1984 (engl. Nineteen Eighty-Four) ist ein Roman von George Orwell (eigentlich Eric Blair), erschienen im Juni 1949, in dem die negative Utopie (auch als Dystopie oder Anti-Utopie bezeichnet) eines totalitären Überwachungs- und Präventionsstaates im Jahre 1984 dargestellt wird. Das Buch wird der Science-Fiction zugerechnet. Orwell kam durch seine politische Tätigkeit mit dem Buch Wir des russischen Autors Jewgeni Samjatin in Berührung, welches ihn wesentlich beim Verfassen von 1984 beeinflusste.
In ihm wurde das Konzept des immer präsenten alles-sehenden Großen Bruders (engl. Big Brother) eingeführt. Auch Orwells reduktionistische fiktive Sprache Neusprech (in älteren Versionen auch Neusprache, im englischen Original Newspeak genannt) wurde sehr bekannt. Während des kalten Krieges wurde der Roman im Westen als Kritik am Kommunismus bzw. Stalinismus aufgefasst und so auch im Bildungswesen vermittelt. Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass Orwell durch sozialistisches Gedankengut geprägt ist, in seinem Roman genauso scharfe Kritik am Kapitalismus äußert und ihn in seiner Dystopie als Vorstufe für den geschilderten totalitären Staat begreift. Orwell schrieb das Buch kurz vor seinem Tod.
Inhalt
Der Inhalt des Buches wurde 1946/1947 geschrieben. Deshalb enthält der Titel den Zahlendreher des Jahres 1948, eine Anspielung auf die gar nicht so ferne Zukunft.
Teil 1
Der 39-jährige Protagonist Winston Smith arbeitet im Ministerium für Wahrheit und ist Mitglied der sogenannten äußeren Partei ( das sind die einfachen Parteigenossen; die innere Partei besteht aus den führenden Genossen) von Ozeanien. Innerlich kann er sich schon lange nicht mehr mit der Parteidoktrin identifizieren. Winston muss seine Meinung geheim halten, da in Ozeanien nicht nur alle Handlungen gegen die herrschende Partei, sondern schon der Wunsch zum Widerstand ein sogenanntes Gedankenverbrechen ist. Es fällt Winston besonders schwer sich zu verstellen, weil er ständig von Teleschirmen (engl. telescreens), Streifen, Nachbarn und Arbeitskollegen überwacht wird. Winston beginnt schließlich seine Gedanken und Meinungen heimlich in einem Tagebuch festzuhalten.
Als ihm eines Tages bei der Arbeit ein bei der Jugendliga gegen Sexualität engagiertes Mädchen auffällt, das ihm verdächtig vorkommt, weil er es noch nie zuvor gesehen hat und es ein paar Mal zu ihm herüber guckt, vermutet er, dass das Mädchen ein Mitglied der Gedankenpolizei (der Behörde, die Gedankenverbrechen, also von der Ideologie der Partei abweichende Ansichten, verfolgt) sein muss.
Winstons großes Interesse für die Vergangenheit treibt ihn immer wieder in die Elendsviertel der Proles. Dort gelangt er in einen Antiquitätenladen, in dem er auch das Tagebuch gekauft hat, und unterhält sich mit dem Ladenbesitzer Mr. Charrington. Dieser zeigt ihm eine Glaskugel, die eine Koralle umschließt. Winston ist sofort von der Kugel, einem Stück Vergangenheit, fasziniert und kauft sie. Mr. Charrington führt Winston in ein voll möbliertes Zimmer, welches keinen Televisor besitzt und somit der staatlichen Überwachung entzogen ist.
Teil 2
Auf dem Weg nach Hause begegnet er wieder dem Mädchen. Für ihn besteht jetzt kein Zweifel mehr, dass es Mitglied der Gedankenpolizei ist. In seiner Panik überlegt er sogar, ob er ihr den Kopf mit der Glaskugel einschlagen sollte. Ein paar Tage später begegnet er Julia, dem Mädchen, im Wahrheitsministerium ein drittes Mal. Gerade als sie an ihm vorbeigehen will, stürzt sie. Winston bleibt stehen, um ihr zu helfen. Er streckt seine Hand aus und hilft ihr auf. Dabei steckt Julia ihm heimlich einen Zettel zu. Diesen kann Winston aber nicht sofort öffnen, weil er direkt vor einem Teleschirm steht. An seinem Arbeitsplatz angekommen hat er nun endlich Gelegenheit den Zettel zu lesen: „Ich liebe dich“, lautet ihre Botschaft an ihn.
Winstons Gefühle gegenüber dem Mädchen ändern sich, denn nun vermutet er, dass es der Bruderschaft, einer legendären Widerstandsbewegung gegen die Partei, von der jedoch niemand weiß, ob sie wirklich existiert, angehört. In den nächsten Tagen versucht er immer wieder, Kontakt mit Julia aufzunehmen. Doch alle Versuche scheitern, weil die Gefahr, dass man sie überführt, sehr groß ist. Eines Tages aber sitzt sie allein in der Kantine und Winston setzt sich dazu. Zuerst traut er sich nicht, sie anzusprechen, denn überall überwachen sie Teleschirme, doch dann vereinbaren sie dennoch ein Treffen nach der Arbeit. Dabei können sie nicht viel miteinander sprechen und verabreden sich in einem kleinen Waldstück nahe der Stadt. Dort können sie unbeschwert reden und schlafen miteinander. Er erfährt, dass sie eine heimliche persönliche Rebellion gegen die Partei und deren Werte führt. Im Anschluss an das Treffen schlägt Winston vor, sich das nächste Mal in Mr. Charringtons Zimmer zu treffen. Julia stimmt sofort zu und Winston beschließt, das Zimmer zu mieten.
