Die Neuraltherapie ist die gezielte Anwendung eines Lokalanästhetikums zur Beeinflussung des vegetativen Nervensystems. Entwickelt wurde dieses Verfahren maßgeblich durch den Arzt Ferdinand Huneke in den 1920er Jahren.
Geschichte
Huneke entwickelte die Neuraltherapie eher durch einen Zufall. Im Jahre 1925 injizierte er seiner an chronischer Migräne leidenden Schwester ein procainhaltiges Antirheumatikum (Atofanyl) aufgrund einer falschen Applikationsform intravenös. Derartige Applikationen galten damals als Kunstfehler, da man davon ausging, dass die Injektion eines lokalen Betäubungsmittels in die Vene zu einem Koma führen würde. Die schlagartige und bleibende Heilwirkung war allerdings so verblüffend, dass er gemeinsam mit seinem Bruder die therapeutische Anwendung von Lokalanästhetika weiter erforschte.
Über mehrere Jahre entstand durch diese Forschung zunächst die sogenannte Segmenttherapie als Teil der Neuraltherapie. Dabei wird ein lokales Betäubungsmittel in einem betroffenen Segment in Form von Quaddeln oder auch an Ganglien (Nervenknoten) und im Bereich der entsprechenden "Head`schen" Zonen der inneren Organe injiziert. Es wirkt über das vegetative Nervensystem in Form einer Regulation. In der Segment- und Ganglientherapie wirkt es über vegetative Verschaltungen im betroffenen Segment.
Die Störfeldtherapie entdeckte Ferdinand Huneke im Jahre 1940. Er behandelte eine an Migräne und Gelenkbeschwerden in der Schulter leidende Frau im Bereich einer Beinwunde (Osteomyelitis), nachdem er bereits zuvor mehrfach erfolglos die Segmenttherapie durchgeführt hatte. Nach der Behandlung am Bein trat binnen Sekunden eine deutliche Besserung im Bereich der Schulter ein. Damit waren die Störfeldtherapie und das so genannte Sekundenphänomen nach Huneke entdeckt. Häufige Störfelder sind Mandeln, Schilddrüse und Narben. Das Sekundenphänomen wird definiert als sofortiges Verschwinden der Beschwerden bei Injektion in das vermutete Störfeld, sofern diese Wirkung mindestens 20 Stunden anhält (bei Zahnbehandlung: mindestens 8 Stunden) und das Phänomen wiederholbar ist.
Die Störfeldtherapie soll ebenfalls über das vegetative Nervensystem wirken. Im Gegensatz zur oben genannten Segmenttherapie sollen dabei jedoch elektomechanische Störsignale ausgeschaltet werden, welche über das vegetative Nervensystem Erkrankungen an jedem Ort des Körpers auslösen können. Die Störfelder sind quantenphysikalische Phänomene, welche mit den Störsignalen eines Handys in Flugzeugen oder Krankenhäusern zu vergleichen sind.
Grundsätze
Die Neuraltherapie umfasst die Segmenttherapie, also die lokale Behandlung des betroffenen Körpersegments und die Störfeldtherapie. Huneke ging dabei von folgenden drei Grundsätzen aus.
- jede chronische Erkrankung kann störfeldbedingt sein
- jede Stelle des Körpers kann zu einem Störfeld werden
- jede Störfelderkrankung ist nur durch Ausschaltung des Störfeldes heilbar
Es liegt eine Vielzahl von Studien zur Wirksamkeit und zu den theoretischen Grundlagen der Störfeldtherapie vor. Als eine Domäne der Neuraltherapie gelten u. a. folgende Leiden:
- funktionelle Störfelder – noch nicht primär organisch manifestierte Leiden
- neurale Störfelder – primär nicht metabolische Leiden
Im Rahmen der Schmerzbehandlung wird die Neuraltherapie bereits von den Krankenkassen erstattet. Alle Mitglieder der Internationalen medizinischen Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke (IGNH) sind Ärzte. Sie müssen zehn Kurse für Neuraltherapie mit jeweils zwölf Stunden sowie eine mündliche Prüfung nach Abschluss der 2-jährigen Ausbildung absolvieren. Es gibt natürlich auch andere Gesellschaften, die diese Behandlungsmethoden lehren. Auch Ärzte, die nicht diesen Gesellschaften angehören, können sehr erfolgreich mit der Huneke-Neuraltherapie behandeln. Eine Ausbildung und Zertifizierung ist für den Patienten jedoch ein wichtiger Anhaltspunkt für die korrekte Behandlung durch den Arzt.
