Kreationismus
Kreationismus (v. lat. creare = erschaffen) bezeichnet eine Strategie religiöser Fundamentalisten, mit der die Entstehung des Universums sowie die Entstehung allen Lebens als Schöpfungswerk eines Gottes erklärt und die Naturwissenschaften bekämpft. Kreationismus ist somit eine besondere Ausprägung des Schöpfungsglaubens, wie er in verschiedenen Religionen vorkommt und nach Ansicht der Kreationisten und bei Naturvölkern in vielen Varianten verbreitet ist. Selbst der Vatikan <a href="http://www.news.com.au/story/0,10117,17162341-13762,00.html">kritisiert</a> den Kreationismus.
Spezifische Eigenarten des Kreationismus gegenüber anderen Ausprägungen des Schöpfungsglaubens sind, dass er
- die Evolutionstheorie entweder ganz ablehnt, oder davon ausgeht, dass eine Evolution nur in Grenzen stattfindet und nicht zwingende Folge der naturwissenschaftlichen Gesetze ist und
- davon ausgeht, dass keine Abiogenese stattgefunden hat sowie
- selbst seinen Aussagen eine Wissenschaftlichkeit zuspricht.
In den USA ist der Kreationismus seit Jahrzehnten Gegenstand einer kontrovers geführten öffentlichen Debatte. Darin geht es um die Unterrichtung von kreationistischen Lehren im Biologieunterricht in Schulen, die im Konflikt zur verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Religion steht. In Europa nimmt der Kreationismus hingegen nur eine Nischenstellung ein.
Der Kreationismus basiert auf einem ideologischen Wissenschaftsverständnis, das sich mit der wissenschaftlichen Methodik nicht vereinbaren lässt, und ist daher eine Pseudowissenschaft.
Viele kreationistische Weltanschauungen haben einen starken biblischen Bezug und gehen einher mit teils wörtlichen und teils wortnahen Interpretationen der biblischen Aussagen. Sie finden sich vorrangig in evangelikalen und in fundamentalistischen Bewegungen.
Grundlegender Konflikt
Der methodische Naturalismus, der der heutigen Wissenschaft zugrunde liegt, besagt, dass eine Theorie, die sich auf irgendeine Form von Transzendenz beruft, nicht falsifizierbar ist. Sie ist mangels konkreter Vorhersagen nicht prüfbar und daher vom wissenschaftlichen Standpunkt aus unbrauchbar.
Rückschlüsse auf die Existenz oder Nichtexistenz eines göttlichen Wesens sind unmöglich und daher nicht Aufgabe der Wissenschaft. Schöpfungstheorien oder Mythen sind demnach nicht mit den Kriterien wissenschaftlicher Forschung in Einklang zu bringen. Denn dies würde bedeuten, dass dem göttlichen Wesen kein freier Wille zugestanden würde, dass es die Naturgesetze nicht "erschaffen" habe, sondern ihnen unterworfen wäre. Auf diesem Hintergrund werden speziell kreationistische Theorien prinzipiell als unwissenschaftlich kategorisiert.
Neben diesem eher theoretischen Aspekt wird dem Kreationismus und der heutigen Intelligent-Design-Bewegung (s.u.) - wegen seiner Praxis, welche eher religiös-missionarischen Charakter hat als sachlich-wissenschaftlichen - jede Art von Wissenschaftlichkeit abgesprochen.
Im wissenschaftlichen Diskurs wird unter einem kreationistischen Ansatz insbesondere eine Hypothese verstanden, die die Evolutionstheorie oder Teile davon in Frage stellt. Diese Bezeichnung wird oft als disqualifizierendes Attribut verwendet.
Neben Darwinismus und Evolutionstheorie werden auch Abiogenese und Makroevolution von Vertretern des Kreationismus in Frage gestellt.
Die meisten Kreationinisten akzeptieren Evolution auf der Mikroebene als wissenschaftlich bewiesene Tatsache.
Uneinheitlich ist die Haltung zur Urknalltheorie. Junge-Erde-Kreationisten, die die Bibel wörtlich auslegen, müssen sie konsequenterweise verwerfen. Islamischen Kreationisten dient sie dagegen als Beleg dafür, dass die Theorien der Marxisten und Materialisten von der Ewigkeit der Materie unhaltbar seien.
Neben der Entstehung verlangt die weitere Entwicklung des Universums nach Auffassung vieler Richtungen des Kreationismus den fortgesetzten Eingriff einer höheren Instanz. Damit lehnt der Kreationismus auch hier das naturalistische Weltbild ab, nach dem allein naturwissenschaftlich erfassbare Vorgänge zur Erklärung der Welt und des Weltalls ausreichen. Ebenfalls werden agnostizistische Ansätze verworfen.
Da die Erklärung der Welt als Schöpfung die Existenz eines Schöpfers impliziert, handelt es sich bei den Kreationisten weltanschaulich gesehen im allgemeinen um Theisten.
Verbreitung
Kreationisten innerhalb des Christentums sind im 20. Jahrhunderts vielfach in Auseinandersetzungen mit naturalistisch geprägten Ansichten bekannt geworden, insbesondere in den USA. Aber auch innerhalb des Judentums, insbesondere des orthodoxen, ist der Kreationismus eine akzeptierte Anschauung.
In der islamischen Welt wurde die Evolutionstheorie seit dem späten 19. Jahrhundert rezipiert. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie in Europa durch die Aufklärung weiten Bevölkerungsschichten bekannt wurden, sind dort oft nur einer Minderheit vertraut. Deshalb dauerte es länger, bis sich in islamischen Ländern ein Kreationismus herausbildete, der sich selbst eine Wissenschaftlichkeit zuspricht.
Er wird heute vor allem in der Türkei im Umfeld der Anhängerschaft von Said Nursi (1876?-1960) gepflegt (siehe auch Nurculuk). Said Nursi machte schon Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Artikel Abhandlung über die Natur einen Versuch, die Evolution zu widerlegen und die Schöpfung zu beweisen. Die Hauptvertreter sind zur Zeit Fethullah Gülen (geb. 1941) und Harun Yahya (eigentlich Adnan Oktar, geb. 1956). Letzterer organisiert mit dem Bilim Araştırma Vakfı (Stiftung für wissenschaftliche Forschung) Konferenzen mit führenden westlichen Kreationisten. Islamische Kreationisten orientieren sich an Intelligent Design, da es keinen der Genesis vergleichbaren Schöpfungsbericht im Koran gibt. Durch das Internet finden ihre Thesen weite Verbreitung, vor allem in Indonesien und Malaysia sowie in der westlichen Diaspora.
In den arabischen Ländern und in Iran ist das Interesse eher gering. Wie im westlichen Kontext wird die Evolutionstheorie in Teilen der islamischen Welt für eine materialistische Lebenseinstellung sowie deren soziale und politische Folgen verantwortlich gemacht.
Einige Vertreter des Kreationismus sind wissenschaftlich tätig, worauf von Befürwortern häufig hingewiesen wird. Ihr Fachgebiet überschneidet sich jedoch nur in Einzelfällen mit dem der Biologie. Ihre Verbindung zum Kreationismus hat keine Beziehung zu ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Der Kreationismus selbst vertritt ein eigenes Wissenschaftsverständnis und fordert die Zulässigkeit von übernatürlichen Erklärungen für Sachverhalte. Dies steht dem Verständnis von Wissenschaft mit ihrer kritisch-rationalen Methode entgegen, die dies als eine unzulässige Vermischung von Naturwissenschaft und Weltanschauung ablehnt. Die Erkenntnistheorie ermögliche erst die Trennung von Wissen und Glauben.
Insbesondere in den USA versuchen inzwischen fundamentalreligiöse Gruppen, gezielte Lobbyarbeit zu betreiben, wobei es gelang, Politiker zu gewinnen, darunter auch US-Präsident George W. Bush.
Richtungen des Kreationismus
Theistische Evolution
Die theistische Evolution sieht Gott als Schöpfer, der die Lebensformen mittels Evolution erschuf und weiterentwickelt, wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie stark er in diesen Prozess eingreift und eingegriffen hat. Vertreter dieser Richtung akzeptieren die meisten Ergebnisse der modernen Naturwissenschaften. Daher verstehen sie sich selbst nicht als Kreationisten im hier dargestellten Sinn und werden auch von Gegnern des eigentlichen Kreationismus nicht als solche bezeichnet, sondern nur von Kreationisten.