Von nun an sehen sie sich öfters. Winston erzählt Julia von O’Brien, einem Arbeitskollegen und Mitglied der inneren Partei, den er ebenfalls für einen Dissidenten hält, denn sein Verhalten weicht leicht von der Norm ab, was in Ozeanien bereits viel bedeutet. Eines Tages spricht O’Brien Winston an und lädt ihn unter einem vorgetäuschtem Anlass zu sich nach Hause ein. Mit Julia besucht er O’Brien in seiner Wohnung. Zwar hängt auch bei ihm ein Teleschirm, aber mit dem Unterschied, dass er ihn für kurze Zeit ausschalten kann. Unter dieser Voraussetzung können sie eine halbe Stunde unbeobachtet miteinander sprechen. O’Brien gibt sich als Mitglied der Untergrundbewegung Die Bruderschaft aus und fragt sie, wie weit Winston und Julia im Kampf gegen die Partei gehen würden. Winston bejaht stellvertretend für beide, dass sie bereit seien, zu morden, zu sabotieren und kleinen Kindern Schwefelsäure ins Gesicht zu kippen. Lediglich voneinander getrennt möchten Julia und Winston nicht sein.
Wenige Tage später besprechen Winston und Julia ihre (gemeinsame) Zukunft. Während Julia von einem glücklichen Leben zusammen mit Winston im Untergrund träumt, möchte Winston um jeden Preis die Partei bekämpfen, auch wenn dies bedeutet, dass sie wahrscheinlich rasch geschnappt, gefoltert und erschossen werden. Dazu kommt es allerdings nicht, da sie wenige Augenblicke später im Zimmer von der Gedankenpolizei festgenommen werden. Mr. Charrington entpuppt sich als Spitzel der Gedankenpolizei.
Teil 3
Winston und Julia werden getrennt voneinander abgeführt und keiner weiß, wo der jeweils andere gefangen gehalten wird und wo er selbst sich befindet. Doch Winston vermutet, dass er sich aller Wahrscheinlichkeit nach im Ministerium für Liebe aufhält. Er wird in einen fensterlosen und ständig beleuchteten Raum gesperrt. An allen 4 Wänden befindet sich ein Teleschirm. Rund um den Raum zieht sich an der Wand entlang eine Sitzgelegenheit die gerade breit genug ist zum Sitzen und einzig durch eine Toilette gegenüber der Tür unterbrochen ist.
Ständig kommen neue Gefangene in Winstons Zelle und werden wieder geholt. Auch Winston wird von Zeit zu Zeit verlegt. Winston verliert durch das ständige Licht und den fehlenden Tagesrhythmus bald das Zeitgefühl. Er bekommt kaum zu Essen und magert zusehends ab.
Nach einiger Zeit tritt O’Brien in Erscheinung und gibt sich als derjenige zu erkennen, der nun für Winstons Umerziehung zuständig ist. Zu Beginn durchläuft Winston einige Verhöre bei denen er sich der Spionage, Sabotage etc. bekennen muss. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine Formalität, die jeder Gefangene durchläuft.
Er wird regelmäßig bis zur Ohnmacht gefoltert um von ihm erfundene Geständnisse zu erpressen und um seinen Willen zu brechen. Aus dem Verhör wird bald eine Gehirnwäsche. Stück für Stück zerlegt O’Brien das Weltbild des intellektuell unterlegenen Winston Smith. Wenn Winston uneinsichtig ist, sich dumm stellt oder lügt, fügt O’Brien Winston Schmerzen durch Stromstöße zu.
Winstons Umerziehung findet in drei Phasen statt: lernen, verstehen und akzeptieren. O’Brien klärt dazu Winston über die zu Grunde liegenden Motive der Partei auf. Um Winstons Verachtung gegen diese Ideologie zu brechen will O’Brien Winston seine Würde nehmen. Dazu konfrontiert er in der zweiten Phase der Umerziehung Winston mit seinen eigenen Körper im Spiegelbild. Winston empfindet seinen Anblick als kläglich und würdelos. Er hat kaum noch Zähne. Noch dazu demonstriert O’Brien Winston wie schwach er ist, indem O’Brien Winston mit bloßen Händen einen Zahn heraus reißt. Winston ist entsetzt über seinen Zustand und bricht mit den Nerven am Ende in O’Briens Armen zusammen.
Winston wird von nun an wieder genug zu essen gegeben und sein von den Folterungen zerschundener, ausgemergelter Körper wird nach und nach gesund gepflegt und er bekommt sogar ein neues Gebiss gefertigt. Während er sich körperlich erholt, übt er sich in den Prinzipien des Zwiedenkens und Verbrechenstop. Er trainiert seinen eigenen Geist zu überlisten. Winston Smith scheint in seiner Umerziehung dem Ende zuzugehen.
Seine letzte große Hoffnung wird zerstört, als die Liebe zu Julia ihn aus dem Traum heraus aufwachen und ihren Namen schreien lässt, denn die Liebe für sie hat er tief im Herzen eingeschlossen, in der Hoffnung, sie aufrecht zu erhalten. Als dies O’Brien bewusst wird, lässt er Winston in das berüchtigte Zimmer 101 bringen.
Im Zimmer 101 erwartet jeden Menschen seine persönliche Hölle. Jeder Mensch wird dort mit seinen ureigensten Ängsten konfrontiert. In Winstons Fall ist es die panische Angst vor Ratten. O’Brien lässt ausgehungerte Ratten in einer Art Käfig direkt vor Winstons Gesicht halten und droht damit, die Käfigtür gleich zu öffnen. In seiner Todesangst sieht Winston nur einen Ausweg; seine Liebe zu Julia zu verraten:
- „Macht es mit Julia! Macht es mit Julia! Nicht mit mir! Mit Julia. Macht mit ihr, was ihr wollt, es ist mir egal. Zieht ihr die Haut vom Gesicht, schneidet ihr das Fleisch von den Knochen. Macht das nicht mit mir! Mit Julia! Nicht mit mir.“
Damit ist sein innerer Widerstand endgültig gebrochen. Nachdem Winston entlassen wird, trifft er Julia noch ein letztes Mal. Auch Julia zeigt Spuren der Folter, eine Narbe verunziert ihr einst hübsches Gesicht und ihr athletischer Körper ist unförmig geworden. Sie eröffnet Winston, ihn verraten zu haben und gesteht ihm, dass die Partei es geschafft habe ihre Gefühle füreinander zu zerstören.
