse der Panzerdivisionen die stärkste Armee im Polenfeldzug unter General der Artillerie Walter von Reichenau) sollte zusammen mit der 8. Armee von Schlesien aus bis zur Weichsel vordringen, die polnische Armee am Ausweichen nach Osten hindern und im Weichselbogen zur Vernichtungsschlacht stellen.

Trotz dieser Überlegenheit sah sich die Wehrmacht mit mehreren Nachteilen konfrontiert: Die deutschen Panzer waren zu einem großen Teil bereits veraltet. Ebenso war die Wehrmacht schon zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig und entsprechend der Vorgaben mit Panzern und Flugzeugen ausgerüstet. Sie zählte 1939 zwar zu den modernsten Streitkräften der Welt, doch litt sie wegen der starken Heeresvergrößerung unter einem Offiziersmangel. Ebenso war der mobilmachungsmäßige Aufbau dem Führen eines längeren Krieges sehr hinderlich dafür aber für einen Blitzkrieg besser geeignet.

Am 2. September wurde die polnische Pommerellen-Armee zerschlagen.

Einzig die Mlawa-Stellung, ein starker Bunkerkomplex, konnte den Angriff an diesem Tag ins Stocken bringen. Ebenfalls erklärte Deutschland der englischen Regierung am Abend: „Der Führer ist bereit, aus Polen wieder herauszugehen und Schadensersatz für bereits angerichtete Schäden anzubieten unter der Voraussetzung, dass wir Danzig und die Straße durch den Korridor erhalten, wenn England im deutsch-polnischen Konflikt die Vermittlung übernimmt.“

Am 3. September stellten Frankreich und Großbritannien ein Ultimatum an das Deutsche Reich. Es forderte den sofortigen Rückzug aller deutschen Truppen aus Polen. Die Englisch-Französische Garantieerklärung hätte diese Staaten verpflichtet, spätestens 15 Tage nach einem deutschen Angriff selber eine Offensive im Westen Deutschlands zu starten. Hitler ging davon aus, dass die beiden Westmächte ihn ebenso wie beim Einmarsch in die "Resttschechei" gewähren lassen würden. Ein Großangriff blieb aus, obwohl beide Länder, zur Überraschung Hitlers, noch am selben Tag dem Deutschen Reich den Krieg erklärten. Ab dem 7. September rückten lediglich 10 französische Divisionen in das Saarland ein. Nach dem die Verteidiger ohne größeren Widerstand zu leisten bis zum 12. September auf den Westwall zurückwichen stellte auch die Französische Armee auf Befehl von Gamelin den Angriff ein. Nun kam es zunächst zum Sitzkrieg.

Nach Kriegsbeginn kam es zu Übergriffen auf in Polen lebende Deutsche, der größte am 3. September in Bromberg. Das genaue Geschehen und die Zahl der dabei getöteten Deutschen sind umstritten, die Angaben liegen zwischen 500 und 2.000 Toten. Dieses Ereignis wurde als Bromberger Blutsonntag von den Nationalsozialisten instrumentalisiert. Als Vergeltungsmaßnahme wurden etwas 10.000 polnische Zivilisten ermordet, ebensoviele in Konzentrationslager verschleppt.

Am 6. September wurde Krakau von der 14. Armee eingenommen. Wenig später bewegten sich Panzerkräfte der 10. Armee sehr schnell auf die Weichsel zu. Ihre Aufgabe war die Umfassung Warschaus. Am 17. September zerschlug sich die polnische Hoffnung, den Osten ihres Landes verteidigen zu können. Entsprechend dem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes marschierte die Rote Armee in Ostpolen ein, die polnische Heeresleitung verbot ihren wenigen Truppen im Osten, gegen die Russen vorzugehen. Noch am selben Tag flüchtete die polnische Regierung nach Rumänien. Die militärische Niederlage Polens war nun nicht mehr aufzuhalten.

Bis zum 20. September wurde der Kessel von Bzura gesäubert, worauf 170.000 Polen in Gefangenschaft gerieten. Warschau war schon am 18. September eingeschlossen und zur Übergabe aufgefordert worden. Der Stadtkommandant weigerte sich jedoch, dem nachzukommen. Daraufhin warnte die Wehrmacht mit Flugblättern vor dem bevorstehenden Angriff. Am 24. September begann der massive Angriff auf Warschau, bei dem Artillerie und Sturzkampfflugzeuge die Stadt intensiv bombardierten. Da aber - aus Furcht vor einem Angriff der Westmächte - der Großteil der Luftstreitkräfte bereits in den Westen verlegt worden war, standen nur noch 400 Kampf-, Sturzkampf- und Schlachtflugzeuge zur Verfügung. Zu ihrer Unterstützung wurden 30 Junkers Ju 52-Transportflugzeuge herangezogen, aus denen jeweils zwei Soldaten die Bomben aus der Tür hinausschaufelten. Insgesamt fielen 560 Tonnen Spreng- und 72 Tonnen Brandbomben auf Warschau. Am 28. September kapitulierte die polnische Hauptstadt, in ihren Trümmern lagen 26.000 tote Zivilisten. Einen Tag später folgte die Aufgabe der Festung Modlin. Bis zum 6. Oktober gaben auch die letzten polnischen Truppen auf. Der Feldzug war beendet. Vor dem Reichstag beschwörte Hitler die Westmächte noch ein Mal um Frieden und versicherte, keine Forderungen gegen sie zu haben.

