Schneewittchen

Märchen der Brüder Grimm (1812)
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Schneewittchen (laut älteren Manuskripten eigentlich Sneewittchen) ist ein Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm.

Der Prinz an Schneewittchens Sarg - Bildpostkarte 19.Jh.

Inhalt

Bei Schneewittchens Geburt stirbt ihre Mutter. Als das Kind heranwächst, heiratet ihr Vater, der König, neu. Die Stiefmutter ist eine wunderschöne, aber kaltherzige und hochmütige Hexe. Als ihr sprechender und allwissender Spiegel das Schneewittchen und nicht sie die Schönste im ganzen Land nennt, beschließt sie, ihre Stieftochter umbringen zu lassen.

Dieser aber gelingt die Flucht durch den Wald, und sie gelangt zu den sieben Zwergen. Der Zauberspiegel verrät das Versteck, und die Stiefmutter macht sich verkleidet auf den Weg, um Schneewittchen eigenhändig zu töten. Zweimal können die Zwerge dies noch verhindern, als Schneewittchen aber in einen vergifteten Apfel beißt, hat die List der Hexe gesiegt.

Den Zwergen bleibt nichts übrig als wenigstens Schneewittchens Schönheit in einem gläsernen Sarg zu bewahren. Ein bald vorbeireitender Königssohn verliebt sich in die scheinbar tote Prinzessin. Beim Versuch, den Sarg auf sein Schloss abzutransportieren, fällt dieser zu Boden und das giftige Apfelstück rutscht Schneewittchen aus dem Mund. Sie erwacht, und der Prinz heiratet sie.

Auch dies erkennt der Spiegel, aber die böse Königin will sich leibhaftig von Schneewittchens Wiedererwachen überzeugen. Als sie auf deren Hochzeit einsehen muss, dass sie verloren hat, werden ihr glühende Eisenschuhe gereicht und sie tanzt sich zu Tode.

Interpretationen

Tiefenpsychologie

Das Märchen beginnt im Winter, dem Lebensabend der Mutter. Sie hat eine leichte, aber müde Seele (wie die tanzenden, kalten Schneeflocken), sie spürt den Tod (schwarzer Fensterrahmen). Sie wünscht ihn vielleicht auch und will dafür ein Kind haben (auch bei der Geburt fließt rotes Blut, wie bei ihrem Stich mit der Nadel in den Finger). Auch Schneewittchen hat eine reine Seele und ist lebensfroh und unbekümmert. Weder der Jäger noch die wilden Tiere wollen ihm etwas tun. Auch die einfachen, ehrlichen Zwerge mögen es sofort. Die böse Königin dagegen versucht, andere Menschen und den Tod zu kontrollieren. Sie versteht sich auf Täuschung, äußerliche Schönheit und Gift Mischen und ist sehr selbstbewusst mit ihren Hexenkenntnissen (sie weiß, dass der Spiegel die Wahrheit sagt). Sie glaubt nicht an ein Leben nach dem Tod und beneidet deshalb das Kind. Sie nimmt an, dass Schnur und Kamm (Gegenstände, mit denen man sich schön macht) und Apfel (Symbol für Herrschaft) Schneewittchen gefallen müssten. Sie reicht ihm den Apfel, den sie mit ihren Erkenntnissen vergiftet hat (wie die Schlange in der Bibel). Schlangengifte wirken allgemein lähmend, damit auch auf die Atmung und auf das Herz. Das Gift erreicht nicht Schneewittchens Herz, aber schnürt ihm den Atem ab (Lieblosigkeit) und lähmt es. Doch Schneewittchen ersteht von den Toten auf.

Psychologie, Soziologie

Zur psychologischen und soziologischen (strukturalistischen) Interpretation des Märchens vgl. Stiefmutter.

Rezeptionen

Schneewittchen gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Märchen. Besonders das Spiegel-Motiv ("Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" - "Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ist tausendmal schöner als Ihr.") und die sieben Zwerge ("Wer hat von meinem Tellerchen gegessen ?") werden gern zitiert.

Das Nachkriegsautomobil Messerschmitt Kabinenroller KR200 mit seiner zur Seite abklappbaren Plexiglas-Kuppel, der Radio-Plattenspieler Braun SK 5 und das in den 70er Jahren gebaute Automodell Volvo P1800 ES wurden wegen ihres Aussehens Schneewittchensarg genannt. Snøhvit oder Schneewittchen ist auch der Name eines Erdgasfeldes in der Barentssee.

