Radverkehr in Münster

Überblicksartikel
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Die Stadt Münster in Westfalen gilt als Fahrradstadt. Dieser Name basiert darauf, dass das im Volksmund häufig Leeze (aus der Sondersprache Masematte) genannte Fahrrad das gesamte Stadtbild der Westfalenmetropole prägt. Die Stadt gewann bereits mehrmals den Fahrradklimatest des ADFC, weshalb Münster als Fahrradhauptstadt Deutschlands gilt.

Am Bahnhofsvorplatz abgestellte Fahrräder

Zahlen und Fakten

Datei:Modal Split Muenster.PNG
Modal Split in der Stadt Münster
 
Die Radstation am Hauptbahnhof

Nur 7% der 280.000 Münsteraner geben in Umfragen an (das so genannte Münster-Barometer wird regelmäßig von der Westfälischen Wilhelms-Universität durchgeführt), kein Fahrrad zu besitzen, immerhin knapp 45% besitzen zwei oder mehr Fahrräder. Auch in offiziellen Schriften gibt die Stadt die Zahl der Fahrräder mit gut 500.000 an. In einer Stadt mit doppelt so vielen Fahrrädern wie Bewohnern tritt auch das Problem Fahrraddiebstahl in den Vordergrund: So geben weniger als die Hälfte der Befragten an, ihnen sei noch nie ein Fahrrad gestohlen worden, 15% beklagen gar drei oder mehr verschwundene Räder. Auswärtige wundern sich über die häufigen Verkehrskontrollen auch für Radler. Die Münsteraner selber aber sagen zu jeweils knapp 40%, die Kontrollen seien ausreichend bzw. noch zu wenig, nur 11,5% halten die Anzahl der Kontrollen für übertrieben.

Die gefühlte Überlegenheit der Radfahrer im Straßenverkehr zeigt sich deutlich daran, dass das Verhalten der Radfahrer im Straßenverkehr als „rüpelhafter“ eingeschätzt wird als das der Autofahrer. Bei den Radfahrern bildet sich ein Mittelwert von 3,85, bei den Autofahrern von 3,14 („1“ = Verhalten sehr rücksichtsvoll). Dies mag daran liegen, dass gefährliches Verkehrsverhalten von Radfahrern (Nichtbeachten von Ampelrotlicht, Fahren ohne Licht bei Dämmerung und Dunkelheit, Fahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung auf dem „falschen“ Radweg oder das Benutzen von Kopfhörern zum Musikhören) in Münster häufiger beobachtet wird, weil die absolute Zahl von Radfahrern höher liegt als in anderen Städten. In der Unfallstatistik schneidet Münster gegenüber anderen Städten besser ab. Für auswärtige Autofahrer ist es zumindest gewöhnungsbedürtig, dass man an Kreuzungen vor dem querenden Radweg halten oder andernfalls mit dem Unmut der Radfahrer rechnen muss.

Münster beherbergt mit der Radstation Münster das größte Fahrradparkhaus Deutschlands. Sie befindet direkt vor dem Hauptbahnhof. Während des Baus skeptisch von den Bewohnern der Stadt beäugt, wurde die Radstation schnell zum Erfolg: Die 3.300 Stellplätze sind bei gutem Wetter ausgebucht, ca. 2.700 Kunden besitzen eine Dauerkarte. Nötig wurde die Anlage, da auf dem Bahnhofsvorplatz regelmäßig sämtliche Wege von abgestellten Fahrrädern blockiert wurden, so dass Fußgänger auf die Straße ausweichen mussten und Radfahrer, die ihr dort abgestelltes Fahrrad zurück haben wollten nicht zu ihrer Leeze kamen.

Von den ca. 1,3 Millionen durchgeführten Fahrten täglich werden in Münster ca. 40% mit dem Fahrrad zurückgelegt, dies ist eine um drei- bis viermal höhere Quote als in vergleichbaren Städten.

Gründe

Gründe für die Vorliebe der Münsteraner, eher Fahrrad als Auto zu fahren, finden sich mehrere. So ist Münster eine Pendlerstadt, insgesamt 80.000 Menschen pendeln täglich zur Arbeit. Durch die Radialstruktur der Stadt mit nur sechs großen Ausfallstraßen ergeben sich im Berufsverkehr häufig Staus. Da die Ausfallstraßen durch Wohngebiete führen, greifen die dort wohnenden Arbeitnehmer häufig zum Fahrrad, um zu ihrer Arbeitsstelle zu kommen. Dies wird natürlich begünstigt durch die an fast jeder Straße vorhandenen gut ausgebauten Radwege.

