Streit um den Namen Mazedonien
Der Namensstreit zwischen Griechenland und der Republik Mazedonien um den Staatsnamen der Republik Mazedonien schwelt seit der staatlichen Unabhängigkeit der Republik Mazedonien 1991. Im weiteren Text wird die Republik Mazedonien kurz Mazedonien genannt. Neben dem Namensstreit gibt es auch einen Symbolstreit mit Griechenland.
Argumente Griechenlands
Von 1944 bis 1991 gab es innerhalb der SFR Jugoslawien die Teilrepublik Mazedonien. Gegen diese Bezeichnung der südlichsten jugoslawischen Teilrepublik erhob Griechenland bereits damals Einspruch. Als die Teilrepublik Mazedonien 1991 seine Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärte (Zerfall Jugoslawiens) und historische Namen und Symbole (Die Sonne der Stadt Vergina) benutzte, die hellenistisch sind, protestierte die griechische Regierung. Griechenland verweigerte die diplomatische Anerkennung des neuen Landes.
Folgende Punkte werden von griechischer Seite beanstandet:
- Der Name: Makedonien ist ein griechischer Name, der bereits für die griechische Provinz oder Region Makedonien verwendet wird. Der Name hat einen griechischen Ursprung. Slawische Stämme erschienen in der Balkanregion erst im 6. Jahrhundert n.Ch. - und Mazedonier sind Slawen.
- Die Flagge Mazedoniens: der sechsstrahlige Stern von Vergina (Vergina Sonne) war ein Symbol des antiken Makedonischen Staates. Griechenland betrachtet sich als alleiniger Erbe dieses Staates und die Benutzung dieses Symbols durch die "Republik Mazedonien" als missbräuchlich. Das Symbol des Sterns von Vergina wurde 1978 bei archäologischen Ausgrabungen in Griechenland entdeckt. In der griechischen Provinz Makedonien ist eine Flagge mit dem Stern von Vergina in Gebrauch, und zwar in Gold auf blauem Grund. Diese Flagge hat jedoch keinerlei offziellen Status in Griechenland. Des Weiteren benutzt die Erste griechische Armee das Symbol auf einem Schild in ihrer Fahne.
- Die Verfassung der "Republik Mazedonien": In Artikel 49 wird erklärt, dass sich die Republik für den Status und die Rechte der Mazedonier in den Nachbarländern einsetzt, einschließlich der ehemaligen mazedonischen Volksgruppen (Expatriats). Dieser Artikel verpflichtet Mazedonien, alle Mazedonier in ihrer kulturellen Entwicklung zu fördern und ihre Bindungen an die alte Heimat zu fördern.
Griechenland interpretiert dies als Ermutigung zum Separatismus gegenüber seiner Minderheit der mazedonischen Slawen. Es sieht für Griechenland wie ein Vorzeichen für potenzielle territoriale Ansprüche der "Republik Mazedonien" aus. - Die Slawischen Mazedonen argumentieren, Alexander der Große sei Mazedonischer König gewesen und somit ihr Ahn.
Trotz des Namenskompromisses FYR Mazedonien (siehe unten: Standpunkt der UNO) war Griechenland unzufrieden und verhängte im Februar 1994 eine Handelsblockade.
Die Sanktionen wurden 1995 nach Unterzeichnung einer vorübergehenden Übereinkunft aufgehoben, nachdem Mazedonien seine Flagge geändert hatte. Der Stern von Vergina wurde durch eine achtstrahlige Sonne ersetzt. Außerdem hatte die "Republik Mazedonien" ihre Verfassung geändert und erklärte nun ausdrücklich, dass sie keine territorialen Ansprüche gegenüber den Nachbarstaaten hat. In dieser Übereinkunft wurde die Namensfrage der neuen Republik offen gelassen.
Griechenland ist der Haupthandelspartner der "Republik Mazedonien". Griechische Firmen sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Land und tragen zum wirtschaftlichen Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei.
Unter der Obhut der UNO begannen beide Länder Verhandlungen über den endgültigen Namen. Trotz des UNO-Vorschlages für "Republik Mazedonien-Skopje" (siehe unten: Standpunkte der UNO und der EU) lehnen die meisten Griechen die Verwendung des Wortes Mazedonien zur Bezeichnung der Nachbarrepublik ab. Schon immer nennen sie das Nachbarland "Skopje" und seine Bewohner "Skopjaren" - nach der Hauptstadt des Landes (Skopje).
Der Antrag der "Republik Mazedonien" auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union (22. März 2004) öffnet eine neue Gelegenheit für die Beilegung dieses letzten offenen Problems zwischen den beiden Nachbarn. Auf der Sitzung des Stabilisierungs- und Assoziationsrates der EU mit der "Republik Mazedonien" (14. September 2004, Brüssel) hat die EU festgestellt, dass die Namensdifferenzen noch existieren und dazu aufgerufen eine gegenseitig akzeptable Lösung zwischen Griechenland und "Mazedonien" zu finden.
