Kastell Boiotro
Das Kastell Boiotro war ein spätrömisches Militärlager, dessen Besatzung für Sicherungs- und Überwachungsaufgaben am norischen Donaulimes zuständig war. Der Fluss bildete hier die römische Reichsgrenze. Die in Hanglage unmittelbar über dem Strom errichtete Fortifikation liegt heute auf dem Gebiet der bayerischen Stadt Passau im Stadtteil Innstadt, Bundesrepublik Deutschland.
Kastell Boiotro | |
---|---|
Limes | Noricum |
Abschnitt | Strecke 1 |
Datierung (Belegung) | valentinianisch ? |
Bauweise | Stein |
Erhaltungszustand | Einige Fundamente, darunter das eines Fächerturms, sind am Römermuseum sichtbar konserviert |
Ort | Passau |
Geographische Lage | 48° 34′ 11″ N, 13° 27′ 44″ O |
Höhe | 302 m ü. NHN |
Vorhergehend | Kastell Batavis (nördlich) |
Anschließend | Kastell Boiodurum (östlich) |



Forschungsgeschichte
Aufgrund der im frühen 6. Jahrhundert abgefassten Heiligengeschichte des Severin von Köln (Vita Severini) hatte der Archäologe und Prähistoriker Rainer Christlein (1940–1983) schon vor Auffindung der spätantiken Garnison über dessen Tätigkeit im Passauer Raum spekuliert. Als 1974 bei Bauarbeiten für einen geplanten Kindergarten – unweit der Severinskirche – die massiven Mauerreste einer spätantiken Befestigung im Stadtteil Innstadt zu Tage traten, wurden bis 1976 Grabungen vorgenommen, in deren Zuge sich die Angaben in der Vita offensichtlich bestätigen ließen. Die vom Archäologen Michael Altjohann bereits in den 1990er Jahren als Dissertation vorgelegten Grabungsergebnisse wurden erst 2012 veröffentlicht.
Baugeschichte
Anstelle des innaufwärts gelegenen mittelkaiserzeitlichen Kastells Boiodurum entstand während der Spätantike die Garnison von Boiotro mit ihrem unregelmäßigen, trapezförmigen Grundriss. Entgegen früherer Überlegungen, die den Bau der Tetrarchie (280 n.Chr.) oder der konstantinischen Ära zuordneten, geht der Archäologe Thomas Fischer von einer wesentlich späteren Errichtung, während der Regierungszeit Kaiser Valentinians I. (364–375), aus.[1] In diesem Sinne greift Boiotro Elemente des spätrömischen, norisch-pannonischen Festungsbaus auf. Dazu gehören auch die fächerförmigen Ecktürme mit abgerundeter Front. Türme dieser Art sind typisch für den spätantiken Festungsbau, sie werden an vielen Garnisonsorten entlang des Donaulimes beobachtet und können einer mehr oder minder langen, zusammenhängend organisierten Baukampagne zuzuschreiben sein. Eine am Kastell Baracspuszta (Annamatia) in der Provinz Pannonia Valeria gefundene Münze, die während der Herrschaft des Kaisers Konstantin II. (337–340) geprägt worden war, gilt dort als Beleg für den frühesten Zeitpunkt zu dem diese Turmform errichtet wurde.[2] Das grundsätzliche Baukonzept könnte jedoch etwas älter sein, da bei Baracspuszta – wie an vielen anderen pannonischen Kastellplätzen auch – die Anlagen lediglich mit Fächertürmen nachgerüstet wurden.
Hinweise
Ein spätmittelalterliches Haus, dass direkt über den südwestlichen Mauersektionen des Kastells steht, wurde als Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung in München adaptiert. Die ausgegrabenen Teile der Grundmauern und des NW-Fächerturms wurden konserviert und können auf dem Areal des Museums besichtigt werden.
Denkmalschutz
Das Kastell Boiotro und die erwähnten Anlagen sind als eingetragene Bodendenkmale im Sinne des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG) geschützt. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind erlaubnispflichtig, Zufallsfunde sind den Denkmalbehörden anzuzeigen.
Siehe auch
Literatur
- Michael Altjohann: Das spätrömische Kastell Boiotro zu Passau-Innstadt. (= Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Materialhefte zur Bayerischen Archäologie. Band 96). Verlag Michael Laßleben, Kallmünz 2012, ISBN 978-3-7847-5096-5.
- Helmut Bender, Jörg-Peter Niemeier (Hrsg.): Passau. Batavis – Boiodurum/Boiotro. Archäologischer Plan von Passau in römischer Zeit. Faltplan, Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Stadt Passau 1991.
- Rainer Christlein: Ausgrabungen im spätrömischen Kastell Boiotro zu Passau-Innstadt. In: Ostbairische Grenzmarken. 18, 1976, S. 28–40.
- Thomas Fischer, Erika Riedmeier Fischer: Der römische Limes in Bayern. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2008, ISBN 978-3-7917-2120-0.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Thomas Fischer: Noricum. Philipp von Zabern, Mainz 2002, ISBN 380532829X, S. 135.
- ↑ Endre Tóth: Gruppe C. Festungen mit fächerförmigen Eck- und U-förmigen Zwischentürmen. In: Endre Tóth: Die spätrömische Militärarchitektur in Transdanubien. Archaeologiai Értesitő 134. Budapest 2009, S. 44.