Die Zehn von Renesse waren eine Gruppe niederländischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus auf der Insel Schouwen-Duiveland in Zeeland während des Zweiten Weltkrieges, die am 10. Dezember 1944 in Renesse von der deutschen Wehrmacht gehängt wurden. Sie beteiligten sich an dem Widerstand aus ihrem reformierten Glauben heraus. Dieser Gruppe gehörten Menke Koos van der Beek, Iman Marinus van der Bijl, Willem Maarten Boot, Joost Pieter Jonker, Leendert Marie Jonker, Marcus Pieter Machiel van der Klooster, Johannis Oudkerk, Cornelis Lazonder, Jan Andreas Verhoeff und Adriaan Martijn Padmos an.
Hintergrund
Schouwen-Duiveland blieb bis im Mai 1945 durch die deutsche Wehrmacht besetzt, während der Rest der Provinz Zeeland in den letzten Monaten von 1944 befreit wurde. Am 2. Dezember 1944 gab die deutsche Führung von Schouwen-Duiveland bekannt, dass alle Männer zwischen 17 und 40 Jahren in Deutschland als Zwangsarbeiter in der Kriegsindustrie arbeiten müssten. Die Beamten der noch bewohnten Dörfer auf Schouwen-Duiveland wurde beauftragt, die Listen mit Namen und Wohnort dieser Männer zu erstellen. Die Beamten der Gemeinde Renesse reagierten auf diese Mitteilung indem sie die Einwohnerlisten vergruben, und sie selbst tauchten anschließend unter. Das war nicht einfach auf einer Insel, von der ein Drittel durch die deutsche Wehrmacht unter Wasser gesetzt wurde. Darauf reagierten die Besatzer wütend.
Fluchtversuch nach Noord-Beveland
Die Führer des Widerstandes auf der Insel schmiedeten mit Unterstützung der alliierten Bundespartner Pläne, um 17 Personen nachts mit einem Schiff auf die befreite Insel Noord-Beveland zu transportieren. Man hatte ausgezeichnete Informationen über die Bewaffnung der Deutschen Wehrmacht: Artillerie, Minenfelder und Stellungen der Maschinengewehre. Alle diese Daten konnten auch bei weitere Eroberung von Schouwen-Duiveland durch die Alliierten nützlich sein. Wegen des erhöhten deutschen Drucks, der Schwierigkeiten unterzutauchen und der geheimen kriegswichtigen Informationen über die deutsche militärische Situation auf den Inseln gab die Führung des Widerstands die Anordnung, siebzehn Personen nachts mit einem Schiff zum befreiten Noord-Beveland zu bringen.
Zu den siebzehn gehörten die beiden Gemeindebeamten von Renesse, zwei alliierte Soldaten, ein Niederländischer Commando und ein fahnenflüchtiger Armenier, Untergetauchte und Widerstandkämpfer aus verschiedenen Dörfern auf Schouwen-Duiveland. Als Abholstelle wurde der Deich südwestlich von Zierikzee verabrededet. Der erste Versuch am 6. Dezember 1944 scheiterte wegen des schlechten Winterwetters. Am 7. Dezember 1944 unternahm man einen zweiten Versuch am gleichen Ort und zur gleichen Zeit. Weil kein Kontakt mit dem Schiff, dem Muschel-Kutter BRU 34, zustande kam, entschied man, in kleinen Gruppen nach Hause zurückzukehren. Dabei kam es zu einem Feuergefecht zwischen den Flüchtlingen und einer Patrouille deutscher Soldaten. Sechs Leute entkamen, die übrigen fielen in die Hand der Deutschen. Sie wurden mit einem Schiff von Brouwershaven nach Goeree-Overflakkee überführt. Nur Cornelis Lazonder, der Gemeindesekretär von Renesse konnte, schwer verwundet durch die deutsche Soldaten, nicht mitfahren. Der Armenische Soldat sprang unterwegs von Bord und ertrank.
Verhaftung und Urteil
Die übrigen neun Männer wurden in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 1944 von einem Standgericht zum Tode durch den Strang verurteilt. Auch Lazonder bekam diese Strafe. Trotz mehr als zwei Tage ohne Essen und Trinken, und trotz schwerer Folterungen vor und während des Prozesses nannte keiner der zehn Verdächtigen einen Namen von Freunden aus dem Widerstand.
Der Polizist Christiaan Wisse aus Brouwershaven entkam mit seiner Frau und tauchte unter. Nach dem Krieg war er gepostet bei der Royal Military Police, übertragen auf die polizeilichen Ermittlungen zu Zierikzee. Im Oktober 1945 beendete er seinen Bericht über die Zehn von Renesse mit der Absicht, zur Verurteilung von Kriegsverbrechern beizutragen.