Es gab zahlreiche Verfilmungen des Märchens, teilweise auch Parodien:

Historischer Bezug

Wie einige Märchen, welche die Gebrüder Grimm gesammelt und niedergeschrieben haben, hat vermutlich auch das Märchen von Schneewittchen einen geschichtlichen Hintergrund.

 
Das "sprechende" Spieglein an der Wand in Lohr
  • Als Entstehungsort bzw. Heimat Schneewittchens wird heute die Stadt Lohr am Main im Spessart angesehen. Es gibt einige Fakten die dafür sprechen, dass das Märchen aus dieser Gegend Deutschlands stammt. Noch heute gibt es in Lohr ein Schloss, welches als das Schneewittchen-Schloss bezeichnet wird. In diesem Schloss wohnte tatsächlich auch ein verwitweter Landgraf mit einer Tochter. Die Tochter verstand sich mit ihrer Stiefmutter nicht. In Lohr wurde im 17. und 18. Jahrhundert vor allem Glas produziert und über den Main in alle Welt verschifft. Lohr galt als regelrechtes Zentrum der Glas-Manufaktur, und es wurden auch Spiegel hergestellt: im Spessart-Museum im Schloss findet sich eine Sammlung sehr wertvoller Exemplare. Darunter ist auch ein Spiegel, der als der Schneewittchenspiegel angesehen wird, da ihn eine Inschrift ziert (Spiegel mit solchen Prunkinschriften nennt man auch Sprechende Spiegel). Im Schloss liegt auch ein einzelner alter Damenschuh in einer Vitrine. Die notwendigen Rohstoffe zur Glasproduktion wurden damals im Spessart in Bergwerken abgebaut. Da es sich noch um vorindustriellen Bergbau handelte, arbeiteten in diesen Bergwerken vor allem Kinder oder sehr kleine Menschen, die auch in kleinen Hütten direkt bei den Stollen im Spessart wohnten. Aus diesen kleinen Menschen könnten im übertragenen Sinne die Zwerge geworden sein, die hinter den sieben Bergen (dem Spessart) in winzigen Häuschen wohnten.
  • Vermutet wird auch die Herkunft aus Alfeld (Leine) in Süd-Niedersachsen, da diese Stadt an den Sieben Bergen liegt. Die Stadt Alfeld hat im Jahr 2002 viele Wanderwege in den Sieben Bergen in Schneewittchen-Wanderwege umgetauft.
  • Der hessische Heimatforscher Eckhard Sander bietet eine weitere Erklärung. Im Stadtarchiv von Bad Wildungen befindet sich ein Dokument über Fräulein Margaretha von Waldeck, die wegen ihrer großen Schönheit weithin bekannt war. Sie hatte eine strenge Stiefmutter. Als sie etwa 16 Jahre alt war, schickte ihr Vater, Graf Philipp IV. von Waldeck, das Mädchen an den kaiserlichen Hof von Brabant ins heutige Brüssel. Auf diese Weise sollte sie mit einem Prinzen verheiratet werden. So reiste Margarethe über das Siebengebirge dorthin. Doch es gab indes Schwierigkeiten, als sich mehrere hochrangige Persönlichkeiten wie Graf Egmont und der Thronfolger (später Philipp II.) um Margarethe bemühten. Ihre Gesundheit wurde zusehends schlechter. Schließlich starb sie am 13. März 1554 im Alter von 21 Jahren. In der Heimatchronik von Waldeck findet man den Vermerk, dass Margaretha vergiftet wurde. Bei dem Gift könnte es sich um Arsen gehandelt haben, ein für das Mittelalter typisches Mittel, um Personen aus dem Weg zu räumen. Dass Arsen manchmal über einen unbestimmten Zeitraum hin zum Tod führen kann, würde die Tatsache erklären, dass Margarethas Gesundheit sich verschlechterte und sie ein Testament in zittriger Schrift verfasste. Der Wohnort der Sieben Zwerge wird von ihm im Bergwerksdorf Bergfreiheit lokalisiert, welches heute ein Ortsteil von Bad Wildungen ist und sich als Schneewittchendorf bezeichnet.

Das ZDF widmete den Thesen Sanders die erste Folge der Reihe "Märchen und Sagen - Botschaften aus der Wirklichkeit" (9.10.2005, 19.30 Uhr).