Argumente der Republik Mazedonien
Die Bezeichnung "Skopje" für die Republik Mazedonien - nach seiner Hauptstadt Skopje - wird von den Mazedoniern als herabwürdigend empfunden. Man nennt eine Stadt und meint ein Land - das ist ein schönes Beispiel für ein Metonym.
Die "Republik Mazedonien" hat freundschaftliche Beziehungen zum Ausland, fühlt sich aber seit der Unabhängigkeit 1991 in einen Namensstreit mit Griechenland verwickelt.
Griechenland behauptet, dass der Name Mazedonien erst um 1950 von Josef Broz Tito - dem sozialistischen Diktator Jugoslawiens - zur Bezeichnung für die südlichste Teilrepublik Jugoslawiens verwendet wurde. Das widerspricht aber dem tief im bulgarischen Sprachgebrauch verwurzelten Wort für Mazedonien und die bulgarischen Mazedonier.
Der Namensstreit bringt die Gefühle in beiden Nationen zum Kochen, aber in der Praxis gehen beide Länder dann doch pragmatisch miteinander um.
Die Mazedonier fühlen sich durch die Bezeichnung "FYROM" beleidigt. Aufgrund von Politischen Spannungen und zur Stabilisierung der Lage in "Mazedonien" hat die USA den Namen "Republik Mezadonien" diplomatisch anerkannt.
Standpunkt der UNO und der EU
Um einen Kopromiss zu erreichen, hat die UNO 1993 Mazedonien unter dem Namen "Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien" (Former Yugoslav Republic of Macedonia; FYR of Macedonia, FYROM) aufgenommen.
In der UN-Resolution 817 (1993) wird festgestellt, daß es Differenzen über den Staatsnamen gibt, die im Interesse der Aufrechterhaltung einer friedlichen und gutnachbarlichen Beziehung in der Region beigelegt werden müssen. Es sollte schnellstens zu einer Vereinbarung kommen und vertrauensbildende Maßnahmen sollten gefördert werden.
Die beiden Staaten sind übereingekommen, ihre Beziehungen zu normalisieren, aber der Staatsname bleibt eine Quelle für lokale und internationale Unstimmigkeiten. Eigentlich ist die Verwendung des Namens weiterhin umstritten.
Nachdem Mazedonien unter dem Namen FYROM in die UNO aufgenommen wurde, haben auch andere internationale Organisationen diese Namenskonvention übernommen. Darunter sind die EU, die NATO, das Internationale Olympische Komitee , die Europäische Rundfunkunion und andere.
Die meisten Diplomaten, die in Mazedonien akkreditiert sind, benutzen die Bezeichnung FYROM, wie beispielsweise die Vertreter Kanadas und Australiens.
Andererseits haben über 100 Länder Mazedonien unter den Namen Republik Mazedonien anerkannt, so wie er auch in der mazedonischen Verfassung steht. Dazu gehören: die USA (2004), Russland, die Volksrepublik China, das Nachbarland Bulgarien, das Nachbarland Serbien und Montenegro, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, die Türkei, die Ukraine, Weißrussland, Estland, Litauen, Iran, Pakistan, die Philippinen, Malaysia und andere.
Matthew Nimitz, der UN Sonderbeauftrage für Mazedonien, hat für offizielle Zwecke den Namen "Republik Mazedonien-Skopje" vorgeschlagen. Griechenland hat diesen Vorschlag zwar nicht direkt angenommen, ihn aber als eine Grundlage für weitere konstruktive Verhandlungen bezeichnet. Der mazedonische Premierminister Vlado Buckovski lehnte den Vorschlag ab und unterbreitete den Gegenvorschlag einer Doppelbenennung, wobei die internationale Gemeinschaft den Namen "Republik Mazedonien" verwendet, während Griechenland den Namen"Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien" verwendet.
Bisher wurde keine dauerhafte Einigung über den Namen der Republik erzielt.
Die Sicht Bulgariens
Das Nachbarland Bulgarien hat als erstes Land die Unabhängigkeit der Republik Mazedonien anerkannt. Bulgarien hat es jedoch abgelehnt, die Existenz einer separaten mazedonischen Nation und einer separaten mazedonischen Sprache anzuerkennen. Das führt bei der Vertragsunterzeichnung zwischen beiden Ländern zu einigen Komplikationen.
Bulgarien argumentiert, dass die mazedonische Sprache nur ein Dialekt der bulgarischen Sprache ist, und dass die mazedonischen Slawen Bulgaren sind. Bulgarien gibt den Slawen in der Republik Mazedonien das Recht, die bulgarische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Davon haben bisher ungefähr 10% der Berechtigten Gebrauch gemacht. Ein großer Teil der bulgarischen Bevölkerung glaubt, dass das Land Mazedonien, seine Bevölkerung, seine Traditionen und seine Sprache historisch gesehen bulgarisch sind.
