Die Diskussion über diesen Antrag findet auf der Löschkandidatenseite statt.
Hier der konkrete Grund, warum dieser Artikel nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen soll: Relevanz meines Erachtens zweifelhaft -- Der Bischof mit der E-Gitarre 01:49, 3. Nov 2005 (CET)
- Der Einwand "Relevanz zweifelhaft" ist unzweifelhaft revelant.--Fiege 22:49, 8 November 2005 (CET)
Bonifatius Kiesewetter, auch Bonifazius oder Bonifacius, ist der Held und angebliche Verfasser von hauptsächlich im deutschen Kaiserreich entstandenen zotigen Unsinnsgedichten provokant obszönen Inhalts. Obwohl die Verse bis auf das 17. Jahrhundert zurückdatiert werden, gilt der preußische Staatanwalt Waldemar Dyrenfurth (gestorben 1899 in Breslau) als Hauptautor und Erfinder. Anfangs wurden die Verse nur mündlich überliefert, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es auch Buchveröffentlichungen. Im Jahre 1968 wurde in deutsch-italienischer Kooperation ein Erotikfilm mit derselben Titelfigur produziert, der die Bordellbesuche eines Bonner Medizinstudenten zum Thema hatte.
Besonders in der wilhelminischen Zeit waren die Verse vor allem in akademischen Kreisen sehr populär. Ihre Ausstrahlung bezogen sie aus dem Kontrast zwischen dem gesellschaftlichen Renommee der handelnden Personen und der unverschämten Obszönität ihrer dargestellten Verhaltensweisen. Thematisiert wurden der Umgang mit Fäkalien und alle gesellschaftliche Konvention sprengende Sexualität.
Bonifatius verstößt gegen alle grundlegenden Umgangsformen seiner Zeit und Gesellschaftsschicht. Er lebt seine Sexualität durch Geschlechtsverkehr mit Mensch, Tier und Gegenstand sowie durch Onanie aus und hantiert mit Fäkalien aus Sorglosigkeit oder Schadenfreude auch bewusst zum Nachteil anderer Menschen. Dabei zeigt er keinerlei Reue und nimmt auch keine Rücksicht auf eventuelle eigene Nachteile gesellschaftlicher oder physischer Natur. Er wirkt wie die Trotzreaktion eines eingeengten Geistes auf die strengen Moral- und Etikette-Vorschriften der wilhelminischen Kultur.
Gleichzeitig agiert Bonifatius als Repräsentant des Establishments im deutschen Kaiserreich. Er tritt als Corpsstudent, Jurist, Beamter und Offizier auf und verkehrt in Adelskreisen. Als Sexualpartnerin wird öfter eine Baronin oder Gräfin Ziegler genannt.
Betrachtung
Die historischen Bonifatius-Kiesewetter-Verse gehören zu den Werken der sogenannten dritten Schlesischen Dichterschule. Die später wie Volksliedstrophen hinzugedichteten Texte kann man zunächst am ehesten den Studentenliedern zuordnen. Nicht wenige Rezitatoren samt nicht öffentlicher Hörergemeinde wird man heute aber auch unter Soldaten (vermutlich aller Ränge), bei Handwerkern, Fuhrleuten und anderen Männergruppen finden.
Ähnlich wie Witz oder Unsinnserzählung bedienen die Bonifatius-Kiesewetter-Verse das Verlangen nach gelegentlicher Flucht aus dem „Comment“ oder sonst geltenden Anstandsregeln.
- Dulce est desipere in loco. (Horaz Carmina 4,12,28)
Sie karikieren gängige Korrektheit durch Berichte in gepflegter Sprache über möglichst vornehme Personen, indem sie im selben Tonfall überraschend ein obszönes Wort einfließen lassen. Mit der obligatorisch unter ausdrücklicher Überschrift angehängten „Moral“ am Ende macht man sich lustig über Personen, welche lehrhaft bewährte Lebensregeln verkünden.