Ein weiterer Grund ist, dass die gesamte Innenstadt zwischen Servatii-Platz über den Prinzipalmarkt bis zum Domplatz für private PKW gesperrt ist oder im besten Fall aus Einbahnstraßen besteht. Dies macht für Autofahrer ein Umfahren des Innenstadtbereichs nötig, während Radler ihre Leeze nur durch die Fußgängerzone schieben müssen und danach weiterradeln können. Auch die problematische Parkplatzsituation trägt ihren Teil zum status quo bei, kostenfreie Parkplätze sind im Kernbereich, in dem viele der münsterschen Behörden angesiedelt sind, Mangelware.

Ausgezeichnet fahrradfreundlich

 
Die Fahrradautobahn Promenade

Jährlich wird vom Bund für Umwelt und Naturschutz und dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club der so genannte Fahrradklimatest durchgeführt, eine Umfrage, bei der die fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands gekürt wird. Nach 1991 gewann Münster auch in den Jahren 2004 und 2005 den Titel (zwischen 1991 und 2004 fanden keine Erhebungen statt). Die Gründe hierfür liegen unter Anderem in den zahlreichen Sonderregeln, die das Radfahren in Münster erleichtern sollen. So gibt es an großen Kreuzungen eigene Fahrstreifen für Radler oder die Fahrradfahrer dürfen zwischen den Autos bis direkt vor die Ampel fahren (die so genannte Fahrradschleuse), damit die Fahrradfahrer bei Grün immer im Blickfeld der anfahrenden Autos sind, was die Sicherheit der Radler im Straßenverkehr erhöht. Außerdem wird so das Warten in den Abgasen der Autos vermieden. Weiterhin wird in Münster häufig eine für Autofahrer vorgeschriebene Fahrtrichtung an Kreuzungen und Einmündungen für Radler aufgehoben. Weil in Münster die Straßen der Innenstadt nie verbreitert wurden, sind viele Straßen dort Einbahnstraßen, jedoch gilt auch dies nur selten für Fahrräder, die die Straßen in beide Richtungen befahren dürfen. Inzwischen sind elf Straßen im Stadtgebiet als Fahrradstraße ausgewiesen, was den Radfahrern die Hoheit auf diesen Straßen gibt.
Die Promenade, im Grunde die ehemalige Stadtmauer, ist heute als Fahrradautobahn angelegt und führt in 4,5 Kilometern einmal um die Stadt.

Probleme

Aus der Fokussierung auf das Fahrrad ergibt sich jedoch ein Problem bei schlechtem Wetter. Da in Münster im ÖPNV ausschließlich Busse zum Einsatz kommen, sind diese dann oftmals überfüllt und der Masse an Fahrgästen nicht gewachsen.

Außerdem ist der große, zweispurige Kreisverkehr am Ludgeriplatz eine für Fahrradfahrer sehr gefährliche Stelle. Seitens der Stadt wurde Anfang 2005 versucht, diese Situation zu entschärfen. Dazu wurden die Außenseiten im Bereich der Zufahrtsstraßen des Kreisels, die nicht befahren werden dürfen, zwischen Hammer Straße, Hafenstraße und Schorlemer Straße mit kleinen Betonsperren abgesperrt, da dort fahrende Radler häufig von Autofahrern übersehen wurden und es bereits mehrmals zu Unfällen mit langen Fahrzeugen wie LKW und Bussen gekommen war. Durch die Absperrungen wurden die Radler gezwungen, auf der Straße und damit zwischen den Autos zu bleiben. Jedoch wurden die Absperrungen immer wieder vandaliert und von vielen Radfahrern nicht akzeptiert. Weiterhin kam es dadurch zu anderen gefährlichen Situationen, wo die Fahrrardfahrer durch große Fahrzeuge in die Betonsperren gedrückt werden konnten und keine Ausweichmöglichkeit für diesen Notfall bestand. Der Versuch, dieses System zu etablieren, wurde daraufhin im Frühjahr 2005 aufgegeben und die Betonsperren wieder abgebaut.

Stattdessen wurde die Anfahrt zum Kreisverkehr hin verändert: Die hinführenden Spuren der Straßen wurden insgesamt in der Breite reduziert und zusätzlich ein Bereich für Radfahrer durch Straßenmarkierungen abgetrennt. Die Spuren sind nun so breit, dass Autos und Radfahrer gleichzeitig den Kreisverkehr anfahren können, im Falle eines großen Fahrzeugs die Anfahrt jedoch hintereinander erfolgen muss, da die Fahrzeugbreite bei LKW und Bussen die Mitbenutzung des Fahrradstreifens erfordert. Somit soll die Gefahr des Toten Winkels vermieden werden. Allerdings benutzen auch Autofahrer oftmals verbotswidrig den Fahrradstreifen mit, sodass Radfahrer hier nicht an wartenden Autos vorbeifahren können.

Außerdem warnen auch noch Schilder vor dem Toten Winkel und sollen die Radler ermahnen, schon bei der Anfahrt hinter LKW zu bleiben.

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