www.dr-zinecker.de allgemeinärztliche Praxis für Schmerztherapie, u. A. auch mit der Neuraltherapie nach Huneke
Weiterentwicklungen: Funktionelle Neuraltherapie (FNT)
Eine wesentliche Weiterentwicklung der Neuraltherapie nach Huneke ist die von Siegfried Zinecker in Nürnberg ab 1984 entwickelte neue "Funktionelle Neuraltherapie (FNT)". Charakteristisch dafür sind die an der Körpervorderseite gelegenen , inneren Organen funktionell zugeordneten FNT-Punkte. Sie stehen in einem funktionellen Zusammenhang mit inneren Organen. Sind diese nicht optimal gesund, sind diese Punkte deutlich druckschmerzhaft. Die Therapie erfolgt über die Lokalanästhesie dieser Punkte mit einer sehr geringen Menge eines Lokalanästhetikums. Die von dort fortgeleiten Schmerzen (in der Regel in die bekannten Head'schen Zonen) werden damit zunächst sofort unterbrochen. Durch wiederholte FNT-Behandlungen lassen sich Behandlungserfolge erzielen, die mit der konventionellen NT nicht möglich sind. Die Behandlungsverläufe der FNT unterscheiden sich z. T erheblich von der NT nach Huneke, ebenso das theoretische Verständnis der ablaufenden Heilungsvorgänge. Mit der NT nach Huneke ist es nicht möglich, die FNT zu erklären, jedoch erlaubt das Verständnis der in der FNT ablaufenden Heilungsvorgänge, auch die Huneke-Mechanismen zu erklären.
Weiterentwicklungen: therapeutische Lokalanästhesie (TLA)
Es gibt auch noch einen schulmedizinischen Ableger, die therapeutische Lokalanästhesie (TLA). Gereizte Nervenwurzeln, etwa im Bereich der Lendenwirbelsäule werden mit einem Lokalanästhetikum infiltiert, es werden auch schonmal Sakralanästhesien oder Periduralanästhesien nur zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Ein übliches Verfahren ist die Reischauer- Blockade, die bei starken Ischias- Reizungen angewendet wird. Die Sympathikusblockade wird Bei Algodystrophien verwendet, auch um Störungen der lokalen Durchblutung zu behandeln.
Kontraindikationen
- Blutgerinnungsstörungen
- Allergie gegen das verwendete Lokalanästhetikum
- Herzrhythmus- und Überleitungsstörungen (Jedoch können Herzrhythmusstörungen auch eine Indikation für die Neuraltherapie sein!)
- Herzinsuffizienz
- Myasthenia gravis
- ablehnende Haltung des Patienten
Nebenwirkungen und Komplikationen
Bei Beachtung aller Kontraindikationen sowie guter Kenntnis der Anatomie, der Injektionstechniken und Einhaltung der Höchstdosen ist die Neuraltherapie nebenwirkungsarm. Allergien gegen das meist verwendete Procain (Lokalanästhetikum) sind selten. Vereinzelt auftretende Überempfindlichkeitsreaktionen sind oft auf Konservierungsstoffe zurückzuführen. Der Therapeut sollte aus diesem Grunde Procain ohne Konservierungsstoffe verwenden.
Bei Überdosierung wirken Lokalanästhetika kreislauf- und atemdepressiv. Durch die Injektion können bei unsachgemäßer Durchführung Gefäße, Gewebe (insbesondere Nerven mit nachfolgenden Lähmungserscheinungen) und Organe verletzt werden. Symptome wie Schwitzen, Zittern, die Empfindung eines metallischen Geschmacks sowie Herzklopfen sind unbedenklich und verschwinden ebenso wie ein allgemeines Wärmegefühl nach einigen Minuten wieder.
