Vertragshafen

von den Kolonialmächten zwangsgeöffnete Häfen in Ostasien
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Als Vertragshäfen oder Traktatshäfen bezeichnete man jene Häfen in China, Japan und Korea, die im Rahmen der "Ungleichen Verträge" mit den Kolonialmächten im 19. Jahrhundert für den ausländischen Handel zwangs-"geöffnet" worden waren.

Faktisch handelte es sich bei den Häfen um exterritoriale Niederlassungen. Die schwachen ostasiatischen Kaiserreiche wurden gezwungen, den Kolonialmächten eigene Verwaltung, eigene Gerichtsbarkeit, eigene Polizeihoheit und eigene Zollhoheit zu gewähren und ihnen damit die chinesischen Hoheitsrechte darin zu überlassen.

Vertragshäfen in China

Bis 1842 war nur Kanton für den Handel mit ausländischen Mächten zugelassen, was dem Chinesischen Kaiserreich eine nahezu vollständige Kontrolle z.B. des Opiumhandels ermöglichte. Nach dem 1. Opiumkrieg erzwang Großbritannien 1842 auch die Öffnung von Amoy, Fouchou, Ningpo und Schanghai. Nach dem britisch-französischen Sieg 1860 im 2. Opiumkrieg kamen noch Swatau, Taiwan, Takao, Tamsui, Kelung, Tschinkiang, Kiukiang, Hankeou, Tschifu, Niutschuang, Tiëntsin, Kiungtschau, Itschang, Wuhu, Wentschou und Pakhoi hinzu. Diese und weitere Städte auch im Landesinneren standen seit Ende der 1860er Jahre allen ausländischen Nationen gleichermaßen offen ("Politik der offenen Tür"). Durch Kapitalexport und den Bau von Eisenbahnlinien (im Besitz ausländischer Gesellschaften) ins Landesinnere wurde China von den Kolonialmächten in Einflußzonen aufgeteilt. Mit dem Handel wurde auch die christliche Mission freigegeben, Kaufleute und Missionare genossen Freizügigkeit und Immunität, was zum Boxeraufstand 1895-1901 mitbeitrug.

Bis zur chinesischen Revolution 1911 kamen noch zahlreiche weitere Vertragshägen und auch Pachthäfen dazu. In den Häfen bestanden Zolldirektionen mit Europäern als Vorständen, welche alle wiederum einem britischen Generalzollinspektor in Peking unterstanden.

Vertragshäfen in Japan

Seit der Abwehr spanischer, portugiesischer, englischer und holländischer Handelsinteressen 1636 hatte lediglich die Insel Deschima (bei Nagasaki) für den ausländischen Handel zur Verfügung gestannden - streng kontrolliert, nur zweimal jährlich und nur für niederländische Schiffe.

1854 erzwangen US-amerikanische Kriegsschiffe die Öffnung des Hafens von Yokohama und lösten damit einen kulturellen und moralischen Schock und Wandel im Selbstverständnis der japanischen Nation aus. Eine russische Flotte erzwang im gleichen Jahr die Öffnung Nagasakis. Mit dem Beschuß weiterer Häfen erzwangen Großbritannien, die Niederlande, Frankreich und die USA bis 1865 die Öffnung weiterer Häfen (1861 auch Preußen): Kobe, Osaka, Niigato und Hakadote.

Schon im bzw. nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg erreicht das sich schnell durch brutale Verwestlichung modernisierende und massiv aufrüstende Kaiserreich Japan die Aufhebung der der konsularischen Rechtszuständigkeit (1894), der Exterritorialität (1899) und nach dem Russisch-Japanischen Krieg, der japanischen Annexion Koreas bzw. der Chinesischen Revolution auch die Revision der letzten ausländischen Sonderrechte (1911) aus den "Ungleichen Verträgen". Japans volle Souveränität wurde wiederhergestellt.

Vertragshäfen in Korea

Japan seinerseits hatte so schon 1876 die Öffnung koreanischer Häfen (Pusan, Wönsan, Tschemulpo/Inchon) erzwungen und China in zwei Kriegen 1885 und 1895 aus Korea verdrängt, allerdings zunächst Konkurrenz von Rußland bekommen, welches 1896 - nach einem ersten mißlungenen Versuch 1866 - ebenfalls die Öffnung von Häfen erzwang. Seit 1882 schlossen auch die USA (erste Versuch 1866 und 1871 abgewehrt und mißlungen) Großbritannien, Deutschland, Österreich und Frankreich ähnliche "Ungleiche Verträge" mit Korea ab.

Pachthäfen in China

Über den exterritorialen Status der Vertragshäfen hinaus teilten die imperialistischen Kolonialmächte China durch Pachtgebiete weiter auf. Die chinesische Regierung wurde gezwungen, Hafenstädte zwischen 25 und 99 Jahre an Großbritannien, Frankreich, Rußland, Deutschland und Japan zu verpachten.

  • Großbritannien: Kowloon (1860) und Hongkong New Territories (1898)
  • Portugal: Aomen und Macao (1887/88)
  • Großbritannien: Weihawei (1898)
  • Deutschland: Tsingtao (1898)
  • Frankreich: Kwangchouwan (1898)
  • Rußland: Dairen/Lüshun und Dalian/Port Arthur (1898)

Nach den Niederlagen Rußlands und Deutschlands im Russisch-Japanischen Krieg und dem Ersten Weltkrieg fielen Port Arthur und Tsingtao nicht an China zurück, sondern an Japan (Tsingtao bis 1922, Dairen und Dalian bis 1945).

Erst 1930 erreichte die nationalistische Kuomintangregierung eine Aufhebung der Vertrags- und Pachthäfen, 1943 eine vollständige Aufhebung der "Ungleichen Verträge". Dalian/Port Arthur jedoch übernahm 1945-55 die Sowjetunion.

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