Verluste

Die Verluste der Wehrmacht im Polenfeldzug beliefen sich (nach amtlichen deutschen Angaben) auf 10.572 Tote, 3.409 Vermißte und 30.322 Verwundete. Die Rote Armee meldete 737 Gefallene. Eine genaue Anzahl an polnischen Verlusten ist nicht bekannt, jedoch belaufen sie sich auf ungefähr 70.000 Tote und 133.000 Verwundete. Als sicher gilt, dass 694.000 polnische Soldaten in deutsche und 217.000 in sowjetische Gefangenschaft gerieten.

Rund 100.000 polnische Militärangehörige flüchteten nach Rumänien oder Ungarn und wurden dort interniert, von denen viele weiter nach Frankreich fliehen konnten.

Ein Teil derjenigen, die die sowjetischen Gulags überlebten, bildete 1941 während der zeitweisen Zusammenarbeit mit Stalin auf Drängen Englands die Armee des General Anders, die auf dem Umweg über die englischen Kolonien Iran und Palestina wieder an den Kampfhandlungen v.a. in Nordafrika und Italien teilnehmen konnte. Andere wurden ab 1943 in die von den Sowjets aufgestellte Armee des General Berling integriert und nahmen ab 1944 an den Kampfhandlungen an der Ostfront teil.

Weitere 50.000 entkamen nach Litauen und Lettland. Von diesen schlug sich ein großer Teil nach England durch und bildete dort einen weiteren Teil der polnische Exilarmee im Westen. Diese unterstützte hauptsächlich die britischen Truppen bei Kämpfen in England, Norwegen und bei der Operation Overlord.

Polen verlor im Zweiten Weltkrieg bei Kampfhandlungen und durch Maßnahmen der Besatzungsmacht etwa 6 Millionen Einwohner, die Hälfte davon jüdischer Herkunft. Die slawische Mehrheit der Bevölkerung in Polen (das vor dem 2.ten Weltkrieg ein Vielvölkerstaat war) galt den Nazis als rassisch minderwertige Untermenschen und war langfristig ebenso wie die Juden zur Vernichtung bestimmt. Angefangen hatte die Vernichtung bereits am Anfang der Besatzung Polens mit der gezielten Aussonderung und Ermordung der gebildeteren Schichten der Bevölkerung - das bekannteste Beispiel ist die Verhaftung und Erschiessung der Professoren der altehrwürdigen Jagiellonischen Universität in Krakau und der Katholischen Universität in Lublin noch im November 1939. Die Sowjets verhafteten massenhaft die bürgerlichen "Klassenfeinde" und führten generell im großen Umfang Deportationen polnischsprachiger Bevölkerung durch - zuerst in Richtung Sibirien und Kasachstan, nach 1945 in Richtung Westen, um diesen Teil des Landes ethnisch zu säubern und endgültig der UdSSR anzuschliessen zu können.

Der Bevölkerungsstand von 1939 wurde erst in Polen erst in den 80er Jahren wieder erreicht.

Folgen

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Deutsche Truppen in Warschau

Am 8. Oktober teilten sich das Deutsche Reich und die Sowjetunion im Abkommen von Brest-Litowsk das polnische Gebiet durch eine Demarkationslinie – die Vierte Teilung Polens. Nicht nur die nach dem Versailler Vertrag abgetretenen Gebiete wurden wieder in das Reich eingegliedert, sondern darüber hinaus weite Bereiche Zentralpolens einschließlich der Stadt Łódź. Der Rest Polens wurde deutsches Generalgouvernement.

Die anschließende Besatzungszeit war von extremen Repressalien der Deutschen und Russen gegen die Zivilbevölkerung geprägt. Willkürliche Massenerschiessungen, der Bau von Konzentrationslagern und Deportationen zur Zwangsarbeit waren nur die sichtbarste Ausprägung, insbesondere die polnischen Juden wurden Ziel des deutschen Rassenwahns.

Der schnelle Sieg über Polen prägte den Begriff Blitzkrieg und prägte die taktische Kriegsführung Deutschlands bis Ende 1941.

Siehe auch

Geschichte Polens