Sozialphilosophie

philosophische Disziplin
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Sozialphilosophie (auch Gesellschaftsphilosophie) beschäftigt sich mit Fragen zum Sinn und Wesen einer Gesellschaft. Insbesondere beleuchtet sie das Verhältnis zwischen dem einzelnen Menschen und der Gemeinschaft und die Strukturen des Zusammenlebens. Den Kern aller Fragen bildet dabei die Ethik.

Dabei geht es um die grundlegende Klärung von Fragen wie:

Auch wenn diese Fragen in den meisten Philosophien seit Platon in jeweils eigener Weise bearbeitet wurden, wird der Begriff Sozialphilosophie erst seit dem 19. Jahrhundert mit der Verwirklichung der bürgerlichen Revolution und dem Nachdenken über alternative Staatskonzepte verwendet.

Einige konträre Positionen sind z.B.:


Eine weitergehende Annäherung gewinnt man vielleicht am ehesten auf negative Weise: indem man zunächst bedenkt, was Sozialphilosophie nicht ist bzw. nicht sein will.

So ist sie nicht einfach "Soziologie", eignet dieser doch, als arbeitsteilig eingerichteter Disziplin, in ihren verschiedenen Ausprägungen (zuweilen despektierlich als 'Bindestrich-Soziologie' bezeichnet) stets ein Moment des Instrumentellen. Während die Soziologie in ihrer Eigenschaft als gesellschaftlich verwertbare Wissenschaft in der Regel fact-finding betreibt und rahmenbezogene Hypothesen formuliert, führt die Sozialphilosophie ihr Eigenleben jenseits aller (pragmatistischen) Blickfeldverengung. Deren Medium sind denn auch nicht Daten, Definitionen und Hypothesen, sondern Gesamtzusammenhänge, Begriffe und Theorien. Darin spiegelt sich das Erbe der klassischen Philosophie: aufs Ganze aus zu sein, mitsamt einem notwendigen Rest an Spekulativem. Indem der "Gesamtzusammenhang" des Gesellschaftlichen gedacht werden soll – samt dessen historischen, politökonomischen, kulturellen, gesellschaftsmoralischen und zukunftsweisenden Bedingungen –, wohnt der Sozialphilosophie meist auch ein idealistisches Element inne; konstitutiv wird sie von einer (ihrerseits begründbaren) "Leitidee" getragen, welche, wie Adorno es einmal vereinfachend ausdrückte, in der "treibenden Sehnsucht, daß es endlich anders werde" ihr heimliches Kraftzentrum hat. So gesehen wäre die Sozialphilosophie nicht eigentlich "wertfrei", sondern kann durchaus – wenn auch wohlbegründet – parteiisch ausgerichtet sein.

Dies ist auch klar, vergegenwärtigt man sich die historischen Wurzeln, worauf noch die moderneren Sozialphilosophien gründen. Will man den Beginn der abendländischen Sozialwissenschaften mit der Epoche der Aufklärung in Zusammenhang bringen und Saint-Simon als deren "Urvater" betrachten (sofern man nicht auf Ibn Chaldun im 14. Jhdt. rekurrieren möchte; eine Definitionsfrage - freilich könnte man dann auch gleich die gesellschaftspolitischen Theorien von Morus rückwärts über Locke, Hobbes, Machiavelli bis hin zu Platon ins Auge fassen), so ist dort, wie bei seinem bekannteren Nachfolger Auguste Comte, erkennbar, wie die Anstrengung, das gesellschaftliche Ganze – in seinem So-Sein und sodann als Entwurf – zu erfassen, unternommen wird.

Heutzutage würde es als naiv oder überheblich gelten, mit bedeutsamem Gestus das Betreiben von Sozialphilosophie zu verkünden. Jedoch geht es durchaus bereits in die angesprochene Richtung, wenn die Soziologie sich um ihre Selbstreflexion bemüht. So zeugt etwa die Rückfrage nach deren konstitutivem Eingebundensein in die sie bedingenden "Verhältnisse" schon von sozialphilosophischem Geist.

In solchem Zusammenhang würde sich ein riesiger Fragestellungs- bzw. Erkenntniskomplex eröffnen, etwa hinsichtlich Genesis und Geltung von Aussagen, über heimlich einfließende Wertimplikate, über die Gesellschafts-"Ideologie" im allgemeinen; weiterführende anthropologische, moralphilosophische und erkenntnistheoretische Fragestellungen könnten sich anschließen; schließlich wären Berührungspunkte zur Kunst oder etwa zur Religionsphilosophie erkennbar.

Überschneidungen der Sozialphilosophie bestehen u.a. zur Anthropologie, Soziologie, Politologie und Rechtsphilosophie.

Literatur

  • Gamm, Gerhard/Hetzel, Andreas/Lilienthal, Markus (2001): Interpretationen. Hauptwerke der Sozialphilosophie. Stuttgart: Reclam. ISBN 3-15-018114-3
  • Horster, Detlef (2005): Sozialphilosophie. Leipzig: Reclam. ISBN 3-379-20018-9