Als sich Winston später in einer Kneipe dabei ertappt, wie er von der Kriegspropaganda angestachelt mit der Masse innerlich mitjubelt, erkennt er, dass er sich sein Leben lang vergeblich gegen die Gemeinschaft aufgelehnt hat. Er träumt davon, zum Ministerium für Liebe zurück zu kehren, um sich im Moment des höchsten Glücks freiwillig erschießen zu lassen. Er lässt auch seinen einst gefassten Plan fallen, im Tode den Großen Bruder zu hassen. Der letzte Satz im Buch lautet dann auch schließlich:
- „Er hatte den großen Sieg über sich selbst errungen, er liebte den großen Bruder.“
Figuren
Winston Smith
Winston Smith ist die Hauptfigur des Romans, aus deren Perspektive die schauerliche, dystopische Welt von 1984 geschildert wird. Winston ist ein ausgemergelter, gebrechlicher, intelligenter, grüblerischer und in sein Schicksal ergebener, 39 Jahre alter Mann. Er hat das Vertrauen und die Liebe zum Großen Bruder, dem totalitär herrschenden Führer von Ozeanien, verloren. Winston hasst die ständige Kontrolle, die Unterdrückung und die Schikanen, denen er permanent unterworfen ist. Daher wünscht er sich den Umsturz der Regierung und den Niedergang des großen Bruders.
Zunächst erscheint Winston als Held, der sich gegen ein unrechtes Regime auflehnt. Dies relativiert sich aber, als er O’Brien versichert, im Kampf gegen die Partei fürchterliche Verbrechen begehen zu wollen, wie etwa einem Kind Säure ins Gesicht zu schütten. Obwohl er damit unzweifelhaft einen guten Zweck verfolgt, sind plötzlich seine Methoden nicht besser als die des Staates, den er bekämpft. Winston ist in seinem Widerstand bemüht zu verstehen, wie die Partei eine solch absolute Macht ausüben kann. In seinen langen Überlegungen dazu erfährt der Leser viel über Themen wie die Möglichkeit Sprache zur Gedankenkontrolle zu benutzen, die Wirkung von psychologischer Einschüchterung und Folter auf eine Gesellschaft und schließlich, welchen Nutzen das Wissen um die Vergangenheit hat. Winston ist aber nicht nur ein Theoretiker (was in Ozeanien schon strafwürdig wäre), sondern auch ein praktischer Rebell. Er begeht Verbrechen wie ein Tagebuch zu schreiben, eine Liebesbeziehung mit Julia zu führen und schließlich bewirbt er sich sogar für den Dienst in der Bruderschaft, einer losen Vereinigung, die die Partei vernichten will. Am Ende des Buches offenbart sich allerdings, dass seine Rebellion nur ein Zug in O’Briens perversem Spiel um die Macht zu foltern, zu manipulieren und zu herrschen ist.
Julia
Julia ist eine dunkelhaarige, attraktive, 26-jährige Frau, die in der Roman-Abteilung des Ministeriums für Wahrheit arbeitet. Sie ist Winstons Geliebte und die einzige Person, der Winston vertrauen kann, weil er weiß, dass sie die Partei genau wie er hasst. Während Winston ruhelos, fatalistisch und um die Gesellschaft als Ganzes besorgt ist, ist Julia gefühlsbetont, pragmatisch, darauf bedacht den Augenblick zu genießen und das Beste aus ihrem Leben heraus zu holen. Sie hasst die Partei, weil die Partei versucht, ihr persönliches Glück zu zerstören, um sie fest für die Gemeinschaft zu vereinnahmen. Julias Rebellion gegen die Partei ist daher viel persönlicher. Während Winston etwa versucht der Bruderschaft beizutreten und sich mit dem abstrakten Manifest ihres Gründers, Emmanuel Goldstein, befasst, möchte Julia Liebe machen und Pläne für eine gemeinsame Zukunft schmieden. Sie ist nicht wie Winston überzeugt, dass die Gedankenpolizei sie erwischen wird und ist daher viel mehr darauf bedacht, ihre Kollegen, Nachbarn und die Gedankenpolizei zu täuschen. Daher engagiert sie sich bei der Junioren-Anti-Sex-Liga, eifert am heftigsten bei der Zwei-Minuten-Hass-Sendung und besucht zusammen mit Winston erstaunlich viele Demonstrationen. „Es zahle sich aus, sagt sie, es diene zur Tarnung. Wenn man die Regeln im Kleinen einhalte, könne man sie im Großen übertreten.“ (Teil 2, Kapitel 3) Julia behauptet, sie hätte zahlreiche Affären mit Parteimitgliedern gehabt. Obwohl der Leser nicht erfährt, ob sie dies nur auf Winstons Wunsch behauptet oder es wirklich den Tatsachen entspricht, zeigt es doch deutlich, dass sie nicht gewillt ist, sich von der Partei ihre Lust nehmen zu lassen. Der Wunsch nach Nähe, Vertrauen und der Hass auf die Partei sind allerdings die einzigen Gemeinsamkeiten, die Winston und Julia teilen. Es bleibt dem Leser überlassen, ob er Julia aufgrund der Tatsache, dass eine Frau mit unzweifelhaft nymphomanischen Zügen, die in der Anti-Sex-Liga der äußeren Partei aktiv ist, für opportunistisch hält, oder ob es einfach eine lebensrettende Maßnahme ihrerseits ist.
O’Brien
O’Brien ist sicherlich die rätselhafteste Gestalt im ganzen Roman. Der Leser erfährt nicht viel und teilweise auch sehr widersprüchliche Dinge über seine Motive und seine Geschichte. O’Brien steht dabei stellvertretend für die gesamte herrschende Klasse, die innere Partei. Sicher ist nur, dass O’Brien hochintelligent und sogar Winston intellektuell überlegen ist.
