Marktwirtschaft

Wirtschaftssystem
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Marktwirtschaft bezeichnet die Organisationsform eines arbeitsteiligen Wirtschaftssystems, dessen bedeutendster Aspekt das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage auf freien Märkten ist.

Die Marktwirtschaft grenzt sich damit von der Subsistenzwirtschaft ab, bei der die Produktion nur direkt für den eigenen Bedarf und nicht zum Zweck des Austausches stattfindet.

Elementar für eine hoch entwickelte Marktwirtschaft ist ein funktionierendes Tauschmittel (Geld), welches den indirekten Austausch von Waren und Dienstleistungen (Ware gegen Geld, Geld gegen andere Ware) gegenüber einem einfachen Tauschhandel (Ware gegen andere Ware) erst ermöglicht..

Im Gegensatz zur Planwirtschaft (Zentralverwaltungswirtschaft) plant in der Marktwirtschaft jedes Wirtschaftssubjekt prinzipiell für sich selbst. Produktion wie Konsum werden dabei über den Markt gesteuert. Der freie Marktzugang für Konsumenten und Produzenten ermöglicht durch Wettbewerb und freie Preisbildung eine effiziente Allokation (Verteilung) von Gütern und Ressourcen. Strittig ist, ob dies auch zu einer optimalen Allokation der Produktionsfaktoren führt.

Geschichte der Marktwirtschaft

Im Mittelalter hatte sich am Rande einer agrarischen Naturalwirtschaft eine effiziente, regional ausgerichtete Marktwirtschaft entwickelt. Der Austausch der von Handwerkern gefertigten Produkte erfolgte auf einem durch Körperschaften (Zünften, Räten etc.) organisierten und durch persönliche Beziehungen geprägten Markt. Diese Körperschaften »planten« das Marktvolumen, indem sie die Zahl der Produzenten strikt begrenzten. So sollte ein Gleichgewicht von Produktion und Konsumation gewährleistet werden. Diese Regulation bezog sich auch auf die Produktionsmethoden, Werkzeuge und deren technische Innovation. In dieser regulierten Marktwirtschaft gab es keinerlei Platz für Konkurrenz.

Die heutige kapitalistische Form der Marktwirtschaft entstand zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. Im Absolutismus bildete sich ein moderner Territorialstaat heraus, für dessen bürokratische und militärische Bedürfnisse eine Expansion der Geldwirtschaft notwendig wurde. Im Außenhandel sollten die für den zentralen Staat notwendigen Geldüberschüsse erwirtschaftet werden. Der Merkantilismus versuchte deshalb die durch Zünfte stark regulierten lokalen Märkte für den entstehenden Weltmarkt aufzulösen. Zunehmend wurden die für lokale Märkte produzierenden Handwerker und Kleinbauern der anonymen Konkurrenz überregionaler, weltweiter Märkte unterworfen.

Formen der Marktwirtschaft

Kapitalistische Marktwirtschaft

Die Begriffe Marktwirtschaft und Kapitalismus werden oft synonym verwendet, bezeichnen aber nicht unbedingt das Gleiche. Märkte gab es schon lange vor der Entstehung der kapitalistischen Marktwirtschaft. Außerdem gibt es andere Formen als die sozialistische Marktwirtschaft. Manche betrachten es auch so: während der Begriff der Marktwirtschaft sich auf den Gütertausch auf einem freien Markt unter Wettbewerb (Konkurrenz) konzentriere, ziele der Begriff des Kapitalismus auf Wirtschaftswachstum und Gewinnmaximierung für einzelne Marktteilnehmer. Andere verweisen darauf, dass beide Phänomene fast immer gemeinsam auftreten. Es werden auch Marktwirtschaftsmodelle ohne kapitalistische Einflüsse, wie zB in der Freiwirtschaft, propagiert.

Freie Marktwirtschaft

Bei der freien Marktwirtschaft, deren Prinzip von Adam Smith (1723-1790) beschrieben wurde, bestimmen lediglich Angebot und Nachfrage die Wirtschaftstätigkeiten. Smith ging vom Menschenbild des sogenannten homo oeconomicus aus, nach dem jeder Mensch nur seinen Nutzen verfolgt. Die unsichtbare Hand des Marktes würde daraus einen Nutzen für das gesellschaftliche Ganze und einen Ausgleich zwischen knappen Gütern und grenzenlosen Bedürfnissen entstehen lassen.

