Genomweite Assoziationsstudie

epidemiologische Untersuchung der genetischen Variation des Genoms mit dem Ziel der Erkennung einer Krankheit
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Eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS, engl. Genome-wide association study) ist eine epidemiologische Untersuchung der genetischen Variation des menschlichen Genoms – ausgelegt um einen bestimmten Phänotyp (meist eine Krankheit) – mit bestimmten Haplotypen (bzw. Allelen) zu assoziieren.

Das Ziel von GWAS ist es also letztlich die Allele (eine bestimmte Ausprägung eines Gens) zu identifizieren, welche gemeinsam mit einem Merkmal (bzw. einer Krankheit) auftreten. Dabei werden heute noch nicht die Gene direkt untersucht – v.a. aus ökonomischen Gründen nicht – sondern wohldefinierte Marker (SNP, Single Nucleotide Polymorphism).

Übersicht

 
A Ein kleiner Lokus auf Chromosom 5 mit zwei SNPs.
B Die Stärke der Assoziation von SNP und Krankheit auf Grund der Prävalenz jedes SNP in Krankheits- und Kontrollgruppe.
C Ein Manhattan-Plot: Auf der Abszisse sind die Chromosomen aufgereiht und die Ordinate zeigt den Grad der Assoziation an. Jeder Punkt repräsentiert einen SNP. Beim Chromosom 5 wird deutlich, dass eine signifikante Assoziation zwischen SNP 1 und der Krankheit vorliegt.[1]

Um eine GWAS durchzuführen werden zwei Probandengruppen benötigt: Eine Vergleichsgruppe (also „normal“, bzw. meist: gesund) und eine Gruppe, welche den Phänotyp von Interesse aufweist (also die Krankheit oder sonst ein spezielles Merkmal zeigt). Von beiden Gruppen werden DNA-Proben genommen und individuell anhand von Markern auf deren Variation getestet (heute werden dazu definierte SNPs verwendet). In der Analyse wird darauf nach Unterschieden in der Variation zwischen beiden Gruppen gesucht: Eine Häufung eines bestimmten Markers in der Gruppe des Phänotyps von Interesse stellt eine Assoziation dar. Die Meisten Loci der benutzten Marker SNPs befinden sich nicht in einer protein-kodierenden Region, sondern liegen entweder in nicht-kodierenden Regionen zwischen zwei Genen (also in regulatorischen Regionen) oder auf Introns.[1]

Dabei sagt eine GWAS aber nichts darüber aus, in welchem Zusammenhang das gefundene Allel nun konkret mit dem Phänotyp steht – es ist eine bloße Assoziation (im Speziellen ist es eine Assoziation nur mit dem Polymorphismus und nicht einmal direkt mit einem kodierenden Allel), ein vorerst rein korrelativer Zusammenhang. Der kausale Zusammenhang kann erst nach der Identifizierung solcher „Kandidaten-Genen“ mit molekularbiologischen und biochemischen Methoden erforscht werden.

An Bedeutung gewinnen GWAS in den letzten Jahren durch den Preiszerfall bei der DNA-Sequenzierung. Die geringeren Kosten ermöglichen es zunehmend auch der interessierten Bevölkerung privat über spezialisierte Anbieter (z.B. 23andMe) eine Marker-Analyse des eigenen Genoms durchführen zu lassen. Dabei steht eine individuelle Risikoabklärung (genetische Disposition, bzw. Prädisposition) für schon bekannte Allel-Krankheit-Assoziationen im Vordergrund, doch die in immer größerer Zahl vorhandenen Datensätze vielfältigster Phänotypen können in der Folge zu Forschungszwecken für GWAS genutzt werden (die Zustimmung der DNA-Donoren vorausgesetzt).

Hintergrund

Das diploide menschliche Genom umfasst gut sechs Milliarden Basenpaare. Obwohl die Unterschiede von Individuen beim Menschen – im Vergleich zu anderen Lebewesen – extrem klein sind (Menschen unterscheiden sich nur in etwa 0,1 % aller Basenpaaren voneinander; zum Vergleich Drosophila melanogaster: 4 %), ist wegen der enormen Anzahl von Basenpaaren doch stattlicher Satz von etwa sechs Millionen Polymorphien vorhanden. Die große Mehrheit dieser Polymorphien liegen dabei als Einzelnukleotid-Polymorphien (SNP) vor (bei Europäern findet man etwa 3,3 Millionen SNPs).