Die Republik Mazedonien hat sehr gute Beziehungen zu Bulgarien auf politischem, wirtschaftlichem und militärischem Gebiet. Die Regierungen beider Länder arbeiten daran, die wirtschaftlichen Beziehungen zu vertiefen. Bulgarien unterstützt auch die Aufnahme Mazedoniens in die EU. Bulgarien hat der mazedonischen Armee Panzer, Kanonen und Militärtechnologie geschenkt.
Bulgaren und Mazedonier verstehen sich wegen der sehr ähnlich Sprache problemlos. Lediglich die Betonung und einige wenige Worte unterscheiden sich. Für deutsche Ohren ist es etwa so ein Unterschied wie zwischen Sächsisch und Bayrisch. Beide Sprachen verwenden das kyrillische Alphabet, was von Bulgaren mit als Argument für die Nähe der Spachen angeführt wird. Es sind die einzigen südslawischen Sprachen, die das kyrillisches Alphabet verwenden.
Bei den den Bulgaren spielen auch Erinnerungen an das längst vergangene Großbulgarien eine große Rolle. Knapp 10 % der ethnischen Mazedonier leben im Süd-Westen Bulgariens. Die bulgarische Provinz Blagoevgrad hieß füher Pirin-Mazedonien. Es gab noch nie nationalistische Vorurteile gegen die Mazedonier in Bulgarien, da sie als Bulgaren angesehen wurden, während es gegen die Romas starke nationalistische Gefühle gab.
1980 gab es mit dem damaligen Jugoslawien propandistische Auseinandersetzungen um den ethnischen Ursprung der Mazedonier. Dies war zur dieser Zeit erstaunlich, da es sich um befreundete sozialistische Länder handelte. Damals mußte sich Bulgarien propagandistisch gegen jugslawische Ansprüche auf die mazedonische Provinz Bulgariens wehren. Es handelte sich aber nur um lokale Propaganda über Radio und Zeitung, die international gar nicht wahrgenommen wurde. Bei diesen Spannungen wuden 1980 auch zwei bulgarische Angler von jugoslawischen Grenzsoldaten an einem Grenzbach erschossen.
Die Sicht Albaniens
Albanien verlangt die Wahrung der Rechte der ethnischen Albaner in der Republik Mazedonien, sucht aber ansonsten die regionale Zusammenarbeit.
Eskalation und Lösungsansätze
Es ist Griechenland gelungen, das von ihnen nur als „Republik Skopje“ bezeichnete Makedonien zu zwingen, im internationalen Verkehr stets den Zusatz „ehemalige jugoslawische Teilrepublik“ – also „FYR of Macedonia“ (FYROM) – zu verwenden. Um Mazedonien auch die Verwendung des sechzehnstrahligen altmakedonischen Sonnensterns in seiner Fahne zu verbieten, hatte Athen 1994 ein Wirtschaftsembargo verhängt und die für den Binnenstaat wichtigste Lebensader, die Handelsverbindung über Thessaloniki, blockiert. Eine Klage seitens der Europäischen Union und Mazedoniens wies der Europäische Gerichtshof überraschend ab – Skopje gab also nach und beschränkte sich 1995 auf eine einfache und nur achtstrahlige Sonne. Eine internationale Schiedskommission soll demnächst auch den Landesnamensstreit schlichten und hat alternative Staatsbezeichnungen vorgeschlagen: „Vardar-Republik“ – so bezogen auf Mazedoniens wichtigsten und einzigen schiffbaren Fluß – oder „Dardanien“ – bezogen auf jenes antike Nachbarvolk der antiken Makedonen, deren Hauptstadt schon damals Skopje gewesen war – oder einfach „Obermazedonien“. Griechenland favorisiert zwar weiterhin „Republik Skopje“ oder „Dardanien“, hat aber auch „Vardar-Mazedonien“ oder einfach „Nordmazedonien“ als Kompromiß angeboten.
Andererseits und trotz allem entwickeln sich die griechisch-mazedonischen Beziehungen (seit diesem „Kompromiß“) mehr als zufriedenstellend. Über den Rahmen des Grenzverkehrs bzw. –handels hinaus planen Athen und Skopje auch größere wirtschaftspolitische Kooperationen strategischer Bedeutung, die selbst über die bisherigen (durchaus umfassenden) Investitionen Griechenlands in Serbien-Montenegro und Mazedonien noch hinausgehen sollen. Die antimazedonische Propaganda ist in den letzten Jahren zwar abgeklungen, keinesfalls aber verschwunden.