Winston lernt O’Brien bei seiner Arbeit im Ministerium für Wahrheit kennen. Er ist Mitglied der inneren Partei und hat daher einige Privilegien mehr als die Mitglieder der äußeren Partei. So kann er beispielsweise den Teleschirm in seiner Wohnung abstellen und besitzt sogar einige Luxusgüter wie etwa Wein. Zunächst versichert O’Brien Winston, dass er ebenso ein Gegner der Partei sei wie er. Daher vertraut sich Winston ihm an, bekommt von ihm sogar das revolutionäre Buch von Goldstein (welches, wie sich am Ende herausstellt, von O’Brien selber verfasst wurde). Winston trifft O’Brien im dritten Teil des Buches im Ministerium für Liebe wieder. O’Brien stellt sich nun als ein überzeugter Anhänger des Großen Bruders heraus, der im Ministerium für Liebe dafür zuständig ist, Winstons Geist mit Hilfe von physischer und psychischer Folter zu brechen.
Der Große Bruder ist der oberste Parteichef. Sein Wesen ist zeitlos. Ob es tatsächlich einen Menschen gibt, der der Große Bruder ist, wird im Roman nicht endgültig geklärt. Der Große Bruder ist Aufpasser und Beschützer zugleich. (Big Brother is watching you kann von Neusprech nach Altsprech mehrere Bedeutungen haben!)
Der Große Bruder ist als Familienmitglied bedeutend, da die ursprünglichen Beziehungen wie Familie, Freundschaft oder Liebe laut der Staatsideologie keine Bedeutung mehr haben. Er war, gemäß der Parteiprogapanda, schon bei den ersten Revolutionen der 1910er Jahre dabei und hat deshalb einen unkritisierbaren Heldencharakter. Der Große Bruder scheint die direkte Adaption der Person Joseph Stalins zu sein.
Emmanuel Goldstein ist wie der Große Bruder ein zeitloses Wesen. Er ist ein ehemaliges Parteimitglied. Doch nun ist er der oberste Staatsfeind, der eine Konterrevolution mit der Bruderschaft und dem wechselnden Feind in Ozeanien durchführen will. Goldstein und die Bruderschaft sind möglicherweise eine von der Partei geschaffene Illusion, ein Sammelbecken, in dem sich revolutionäre Energien sammeln sollen, damit es für die Gedankenpolizei leichter wird, Gedankenverbrecher zu fassen. Diese Figur entspricht allerdings auch dem Oppositionellen Schneeball auf der Farm der Tiere und verkörpert vermutlich den Oktoberrevolutionär und Widerstandskämpfer Leo Trotzki, dessen in einer Untergrundpartei organisierten Anhänger in der Frühzeit der Sowjetunion verfolgt und als Saboteure und Terroristen verleumdet wurden; darauf deutet auch der jüdische Name Goldstein hin, da Trotzki bürgerlich selbst Lew Bronstein hieß.
Orwells Inspiration
Um zu verstehen, warum Orwell den Roman 1984 geschrieben hat, braucht man nur einen Blick auf seine anderen Arbeiten zu werfen. Das Motiv des Verrats an der Revolution und der tiefen Abneigung gegen totalitäre Regime wird schon in der Hommage to Catalonia deutlich. Orwell erklärt in seinem Essay Why I Write, dass er seit dem spanischen Bürgerkrieg in seinen Arbeiten immer wieder vor Totalitarismus warnt und für eine demokratische Gesellschaft schreibt.
Die Welt von 1984 reflektiert aber auch Aspekte des sozialen und politischen Umfeldes in den USA und dem United Kingdom im Jahre 1948 wie etwa die Rationierung von Lebensmitteln oder die ständigen Siegesmeldungen des Britischen Empires zu einer Zeit, als es immer weiter zerfiel.
Der Aufbau der Regierung von Ozeanien ist eine Parodie auf eine berühmte Rede von Roosevelt über die four freedoms. Wie Orwell später einmal Malcolm Muggeridge erzählte, entstammte viel von Winstons Arbeitsalltag Orwells eigenen Erfahrungen, die er bei der BBC sammelte. Die BBC war damals noch dem Ministerium für Information unterstellt.
Der Roman spiegelt aber auch die Ängste dieser Zeit wieder. Allen voran sicherlich die Angst, dass die gerade zerschlagene schlechteste aller denkbaren Gesellschaften in einer neuen Form wieder aufleben könnte. Weiterhin stand im Jahre 1949 die Menschheit am Beginn des Nuklearen Zeitalters. Die meisten Menschen in Westeuropa und Nordamerika waren überzeugt, dass in den Ostblockstaaten eine unbarmherzige totalitäre Partei herrschen würde. Kurz zuvor wurden Fernsehapparate ein fester Bestandteil in jeder Familie. Orwells Utopie von einer postatomaren Diktatur der Partei, kontrolliert von Teleschirmen, erschien damals als eine unglaublich realistische Bedrohung, die noch dadurch verstärkt wurde, dass Orwell eine solche Gesellschaft in den nächsten 35 Jahren vorauszusagen schien.
Im Jahre 1984 werden kritische Gedanken, die die Doktrin des fiktiven Staates Ozeanien in Frage stellen, als Staatsverbrechen behandelt. Das erklärte Ziel der herrschenden totalitären Partei ist, durch die Einführung einer neuen Sprache (Neusprech genannt), durch ständige Verfälschung der Geschichte und durch ständige Kontrolle und Bedrohung den Bürgern die Möglichkeiten zu entziehen, Gedankenverbrechen zu begehen. Beispielsweise liegt Ozeanien abwechselnd mit Eurasien oder Ostasien im Krieg, während es mit dem anderen in Frieden lebt. Wenn Ozeanien mit einem Staat Krieg führt, dann führte es schon immer mit diesem Staat Krieg, und wird auch in Zukunft immer mit diesem Staat Krieg führen, während man mit dem anderen Staat immer in Frieden lebte auch in Zukunft immer in Frieden leben wird. Wer das nicht anerkennt, begeht ein Gedankenverbrechen (siehe auch Hauptartikel Gedankenverbrechen).