Diese Position wird von der katholischen Kirche vertreten und ist allgemein unter Christen weit verbreitet. Hierbei hat nach einer Aussage des auch Kirchenvater genannten Augustinus - dem der römisch katholische Glauben folgt - ein schöpferisches Eingreifen Gottes nach dem initialen Schöpfungsakt enge Grenzen: "Die Welt ist nicht in der Zeit geschaffen, sondern mit der Welt schuf Gott auch die Zeit." Eine strenge Interpretation dieser Aussage begrenzt die schöpferische Tätigkeit Gottes also auf den einen Moment, der in der modernen Wissenschaft mit dem Urknall gleichzusetzen ist, in dem das Universum, sein materieller Inhalt, die Naturgesetze, der Raum und auch die Zeit geschaffen wurden. Mit diesem einen Schöpfungsakt ist die Schöpfung abgeschlossen, und die Welt entwickelt sich fortan gemäß der ebenfalls abschließend erschaffenen Naturgesetze in der Zeit weiter. Jeder weitere schöpferische Akt Gottes zu einem späteren Zeitpunkt wäre eine Schöpfung der Welt in der Zeit und würde somit Augustinus widersprechen.
Intelligent Design (ID)
Vertreter dieser Richtung akzeptieren nach eigener Aussage wissenschaftliche Methodik. Sie stellen Theorien, wie die Evolutionstheorie oder die Theorie der Abiogenese in Frage, weil sie diese nicht als befriedigende Erklärungen für gewisse wissenschaftliche Beobachtungen ansehen. Statt dessen wird behauptet, das Leben könne nur durch einen intelligenten Designer entwickelt worden sein.
Das Design-Argument der Moderne geht auf den englischen Theologen William Samuel Paley (1743–1805) zurück, der aufgrund der Komplexität und Funktionalität der belebten Natur auf einen intelligenten Planer schloss. Zur Begründung dieser Idee wählte Paley eine Analogie, wonach der fein abgestimmte Bau technischer Gegenstände (Artefakte), wie z.B. einer Uhr, nur den Schluss zulasse, dass sie ein intelligenter Zwecksetzer hervorgebracht habe. Obgleich sich die modernen Ansätze der ID-Vertreter etwas voneinander unterscheiden, wird auch heute noch übereinstimmend auf eine bestimmte Form der Komplexität oder Funktionalität als relevante Analogie bzw. als Erkennungskriterium für einen intelligenten Schöpfungsakt zurückgegriffen. Die These wird mithilfe von Analogien aus der Technik untermauert.
Um das Design-Argument zu stützen, wird ferner versucht, naturalistische Erklärungen bezüglich der Entstehung neuer Arten zu falsifizieren und ID als alternative Erklärungsmöglichkeit darzustellen. Nach heutigem Erkenntnisstand, sei es unmöglich, dass die Entstehung der Arten "rein zufällig" abgelaufen seien, wobei es unter den Vertretern des Intelligent Design verschiedene Auffassungen zur Reichweite evolutionärer Prozesse gibt. Einige Argumente beziehen sich auf Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung. Danach wird behauptet, dass Ergebnisse der Mikrobiologie, der mathematischen Logik und der Linguistik den Eingriff eine transnaturalen Planers beweisen würden. Das Leben sei nicht aufgrund von Naturgesetzen entstanden, es habe vielmehr einen Anstoß von außen gegeben. Während die meisten Argumente der ID-Vertreter im Gegensatz zur heute vorherrschenden naturalistischen Sichtweise stehen, gibt es aber auch ein kosmologisches Design-Argument, welches die Gültigkeit heutiger naturwissenschaftlicher Theorien voraussetzt. Dieses bezieht sich auf die von Naturwissenschaftlern diskutierte, bisher noch umstrittene Feinabstimmung von Naturkonstanten, welche irdisches intelligentes Leben demnach erst ermögliche.
Die Kritiker der Lehre vom Intelligent Design weisen darauf hin, dass der "Designer" eine Art Lückenbüßerrolle einnehme. Nicht erklärte Phänomene auf eine (übernatürliche) Intelligenz zurückzuführen, sei nicht Ziel der empirischen Wissenschaften und stelle nur eine bequeme Scheinlösung für jede beliebige Schwierigkeit dar. Die Haupteinwand besteht darin, dass Vertreter des ID den intelligenten Designer wegen seiner transzedenten, nichtfassbaren Natur weder spezifizieren, noch seine Wirkungsweisen kausal beschreiben, geschweige denn eine objektive Grenze für sein Wirken angeben können. Ihre Aussagen seien demnach explanativ und heuristisch wertlos, nicht prüfbar und ersetzten die Erklärungsansätze der modernen Biowissenschaften bezüglich der Entstehung neuer Arten lediglich durch ein "geheimnisvolles Etwas".
Auch der Wert der vermeintlichen empirischen Hinweise ("Design-Signale"), die für ein intelligentes Design sprechen sollen, wird praktisch-wissenschaftlich sowie auch erkenntnistheoretisch verneint. Meistens wird festgestellt, dass die hierzu bemühten Analogien unbrauchbar sind, weil zum einen Komplexität und Funktionalität nicht hinreichend für ein dem Design relevante Analogie sind. Zum anderen seien die für den Vergleich relevanten Eigenschaften von Lebewesen und behaupteten "Design-Signale" grundverschieden. Ferner wird gegen die Lehre vom Intelligent Design eingewendet, dass sie nicht allein auf empirisches Wissen zurückgreifen kann, um in der Natur Design zu "erkennen", sondern stillschweigend a-priori-Annahmen (unprüfbare Glaubensprämissen) zu ihren Vergleichen hinzuziehen müsse, damit diese überhaupt plausibel erscheinen. Eine solche Argumentation wird von den Kritikern als willkürlich bzw. zirkelschlüssig beurteilt und ebenso wie andere Formen des Kreationismus als Pseudowissenschaft betrachtet. In jedes wissenschaftliche System, könne man "intelligente Signale" hineindeuten und als intelligent erschaffene Strukturen werten. Außerdem ist die nicht auszuschliessende Möglichkeit von "Selbstauswahleffekten" bei Beobachtungen über Sachverhalte, welche für die menschliche Existenz notwendig sind, ein grundsätzliches logisches Problem in der Argumentationsweise der Intelligent Design Bewegung.
Im Rahmen politischer Diskussionen wird den ID-Vertretern vorgeworfen, kreationistisches Gedankengut unter dem Deckmantel der Wissenschaft zu verbreiten. Da in den USA verfassungsmäßig eine strikte Trennung von Religion und Staat gilt, dürfen staatlich finanzierte Schulen keine Religion (d.h. auch keine christlichen Anschauungen) lehren. So urteilte 1987 ein Gericht im US-Bundesstaat Louisiana, Kreationismus diene religiösen, nicht etwa wissenschaftlichen Zielen. Deshalb vermeiden die Vertreter von ID alle theologischen Bezüge und ersetzen Begriffe, wie "Schöpfung" durch wissenschaftlicher klingende Termini, wie "Design", "Signalerkennung" usw. Die bekanntesten Vertreter des Intelligent Design sind der Biochemiker Michael J. Behe, Autor von Darwin's Black Box, sowie der Jurist Phillip Johnson vom Discovery Institute in Seattle, das sich vorwiegend über Spenden christlich-fundamentalistischer Organisationen finanziert.
Alte-Erde-Kreationisten
Kreationisten dieser Gattung lehnen - im Gegensatz zu den theistischen Evolutionisten, siehe oben - die Evolutionstheorie rundum ab; sie halten aber das geologisch bestimmte Alter der Erde (ca. 4,5 Milliarden Jahre) und das astronomisch belegte Alter des Universums (rund 15 Milliarden Jahre) für richtig; sie sind somit Kreationisten, welche die anerkannten naturwissenschaftlichen Methoden sehr ernst nehmen. Sie halten den Schöpfungsbericht der Bibel nicht für einen wörtlichen Bericht, sondern für eine symbolische Beschreibung. Es gibt im Alte-Erde-Kreationismus zwei Gruppen:
- Lücken-Kreationismus ("gap creationism"). Diese Anschauung besagt, dass das Leben in einer kurzen Zeit auf der vorher schon existierenden alten Erde geschaffen wurde, weil eine vorherige Schöpfung durch eine unbestimmte Katastrophe vernichtet wurde. Der Lücken-Kreationismus hat Genesis 1:2 als Grundlage, und dies besonders in der englischen Bibelübersetzung Scofield Reference Bible. Von Kreationisten, die sich auf den hebräischen Wortlaut der Bibel berufen, erhält dieser Typ des Kreationismus keine Zustimmung.