Poetische Form
Die poetische Form ist stabil und wird streng eingehalten: Zuerst der Bericht in dreimal zwei trochäisch achthebigen Zeilen mit katalektisch (männlich) endendem Paarreim, dann die mitzusprechende Überschrift „Moral:“ und zuletzt ein trochäischer Vierheber-Paarreim mit katalektischem (männlichem) Schluss.
Text-Beispiel
Dieses untypische Beispiel karikiert statt vornehme Personen die verständnislose Entnazifizierungspraxis des CIA:
- Bonifatius Kiesewetter wurde neulich interniert,
- weil er unter Adolf Hitler für die NSV kassiert.
- In dem großen Fragebogen, den der CIA erfand,
- schrieb er statt der richtgen Antwort dreimal "Scheiße" an den Rand.
- Dies empörte den Vernehmer. Captain Coogan wurde rot,
- und er schoss den Bonifatius auf der Stelle mausetot.
- Moral:
- Wenig Feingefühl beweist,
- wer auf Fragebögen scheißt.
Quelle: Ernst von Salomon: Der Fragebogen. 1951, ISBN 3499104199
Geflügelte Worte
In einschlägigen, überwiegend männlich bestimmten Kreisen werden einzelne „Moral“-Reime gelegentlich als geflügeltes Wort ohne Verweis auf die Herkunft aus der Bonifatius-Dichtung zitiert volksliedhaft anonym weitergedichtet.
- Das wahre Schwein ist auch im Fracke dasselbe Schwein wie in der Jacke.
- Nicht immer gibt's, was dir beliebt, dann isst du eben, was es gibt.
- Scheiße auf der Friedhofsmauer ist ein Zeichen echter Trauer.
- Scheiße im Kanonenrohr (Trompetenrohr?) kommt gottseidank nur selten vor.
- Ungern nimmt der Handelsmann statt baren Geldes Scheiße an.
- Nicht immer hält das rote Licht, was es dem Wandersmann verspricht.
Literatur
- Curt Seibert: Das poetische Holzbein. Ein Buch des fröhlichen Un-sinns. Bonifazius Kiesewetter / Die Wirtin von der Lahn / Der Lazarettgehilfe Neumann. Parodiert von Curt Seibert. Umschlagzeichnung von Hans Thiemann, Paul Steegemann Verlag 1954
- Wolfgang Kraus: Bonifazius Kiesewetter. Ein heroisches Leben. Berichtet von Wolfgang Kraus. Band 1, Paul Steegemann Verlag, Berlin 1954
- Wolfgang Kraus: Bonifazius Kiesewetter. Ein heroisches Leben. Berichtet von Wolfgang Kraus. Band 2 Die Bank der Spötter', Paul Steegemann Verlag, Berlin 1954
- Bonifatius Kiesewetter: Moralgedichte Paul Schustek Verlag, Hanau 1966
- Bodo Baumann: Donnerwetter, Donnerwetter, Bonifatius Kiesewetter Untertitel: Buch zum Film, Moewig Verlag, Rastatt 1969
- Peter Schalk (Hrsg.): Bonifatius Kiesewetter. Wilhelm Heyne Verlag, München September 1980, ISBN 3-453-50011-3
- W.K. (Auswahl): Bonifatius Kiesewetter. Gemeine Verse aus älteren Tagen. Meist im begeistigten Männerkreis - Oft zu später Stunde - Jedoch schon immer vorgetragen, Druck: R.D. (Rolf Dettling), P.(Pforzheim) 1991
Film
Donnerwetter! Donnerwetter! Bonifatius Kiesewetter (Produktion Deutschland/Italien 1968, Erstaufführung 10. Januar 1969), Regie: Helmut Weiss, Buch: Bodo Baumann und Werner Hauff, unter anderem mit den Darstellern Paul Dahlke, Hubert von Meyerinck Raimund Harmstorf, Loni Heuser, Produktion: Parnass-Film GmbH (München), R.K. Cinematografica S.r.l. (Rom)