Neusprech ist die eingeführte Amtssprache in Ozeanien und befindet sich zum Zeitpunkt des Buches bereits in der 11. Auflage. Sie soll nach und nach die Alltagssprache (Altsprech) verdrängen und dient dazu, den Wortschatz so weit wie möglich zu reduzieren um damit die Macht der herrschenden Partei zu festigen. Gab es in „Altsprech“ für jedes Adjektiv noch ein entsprechendes Gegenteil, so wird in „Neusprech“ jedes Gegenteil durch ein vorgestelltes un gebildet. So lautet zum Beispiel das Gegenteil von gut ungut und von warm unwarm (siehe auch Wortbildung in Esperanto). „Steigerungen“ wie super, genial etc. werden durch plusgut (Original: plusgood) beziehungsweise doppelplusgut (Original: doubleplusgood) ersetzt. Außerdem werden fast alle Unregelmäßigkeiten an die Regeln angeglichen. Längere Bezeichnungen wie Ministerium für Wahrheit werden einfach zu Miniwahr verkürzt. Durch diese Abkürzungen wird auch die ursprüngliche Bedeutung der Worte, aus denen es besteht, eliminiert.
Ein weiteres Mittel sind Euphemismen. Die Haft- und Folteranstalt, in der die politische Gefangene, die Gedankenverbrecher genannt werden, gefoltert werden, wird Ministerium für Liebe genannt. In Parolen der Partei, wie zum Beispiel „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“, werden den Wörtern einfach neue Bedeutungen zugewiesen, um sie nicht gegen die Partei verwenden zu können. Auch haben Wörter je nach Bezug(sperson) andere Bedeutungen, so kann „schwarzweiß“ entweder besondere Parteitreue oder Landesverrat bedeuten. Durch diese Methode gibt die Partei ihren Mitgliedern ein Denkmuster vor. Dieses Ziel wird verfolgt, um die Herrschaft der Partei zu sichern. Denn wie soll man die Partei durch ein anderes System ersetzen, dessen Grundsätze man nicht kennt, weil man sie nicht in Sprache ausdrücken also nicht denken kann?
Ein gutes Beispiel dafür liefert Orwell im Anhang des Romans (je nach Ausgabe, hier: Nineteen Eighty-Four. Penguin Books 1990, ISBN 0-14-012671-6), wo er die Prinzipien der Newspeak-Sprache erklärt:
- Die Worte Kommunistische Internationale, zum Beispiel, erinnern an ein Bild von weltweiter Brüderlichkeit, rote Flaggen, Karl Marx und der Pariser Kommune. Das Wort Komintern, andererseits, suggeriert eher einen straff organisierten Körper mit einer wohldefinierten Doktrin. Es verweist auf etwas, das so simpel erkannt wird … wie ein Stuhl oder ein Tisch. Komintern ist ein Wort, das ohne Aufhebens geäußert werden kann, aber Kommunistische Internationale ist eine Phrase, über die jeder wenigstens eine kurze Zeit lang zögert. Gleichermaßen sind die Assoziationen, die von einem Wort wie Minitrue geweckt werden, seltener und besser kontrollierbar als jene, die von Ministry of Truth erzeugt werden. (…) [1]
Ozeanien
Ozeanien ist eine der drei verbleibenden Supermächte der Welt, die anderen beiden sind Eurasien und Ostasien. Ozeanien besteht aus Amerika, Großbritannien, Australien und dem südlichen Teil von Afrika, Eurasien aus Europa und Russland, insgesamt von der iberischen Halbinsel bis zur Beringstraße. Ostasien besteht aus der Volksrepublik China, der Mongolei und Japan. Ozeanien befindet sich stets mit einer der beiden Mächte im Krieg, der sich jedoch ausschließlich um Territorien und niemals um die (sowieso unmögliche) Vernichtung des anderen dreht.
Entwicklung von Ozeanien
Der Roman selbst erklärt wenig über die Geschichte von Ozeanien. Allerdings erhält Winston im zweiten Teil des Romans von O’Brien eine Kopie des staatskritischen "Buches", das vom obersten Staatsfeind Emmanuel Goldstein geschrieben worden sein soll. Auch wenn sich später heraus stellt, dass dieses Buch tatsächlich von der Partei selbst verfasst wurde, erklärt es schlüssig das Konzept der Partei und die Geschichte des Engsoz (englischer Sozialismus). Demnach soll es kurz nach dem Sieg der Alliierten im zweiten Weltkrieg im United Kingdom zur (sozialistischen) Revolution gekommen sein.
Während dessen startete die Sowjetunion eine massive Invasion in Europa und übernahm den gesamten Kontinent mit Ausnahme von Großbritannien und Island. Ein dritter und diesmal atomarer Weltkrieg brach zwischen Ozeanien (geführt von den ehemaligen USA), Eurasien (geführt von der ehemaligen Sowjetunion) und Ostasien (geführt vom ehemaligen China) aus. Hunderte Atombomben wurden über Europa, Westrussland und Nordamerika abgeworfen.
Im Roman erinnert sich Winston an einen Zeitpunkt, als eine Wasserstoffbombe über Colchester abgeworfen wurde und eine Massenpanik ausgelöst hatte. Die drei Großmächte erkannten schließlich, dass die Vernichtung des Gegners nicht ohne die eigene Vernichtung möglich wäre. Statt aber den Krieg zu beenden beschlossen sie zunächst um die Vormachtstellung in Afrika zu kämpfen und anschließend, durch Ausbeutung der Rohstoffe und Menschen Afrikas, auch ihre Gegner besiegen zu können. Obwohl allen drei Seiten bewusst ist, dass dieser Plan niemals aufgehen kann, da sobald eine Macht so etwas wie eine Vorherrschaft zu erringen droht, sich die anderen zwei Seiten gegen sie verbünden würden, halten sich alle Seiten an dieses Abkommen. Denn inzwischen haben sie erkannt, dass der ständige Krieg es ihnen erlaubt die Bevölkerung in einem Zustand der ständigen Angst und Massenproduktion zu halten, ohne je den Lebensstandard in ihren Ländern heben zu müssen, da die schwer erarbeiteten Güter immer wieder an der Front vernichtet werden könnten. Die Partei glaubt, dass eine Bevölkerung die ständig damit beschäftigt ist, sich um die notwendigsten Dinge zum Leben zu sorgen, keine Zeit für kritische Gedanken hat und damit leicht zu kontrollieren und zu manipulieren ist.