- Tag-Alter-Kreationismus ("day-age creationism"), welcher besagt, dass die "sechs Tage" der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht vierundzwanzigstündige Tage darstellen, sondern sehr viel längere Zeiträume - wie Millionen von Jahren. Die Vertreter dieser Denkrichtung berufen sich auf das Wort "yôm" in der hebräischen Bibel, welche im Kontext von Genesis 1 "Alter" bedeute. Einige Vertreter sagen, dass wir zur Zeit im siebten "Alter", d.h. im siebten Tag der Schöpfung, leben.
Junge-Erde-Kreationisten
Hauptartikel: Junge-Erde-Kreationismus
Die am weitesten vom naturalistischen Weltbild abweichende Gruppe sind die Kurzzeitkreationisten (engl. "Young Earth Creationists"). Unter ihnen finden sich in erster Linie (aber nicht nur) evangelikale und fundamentalistische Christen. Sie vertreten eine wörtliche Bibelauslegung und interpretieren den Schöpfungsbericht in der Bibel als Tatsachenschilderung. Der englische Erzbischof James Ussher (1581-1656) berechnete, aufgrund von Lebensläufen und Stammbäumen, die in der Bibel erwähnt sind, den Zeitpunkt der Schöpfung für den 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt, was ein Erdalter von rund 6.000 Jahren ergäbe. In der Regel gehen Junge-Erde-Kreationisten davon aus, dass die Erde bis etwa 10.000 Jahre alt sei.
Mit der Bibel als Grundlage versuchen sie, ein Gegenmodell zu den naturwissenschaftlichen Theorien zu erarbeiten. Bislang gibt es allerdings kein Modell, das einen Großteil der Beobachtungen in ein übergeordnetes Konzept einbindet und gleichzeitig ein Weltalter von nur wenigen Jahrtausenden besitzt. Ein sehr wichtiger Vertreter des amerikanischen Junge-Erde-Kreationismus ist Kent Hovind.
Die bislang entworfenen Modelle beziehen Fossilienfunde und biologische oder morphologische Verwandtschaften ein, stellen sie aber in andere Zusammenhänge und interpretieren sie anders als in der Evolutionstheorie. Gleichzeitig wird auf empfundene Schwachstellen wissenschaftlicher Modelle hingewiesen. Gängige Thesen wie etwa die Kontinuität der Naturgesetze über historische Zeiträume werden in Frage gestellt; damit werden alternative Datierungen geologischer und astronomischer Ereignisse erzielt.
Die divergierende Interpretation wissenschaftlicher Beobachtungen begründet sich im Wesentlichen aus entgegengesetzter Methodik: Kurzzeitkreationisten lehnen eine rein naturalistische Erklärung der Welt grundsätzlich ab, während die Naturwissenschaft die Verwendung von Göttern in Hypothesen wegen prinzipieller Unwiderlegbarkeit ausschließt. Insofern suchen nur wenige Vertreter beider Seiten den wissenschaftlichen Dialog und Kontroversen werden im populärwissenschaftlichen, politischen oder weltanschaulichen Bereich ausgetragen. Insgesamt halten sie sich jedoch auf moderater Ebene, da Vertreter der Richtung teilweise eingestehen, dass es eine Schöpfungstheorie im naturwissenschaftlichen Sinne nicht geben könne [1].
In Deutschland gehört der Verein Studiengemeinschaft Wort und Wissen zu den bekanntesten Vertretern dieser Gruppe.
Randgruppen des Kreationismus
Weiterhin gibt es sehr kleine Gruppen, die wissenschaftliches Arbeiten ablehnen. Manche gehen zusätzlich davon aus, dass sich die Erde im Mittelpunkt des Sonnensystems befindet (Geozentrismus).
Eine noch kleinere, nahezu unrelevante Gruppierung nimmt gar eine flache Erde an ("flat-earth creationists"). Sie sehen die Vorstellung einer Kugelgestalt der Erde im Widerspruch zu ihrem religiösen Verständnis. Dieses Verständnis kann jedoch von anderen Gläubigen nicht nachvollzogen werden. Eine Scheibengestalt der Erde ist naturwissenschaftlich längst widerlegt und nicht haltbar.
Weiter verbreitet, besonders in bibelnahen Kreisen, ist die Theorie, dass sich unser Sonnensystem im Mittelpunkt des Universums befindet. Dies beruht auf der biblisch-fundierten Ansicht, dass der Mensch Gottes eigentliche Intention der Schöpfung ist und das Universum nur um des Menschen willen geschaffen worden ist. Die meisten Kreationisten sehen aber keine biblisch begründete Notwendigkeit, dass das Sonnensystem das Zentrum des Universums sein muss, es kann sich genausogut am Rande einer Galaxie befinden und das Universum kann dennoch nur für den Menschen geschaffen sein. Auch diese biblisch-fundierte Sichtweise ist wie die Abiogenese nicht falsifizierbar.
Das kreationistische Grundtypmodell
Als Alternative zu dem von der Evolutionstheorie vorgeschlagenen gemeinsamen Vorfahren aller Arten wird seitens des Kreationismus ein "Grundtypenmodell" angeboten, das sich nicht auf Homologien (Ähnlichkeiten) als Verwandschaftsindikator, sondern auf empirisch prüfbare Kreuzungsanalysen stützt. Diese Analysen würden bisher deutliche Grenzen zwischen verschiedenen Grundtypen anzeigen. Diese Grundtypen können der Familie, der Gattung oder der Art entsprechen. Die vereinfachte Basisdefinition lautet "Alle Individuen, die direkt oder indirekt durch Kreuzungen verbunden sind, werden zu einem Grundtyp gerechnet." Die exaktere Definition für den Begriff Grundtyp lautet: "Zwei Individuen gehören zum gleichen Grundtyp, wenn die Embryogenese eines Mischlings über die maternale Phase der Entwicklung hinausführt und eine koordinierte Expression von väterlichen und mütterlichen morphogenetischen Genen beinhaltet." Letztere definiert insbesondere, wie weit die Entwicklung des Empryos voranschreiten muss, um eine Grundtypzugehörigkeit feststellen zu können und die Behandlung von Spezialfälle wie Parthenogenese (vaterlose Befruchtung).
"Kreationistischer Stammbaum von Oben"
Die Aufspaltung in die heute bekannten Rassen sei durch Abspaltungen von Teilpopulationen aus einem gemeinsamen ursprünglichen Genpool entstanden. Dies könne Rassebildungen und auch einige Artbildungen (z.B. Darwinfinken, Bergwerkshaltenpflanzen) auf Basis mendelscher Vererbungslehre erklären. Hierbei sei der Teilgenpool (rn) der Rasse (Rn) gegenüber dem Ausgangsgenpool verarmt, was die Kreuzbarkeit der verschiedenen Rassen untereinander einschränken kann. Es könnten durchaus über die Ausgangspopulation (g) Kreuzungsbrücken erhalten bleiben. Rassen (und deren Genpools) könnten sich wieder teilen, so wie im Schema die Aufspaltung von den Rassen R1 in R11 und R12 angedeutet ist.
Die Grundtypenhypothese gilt nicht als wissenschaftlich anerkannt, da sie keine überprüfbare Erklärung für Herkunft der Grundtypen bietet und das Rasiermesserprinzip verletzt. Zudem ist die Grundtypenhypothese nur eine Abwandlung der bereits früher entwickelten und ähnlich kontrovers diskutierten Cosmic-Ancestry-Hypothese (Panspermie) und der Gaia-Hypothese.
Das Grundtypenmodell ist ein relativ neuer Aspekt des Kreationismus, für den die Kreationisten noch keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben. Sie betrachten es zunächst als ein hypothetisches Arbeitsmodell, das durch nähere Untersuchungen noch zur Bestätigung, Revision oder Verwerfung geführt werden muss.
Kontroversen zwischen Kreationismus und Evolutionstheorie
Da Kreationisten sich nicht auf einen naturwissenschaftlich akzeptierten Schöpfungsglauben beschränken, sondern ihr Weltbild als "wissenschaftlich überprüfbar" propagieren, tritt der Kreationismus in direkte Konkurrenz zur Evolutionstheorie. Da es aus Sicht der Mehrheit der Naturwissenschaftler keine Hinweise auf die Richtigkeit des kreationistischen Weltbildes gibt, wird dieses als (bereits widerlegte) Hypothese bezeichnet. Die Evolutionstheorie hingegen beinhalte eine so große Zahl von empirisch und deduktiv belegten Hypothesen und könne in so viele etablierte Theorien widerspruchsfrei integriert werden, dass sie selbst als "Theorie" bezeichnet wird. Kreationisten wiederum verweisen auf die (aus Sicht der Mehrheit der Naturwissenschaftler stetig schrumpfende und schon jetzt unbedeutende) Menge ungelöster Detailfragen und bezweifeln auf dieser Basis teilweise das Gesamtkonzept der Evolution (Junge-Erde-Kreationisten), teilweise speziellere Annahmen der Evolutionstheorie (ID).
