Julia Schramm (* 30. September 1985 in Frankfurt am Main)[1][2] ist Politikerin der Piratenpartei Deutschland und seit April 2012 Beisitzerin im Bundesvorstand der Partei.

Leben
Julia Schramm wuchs in Hennef in der Nähe von Bonn auf.[3] Schramm studierte zwischen 2005 und 2010 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn die Fächer Politische Wissenschaft, Amerikanistik und Staatsrecht. Während ihrer Studienzeit arbeitete sie als studentische Hilfskraft im Haus der Geschichte und für die Universität Bonn. Nach ihrem Abschluss 2010 arbeitete sie als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut "Recht als Kultur" der Universität Bonn.[4] Seit 2011 lebt sie in Berlin.
Schramm ist mit dem Parteikollegen Fabio Reinhardt verheiratet. Ihre Bekanntgabe der Verlobung Anfang 2012 über den Internetdienst Twitter sorgte für parteiinterne Kritik, da ihr von Kollegen vorgeworfen wurde, sie sei rückwärtsgewandt oder wolle sich nur über ihren Lebenspartner profilieren.[5][6][7] Sie selbst bezeichnete sich ironisch als „Politikergattin“ und „Privilegienmuschi“.[3] Schramm steht bei der Literaturagentur Eggers unter Vertrag.[8]
Politik
2005 wurde Schramm Mitglied der Jungen Liberalen.[3] Im Jahr 2009 machte sie bei der FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen im Büro von Gerhard Papke ein Praktikum. Da sie laut eigener Aussage in ihren Erwartungen enttäuscht worden war, trat sie 2009 der Piratenpartei bei.[9] Zwischen 2009 und 2011 war sie für die Piratenpartei in Bonn aktiv und trat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2010 im Landtagswahlkreis Bonn II als Direktkandidatin an, wobei sie 2,1 % der Stimmen erhielt. 2011 wechselte sie zum Landesverband in Berlin.[9] Im Jahr 2012 bewarb sich Schramm für den Bundesvorstand der Piratenpartei Deutschland und wurde als Beisitzerin gewählt.[10]
Schramm setzt sich für Liquid Democracy ein und vertritt die internationale Kooperation im Bundesvorstand der Piratenpartei.[11][12]
Der Stern nannte sie in einer Auflistung unter dem Titel „Die wichtigsten Köpfe der Piraten“, sie gilt in ihrer Partei aber als umstritten.[5][6][13]
Positionen
Schramm war Mitgründerin einer Interessengruppe namens Datenschutzkritische Spackeria, die sich mit Post-Privacy auseinandersetzte. Durch ein Interview mit Spiegel Online, in dem sie kontroverse Aussagen wie „Privatsphäre ist sowas von Eighties“ und „Keine Macht den Datenschützern“ vertrat, wurde sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.[14][15][16][17][18] Die Aussage „Keine Macht den Datenschützern“ bezeichnet sie mittlerweile als „dumme Aussage“ und vertrat bezüglich ihrer Aussagen die These „alles unter 30 fällt unter Jugendsünde“.[19]
In der Folge dieses Interviews nahm sie u. a. auch an einem Streitgespräch mit der Sprecherin des Chaos Computer Clubs Constanze Kurz und einer Podiumsdiskussion des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar teil.[20][21] Bei einem Gespräch mit dem ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) nach der Aufzeichnung einer Folge Markus Lanz, in der beide Gäste waren,[22] wandte sich Schramm von der Post-Privacy-Bewegung ab.[23]
Julia Schramm bezeichnet sich als Feministin und ist Mitgründerin des pirateninternen Frauenforums „Kegelklub“.[9][24] Sie sei erst sehr spät zum Feminismus gekommen und setzt sich ihrer Auffassung nach für Frauenrechte im Netz ein. In erster Linie sei dies den sexistischen Angriffen auf ihre Person geschuldet.[25] Sie befürwortet die Nichterfassung des Geschlechts bei Parteimitgliedern.[26]
Kritik