Die drei Großmächte kämpfen selten auf ihrem Territorium, nur die einschlagenden Raketenbomben (die vielleicht aber auch nur von der Partei selbst gezündet werden) terrorisieren die Bevölkerung.
In den späten Fünfzigern wurde die Revolution dann vom Großen Bruder verraten, der mit seiner Theorie vom englischen Sozialismus einen Terrorstaat schuf. Im Jahre 1984 ist Landebahn Eins (das frühere Großbritannien) zur dritt reichsten Region in Ozeanien geworden.
Gesellschaft
Die Gesellschaft von Ozeanien ist in 3 hierarchische Klassen unterteilt. Der Aufbau und die Wirkungsweise dieser drei Kasten lassen sich in Platons Vision vom "Idealen Staat" wieder finden. In diesem, von Platon erdachten Staatsmodell, stehen die Philosophen an oberster Stelle. Ihre Aufgabe ist es zu denken. Diese kleinste Kaste wird in dem Buch durch die innere Partei dargestellt. Die zweite Kaste ist die Kaste der Wächter. In Orwells Buch wird diese Kaste durch die äußere Partei verkörpert. Ihre Aufgabe ist die Durchsetzung und Überwachung der von der oberen Kaste vorgegeben Richtlinien. Schlussendlich und an letzter Stelle steht das arbeitende Volk, das in dem Buch durch die "Proles", also Proletarier, repräsentiert wird. Aufgebaut ist dieses Kastensystem pyramidenartig, wobei die Arbeiter die größte, und die Philosophen die kleinste Anzahl an Mitgliedern haben.
Die innere Partei
Die Mitglieder der inneren Partei machen 2 Prozent der Bevölkerung aus. Sie stellen die Oberschicht dar und haben alle führenden Positionen inne.
Sie genießen viele Privilegien und sind auf jeden Fall nicht den strengen Rationierungen unterworfen, die für den Rest der Gesellschaft gelten. Die Teleschirme in ihren Arbeitsräumen (evtl. auch Wohnräumen) können sie selber abschalten. Der Funktionär O’Brien konsumiert während der Arbeit Wein; etwas, über welches andere Menschen nicht verfügen. Julia stiehlt bei Gelegenheit auch Kaffee, Tee und Zucker – alles Dinge, die in der Regel nur Mitglieder der inneren Partei konsumieren.
Die äußere Partei
Die Mitglieder der äußeren Partei stellen die Mittelschicht dar und machen etwa 13% der Bevölkerung aus. Mitglieder der äußeren Partei arbeiten im Dienst der Partei und dienen lediglich zu deren Aufrechterhaltung. Manche von ihnen sind in ziemlich intellektuellen Bereichen beschäftigt (etwa der Geschichtsfälschung oder der Arbeit an der neuen Ausgabe des Newspeak Dictionary) und geraten so in eine Position, in der sie der Partei gefährlich werden können. Viele von ihnen verschwinden früher oder später spurlos (Ausdruck im Roman: vaporized, „verdampft“, in neueren Auflagen „vaporisiert“), wie zum Beispiel Syme, der am Wörterbuch arbeitet.
Das Proletariat
Die Proles, die Arbeiter, machen zwar 85 Prozent der Bevölkerung aus, werden aber durch Armut und Medien bewusst dumm und passiv gehalten und stellen selbst beim offensichtlichen Charakter der Diktatur der Partei kein Risiko für deren Position dar. Dies wird erreicht, indem gewaltige wirtschaftliche Mittel nicht den Armen zugute kommen, sondern in einem permanenten Krieg vernichtet werden (z.B. Bau von sündhaft teuren „Schwimmenden Festungen“, engl. „Floating Fortresses“). Auch dient dieser Krieg als „Entschuldigung“ dafür, dass sich das Land ständig in einer Notlage befindet und sich gar keinen „Luxus“ wie Demokratie, Freiheit oder Armutsbekämpfung leisten kann – niemand aus der Schicht der Proles kann aufsteigen. Dazu produziert der Staat ständig billige Volksmusikstücke sowie Pornofilme, die ausschließlich von den Proles konsumiert werden (dürfen). Ebenfalls organisiert der Staat eine Lotterie, bei der niemand etwas gewinnt – aber doch sind die Proles mangels anderer Beschäftigung von diesen einfältigen Tätigkeiten hingerissen. Sie haben keine Zeit oder keine Lust, den Staat zu kritisieren, aber dennoch ist diese Kaste die einzige, die in der Lage wäre, einen Umsturz herbeizuführen. Wenn es nach dem Scheitern des Protagonisten noch Hoffnung auf Veränderung gibt, so geht diese von den Proles aus.
Orwell beschreibt in 1984 eine totale Überwachung, der sich fast niemand entziehen kann. Sie wird hauptsächlich mit Hilfe von Teleschirmen ausgeübt. Der Teleschirm ist sowohl Sende- als auch Empfangsgerät, das in jedem Haus der inneren und äußeren Partei, an öffentlichen Plätzen und bei der Arbeit die Bürger Ozeaniens überwacht. Niemand weiß, ob man gerade beobachtet wird oder nicht und man kann nur darüber spekulieren, wie oft oder nach welchen System sich die Gedankenpolizei in die Privatsphäre einschaltet. Darum ist es sogar denkbar, dass sie ständig alle beobachtet (vergleiche Seite 9 im Buch). Siehe auch Panoptikum, das Konzept totaler Überwachung.