Das haupsächliche Risiko der Neuraltherapie nach Huneke liegt in der Stichtechnik. Injektionen an die grossen Ganglien im Oberbauch können bei unsachgemäßem Vorgehenzu Verletzungen der Nieren und der Bauchschlagader (Aorta) führen und im schlimmsten Falle tödlich enden. Eine unkorrekt durchgeführte Operation führt natürlich auch zum Tode. Die korrekt durchgeführte Injektion in die Nähe des Ganglion coeliacum ("grosse Ganglien im Oberbauch") kommt nicht zur Aorta. Daher ist eine entsprechende Ausbildung des anwendenden Arztes entscheidend. Zudem sind die verwendeten Nadeln deutlich dünner als Punktionsnadeln. Eine diagnostische Nierenpunktion führt auch nicht konsequenterweise zum Tode.
Wiederholte Injektionen in das Ganglion Stellatum können zur Zerstörung dieses führen. Ein geübter Neuraltherapeut erlernt, niemals "in" ein Gnglion, sondern nur an dessen nervale Ausläufer zu injizieren. Daher kommt es zu keiner Schädigung des Ganlions selbst.
Bei Procain besteht das Risiko allergischer Reaktionen. Die chemische Struktur von Procain enthält so genannte "Paragruppen" und kann über Kreuzallergien auch u. Umständen eine allergische Reaktion bei den gefürchteten Paragruppenallergien auslösen. Risikoärmer ist Lidocain in niedriger Dosierung bei gleicher Wirksamkeit. Auf Grund der höheren Lipophilie ist Lidocain sogar noch besser gewebegängig, hat auch nicht die kreislaufdepressive Wirkung der Abbauprodukte von Procain.
Gerade jedoch die Abbauprodukte des Procain sind es, die nach Überzeugung der Neuraltherapeuten wesentlich zum heilsamen Effekt der Therapie beitragen. Es gibt wohl kaum eine andere Richtung in der Medizin, die sich so um exakt ein Medikament herum kristallisiert hat. Huneke selber nannte es "das königliche Medikament", und im März 2005 gab es in Jena eine recht große Feier mit etwa 1000 Ärzten zum einhunderjährigen Bestehen des Procains.
Neuraltherapie wirkt ebenso gut auch mit anderen Lokalanästhetika. Die Verwendung von Procain ist historisch bedingt, da damals kein anderes Lokalanästhetikum zur Verfügung stand. Die Verknüpfung eines einzig damals zugänglichen Lokalanästhetikums mit einer Therapie zeigt in deren Ausschliesslichkeit religiöse Züge.
Leider handelt es sich um die oben dargelegten Äußerungen um eine subjektive Einzelmeinung. Es existiert wahrlich keine religiös anmutende Verknüpfung der Neuraltherapie nach Huneke mit dem Procain! Die Äusserungen von Ferdinand Huneke sind korrekt und wie oben dargelegt darauf zurückzuführen, dass es zunächst nur das Procain als lokales Betäubungsmittel gab. Die Behandlungserfolge der Neuraltherapie sind mit allen anderen lokalen Betäubungsmitteln wie z.B. Lidocain gleichwertig zu erzielen. Die Behandlungserfolge sind keineswegs auf die Abbauprodukte des Procain zurückzuführen. Einige Vorteile des Procain:
- es belastet weder Niere noch Leber, da es über die ubiquitär im Körper vorhandene Pseudocholinesterase abgebaut wird
- es hat als einziges Lokalanasthätikum eine lokal durchblutungssteigernde Wirkung
- kurze Wirkdauer von 20 - 30 Minuten (besonders für den Patienten angenehm)
Daher ist die bevorzugte Anwendung des Procain nach Aussschluss aller Gegenanzeigen, (z.B. selten auftretender Allergie) durch eine Probequaddel, nur verständlich.
Links
- http://www.ignh.de/ Internationale medizinische Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke Regulationstherapie e.V
- http://www.hahn-godeffroy.de/neuraltherapie/
- http://www.plischko.de Praxis für Neuraltherapie München
- http://www.neuraltherapie-stuttgart.de
- http://www.neuraltherapieschweiz.ch
- http://www.heilanaesthesie.de
- http://www.ganzheitsmedizin.at/neural.htm
- http://www.m-ww.de/enzyklopaedie/diagnosen_therapien/neuraltherapie.html
- http://www.dr-zinecker.de Informationen zur neuen Funktionellen Neuraltherapie (FNT) von Dr. med. S. Zinecker
- http://www.schmerztherapieseminar.de Kurse zum Erlernen der neuen Funktionellen Neuraltherapie (FNT)
- http://www.biomedicus.de/krankheit/stoerfel.htm