Wisse schrieb über das Urteil: Durch den Bezirkskommandant Hauptmann Becker wurde das Urteil des Standgerichtes vorgelesen. Die zehn Männer wurden zum Tode durch den Strang verurteilt, weil sie versuchten, mit dem Feind in Kontakt zu treten und militärische Informationen in die Hände des Feindes geben wollten. Darüber hinaus wurden alle Güter der Verurteilten beschlagnahmt, während ihre Häuser verbrannt werden sollten.
Da Herr Lazonder schwer verwundet war, sollte er, sobald er sich etwas erholt hatte, auch gehängt werden. Die Leichen sollte zweimal 24 Stunden aufgehängt bleiben, als Abschreckung für die Zuschauer, und dann begraben werden.
Hauptmann Becker kündigte nach der Hinrichtung an, daβ bei weiterem Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht oder Sabotage eine noch gröβere Anzahl von Personen verhaftet und auch gehängt würden.
Ds. H.C. Voorneveld, reformierte Pfarrer in Burgh-Haamstede, gab den neun Männern geistlichen Beistand in einem Bunker in Schloβ Haamstede. Nachdem Psalm 23 und 91 gelesen wurden, sangen sie gemeinsam: Ein feste Burg ist unser Gott. Die Durchführung der Strafe geschah am Eingang zum Schloss Moermond in Renesse am Sonntag, dem 10. Dezember 1944 um 12.00 Uhr.
Lazonder beobachte von einen Tragbahre wie seine neun Freunde gehängt wurden. Als er kurz danach starb, wurde seine Leiche neben die anderen gehängt. Unvorbereitete Familienmitglieder und Bürger wurden kurz nach dem Ereignis entlang der Gehenkten zu Fuß gezwungen. Einer von ihnen war der Vater Hendrik Verhoeff aus Brouwershaven, der seinen toten Sohn Jan Andreas sehen musste.
Nachwirkungen
Die Deutschen drohten, mehr Bürger der Insel zu hängen, wenn die sechs Flüchtlinge innerhalb von 48 Stunden nicht den Deutschen ausgeliefert würden. Vier von ihnen meldeten sich und wurden gefangen genommen. Sie überlebten den Krieg, wie die beiden, die untergetaucht blieben. Nach zwei Tagen wurden die Leichen der Zehn von Renesse abgenommen und auf dem Friedhof in Renesse nicht in einem Sarg, sondern in einem Massengrab verscharrt.
Gedenkstätte
Der Amsterdamer Bildhauer Jan Havermans machte ein Denkmal für die Zehn von Renesse, das am 4. Mai 1949 am Eingang des Friedhofs von Renesse enthüllt wurde. Die Schüler der örtlichen Grundschule 't Staepel'of nahmen an der Gedenkfeier mit Gedichten und Zeichnungen teil. Sie legen einen Kranz am Denkmal ab. Bis 2009 war die offizielle Gedenkfeier an die Zehn von Renesse am 10. Dezember. Nach dem Tod des letzten Überlebenden, wurde im Jahr 2010 beschlossen, die offizielle Gedenkfeier an die Zehn von Renesse mit dem Nationalen Gedenktag am 4. Mai zusammenzufallen zu lassen. Am Ort der Hinrichtung liegt ein Erinnerungstein, ein Findling. Die Geschichte der Zehn von Renesse ist auf einer Tafel in drei Sprachen beschrieben: Niederländisch, Englisch und Deutsch.
Dieses Denkmal und die Grabstätte der Zehn von Renesse sollen die Erinnerung an diesen tragischen Akt der deutschen Besatzung und an den Mut wie den Patriotismus und reformierten Glauben der Zehn von Renesse lebendig erhalten.
Urteil von Loe de Jong
Dr. Loe de Jong, Autor eines Standardwerks über die Zeit des Zweiten Weltkrieges, schreibt: „Vorher schrieben wir, dass [...] das Erhängen in Renesse von zehn Bewohnern Schouwens ‚der einzige uns bekannte Fall [war], bei dem, abgesehen von einer begrenzten Anzahl von Aufhängungen im Konzentrationslager Vught, diese Form der Todesstrafe von den Deutschen in den besetzten Niederlanden angewendet wurde.‘ Was in Renesse geschah, war übrigens auch in anderer Hinsicht sehr schockierend, ja abstoßend”. [1]
Weblink
Einzelnachweise
- ↑ L. de Jong: Het Koninkrijk der Nederlanden in de Tweede Wereldoorlog, 14 Teile, 1969–1991, SDU-Verlag, Den Haag, Teil 10b, erste Hälfte, Seite 68: „Eerder schreven wij dat [...] wij in dit verband nog een tweede gebeuren wilden behandelen: het ophangen in Renesse van tien inwoners van Schouwen, ‘het enige ons bekende geval’, schreven wij, ‘waarbij, afgezien van een beperkt aantal ophangingen in het concentratiekamp Vught, deze vorm van de doodstraf door de Duitsers in bezet Nederland is toegepast.’ Wat zich te Renesse heeft afgespeeld, is trouwens ook in andere opzichten in hoge mate schokkend, ja stuitend geweest.“