Ein weiteres Mittel zur Überwachung sind Mikrofone, die überwiegend in ländlichen Gegenden und bei den Proles eingesetzt werden. Diese sind besonders deswegen gefürchtet, weil sie im Gegensatz zu den Teleschirmen klein und gut zu verstecken sind.
Eine andere Methode der Überwachung ist die Bespitzelung. Diese tritt in zwei Formen auf: Zum einen die Bespitzelung der Bürger durch Teleschirme oder Mikrofone der Gedankenpolizei. Die zweite Art der Bespitzelung, das gegenseitige Verraten der Parteimitglieder, ist die wirkungsvollere von beiden. Schon Kinder werden in der Jugendorganisation der Spitzel dazu erzogen, ihre Eltern auszuspionieren und im Ernstfall zu verraten. Die Eltern sind sogar stolz darauf, wenn ihre Kinder andere verraten. Außerdem werden alle Parteimitglieder in Vereinen organisiert, damit jeder jeden im Blick hat.
Ministerien
Der Aufbau der Regierung in 1984 ist eine Parodie auf eine bekannte Rede 1941 von Roosevelt. In dieser Rede vor dem Kongress unterstrich der Präsident vier Freiheiten ( siehe engl. Wikipedia):
- die Meinungsfreiheit
- die Religionsfreiheit
- die Freiheit von Mangelzuständen. Gemeint ist, dass die Ökonomie jedes Landes die Bedürfnisse der Bewohner derart befriedigt, dass das Leben in Gesundheit und Frieden garantiert wird.
- die Freiheit vor Angst, indem weltweit das Kriegsmaterial abgerüstet wird, so dass kein Land mehr ein anderes angreifen kann.
George Orwell verwendete diese Rede und zusammen mit seinen Erfahrungen bei der British Broadcasting Corporation BBC dazu, um die vier Ministerien von Ozeanien zu erschaffen.
- Ministerium für Frieden (Minipax): Dieses Ministerium befasst sich mit Krieg, genauer gesagt mit der Kriegspropaganda, und damit, den immerwährenden Krieg in Gang zu halten. Vermutlich ist es auch für die Angriffe auf eigene Städte verantwortlich, um die Kriegsstimmung aufrechtzuerhalten.
- Ministerium für Überfluss (Minifluss): Dieses Ministerium ist für Wirtschaft und die Ausarbeitung der Drei-Jahres-Pläne zuständig. Wahrscheinlich sorgt es auch dafür, dass nie genug Konsum-Güter vorhanden sind, beziehungsweise die Qualität extrem schlecht bleibt (man vergleiche Winstons Bemerkungen über Schokolade und „Victory Gin“).
- Ministerium für Liebe (Minilieb): Dieses mysteriöse und gefürchtete Ministerium unterhält die Gedankenpolizei, die Abweichler aufspürt und dorthin bringt. Dort werden sie solange gefoltert, bis sie „umgedreht“ sind, also wieder voll und ganz auf Parteilinie sind. Danach werden sie freigelassen, um noch einige Zeit in Ozeanien zu leben, bevor sie erschossen werden.
- Ministerium für Wahrheit (Miniwahr): Dieses Ministerium befasst sich mit der Vergangenheit beziehungsweise mit der ständigen Manipulation dieser. Sämtliche Bücher, Filme, Schriften, Zeitungen, Tonaufnahmen etc. aus vergangener Zeit werden hier konstant manipuliert und an die aktuelle Linie der Partei angepasst, sodass laut allen Aufzeichnungen, die existieren, die Partei immer Recht hat und immer Recht gehabt hat.
- „Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten –, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“ (Zitat George Orwell)
Bedeutung von 1984 für die Gegenwart
Orwell zeichnet in seinem Roman ein literarisches Bild der Mechanismen, derer sich ein totalitärer Staat bedient. Daher kann man viele der Strukturen und Vorgehensweisen in der jüngeren Geschichte und heutigen Welt wiedererkennen. Die Westmächte zeichneten beispielsweise Parallelen zwischen den sozialistischen Staaten und dem totalitären Staat aus 1984, aber auch den demokratischen Staaten wurden manchmal Methoden aus 1984 unterstellt. Zum Beispiel zitiert Michael Moore im von ihm produzierten Film Fahrenheit 9/11 aus 1984, als er sagt, dass der Krieg (im Irak) nicht gewonnen werden, sondern ewig dauern solle. Auch die euphemistische Benennung von Kriegsministerien als Verteidigungsministerien oder Ministerium für Sicherheit erschien schon Orwell kritikwürdig.
Begriffe wie 1984, Großer Bruder und auch Orwell selbst sind zu geflügelten Bezeichnungen für Überwachungswünsche und -phantasien von Staat, Wirtschaft und Bürgern geworden. Einige technischen Mittel (bspw. Überwachungskameras, Wanzen, Echelon, …) hat Orwell schon 1948 vorhergesehen. Andere Aspekte von Privatsphäre verletzenden Maßnahmen wurden zwar erahnt, aber da 1984 lange vor unserer heutigen Konsum- und Internet-Welt erschien, konnte Orwell nicht voraussehen, dass nicht nur der Staat, sondern auch Privatfirmen sensible Kundendaten verwalten und verknüpfen. Andererseits wird aber auch kritisiert, dass bei der Diskussion um Überwachung und ihrer verschiedenen Techniken Begriffe wie „Big Brother“ oder „Überwachungsstaat“ oft vorschnell fallen würden.
Einige Anhänger des Buches fassen verschiedene Phänomene der Gegenwart als sich erfüllende oder erfüllte Prophezeihungen des Buches auf. Die dramatische Handlung, beispielsweise Winstons Verhältnis zu Julia und der Verrat an ihr, stellen sie dabei hinter die gesellschaftliche Umrahmung zurück. So interpretieren sie die Rolle bestimmter regierender Personen (einige US-Präsidenten und andere Staatsoberhäupter) als neue Große Brüder und weisen anderen (Saddam Hussein, Osama bin Laden, …) die Rolle des Rebellen Emmanuel Goldsteins zu. Dabei würden die machtlosen Winstons Smiths und Boxers (Pferd aus Animal Farm) die wahren Verlierer sein.