Mit ihrer Position zum Urheberrecht hat Schramm viel Kritik ausgelöst. Selbst als Autorin tätig, spricht sie sich deutlich gegen Repressionen auf Grund von Urheberrechtsverletzungen aus.[27][11] Diese Position vertrat sie unter anderem auch beim Urheberrechtsdialog der Piratenpartei.[28] Gleichzeitig ließ ihr Verlag unter Verweis auf den Digital Millennium Copyright Act eine unautorisierte PDF-Kopie ihres Buches Klick mich von einer Internetseite entfernen.[29]
In einer Reportage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde Schramm von der Journalistin Melanie Mühl „Künstlerhass“ vorgeworfen, den es bisher „nur in den schlimmsten Spießerzeiten der CDU in den fünfziger Jahren“ gegeben habe. Mühl wies zudem darauf hin, dass Schramm den Begriff „geistiges Eigentum“ für „ekelhaft“ halte und sich gegen das Urheberrecht einsetze, gleichzeitig aber ein biographisches Buch über einen Verlag des Branchenriesen Bertelsmann vermarkten lasse, dabei gut verdiene und damit „Teil der Verwertungsmaschinerie“ sei.[30] Zu diesem Artikel veröffentlichte Schramm auf ihrem Blog eine Gegendarstellung, indem sie unter anderem den Vorwurf des Künstlerhasses von sich wies und darauf hinweist, dass Mühl das Gespräch mit ihr heimlich aufgezeichnet hat. Darüber hinaus wirft sie ihr unredlichen Journalismus und eine Verzerrung ihrer Aussagen vor. Der FAZ warf sie zudem vor, dass sie sich in den innerparteilichen Wahlkampf einer Partei einmische.[31]
In einem weiteren Artikel über die Piraten, der von Mühl mitverfasst wurde, wurde Schramm vorgeworfen, „im Umgang mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ suggeriert zu haben, „Zitate seien nicht autorisiert worden“. Dies bezeichneten die Autoren des Artikels als „Post-edit-Verfahren“, mit dem sich Schramm, der es egal sei, was sie „heute und morgen sagt und tut“, zu rechtfertigen pflege.[32] Julia Schramm reagierte darauf mit dem Hinweis, dass Melanie Mühl dazu neige, Suggestionen zu erfinden.[33]
Buchveröffentlichung
Im September 2012 erschien im Knaus Verlag Schramms erstes Buch mit dem Titel Klick mich. Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin. Bereits Monate zuvor hatte das Buch Schlagzeilen gemacht, nachdem bekannt wurde, dass Schramm von dem zuständigen Verlag einen Vorschuss über 100.000 Euro erhalten hatte. Schramm erntete Kritik dafür, ein Buch kommerziell über einen Branchenriesen[34] herausgeben zu lassen, obwohl sie sich an anderer Stelle abwertend gegenüber Urheberrechten und geistigem Eigentum ausgesprochen habe.[35] Nach Erscheinen wurde das Buch größtenteils verrissen.[36] Der Inhalt und auch die Tatsache, dass die Verbreitung von kostenlosen Online-Versionen des Buches vom Verlag unterbunden wurde, führten zu harscher Kritik an Schramm in Medien und sozialen Netzwerken, auch von zahlreichen Parteikollegen.[37] Der Vorstand des Landesverbandes Niedersachsen forderte Schramm zum Rücktritt aus dem Bundesvorstand auf.[38][39]
Veröffentlichung
- Klick mich. Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin. Knaus Verlag, München 2012, ISBN 978-3-8135-0494-1.
Weblinks
- Homepage
- Podcast mit Julia Schramm
- Julia Schramm: Wie ich Piratin wurde (vom 24. September 2011)
- Badische Zeitung: Bericht über Julia Schramm und die Piratenpartei
- Rezensionen von Klick mich
- Ole Reißmann: Verloren im Faselmorast (Spiegel Online, 17. September 2012)
- Steve Haak: Geplapper einer Internet-Exhibitionistin. (golem.de, 17. September 2012)
- Nadja Schlüter: Der 200-Seiten-Blogeintrag (jetzt.de, 17. September 2012)
Einzelnachweise
- ↑ Abgeordnetenwatch: Julia Schramm (Piratenpartei), abgerufen am 29. April 2012
- ↑ Buchankündigung bei Randomhouse. Abgerufen am 9. Mai 2012.