Da jede Form des Kreationismus den Eingriff eines übernatürlichen Wesens (Gott oder "Designer") voraussetzt, hat eine Person, die die Richtigkeit des Kreationismus bzw. des Intelligent Designs darlegt, Anspruch auf ein Preisgeld von einer Million Dollar, welches vom amerikanischen Skeptiker James Randi ausgesetzt wurde.
Hauptkonfliktfelder
Die Gegensätze zwischen Kreationismus und dem naturalistischen Weltbild subsumieren jeweils eine breite Palette von Hypothesen für die Entwicklung des Lebens auf der Erde und stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar:
- Das gesamte Dasein entstand in sechs Tagen und war am siebten vollendet (Kurzzeitkreationismus). - Das Universum begann vor etlichen Milliarden Jahren und ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht "fertig" (naturalistisches Weltbild)..
- Alle Grundtypen von Lebewesen entstanden unmittelbar aus dem Schöpfungswillen eines Gottes (Kreationismus). - Das Spektrum der Arten hat sich in einem langen Entwicklungsprozess durch Fortpflanzung der besser Angepassten und Aussterben der schlechter Angepassten aufgefächert. Hinter dem allgemeinen Gesetz ist kein "Wille" erkennbar (naturalistisches Weltbild). (Die Zusammenfassung der Lebewesen zu Arten ist in Evolutionstheorie und Kreationismus unterschiedlich.)
- Der Mensch ist Gott ebenbildlich und herrscht über die Schöpfung im Sinne eines Hüters der Schöpfung (Kreationismus). - Der heutige Mensch ist ein Zwischenergebnis der Evolution, nicht ihr Abschluss. Er war bisher beispiellos erfolgreich, doch kann sein Erfolgsmodell kippen. Er kann aber auch in eine neue, selbstgesteuerte Evolutionsphase übergehen (naturalistisches Weltbild).
Kreationisten bringen lange Listen von Argumenten vor, die ihrer Meinung nach gegen Evolution sprechen. Unten sind einige Beispiele für kreationistische Argumentationen genannt, die nach Meinung von Wissenschaftlern (Evolutionsbiologen, Physiker, Chemiker, Geologen, etc.) folgende Merkmale gemeinsam haben:
- Sie stützen oft nicht direkt den Kreationismus, sondern streben eher danach, bestimmte naturwissenschaftliche Theorien im Allgemeinen und/oder die Evolutionstheorie im Besonderen anzugreifen.
- Sie sind entweder widerlegt (siehe beispielsweise "Ursuppe"), aus dem Zusammenhang gerissen (siehe beispielsweise "Erdalter") oder unfalsifizierbar und damit pseudowissenschaftlich (siehe beispielsweise "Erdmagnetismus").
Kreationisten wenden ein, dass man eine Theorie nicht an deren unfähigsten Vertretern messen solle, von außerhalb wird jedoch kritisiert, dass diese "unfähigen Vertreter" toleriert würden und keine ausreichende Differenzierung des Begriffs "Wissenschaft" stattfände. Sie weisen nicht nur auf die angeblich vielfach mangelnde Falsifizierbarkeit von evolutionstheoretischen Erklärungsansätzen hin, sondern auch darauf, dass der kritische Rationalismus die Annahme der Existenz eines Schöpfers methodisch ausschließe und daher Falsifizierbarkeit für die Beantwortung der betrachteten Fragestellung ein nur bedingt zweckmäßiges Kriterium sei. Außerdem sei selbst im kritischen Rationalismus eine einzelne Falsifikation nicht als Gegenbeweis für eine gesamte Theorie zu betrachten.
Fossilien und Artbildung
Evolutionskritik/Kreationismus
Evolutionskritiker weisen darauf hin, dass es trotz der großen Variationen von verschiedenen Gruppen keinen Fund gäbe, der die Überbrückung zwischen ihnen fülle. Von Evolutionsbiologen als wichtig bezeichnete Übergangsformen werden von ihnen teilweise abgelehnt, weil sie nur schwache Beweiskraft hätten. Der Rahonavis z.B. sei trotz seiner deutlich saurierartigen (primitiven) Merkmalen etwa 60 Millionen Jahre jünger datiert als die ersten bereits flugfähigen Vögel und sogar 80 Millionen Jahre jünger als Archaeopteryx. Der eigentliche von der Evolutionstheorie vorhergesagte Übergang zwischen Sauriern und Vögeln müsse demnach mindestens 60 Millionen Jahre vor Rahonavis stattgefunden haben. Rahonavis sei daher zu seiner Zeit eher ein lebendes Fossil gewesen als ein Mitglied der Gründerpopulation, die sich zu Vögeln entwickelt hat. Weiterhin unvorteilhaft sei das unvollständige Skelett [2]. Die Wissenschaftlerin Catherine Forster, die den Fund bearbeitete, meinte dazu: "Wir können nur durch den Fund eines kompletten Skeletts die letzten Zweifel an der Identität unseres Urvogels ausräumen." [3]
Kreationisten schließen sich diesen Einwänden an und ziehen für sich den Schluss, Fossilien wie der Archaeopteryx stellten keine Übergangsformen dar, sondern seien Exemplare eines eigenen "Grundtyps". Diese "Grundtypen", zwischen denen die archäologischen Funde unüberbrückte Grenzen definierten, können je nach Umfang mit dem biologischen Begriff der Familie, Gattung, oder Art zusammenfallen. Auch im Laborumfeld beobachtete Artbildungen würden bisher nicht diese Definition des Grundtypus überschreiten.
Desweiteren wenden Evolutionskritiker ein, viele Endemismen (geographisch begrenzte Artvorkommen), die in der Evolutionstheorie als Beleg für Entstehungszentren betrachtet würden, verlören durch fossile Funde der Art an weit entfernten Orten ihre Beweiskraft (z.B.: Ameisenbären nur Südamerika, fossil auch in Deutschland oder Krallenfrösche nur in Afrika und fossil auch Brasilien).
Es wird auch kritisiert, fehlende Übergangsformen zwischen den großen Gruppen würden in der Evolutionsthreorie durch kleine Gründer-Populationen erklärt. Kreationisten merken diesbezüglich an, dass kleine Populationen innerhalb der "Grundtypen" dagegen häufig fossil überliefert seien. Im Rahmen des Punktualismus-Modells würde von Evolutionsbiologen die weitgehende Unauffindbarkeit von Übergangsformen zwischen den Arten erklärt, was die zu erwartenden paläontoligischen Funde in der Evolutionstheorie den tatsächlichen Funden angleiche. Evolutionskritiker sind der Meinung, eine Falsifizierung der Evolutionstheorie durch paläontologische Funde werde durch derartige Theoriebestandteile nahezu unmöglich gemacht.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die "kambrische Explosion des Lebens". Die hochdifferenzierten Gestalten, die sich aus dem Fossilbericht ablesen ließen, sind nach Meinung der Evolutionskritiker schwer mit der Evolutionstheorie vereinbar. Die Erklärung der Evolutionstheoretiker, die präkambrischen Vorläuferformen seien nicht fossil überliefert, weil sie zu fragil waren, sei unwahrscheinlich, da sogar fossile einzellige Organismen und Algen aus dieser Zeit gefunden wurden. Cyanobakterien-artige Organismen wurden fossil in 3,5 Mrd. Jahre alten Gesteinen (z.B. Apex Chert von Westaustralien) gefunden und unterschieden sich kaum von jungen Ablagerungen. Das Kambrium begann vor 542 Millionen Jahren, womit ca. 85% der Lebensgeschichte auf diesem Planeten durch ein extrem langsames Evolutionstempo gekennzeichnet seien.