Auf den „ Big Brother“ im Roman spielt der Titel der Reality-Shows hin, die zuerst in den Niederlanden 1996 produziert wurden und mittlerweile in vielen Ländern zu sehen sind. In diesen Sendungen wird eine Gruppe von Personen in einer Villa von Fernsehkameras beobachtet.
Verwandte Arbeiten
Literatur
- Clockwork Orange von Anthony Burgess
- Player Piano, 1952 (Das höllische System, 1988) von Kurt Vonnegut
- Anthem (1938) – deutsch: Die Hymne des Menschen von Ayn Rand
- Schöne neue Welt von Aldous Huxley
- This Perfect Day (1970) von Ira Levin
- James Burnham, dessen Roman The Managerial Revolution einen großen Einfluss auf die Entwicklung von 1984 hatte.
- Fahrenheit 451 von Ray Bradbury
- The Iron Heel (deutscher Titel: Die eiserne Ferse) New York 1908 ein sozial-utopischer Roman von Jack London, der Orwell beeinflusst hat.
- Jennifer Government (deutscher Titel: Logoland) von Max Barry ist eine Satire über eine von Großkonzernen beherrschte Welt und erschien 2003.
- 1985 von György Dalos, ein Art Fortsetzung von 1984 welche mit dem Tod des großen Bruders beginnt.
- 1985 von Anthony Burgess
- Wir von Yevgeny Zamyatin
Film und Fernsehen
- 1984, eine Apple-Macintosh-Werbung, die sich auf Orwells Roman bezieht
- Babylon 5, Science-Fiction-Serie von J. Michael Straczynski, in welcher eine Weltregierung nach Orwells Utopie sowie viele Hommagen an 1984 enthalten sind.
- Chain of Command, eine Episode von Star Trek: The Next Generation in welcher Jean-Luc Picard in einer Weise, wie in 1984 gefoltert wird. Wie in 1984 auch wird Picard von einem Cardassianischen Sadisten gefoltert, bis er bei vier eingeschalteten Lichtern tatsächlich fünf Lichter sieht.
- Brazil, Film von 1985 von Terry Gilliam.
- 1984, zwei Verfilmungen des Romans, unter anderem von Michael Radford mit John Hurt in der Hauptrolle, gedreht im realen Jahr 1984.
Rock und Pop
- Subhumans veröffentlichten 1982 das Album „The Day The Country Died“, Welches stark von 1984 beeinflusst ist. Eines der Lieder ist Big Brother genannt und enthält Zeilen wie „There’s a TV in my front room and it’s screwing up my head“, welche sich auf die Teleschirme bezieht. Wie auch der Roman ist das Album sehr dystopisch, mit Songs wie „Dying World“ und „All Gone Dead“,
- 1984 (For The Love of Big Brother) ist der Titel eines Albums von Eurythmics aus dem Jahr 1984. Es enthält Lieder wie I did it just the same, Sexcrime (Nineteen Eighty-Four), For the love of big brother, Winston’s diary, Greetings from a dead man, Julia Doubleplusgood, Ministry of love und Room 101.
- David Bowie veröffentlichte das Album „Diamond Dogs“ welches den Song Rebel Rebel, 1984, We Are The Dead, and Big Brother enthält. Ursprünglich sollte das gesamte Projekt eine theatralische Umsetzung von 1984 werden, aber David Bowie wurden nicht die Rechte erteilt.
- Rage Against the Machine veröffentlichten auf ihrem Album „The Battle of Los Angeles“ 1999 den Song Testify, der die Zeile „Who Controls the Past Now, Controls the Future, Who controls the Present Now, Controls the Past …“, einen Slogan der Partei, enthält.
- Bad Religion veröffentlichten auf ihrem Album „The Empire Strikes“ (2004) den Song Boot Stamping on a Human Face Forever. Der Titel des Songs ist ein Zitat aus 1984. Im Ministerium für Liebe entwirft O’Brien ein Zukunftsbild, dass er als ein von Stiefeln zertretenes Gesicht beschreibt. Der Song bezieht sich auf die hoffnungslose Rebellion gegen die Partei.
- In dem Song George Orwell Must Be Laughing His Ass Off von Mea Culpa beginnt der zweite Vers mit den Worten „If 2 plus 2 don’t equal 5 I guess I’m just no fun“.
- Die US-amerikanische Punkband Dead Kennedys bezieht sich in ihrem Lied California Über Alles von 1979 mit den Versen „Now it is 1984 / Knock knock at your front door / It’s the suede/denim secret police / They have come for your uncool neice“ auf den Roman.
- Das 2003 erschienene Album der britischen Band Radiohead namens Hail To The Thief beginnt mit dem Titel 2 + 2 = 5 und kann ebenfalls als Orwellsche Kritik verstanden werden, in diesem Fall an der Bush-Regierung.
Literatur
- George Orwell: 1984 (Neunzehnhundertvierundachtzig). Ullstein Taschenbuchverlag, 2002, ISBN 3-548-23410-0
- George Orwell: Nineteen Eighty-Four. Penguin Books, 1990, ISBN 0-14-012671-6. (Edition, die sich möglichst genau an Orwells Originalmanuskripte hält.)
- Bernd-Peter Lange: George Orwell: 1984. Fink Verlag, 1982, ISBN 3-7705-2066-1
Siehe auch
Weblinks
- 1984 Vollständige Online-Ausgabe in englischer Sprache
- Roman 1984 mit Neusprech-Anhang englisch
- Thilo Weichert: Technik, Terror, Transparenz – Stimmen Orwells Visionen? 2004.
- newspeakdictionary.com Sehr ausführliche, politische Seite in Englisch zur Orwellschen und aktuellen Newspeak