Smith begründete diese Wirtschaftsform wie folgt:

1. Jeder soll die Freiheit haben, selbst Unternehmen zu gründen.

2. Diese Unternehmen nützen sowohl dem Gründer, da er sein Privateigentum vergrößern kann, als auch der Wirtschaft, da das Produkt des jeweiligen Unternehmens genutzt werden kann, und Arbeit geschaffen wird (unsichtbare Hand).

3. Der Preis des Produktes ist gerecht, weil er durch Angebot und Nachfrage gesteuert wird und somit zu einer stabilen Wirtschaft beiträgt.

4. Die gegenseitige Konkurrenz der verschiedenen Unternehmer, trägt zur Verbesserung des Preis-Leistungsverhältnisses und der Qualität bei.

5. Um sein eigenes Produkt besser zu verkaufen, wird der Unternehmer automatisch versuchen, seine Produktion zu verbessern. Die Wissenschaft wird so vorangetrieben.

Gesellschaftliche beziehungsweise staatliche Eingriffe, bei der Angebot und Nachfrage gewissen Regeln unterworfen werden, finden nicht statt. Die freie Marktwirtschaft existiert in ihrer reinen Form nur in der Theorie.

Als weitere Grundlage für das Modell der freien Marktwirtschaft gilt die Theorie des rationalen Handelns von Max Weber. Den Handlungen des Menschen liegt ausschließlich ein Zweck-Mittel-Kalkül zugrunde.

Soziale Marktwirtschaft

Überblick

Zur Abgrenzung einer sozialverantwortlichen Form der Marktwirtschaft von seiner reinen Ausprägung wurde 1947 der Begriff Soziale Marktwirtschaft geprägt. Die Ökonomie der Bundesrepublik wird diesem Begriff zugeordnet. Unter Einbindung des Umweltschutzes prägten Josef Riegler und andere um 1986 den Begriff ökosoziale Marktwirtschaft - zwar noch wenig gebräuchlich, aber in seinen Inhalten als Leitlinie anerkannt.

Die soziale Marktwirtschaft (manchmal auch als Gegenstück zum "angelsächsischen" Neoliberalismus "Rheinischer Kapitalismus" genannt) wurde in den 1950er Jahren unter Konrad Adenauers Regierung durch Wirtschaftsminister Ludwig Erhard als Alternative zur damaligen Mehrheitsmeinung der CDU -Mitglieder, doch insbesondere zu dem von der SPD geforderten Sozialismus entworfen. Gleichzeitig wurde er auch in anderen Staaten entwickelt. Wichtige Schritte in Österreich waren beispielsweise Kartellverbote und Gesetze gegen unlauteren Wettbewerb.

Um 1960 war die zunächst heftige Kritik an der sozialen Marktwirtschaft versiegt. Die Marktwirtschaft hatte ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt, und die Devise "Wohlstand für alle" von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard schien keine Utopie mehr zu sein: Das enorme Wirtschaftswachstum der fünfziger Jahre ermöglichte zugleich die Eingliederung der Flüchtlinge, Heimatvertriebenen und Donauschwaben und den Ausbau der Sozialpolitik. Doch das nächste "heiße" Thema wartete schon: der (teilweise oder vermeintliche) Widerspruch zwischen Familien- und Frauenpolitik. Immerhin meinten Ende 1963 über 62 % der Deutschen, es ginge ihnen "im Moment am besten".

Geistige Väter der Idee waren Franz Oppenheimer und nach dem Zweiten Weltkrieg Alfred Müller-Armack, sowie der erste Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard. Während Armack eher der "Denker" war, musste Erhard innerhalb und außerhalb seiner eigenen Partei, der CDU, jahrelang für die Umsetzung der Idee einer nicht staatlich gelenkten Allokation von Waren und Dienstleistungen kämpfen - obwohl anfangs längst nicht alle Preise auf einmal freigegeben worden sind. Erhard hat die Idee der Marktwirtschaft insbesondere in seinem Werk "Wohlstand für alle" propagiert.

Karl von Vogelsang (1818 - 1890) hat als einer der wichtigsten Sozialreformer der Gründerzeit die christliche Soziallehre geprägt, während fast gleichzeitig die sozialistische Bewegung den "Dritten Weg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus entwickelte (erste Parteigründungen England 1883 Hyndman, Deutsches Reich Bebel und Liebknecht 1869/75).

Ansätze der sozialen Marktwirtschaft gehen auf den Kathedersozialismus (siehe Verein für Socialpolitik und Historische Schule) zurück.