Evolutionstheorie
Eine Theorie zu dem Umstand, dass Fossilien gewisser gemeinsamer Vorfahren fehlen und lediglich deren enge Verwandte bekannt sind, biete das Punktualismus-Modell, das die Evolution nur im kleinen Maßstab als graduell, aber in mittleren Rahmen (Speziation) als sprunghaft, mit Phasen der Stasis beschreibt. Diese Theorie folge zwangsläufig aus der Populationsdynamik, da Evolution vor allem in kleinen Populationen erfolge und damit geringen Niederschlag in Fossilien finde. Evolutionstheoretiker behaupten zudem, wichtige Übergangsformen würden von Kreationisten ignoriert (Rahonavis), weil sie das Konzept der Übergangsform mit dem Konzept des gemeinsamen Vorfahren verwechselten - ein gemeinsamer Vorfahr sei nicht eindeutig zu identifizieren und zudem selten, eine Übergangsform als enger Verwandter eines gemeinsamen Vorfahren jedoch schon. Spontane Artbildung sei bei einem über mehrere Jahre isolierten Stamm der Art Drosophila paulistorum (einer Fruchtfliege) schon im Labor beobachtet worden (Dobzhansky, Pavlovyks, Nature 23, 1971), könne also sehr schnell erfolgen. Dem Einwand von Kreationisten, diese Artbildung stelle noch keine Überschreitung des Grundtyps dar, begegnen Evolutionstheoretiker mit dem Vorwurf, Kreationisten würden die angeblich unüberschreitbaren Grenzen zwischen Grundtypen immer wieder ad hoc an die ihnen bekannten Fakten anpassen, so dass sie nur ein Abbild des jeweiligen Wissens darstellten. Das Nichtvorhandensein lebender Zwischenformen sei kontingent und nicht zwangsläufig, wie man an den großen Mengen von Übergangsfossilien erkenne.
Die angebliche Unwahrscheinlichkeit der Existenz von Lebewesen ohne harte Bestandteile sei ein weiteres Beispiel für Missbrauch von Wahrscheinlichkeiten durch Kreationisten - das Auffinden von Fossil A garantiere selbstverständlich nicht das Auffinden von Fossil B, denn Fossilisierung von Weichteilen sei ein seltener Vorgang, der bestimmte Bedingungen erfordert. Die selbsterklärte Unfähigkeit von Kreationisten, hochdifferenzierte Formen mit der Evolutionstheorie zu vereinen, ist nach Ansicht der Biologen keine Schwäche der Theorie, sondern eine Form des bei Evolutionsleugnern sehr beliebten Argumentum ad ignorantiam.
Chemische Evolution
Evolutionskritik
Evolutionskritiker verweisen auf die ihrer Meinung nach geringe Aussagekraft von "Ursuppenversuchen", bei denen sich zunächst Aminosäuren und aus diesen Proteine gebildet haben sollen. So wären bisher nur 14 der 20 in Lebewesen vorkommenden (essentielle, proteinogene) Aminosäuren überhaupt in einem einzigen Versuchsaufbau synthetisiert worden. In den simulierten Umgebungen stünde ein hoher Anteil monofunktionaler Aminosäuren einer Höherentwicklung zu Proteinen entgegen. Das Verhältnis zwischen linkshändigen und rechtshändigen Aminosäuren entspräche nicht dem Verhältnis in der Natur. Die evolutionsgeschichtlich nachgelagerten Proteinsynthese-Experimente seien dabei von zu den Aminosäuresynthese-Experimenten deutlich verschiedenen Umweltbedingungen ausgegangen oder hätten von monofunktionalen Aminosäuren befreite "Ursuppe" verwendet. Es hätten sich zudem nicht die gewünschten Proteine (lineare Ketten) gebildet, sondern Proteinoide (dreidimensional vernetzte Moleküle), die die Aufgabe eines Proteins nicht besser als Metallionen erfüllen und sich vor allem nicht in den Code-gesteuerten Zellstoffwechsel integrieren ließen.
An einer anderen Kategorie von "Ursuppenversuchen" wird kritisiert, dass die zur Bildung von Nukleinsäuren (RNA und DNA) notwendigen Bausteine Zucker und Stickstoffbasen mit ihrer geringen Halbwertszeit von maximal 44 bzw. 100 Jahren in geologischen Zeiträumen praktisch nicht zur Verfügung stünden. Das für die Zuckersynthese als wichtig eingestufte Formaldehyd hemme zudem die Synthese von Adenin aus Cyanwasserstoff (HCN) wirksam. Die oftmals hohen Ansprüche an die präbiotische Umwelt (z.B. periodisch trockenfallende Lagunen) ließen weitere Zweifel aufkommen, da das Vorhandensein wechselnder Umweltbedingungen den Zerfall anderer notwendiger Komponenten beschleunige. Wiederum seien bei einigen Experimenten optimierte Ausgangsgemische verwendet worden, deren natürliche Entstehung die Evolutionskritiker unter präbiotischen Bedingungen nicht nachvollziehen können.
Verbreitete Vorkommen von Karbonaten zeugen von einer CO2-haltigen Atmosphäre. Vorkommen von Sulfaten und Eisenoxiden in den Schichten der Aldan-Zeit lassen auf freien Sauerstoff schließen. Dies widerspräche der in Ursuppenexperimenten häufig postulierten reduzierenden Atmosphäre, sondern lege eine neutrale bis leicht oxidierende Atmosphäre nahe.
Schließlich meinen Evolutionskritiker, die Wahrscheinlichkeit, dass sich die richtigen Stoffe, in der richtigen Reihenfolge (und nicht mit irgendwelchen anderen Verbindungen eingegangenen), auf entsprechend kleinem Raum zusammenfänden, sei gering. Frieder Meis berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendein Protein mit 100 Aminosäuren aus den in Laborversuchen gewonnen mono- und bifunktionelle Aminosäuren bildet, mit ca. 10-76. Siegfried Scherer berechnet die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines bestimmten Proteins unter Idealbedingungen (alle 20 essentiellen Aminosäuren reichlich vorhanden) mit ca. 10-130.
Evolutionstheorie
Die Argumente bezüglich der unvollständigen Synthese von "Lebensbausteinen" betrachtet die Evolutionstheorie als am Thema vorbei - natürlich sei bei so einfachen Experimenten kein besseres Ergebnis zu erwarten, sondern bereits dieses Ergebnis sei eine positive Überraschung gewesen. Das derzeitige einseitige Verhältnis zwischen linkshändigen und rechtshändigen Aminosäuren sei durch genetische Drift einfach zu erklären.
Astrobiologen weisen darauf hin, dass in Meteoriten und sogar im interstellaren Raum inzwischen eindeutig komplexe organische Moleküle wie etwa Aminosäuren und andere Lebensbausteine nachgewiesen wurden. Es gäbe viele denkbare Modelle zur Entstehung von Leben, bei welchen die Scheinprobleme vermieden würden, die auf einer missbräuchlichen Anwendung von Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhten.
Außerdem gehen Wissenschaftler derzeit von einer primären RNA-Welt aus, wonach von einer reinen Neusynthese der Proteine aus Aminosäuren keine Rede sein könne: Erste Ribonukleinsäuremoleküle (ribonucleic acid, RNA) können sich selbst vervielfältigen. Nach dem Evolutionsprinzip setzten sich die stärksten durch, also die mit der höchsten Ablesegenauigkeit. Später könnten aus der Sequenz der RNA als Matritze Proteine als lineare Aminosäureketten hergestellt worden sein. Dabei sollen zunächst nur wenige Aminosäuren beteiligt gewesen sein. Diese Proteine könnten sich jedoch aufgrund der höheren Vielfalt gegenüber den ersten Ribozymen - also RNA mit enzymatischer Aktivität - durchgesetzt haben, ein weiterer evolutionärer Selektionsschritt. Die DNA soll sich erst viel später als Speicherform entwickelt haben. Belegen ließe sich diese Theorie durch viele in der heutigen Welt existierende Funde. Dazu gehörten Ribozyme, die sich selbst spalten können und die Nukleotide, die Bausteine der DNA, würden nicht de novo synthetisiert also aus Aminosäuren, etc. sondern aus den entsprechenden RNA-Bausteinen. Dazu würde der Ribosezucker in allen in der DNA gefundenen Bausteinen zu Desoxyribose reduziert. Nur die RNA-Bausteine würden de novo synthetisiert. Damit entbehrten die Berechnungsversuche von Kreationisten einer realen Grundlage - sie widerlegten lediglich Strohpuppentheorien.
Zudem müsste auch das Anthropische Prinzip bei wissenschaftlichen Erklärungversuchen des Lebensursprungs notwendigerweise in Betracht gezogen werden, da es zu einer Voreingenommenheit der Beobachtungen führt. Die Beobachtung, dass auf der Erde Leben entstanden ist und dass das Universum für Leben geeignet ist, ist keine statistisch unabhängige Beobachtung, da sie die Existenz eines lebenden Beobachters bereits voraussetzt. Allein deswegen seien kreationistische Argumente über Wahrscheinlichkeiten zum Scheitern verurteilt, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, dass auf einem konkret gegebenen Planeten Leben entsteht, tatsächlich sehr klein sein sollte. Dazu müsste erst gezeigt werden, dass das Universum eine bestimmte Größe nicht überschreitet, und dass Vielweltenmodelle prinzipiell ausgeschlossen werden können. Beides ist gegenwärtig nicht möglich. Astronomische Beobachtungsdaten sind gegenwärtig sogar am einfachsten mit einem unendlichen Universum zu erklären, zumindest kann gegenwärtig bestenfalls eine untere Grenze für die Größe des Universums angegeben werden. Vielweltenmodelle prinzipiell auszuschließen ist sehr schwierig oder sogar unmöglich.
Datierungsmethoden
Kreationismus
Junge-Erde-Kreationisten rechtfertigen ihre Überzeugung von einer jungen Erde unter anderem durch das Kritisieren der verschiedenen Datierungsmethoden, die sie als ungenau bezeichnen. Sie stellen die Postulierung von Ursprungszuständen und Umgebung grundsätzlich in Frage und sind der Meinung, es werde mit Idealbedingungen gerechnet. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Eichung der Datierungsmethoden oft an Proben erfolge, deren Alter durch das Evolutionsmodell mitbestimmt worden wäre.
Der Versuch, eine direkte Altersbestimmung von toten Organismen mit Hilfe von Kohlenstoffdatierungen (radiometrische Altersbestimmung) durchzuführen, beruhe beispielweise auf zum Teil unbeweisbaren Grundannahmen. Daher seien die so ermittelten Altersangaben keine tatsächlichen Werte, sondern "Modellalter", die nur relativ zur Auslegung und zu den Annahmen gültig wären. Es sollte nach Berechnungen die modernste dieser Messmethoden eine Altersangabe bis 100.000 Jahre liefern. Es könnten aber nur Alter bis zu 60.000 Jahre nachgewiesen werden.
Bezüglich der zur Altersbestimmung von Gesteinsschichten eingesetzten Kalium-Argon und der Uran-Blei-Methode weisen Kreationisten auf die verfälschenden Auswirkungen von Verschmutzungen, Aussickerungen und ungewissen Ausgangszuständen hin. Teilweise würden verschiedene Methoden deutlich verschiedene Daten messen. Bei der für den gleichen Zweck eingesetzte Rubidium-Strontium-Methode sei aufgrund der extrem hohen Halbwertszeit eine erhöhte Gefahr von Messfehlern gegeben.
Die Alte-Erde-Kreationisten, welche einen großer Teil der Kreationisten ausmachen, teilen diese Kritik nicht. Dazwischen gibt es viele Kreationisten, die keine genaue Position einehmen, jedoch einräumen, dass eine junge Erde insbesondere im Hinblick auf die Wahrung des Sparsamkeitsprinzips nur schwer erklärbar sei [4].
Naturwissenschaft
Physiker, Paläontologen und Geologen bezeichnen die Behauptungen bezüglich der Eichung der Datierungsmethoden als unhaltbar und aus der Luft gegriffen. Bezüglich der Kohlenstoffdatierung weisen Evolutionsbiologen darauf hin, dass die Radiokohlenstoffmethode gerade wegen ihrer bekannten Beschränkung auf wenige tausend Jahre von Paläontologen gar nicht angewandt werde (mit wenigen Ausnahmen, nämlich für sehr junge Fossilien, die noch organischen Kohlenstoff enthalten). Vor allem zur Bestimmung des Erdalters sei sie denkbar ungeeignet, dazu würden viele verschiedene Methoden wie zum Beispiel die U-Pb-Methode, Rb-Sr-Methode oder die Sm-Nd-Methode erfolgreich angewendet. Das maximale Alter, für die die Radiokarbonmethode eingesetzt werden kann, sei zudem nicht durch die Genauigkeit der Messapparaturen limitiert, sondern durch in den Proben in kleinen Konzentrationen vorhandenes Untergrund-Radiokarbon, welches nicht vom ursprünglich vorhandenen Radiokarbon zu unterscheiden ist aber aus anderen Quellen stammt (z.B. in-situ Produktion durch Zerfall langlebiger Radionuklide, nichtvermeidbare geringfügige Kontamination bei Probenentnahme und Aufbereitung usw.).
Verfälschungen der radiometrischen Datierungsmethoden durch Verschmutzungen oder sonstige Störungen des jeweiligen verwendeten Isotopensystems könnten durch Verwendung von Isochrondiagrammen (Drei-Isotopendiagrammen) oder - im Fall der U-Pb-Methode - eines Konkordia-Diagrammes zuverlässig ausgeschlossen werden. Im Fall des K-Ar-Systems stehe mit der 39Ar-40Ar Messtechnik sogar ein besonders ausgefeilte Technik zur Verfügung, mit der Verfälschungen ausgeschlossen werden könnten. Als Information über den Anfangszustand werde in radiometrischen Datierungsmethoden nur das Verhältnis von Tochter- zu Mutter-Isotop benötigt, das jedoch selbst wiederum mit Hilfe eines Isochrondiagrammes gewonnen werden könne.
Geeicht würden die radiometrischen Methoden durch Messung der Zerfallskonstanten der radioaktiven Elemente unter Laborbedingungen, wobei ausschließlich physikalische Gesichtspunkte angewendet werden. Besonders die Zerfallsraten des Urans seien sehr genau bekannt, da diese beispielsweise notwendig zur Planung und Betrieb von Kernkraftwerken seien.
Überlagernde Erdschichten
Kreationismus
Junge-Erde-Kreationisten behaupten, es seien Fossilien gefunden worden, die durch mehrere verschiedene Ablagerungsschichten hindurch lagen, obwohl viele Wissenschaftler diese Ablagerungsschichten in mehrere verschiedene Erdzeitalter eingeordnet hätten. ("Wie sollte der Schwanz eines Dinosauriers 100 Millionen Jahre lang aus der Erde ragen?") Diese Funde werden im Rahmen des Junge-Erde-Kreationismus als Hinweis auf eine irrtümliche Datierung der Erdschichten durch die Wissenschaft und als Hinweis auf eine Flutkatastrophe betrachtet (eine solche wird in der Bibel beschrieben).
Naturalismus
Paläontologen weisen darauf hin, dass solche Behauptungen in Kreationistenkreisen kursieren würden, und bei näherer Betrachtung nicht stichhaltig seien. Beispielhaft sei eine häufige Version die eines Wal-Fossils, das senkrecht durch mehrere Ablagerungschichten läge. In Wirklichkeit läge das entsprechende Wal-Fossil jedoch innerhalb einer Ablagerungschicht, die zur Zeit der Ablagerung horizontal gewesen und erst später durch geologische Prozesse etwa 50° aus der Horizontalen gehoben worden sei. Des weiteren seien plötzliche meterdicke Ablagerungen, etwa durch vereinzelte lokale Überschwemmmungen, auch kein Problem für die herkömmliche Paläontologie.
Wissenschaftlichkeit
Kreationismus
Kreationisten sehen den Kreationismus und die Evolutionstheorie als gleich zu wertende Weltanschauungen an. Sie behaupten, dass beide Entstehungsmodelle grundlegende Annahmen treffen müssten, die nicht falsifizierbar seien, ein Hauptkriterium für Wissenschaftlichkeit. Sie sind sich bewusst, dass sich ihre Grundannahme, das Leben sei von einer höheren Intelligenz erschaffen worden, dieser Falsifizierbarkeit entzieht. Das gleiche träfe aber auch auf Grundannahmen der Evolutionstheorie zu, wie Abiogenese oder die Reichweite mancher Evolutionsfaktoren. Dies wird von Naturwissenschaftlern mit dem Verweis auf Experimente bzw. Fossilien bestritten. Desweiteren wird betont, die Behauptung einer mangelnden Falsifizierbarkeit stünde im direkten Widerspruch zur Möglichkeit, überhaupt die Behauptung aufzustellen, die Evolutionstheorie sei widerlegt.
Außerdem wird in Bezug auf die Evolutionstheorie behauptet, dass dort immer wieder Diskrepanzen zwischen Vorhersagen und Beobachtungen durch Zusatzannahmen überbrückt werden, wie z.B. des Vorhandenseins langer Zeiträume oder des Punktualismus-Modells. Naturwissenschaftler halten dieses Vorgehen für zulässig und verweisen darauf, dass Kreationisten selbst ebenfalls so verfahren.
Beide Entstehungsmodelle werden als verschiedene Deutungsmöglichkeiten betrachtet, die auf unterschiedlichen Weltanschauungen basieren. Aufgrund dieser verschiedenen Weltanschauungen würden die tatsächlichen Beobachtungen interpretiert, was zu den unterschiedlichen Modellen führte. Weiterhin weisen sie darauf hin, der methodische Naturalismus mit dem Prinzip der Falsifizierbarkeit an sich sei umstritten. Insgesamt wird der Evolutionstheorie das Deutungsmonopol zur Entstehung des Lebens abgesprochen.