- ↑ a b c Enrico Ippolito: Die „Privilegienmuschi“, 27. April 2012, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ Julia Schramm: Lebenslauf, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ a b Die Welt: Wegen Verlobung: Bei den Piraten kracht es mächtig, vom 4. Januar 2012, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ a b Björn Bowinkelmann: Piraten-Feministin erhält Twitter-Schelte von Parteikollegen wegen Verlobung, vom 3. Januar 2012, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ http://www.timklimes.de/140sekunden/140-sekunden/laprintemps
- ↑ Agentur Eggers: Agenturseite, abgerufen am 16. Juni 2012
- ↑ a b c Piratenwiki: Profil von Julia Schramm, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ Karin Christmann, Johannes Schneider, Christian Tretbar: Berlinerin Schramm als Beisitzerin im Bundesvorstand, vom 29. April 2012, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ a b Julia Schramm: Blogbeitrag: Politik und Politiker (Isch kandidiere), vom 27. April 2012, abgerufen am 16. Juni 2012
- ↑ Julia Schramm: Blogbeitrag: Urheberrecht und Repression, vom 30. März 2012, abgerufen am 16. Juni 2012
- ↑ Stern: Die wichtigsten Köpfe der Piraten, vom 28. März 2012, abgerufen am 30. April 2012
- ↑ Ole Reißmann: „Privatsphäre ist sowas von Eighties“, vom 10. März 2011, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ Sebastian Fischer: Wollt ihr die totale Nacktheit?, vom 29. April 2011, abgerufen am 5. Mai 2012
- ↑ DRadio Wissen: Die Ära der Post-Privacy, vom 2. Mai 2011, abgerufen am 5. Mai 2012
- ↑ Timo Brücken, Frauke Ladleif: Drei Piraten auf dem Grill, vom 27. April 2012, abgerufen am 5. Mai 2012
- ↑ Kai Biermann: Die Datenexhibitionisten, vom 21. April 2011, abgerufen am 5. Mai 2012
- ↑ http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Julia/BuVo/Kandidatur/Interviewgeschichte Stellungnahme Schramms auf piratenartei.de
- ↑ Wolfgang Stieler, Manfred Pietschmann: „Datenschutz greift nicht mehr“, vom 18. November 2011, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: Ist Datenschutz wirklich so Eighties?, abgerufen am 5. Mai 2012
- ↑ DW-TV: Markus Lanz, vom 30. Januar 2012, abgerufen am 29. April 2012
- ↑ Enrico Ippolito: Die „Privilegienmuschi“, taz, 27. April 2012
- ↑ Julia Schramm: Kegelsoirée, vom 4. September 2011, abgerufen am 30. April 2012
- ↑ Julia Schramm: “Piraten und Feminismus”, vom 8. März 2012, abgerufen am 16. Juni 2012
- ↑ Daniel Decker: “Auch wir sind keine Einhörner” – Die Piraten, Frauen und die Wahlen in Berlin – Julia Schramm im Interview, vom 19. September 2011, abgerufen am 30. April 2012
- ↑ Julia Schramm: Blogbeitrag: Demokratisierung und Publizieren, vom 7. April 2012, abgerufen am 16. Juni 2012
- ↑ Piratenpartei: Pressemitteilung, vom 6. Juni 2012, abgerufen am 16. Juni 2012
- ↑ Spiegel online am 18. September 2012: Verlag von Piratinnen-Buch geht gegen illegalen Download vor. Abgerufen am 18. September 2012
- ↑ Melanie Mühl: Wahlkampf einer digitalen Seele, FAZ vom 26. April 2012, abgerufen am 1. Mai 2012
- ↑ Julia Schramm: Seelen und Widersprüche, vom 27. April 2012, abgerufen am 1. Mai 2012
- ↑ Melanie Mühl, Stefan Schulz: Der aufhaltsame Aufstieg einer Partei, vom 29. April 2012, abgerufen am 1. Mai 2012
- ↑ Julia Schramm: Tweet, vom 2. Mai 2012
- ↑ Knaus gehört zur Verlagsgruppe Random House, das wiederum zu Bertelsmann gehört
- ↑ Spiegel.de: Rezension ("Verloren im Faselmorast"), abgerufen am 17. September 2012
- ↑ Angst vorm Kontrollverlust, Frankfurter Rundschau vom 20. September 2012
- ↑ "Klick mich"-Piratin im Shitstorm, SpOn vom 19. September 2012
- ↑ Spiegel online: Wahlkämpfer fordern Rücktritt von "Klick mich"-Piratin, vom 20. September 2012
- ↑ Öffentlicher Brief an Julia Schramm, Beisitzerin im Bundevorstand der Piratenpartei Deutschland, vom 20. September 2012
Personendaten | |
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NAME | Schramm, Julia |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Politologin, Autorin und Mitglied der Piratenpartei |
GEBURTSDATUM | 30. September 1985 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |