Charlie Hebdo ist eine französische Satirezeitschrift. Sie erscheint seit 1992 in Paris mit einer wöchentlichen Druckauflage von rund 140.000 Exemplaren.

Der Name „Charlie“ stammt von der Comicfigur Charlie Brown von den berühmten „Peanuts“ und verweist auf die Ursprünge der Zeitschrift im Bereich der Comic-Magazine, „Hebdo“ ist die im Französischen geläufige Abkürzung für «hebdomadaire» (Wochenzeitschrift, Wochenblatt).[1]
Geschichte
Charlie Hebdo ging aus dem Magazin Hara-Kiri hervor, das 1960–1961 und nach einem Verbot wieder ab 1966 erschien. 1981 wurde Hara-Kiri aus Mangel an Lesern eingestellt. Die ursprünglichen Mitarbeiter von Hara-Kiri gründeten 1992 das Wochenmagazin Charlie Hebdo.
Charlie Hebdo gehörte 2006 zu den wenigen Zeitschriften, die Karikaturen mit dem Gesicht Mohammeds aus der dänischen Jyllands-Posten nachdruckten, erweitert um eigene Karikaturen über Muslime. Der Dachverband französischer Muslime (Conseil français du culte musulman CFCM) reichte daraufhin Klage gegen Charlie Hebdo ein. 2007 sprach das zuständige Pariser Gericht die Zeitschrift vom Vorwurf der Beleidigung frei.[2]
Am 1. März 2006 veröffentlichte Charlie Hebdo das Manifest der 12, in dem sich zwölf überwiegend aus dem islamischen Kulturkreis stammende Intellektuelle gegen den Islamismus als neue weltweite totalitäre Bedrohung aussprechen. Zu den Unterzeichnern gehört neben Ayaan Hirsi Ali, Salman Rushdie und neun weiteren Personen auch der damalige Directeur von Redaktion und Verlag Philippe Val.
2010 gewann das Blatt auch einen Rechtsstreit mit der ultrakonservativen katholischen Organisation „Allgemeine Allianz gegen Rassismus und für Respekt der französischen und christlichen Identität“ (Agrif). Diese hatte geklagt, weil in einem Artikel zum Papstbesuch in Frankreich 2008 das Jesuswort „Lasset die Kinder zu mir kommen“ in einen pädophilen Kontext gerückt worden sei.[3][4]
Brandanschlag
Am 2. November 2011 wurde auf die Redaktionsräume des Magazins in Paris ein Brandanschlag mit möglicherweise islamistischem Hintergrund verübt. Der Anschlag könnte Medienberichten zufolge in Verbindung mit dem Abdruck des Religionsstifters des Islam Mohammed auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe gestanden haben.[5][6]
Zudem wurde die Internetseite des Satiremagazins gehackt. Statt der Titelseite der damals neuen Ausgabe war dort einige Stunden lang ein Bild der Moschee im saudi-arabischen Pilgerort Mekka während der Haddsch zu sehen, mit in türkischer und englischer Sprache verfasster Botschaft: „Unter dem Deckmantel der Pressefreiheit greift ihr mit euren gehässigen Karikaturen den großen Propheten des Islam an. Der Fluch Gottes soll euch treffen. Wir werden in der virtuellen Welt euer Fluch sein. Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet.“[7] Eine türkische Hackergruppe, die sich „Akincilar“ (Sturmreiter des Osmanischen Reichs) nennt, sandte ein Bekennerschreiben[8] an die französische Wochenzeitung Nouvel Observateur, gab aber an, mit dem Brandanschlag nichts zu tun zu haben.[9]
Der unter seinem Künstlernamen Charb auftretende Chefredakteur sprach auch von Droh-Mails vor dem Erscheinungstermin, die die Redaktion erhalten habe. Die Redaktion hatte aufgrund des Erfolges der Islamisten (Ennahda) bei den ersten freien Wahlen in Tunesien (23. Oktober 2011) ein Sonderheft angekündigt: In Anspielung auf die Scharia wurde es Charia Hebdo genannt, als Gast-Chefredakteur war scherzhaft Mohammed auserkoren und als Karikatur auf der Titelseite abgebildet worden mit den Worten: „Wenn Ihr Euch nicht totlacht, gibt es 100 Peitschenhiebe!“ Der Chefredakteur betonte, dass niemand das Scharia-Sonderheft vor dem Brandanschlag gelesen haben konnte, da es erst Stunden später an die Kioske kam. Die Titelseite war zuvor schon online im Internet sichtbar.
Bei dem Brandanschlag wurde niemand verletzt; der durch Brand und Löscharbeiten entstandene Schaden war beträchtlich: Büroräume auf zwei Stockwerken, sämtliches Equipment, das Layout- und das Computer-System wurden komplett zerstört, die Website ging offline.
Die französische Öffentlichkeit reagierte mit einer großen Welle der Solidarität. Presseverbände, der Dachverband der französischen Muslime CFCM und Politiker verurteilten den Anschlag. Der Premierminister François Fillon verurteilte in einem Kommuniqué noch am selben Tag „den Angriff auf die Meinungsfreiheit“. Die Zeitung Libération zeigte sich solidarisch, nahm die Redaktion von Charlie Hebdo in den Redaktionsräumen auf und widmete Charlie Hebdo eine Spezialausgabe. Der belgische Internetprovider Host Bluevision wollte die Website wegen der Morddrohungen nicht mehr online stellen.[10] Auch die Charlie-Hebdo-Seite im sozialen Netzwerk Facebook ist nach zahlreichen Drohungen aus dem radikal-islamischen Umfeld vom Netz genommen worden, unter dem Vorwand, „Charlie Hebdo“ sei keine wirkliche Person.[11] Die Hackergruppe „Akincilar“ drohte der Zeitung Libération mit weiteren Cyberattacken.[12]
Mohammed-Karikaturen 2012
Am 19. September 2012 veröffentlichte Charlie Hebdo neue Mohammed-Karikaturen. Die Karikaturen erschienen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Stimmung in muslimischen Ländern aufgeheizt war. Im Internet kursierende Ausschnitte aus dem islamfeindlichen Film Innocence of Muslims hatten in den Tagen zuvor wütende und blutige Proteste in den islamischen Ländern Libyen, Tunesien, Sudan und dem Jemen und auch in Frankreich ausgelöst, bei denen mindestens 15 Menschen getötet wurden, darunter der US-Botschafter in Libyen, J. Christopher Stevens, und drei weitere Mitarbeiter der Botschaft.
Das Magazin verteidigte die Veröffentlichung der Karikaturen am Tag zuvor und verwies auf die Rede- und Pressefreiheit. Der Chefredakteur Stéphane Charbonnier sagte, sie seien nicht provozierender als gewöhnlich und betonte, dass in einer Demokratie auch Satire über Religionen möglich sein muss. Der Radiosender France Inter zitiert Charbonnier: „Wir veröffentlichen Karikaturen über jeden und alles jede Woche. Wenn es aber um den Propheten geht, wird es Provokation genannt. Erst darf man nicht Mohammed zeichnen, dann nicht mehr einen radikalen Muslim, und jedes Mal wird es heißen: Das ist eine Provokation für einen Muslim. Ist die Pressefreiheit eine Provokation? Ich rufe strenggläubige Muslime ebenso wenig auf, ‚Charlie Hebdo‘ zu lesen, wie ich in eine Moschee gehe, um einen Diskurs anzuhören, der meinen Überzeugungen widerspricht. Wir halten uns an die Gesetze der Republik und des Rechtsstaats.“[13] [14] Die Zeichnungen würden nur diejenigen schockieren, die schockiert sein wollten.
Die Polizei ergriff Maßnahmen zum Schutz der Redaktionsräume. Wegen befürchteter terroristischer Ausschreitungen durch islamistische Radikale beschloss die französische Regierung, etwa 20 französische Einrichtungen (Konsulate, Kulturcenter, internationale Schulen und einige Botschaften) zu schließen.[15]
Die französische Regierung kritisierte Charlie Hebdo für den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Karikaturen.[16]
Professor Werner Gephart, Jurist und Kultursoziologe an der Universität Bonn, betont, dass er selbst die Veröffentlichung der Karikaturen zwar nicht sensibel findet, dass in einer Demokratie aber auch geschmacklose Satire erlaubt sein muss. Er vergleicht in dem Zusammenhang mit den Pussy Riot-Verhaftungen in Moskau und fordert, dass man nicht in Russland Kunst- und Meinungsfreiheit fordern kann, während man das den Kollegen in Frankreich nicht gewährt.[17]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ leo.org
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- ↑ Anschlag auf französisches Satire-Magazin. Blick, abgerufen am 2. November 2011.
- ↑ Anschlag auf französisches Satiremagazin – Deutsche Welle, 2. November 2011.
- ↑ Anschlag auf französisches Satire-Magazin. Spiegel Online, abgerufen am 2. November 2011.
- ↑ Die Welt: Brandanschlag auf Satireblatt nach Scharia-Sonderheft, 2. November 2011, abgerufen am 12. Dezember 2011.
- ↑ Le siège de Charlie Hebdo incendié, son site internet piraté. (Mit der Abbildung der gehackten Site)
- ↑ AKINCILAR Charlie Hebdo Attack Explanation. Abgerufen am 18. September 2012.
- ↑ Qui sont les hackers de «Charlie Hebdo» ? Nouvel Observateur, 3. November 2011
- ↑ Satire-Zeitung darf nicht mehr online gehen. Spiegel Online, abgerufen am 4. November 2011.
- ↑ Charlie Hebdo: le compte Facebook bloqué, l'hebdo réimprimé, Ouest-France 4. November 2011
- ↑ Die Hacker des Propheten, taz 8. November 2011.
- ↑ Pariser Satire-Zeitung zeigt neue Mohammed-Karikaturen Spiegel Online, abgerufen am 19. September 2012
- ↑ Frankreich will nach Karikaturen-Abdruck 20 Botschaften schließen Spiegel Online, abgerufen am 19. September 2012.
- ↑ Henry Samuel: France to close schools and embassies fearing Mohammed cartoon reaction In: The Telegraph, 19. September 2012. Abgerufen am 20. September 2012
- ↑ Frankreich will nach Karikaturen-Abdruck 20 Botschaften schließen Spiegel Online, abgerufen am 19. September 2012.
- ↑ Fernsehsendung ‚Aktuelle Stunde‘ vom 19. September 2012 WDR-Mediatek, abgerufen am 19. September 2012