Kernschmelze

Unfall in einem Kernreaktor
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Als Kernschmelze bezeichnet man bei Kernreaktoren entsprechender Bauweise das Überhitzen und Zusammenschmelzen der Brennstäbe beim Ausfall der Reaktorkühlung. Ein Reaktor, in dem das Auftreten einer Kernschmelze nicht nur unwahrscheinlich, sondern prinzipbedingt naturgesetzlich unmöglich ist, wird inhärent sicher genannt.

Druckwasserreaktoren und Siedewasserreaktoren werden über Steuerstäbe gesteuert, die den Neutronenfluss zwischen den Brennelementen (zu Gruppen zusammengefasste Brennstäbe) regeln. Bei Ausfall der Kühlung, der Brennstabsteuerung oder durch andere Unfallursachen kann die Nachzerfallswärme die Brennelemente so erhitzen, dass sie sich verbiegen. Wenn dieser Zustand lange genug anhält, dann kann der Kernbrennstoff schmelzen und am Boden des Reaktorbehälters zusammenlaufen. Dadurch kann wiederum eine kritische Masse zusammenkommen und wie bei einer Atombombe die Kettenreaktion der Kernspaltung in Gang kommen. Dabei steigen die Temperaturen im Brennstoff auf mehr als 2.800 Grad Celsius.

Im Endstadium würde der geschmolzene Kern sich durch den Druckbehälter und sämtliche Reaktorhüllen fressen ("China-Syndrom"). Bei neueren Reaktorkonstruktionen sollen spezielle Vorrichtungen (Core Catcher) den Reaktorkern in diesem Fall auffangen und die Freisetzung des Spaltstoffinventars verhindern.

Die anderen Folgen der Kernschmelze, wie Dampf- und Wasserstoffexplosionen, gehen typischerweise mit einer Kernverschmelzung einher, setzen sie aber nicht voraus.

Eine besonders schwerwiegende Variante des Unfallablaufs wäre die Hochdruckkernschmelze, wenn es nicht gelingt, in der ersten Zeit den Druck im Reaktor stark abzusenken. Es wäre dann möglich, dass das glühende Material am Reaktorboden die Wand des Reaktorbehälters ringförmig so stark schwächt, dass der gesamte obere Teil des Reaktorbehälters raketenartig nach oben aus dem Reaktorgebäude schießt und dabei schlagartig einen großen Teil des radioaktiven Inventars freisetzt. (vgl. Grafik der BIU Hannover)

Am 26. April 1986 ereignete sich eine solche Kernschmelze im Block 4 des Kraftwerks von Tschernobyl. Diese Katastrophe ist als einer der schwersten nuklearen Zwischenfälle der Geschichte bekannt.

Auch ein Reaktor "westlicher" Bauweise war schon von einem Kernschmelzunfall betroffen. Am 28. März 1979 fiel im Kernkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg (Pennsylvania) im nichtnuklearen Teil eine Pumpe aus. Da das Versagen des Notkühlsystems nicht rechtzeitig bemerkt wurde, war wenige Stunden später der Reaktor nicht mehr steuerbar. Drei Jahre nach dem Unfall konnten erste Untersuchungen des Reaktorkerns durchgeführt werden. Dabei wurde festgestellt, dass es zur Kernschmelze im Reaktormaterial gekommen war, die jedoch glücklicherweise vor dem Durchschmelzen des Reaktorgebäudes zum Stehen gekommen war.

Aufgrund der verheerenden potenziellen Folgen einer Kernschmelze wird mittlerweile, vor allem im asiatischen Raum, erfolgreich der Betrieb inhärent sicherer Reaktoren, speziell von dezentralen PBMR mit reduzierter Leistung erprobt. Für sämtliche derzeit in Europa betriebenen kommerziellen Kernreaktoren allerdings gilt, dass die Gefahr einer Kernschmelze durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zwar verringert, aber nicht prinzipiell ausgeschlossen werden kann.

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