Von Interesse wären eigentlich nur unterschiedliche Allele (protein-kodierende und regulatorische Regionen) – d.h. Unterschiede in Regionen, welche einen direkten Einfluss auf die Genfunktion (z.B. die Funktion des kodierten Proteins oder die Expressionsrate) haben. Die Sequenzierung aller derartigen Regionen ist heute aber noch zu aufwändig und zu teuer – und vermutlich ist eine derart hohe Auflösung auch gar nicht nötig. Das HapMap-Projekt kartierte und sammelte in einer ersten Phase Varianten von einer Million SNPs, arbeitet nun aber bereits in einer zweiten Phase an einer Haplotypenkarte von 3,1 Millionen SNPs.[2] Prinzipiell sind genügend Marker identifiziert um zu jedem Gen von Interesse einen (oder mehrere) Marker bereit zu stellen der auch zusammen mit dem Gen rekombiniert. Heute werden GWAS praktisch immer anhand von SNP durchgeführt – bei spezifischeren (also nicht genomweiten, sondern auf bestimmte DNA-Abschnitte oder Gene fokussierende) Studien können aber je nach Eignung auch andere Polymorphien oder vollständige Sequenzanalysen Anwendung finden.

Besonders reizvoll machen GWAS die „Hypothesenfreiheit“, d.h. es findet keine Vorselektion von möglichen krankheits-/phänotypverursachenden Genen statt (kein Einbringen von a priori Wissen) – es wird schlicht das ganze Genom untersucht. Damit ist die Analyse ergebnisoffener und neue unerwartete Gene können mit Phänotypen assoziiert werden.[3]

Kritik und Gefahren

1. Limitationen der Methode

Die größte Einschränkung der GWAS ist, dass nur Assoziationen von häufigen Haplotypen zu einem Phänotypen gefunden werden können – alle seltenen Varianten bleiben unentdeckt.

Weiter ist zu betonen, dass GWAS nur korrelative Resultate liefern. Ein entdecktes Gen tritt gehäuft gemeinsam mit einem Phänotypen auf – Gen und Krankheit stehen 'irgendwie' in Verbindung. Die Kausalität muss in weiteren Untersuchungen erst gezeigt oder gefunden werden. Auch werden heute nicht die Gene selber gefunden, sondern bloß Polymorphien (snp) die wiederum nur korrelativ mit den Genen zusammen auftreten.

2. Gefahren

Mit der zunehmenden Popularisierung der personalisierten Medizin werden immer mehr Genome von Patienten sequenziert (bzw. Gentests durchgeführt – nur Ausschnitte des gesamten Genoms sequenziert). Der fortschreitende Preiszerfall bei der Sequenzierung von DNA durch immer effizientere Technologien begünstigt diesen Trend immens. Auch sind mit 23andMe Anbieter in den Markt eingestiegen die sich direkt an Privatkunden wenden – auch ohne Krankheit und nur aus Neugierde wird heute sequenziert.

Durch die dadurch steigende Verfügbarkeit von menschlichen Genomen stellen sich zwangsläufig gesellschaftliche Fragen und Konsequenzen:

a) Wie sollen Krankenkassen mit der hochspezifischen Information umgehen?

b) Wie gehen Patienten mit korrelativen Resultaten bezüglich einer Krankheitswahrscheinlichkeit um?

c) Wie privat soll die persönliche Sequenz sein? (Bereits gibt es openSNP)

Siehe auch

Quellen

Einzelnachweise

  1. a b Manolio, Teri A. Genomewide Association Studies and Assessment of the Risk of Disease. N Engl J Med. Vol. 363. P. 166-176. 2010. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „general“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  2. The International HapMap Consortium: A second generation human haplotype map of over 3.1 million SNPs. Nature. Vol. 449. P. 851-861. 2007. [PDF]
  3. Hirschhorn et Daly: Genome-wide association studies for common diseases and complex traits. Nat Rev Genet. 6(2):95–108. 2005.