Wesentliche Namen sind Adolph Wagner, Gustav von Schmoller und besonders Lujo Brentano, sowie außerhalb dieser direkten Tradition Wilhelm Röpke.

Interpretation von "sozial"

Das Adjektiv "sozial" wurde und wird unterschiedlich interpretiert: Erhard ging - ganz im Sinne von Adam Smith und den Nationalökonomen des 19. Jahrhunderts - davon aus, dass Marktwirtschaft immer sozial wäre, da eigennütziges Handeln des Einzelnen zur Steigerung des Gemeinwohls führe; 'soziale Marktwirtschaft' wäre demnach ein Pleonasmus.

Adenauer ließ aus politischen Gründen den Begriff 'freie Marktwirtschaft' zugunsten des Begriffs 'soziale Marktwirtschaft' fallen und benutzte die Instrumente der Umverteilung (Steuerprogression, Sozialversicherungssystem, Sozialhilfe, sozialer Wohnungsbau) als Argumente für das 'Soziale' in der bundesdeutschen Wirtschaftsform. So sollte die damals weit verbreitete Forderung nach einer - angeblich sozialeren - "planwirtschaftlichen" Wirtschaftsform (richtiger: Zentralverwaltungswirtschaft, analog zur DDR) entkräftet werden.

Kritik am Begriff der 'sozialen' Marktwirtschaft übte von nicht-sozialistischer Seite insbesondere Friedrich A. Hayek, der vor allem im Begriff 'sozialer Rechtsstaat' einen inneren Widerspruch sah.

Während die Praxis der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland weitgehend unumstritten ist und mit der Sozialstaatsgarantie ihren Niederschlag im Grundgesetz gefunden hat, bestehen gravierende Unterschiede in der Auslegung von Begriff und Zielsetzung einer so benannten Wirtschaftsform. Wiederholt bricht beispielsweise der alte Streit zwischen Monetaristen und Keynesianern auf und findet seinen Niederschlag auch in der Berufung oder Nichtberufung von Wirtschafts-Wissenschaftern in die Kreise der so genannten Wirtschaftsweisen.

Kritik

Die von Smith entwickelte theoretische Grundlage für die freie Marktwirtschaft mit dem Bild von der "unsichtbaren Hand des Marktes", die aus den egoistischen Handlungen des Einzelnen automatisch das Beste für den allgemeinen Wohlstand erzeugen würde, wird angezweifelt. Smiths Theorie sei ein Modell und damit eine unvollständige Abbildung der Wirklichkeit. Auch der Soziologe Max Weber gestand selbstkritisch ein, daß seine Theorie des rationalen Handelns ein Modell sei, das die Wirklichkeit nur verkürzt darstellen könne.

Als Hauptkritikpunkte werden angeführt:

  • Die Marktwirtschaft kann zu Kartellen und Monopolbildungen führen. Diese Wettbewerbsbeschränkungen verhindern die idealisierend angenommene perfekte Ressourcenallokation. Als Gegenmaßnahmen installieren Staaten Aufsichtsbehörden und erlassen Kartellgesetze
  • externe Faktoren, zum Beispiel verschmutzte Luft, fließen nicht in das marktwirtschaftliche Preissystem ein. Güter, die die Umwelt schädigen, werden daher zu billig produziert. Die freie Marktwirtschaft bietet keine Anreize zum Schutz der Umwelt.
  • in der Zukunft sich auswirkende Handlungen werden nicht ausgeführt (warum soll ich einen Baum pflanzen, der erst in 100 Jahren auf den Markt gebracht werden kann) (Nachhaltigkeit).

Man spricht in diesem Zusammenhang von Marktversagen. Die Hauptaufgabe eines Staates ist es nun, Marktversagen zu verhindern. Gelingt dies nicht im gewünschten Maß, so spricht man von Staatsversagen.

Schon Jeremy Bentham und seine Nachfolger haben solche Einschränkungen erkannt. Der an sich liberal eingestellte Utilitarist Bentham entwickelte aus sozialen Gründen den felicific calculus. Diese Philosophie beruht auf der Grundlage, dass das größte zu erreichende Gut dasjenige wäre, welches zum "größtmöglichen Glück für die größtmögliche Zahl" führt (greatest happiness for the greatest number). Der praxisnahe Sozialreformer schränkte allerdings später das zweite Prinzip zum greatest happiness principle ein.

Siehe auch

Literatur