Wissenschaft
Aus der Sicht vieler Kritiker des Kreationismus ist dieser als Pseudowissenschaft einzuordnen. Als Hauptargument gilt, dass die Existenz eines übernatürlichen Schöpfers und sein Eingreifen in die Entstehung des Lebens nicht falsifizierbar und somit keine wissenschaftlichen Thesen sind. Weiterhin weisen sie darauf hin, dass auch Kreationisten beobachtete Widersprüche durch Zusatzannahmen überbrücken würden, einige die Inhalte der Bibel als wissenschaftliche Tatsachen ansehen würden und deshalb eine Diskussion wegen unterschiedlicher Begriffsvorstellungen schwer bis unmöglich sei.
Einige Wissenschaftler wehren sich offen gegen die Bezeichnung der Evolutionstheorie als Weltanschauung und die Vermischung des Naturalismus weltanschaulicher mit dem rein methodischer Art. Sie betonen, dass die Naturwissenschaft für ihre Theorien nur unter anderem den Anspruch der Überprüfbarkeit erhebt, nicht jedoch einen Wahrheitsanspruch.
Abgrenzung durch Fachbegriffe
Kreationisten weisen darauf hin, dass viele Fachbegriffe der Wissenschaft bereits eine - ihrer Meinung nach unbewiesene - Evolution als gegeben voraussetzen.
Kreationisten bezeichnen daher Übergangsformen gewöhnlich als Mosaikformen, weil die Vielfalt der in solchen Fossilien vorhandenen Merkmale eine durch den Begriff angedeutete, eindeutige Zuordnung von Vorfahren und Nachfahren sowie eine Klassifizierung als "höher entwickelte" oder "primitive" Spezies nicht erlaube.
Die (zum Teil aus der Zeit vor Darwin stammenden und veralteten) wissenschaftlichen Attributierungen "modern", "fortschrittlich", "höher entwickelt", "primitiv", "urtümlich", "Ur-", "Archae-", "Pro-", "Proto-" u.v.a. werden als implizite Voraussetzung einer Makroevolution und damit als nicht objektiv kritisiert. Hier einige Beispiele:
- Die Gruppierung von Organismen in Prokaryoten und Eukaryoten sei irreführend, da "pro-" (vor-) eine angeblich nicht belegte Makroevolution unterstelle.
- Archaeopteryx werde als "Urvogel" bezeichnet, obwohl er auch sehr "moderne" Merkmale habe.
- Der Bezeichnung von Organen als rudimentär (z. B. Wurmfortsatz des Blinddarm) unterstelle eine makroevolutionäre Entwicklungsgeschichte und gegenwärtige Mangelhaftigkeit.
In kreationistischer Literatur findet man daher "evolutionistisch" geprägte Begriffe in Anführungszeichen oder nach der Meinung der Kreationisten in neutraler Form.
Evolutionsbiologen weisen darauf hin, es sei üblich, Bezeichnungen für Arten und höhere Taxa möglichst konstant zu halten, um keine unnötige Verwirrung zu erzeugen. Basilosaurus z.B. sei ein Wal, trage aber dennoch weiterhin den irrtümlich vergebenen griechischen Namen für "Königs-Echse". Ideologische Bedenken außerwissenschaftlicher Minderheiten seien ein wesentlich geringfügigerer Grund solche Namen zu ändern als objektive Fehlbezeichnungen.
Politische Kontroversen
Die christliche Schöpfungslehre soll nach Ansicht von Kreationisten gleichberechtigt zu naturwissenschaftlichen Lehren wie Urknalltheorie und Evolutionstheorie im Schulunterrichtbehandelt werden. Bislang haben Kreationisten ihre stärksten politischen Erfolge in den USA verbucht; sporadisch sind jedoch auch in Europa kreationistische Tendenzen in der Politik zu finden.
US-Präsident George W. Bush hat sich im August 2005 dafür ausgesprochen, dass die Lehre vom "Intelligent Design" als gleichwertig mit der Evolutionstheorie in den Schulen im Fach Biologie gelehrt werden sollte, da es in öffentlichen Schulen der USA keinen Religionsunterricht gibt. Im US-Bundesstaat Kansas hat die Schulbehörde angeordnet, "Intelligent Design" gleichberechtigt neben der Evolutionslehre in den Schulen zu unterrichten. Daraufhin haben zwei bedeutende Wissenschaftsverbände, die Nationale Wissenschaftsakademie und der Nationale Verband der Lehrer von Naturwissenschaften das Urheberrecht für ihre Materialien zur Evolutionstheorie den Behörden in Kansas für die Verwendung in Schulbüchern entzogen.
Als weitere Reaktion auf diese Entwicklung hat Bobby Henderson die Religion des Fliegenden Spaghettimonsters erfunden, um zu verdeutlichen, dass Religion nicht Bestandteil von naturwissenschaftlichem Unterricht sein sollte.
Auch in Europa hat sich seit einigen Jahren eine erneute Kreationistendebatte etabliert, die vor allem von Pietisten und Evangelikalen getragen wird. Auch der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus, der selber römisch-katholisch ist, zeigt sich an einen Dialog mit Kreationisten interessiert. Ansonsten sind die Kreationisten in Europa aber wenig erfolgreich. So wurde 2003 Wolf-Ekkehard Lönnig, Biologe am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtung Köln und Zeuge Jehovas, untersagt, von der offiziellen Institutshomepage aus die Intelligent-Design-Idee zu bewerben, nachdem vor allem der Ameisenforscher Prof. Bert Hölldobler sowie der profilierte Pflanzenphysiologe und Vorsitzende der AG Evolutionsbiologie des Verbands deutscher Biologen (VdBiol), Prof. Ulrich Kutschera, gegen dieses Vorgehen protestierten. In Italien scheiterte im April 2004 nach Protesten ein Versuch, die Evolutionstheorie aus dem Lehrplan der Mittelstufe zu streichen. Kritiker brachten dies damit in Zusammenhang, dass in den Reihen der Regierungspartei Alleanza Nazionale gegen den Darwinismus als angebliche Grundlage linker Ideologie polemisiert wird. Kritiker sahen darin eine Förderung kreationistischen Gedankenguts. Die Regierung begründete ihren Vorstoß mit einer Straffung des Lehrplans und wies darauf hin, dass die Evolutionstheorie nach wie vor auf dem Lehrplan der Oberschulen stehe. Daneben sind es in Westeuropa vor allem junge Muslime oder muslimische Organisationen, welche die Evolution mit Augenmerk auf das Bildungswesen in Frage stellen. Dabei unterscheidet sich ihre Argumentation allerdings nicht wesentlich von der christlichen.
Kreationistische Tendenzen in der Bevölkerung
Die Darstellungen der Bibel, wonach das Universum, die Erde und das Leben vor etwa sechstausend Jahren von Gott erschaffen wurden, nimmt - nach einer Umfrage des Schweizer Meinungsforschungsinstituts IHA-Gfk - jeder Fünfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz wörtlich.
Etwa genauso viele stimmen der Ansicht zu, dass es zwar die Evolution gäbe, dass sie aber von Gott gesteuert werde. Eine Evolution, wie Darwin sie beschrieb, bei der Gott keine Rolle spielt, erkennt in Deutschland mit 46 Prozent fast jeder Zweite an, in Österreich knapp 41 Prozent, in der Schweiz jeder Dritte (33 Prozent).
Besonders polarisiert ist das Meinungsbild in den USA. Dort glauben laut einer Umfrage des Pew Forum on Religion and Public Life (2005) etwa 26 Prozent der Bevölkerung, dass sich das Leben über Jahrmillionen durch natürliche Auslese entwickelt habe. Dass ein höheres Wesen die Entwicklung der Lebewesen gesteuert hat, stimmen 18 Prozent zu. Während insgesamt 48 Prozent an eine Entwicklung der Lebewesen glauben, sind 42 Prozent der Ansicht, dass «die Lebewesen seit Anbeginn der Zeit in ihrer heutigen Form existierten». Außerdem befürwortet die Mehrheit der US-Amerikaner, dass in den Schulen beide Entstehungsmodelle nebeneinander gelehrt werden sollen.
Insbesondere die Faktoren Alter und Ausbildung bestimmen dabei die Einstellung der US-Amerikaner. So akzeptieren von den College-Absolventen etwa 40 Prozent die natürliche Auslese im Gegensatz zu 18 Prozent bei den Amerikanern ohne College-Ausbildung. Die Hälfte der Amerikaner mit einem Alter über 65 akzeptieren den Kreationismus, verglichen mit 37 Prozent bei den unter 30-Jährigen.
Vergleichstabelle
Naturalistische Evolution | Theistische Evolution | Intelligent Design | Alte-Erde Kreationismus | Junge-Erde Kreationismus | |
Überzeugung | naturalistische Weltanschauung | Deismus/Theismus | Theismus | Theismus | Theismus |
berühmte Verfechter | Carl Sagan, Richard Dawkins | Howard Van Till, Römisch-katholische Kirche |
Michael Behe, William Dembski |
Robert C. Newman, Hugh Ross, Zeugen Jehovas |
Werner Gitt, Siegfried Scherer, Reinhard Junker, Arthur Ernest Wilder-Smith |
Notwendigkeit von Wundern | Benötigt keine Wunder | Benötigt ein bis drei Wunder (Universum, Leben, Seele) | Benötigt mehrere Wunder (Schöpfungshandlungen des intelligenten Designers) | Benötigt viele Wunder | Benötigt viele Wunder |
Ursprung des Lebens und der biologischen Vielfalt | Abiogenese und Evolution | Schöpfungsbeginn und Makroevolution | verschiedene Meinungen | Schöpfungsbeginn und Mikroevolution | Schöpfungsbeginn und Mikroevolution |
Alter des Kosmos | mehrere Milliarden Jahre | mehrere Milliarden Jahre | keine offizielle Aussage | Mehrere Milliarden Jahre | einige tausend Jahre (Ergebnis der Berechnung des Alters der Erde, gewöhnlich auch des Kosmos, ausschließlich über Bibelstellen) |
Entstehung des Menschen | Entwicklung des Menschen aus nichtmenschlichem Leben. | Entwicklung des Menschen aus nichtmenschlichem Leben;
möglicherweise Schaffung der Seele |
Mitwirken eines intelligenten Designers bei der Entstehung des Menschen. | Erschaffung des Menschen mit Körper und Seele als besonderes Wesen, separate Schöpfung aller "Arten". | Erschaffung des Menschen mit Körper und Seele als besonderes Wesen, separate Schöpfung aller "Arten". |
die ersten Menschen | fließender Übergang | möglicherweise weder Adam noch Eva | keine offizielle Aussage | Adam und Eva | Adam und Eva |
Bedeutung des Genesis | Betrachtet Genesis als Mythos und für die Beurteilung der Wirklichkeit als irrelevant. | Betrachtet Genesis als Mythos, der geistliche Wahrheit vermittelt. | keine offizielle Stellungnahme | Betrachtet Genesis als historische Erzählung, die teilweise symbolische Sprache verwendet. | Betrachtet Genesis als historische Erzählung und nimmt sie wörtlich. |
Beziehung zwischen Wissenschaft und Theologie | Klammert Theologie aus und betrachtet sie als irrelevant bezüglich der von der Wissenschaft beschriebenen Wirklichkeit. | Trennt physikalische Wirklichkeit, mit der sich die Wissenschaft befasst, von geistlicher Wirklichkeit, mit der sich die Theologie befasst. | Fordert Öffnung der Wissenschaft in Richtung Zulässigkeit theologischer Begründungen. Verwendet den Begriff 'Wissenschaft' so als hätte eine solche Öffnung stattgefunden. | Fordert Unterordnung der Wissenschaft im Konfliktfall mit dem Wortlaut der als unfehlbar betrachteten Bibel. | Sieht keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und dem als unfehlbar betrachteten Wort der Bibel. Behauptet, Hypothesen über die Vergangenheit ließen sich nicht überprüfen und könnten daher nur vertrauensvoll geglaubt werden. |
Siehe auch
- Evolution
- Natürliche Theologie
- Pierre Teilhard de Chardin
- Schöpfungsglaube
- Schöpfungstheorie
- Fundamentalismus
- Intelligent Falling als satirische Kritik am Kreationismus
- Fliegendes Spaghettimonster als satirische Kritik am Kreationismus
Literatur
Kreationistisch
- Ashton, John F. (Hrsg.): Die Akte Genesis. Warum es 50 Wissenschaftler vorziehen, an die Schöpfung in 6 Tagen zu glauben. Berneck, Schweiz 2001, ISBN 3-85666-452-1
- Blechschmidt, Erich: Wie beginnt das menschliche Leben? Vom Ei zum Embryo. Stein am Rhein, 61989; ISBN 3-7171-0653-8
- Gitt, Werner: Am Anfang war die Information. Neuhausen/Stuttgart 21994, ISBN 3-7751-3702-5 (PDF)
- Gitt, Werner: Schuf Gott durch Evolution? Neuhausen/Stuttgart 61998, ISBN 3-7751-1391-6 (PDF)
- Hennen, Anna Maria: Die Gestalt der Lebewesen, Versuch einer Erklärung im Sinne der aristotelisch-scholastischen Philosophie. Würzburg 2000, ISBN 3-8260-1800-1
- Herbig, Jost und Hohlfeld, Rainer (Hrsg.): Die zweite Schöpfung, Geist und Ungeist in der Biologie des 20. Jahrhunderts. München/Wien 1990, ISBN 3-446-15293-8
- Junker, Reinhard und Scherer, Siegfried: Evolution – Ein kritisches Lehrbuch. Gießen 52001, ISBN 3-921046-10-6
- Ouweneel, Willem J.: Evolution in der Zeitenwende. Bielefeld: CLV, ISBN 3-89287364-X
- Vollmert, Bruno: Die Entstehung der Lebewesen in naturwissenschaftlicher Sicht. Darwins Lehre im Lichte der Makromolekularen Chemie. Weilheim 1991, ISBN 3-928273-05-1
- Wilder-Smith, Arthur Ernest: Die Naturwissenschaften kennen keine Evolution: experimentelle und theoretische Einwände gegen die Evolutionstheorie. Basel/Stuttgart 21978; ISBN 3-7965-0759-X
- Wilder-Smith, Arthur Ernest: Herkunft und Zukunft des Menschen. Basel/Stuttgart 1972; ISBN 3-9223-4989-7
Evolutionskritisch
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- Löw, Reinhard: Evolution und Erkenntnis – Tragweite und Grenzen der evolutionären Erkenntnistheorie in philosophischer Absicht. In: Herbig, Jost und Hohlfeld, Rainer (Hrsg.): Die zweite Schöpfung. Geist und Ungeist in der Biologie des 20. Jahrhunderts. S. 221–245, München / Wien 1990
- Zillmer, Hans-Joachim: Die Evolutionslüge. Die Neandertaler und andere Fälschungen der Menschheitsgeschichte. Langen Müller, München 2005, ISBN 3-7844-3026-0
- Zillmer, Hans-Joachim: Darwins Irrtum. Langen Müller, München 1998, 7. Auflage 2004, ISBN 3-7844-2709-X
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Weblinks
Kreationistisch und evolutionskritisch
- Genesisnet.info - Portal zu Evolution, Kreationismus und Schöpfungslehre
- Studiengemeinschaft Wort und Wissen - deutsche Kreationisten
- prominenter ID-Vertreter W.-E. Lönnig
- Das Discovery Institute - US-amerikanische Verfechter des "Intelligent Designs" (Englisch)
- True.Origin Archive (Englisch)
- Antworten aus dem Buch Genesis
- evolutionskritik.de
- das CreationWiki (Englisch, siehe auch CreationWiki)
- Institut für Kreation Forschung (Englisch)
Ausschließlich evolutionskritisch
Evolutionär und kreationismuskritisch
- AG Evolutionsbiologie beim Verband deutscher Biologen
- GWUP/Skeptiker
- Morphisto - Institut für Evolutionswissenschaften
- Evolution Sciences versus Doctrines of Creationism and Intelligent Design Ausführliches Link-Verzeichnis (in Englisch)
- Homepage von Reinhold Leinfelder
- Homepage von Martin Neukamm
- Homepage von Rudolf Öller
- Homepage von Thomas Waschke
- Talkorigins.org Archive - Exploring the Creation/Evolution Controversy
Spezielles kreationismuskritisches
- Die Kreationisten: pseudowissenschaftliche Evolutionsgegner mit biblischem Hintergrund
- Kreationismus und Intelligent Design
- Wie man mit Argumenten gegen Evolution umgehen sollte
- GWUP-Themeneintrag zum Kreationismus
- 15 Argumente gegen Kreationismus
- Telepolis-Artikel zum Thema:
- Der Kreationismus und die USA
- Und die Erde ist doch eine Scheibe (Serie Teil 1)
- Die total komplexe Mausefalle (Serie Teil 2)
- Die Farben der Vernunft (Serie Teil 3)