Persönlichkeitsstörung

fehlangepasste Verhaltensmuster
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Personen mit Persönlichkeitsstörungen zeigen anhaltende und kaum veränderliche Verhaltensmuster, die starre Reaktionen auf unterschiedliche Lebenslagen bewirken. Sie unterscheiden sich von der Mehrheit der Bevölkerung durch deutliche Abweichungen im Bereich Wahrnehmung, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen. Dabei ist die persönliche und soziale Funktions- und Leistungsfähigkeit oft gestört.

Eine Persönlichkeitsstörung liegt nur vor, wenn ausreichend viele dieser Merkmale zutreffen und die Störung dauerhaft besteht. Eine Persönlichkeitsstörung beginnt bereits im Kindesalter oder in der Pubertät und dauert bis ins Erwachsenenalter an. Zu unterscheiden ist sie von einer Persönlichkeitsänderung, die erst im Erwachsenenalter erworben wird, etwa nach einer extremen Belastungssituation.

Persönlichkeitsstörungen werden entsprechend ihrem auffallendsten Merkmal unterteilt. Dabei können aber durchaus Überschneidungen vorkommen. Oft ist es selbst für den Fachmann schwierig, eine Persönlichkeitsstörung sicher zu diagnostizieren. Das rührt auch daher, dass Betroffene oft wegen Symptome wie Depression Hilfe suchen, die dann nicht richtig eingeordnet werden. Laien sollten daher allgemein sehr vorsichtig sein, bei anderen Menschen eine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren, auch weil bei der Lektüre diagnostischer Merkmale oft schnell, fälschlicherweise das Gefühl entsteht, seine Mitmenschen oder sich selbst darin zu erkennen. Des weiteren ist die richtige Zuordnung einer psychischen Störung ein intimer Einblick, mit dem entsprechend Vorsichtig umgegangen werden muss.


Ursachen

Über die Ursachen und die Entstehung von Persönlichkeitsstörungen herrscht derzeit keine einheitliche Vorstellung. Es herrscht auch kein Konsens darüber, was als Persönlichkeitseigenschaft zu klassifizieren ist und ab wann die Kriterien einer Störung erfüllt sind. Sowohl der Begriff "Persönlichkeit" als auch deren Störungen werden als Ergebnis komplizierter Wechselwirkungen aus Umwelt- und Anlagefaktoren gesehen.

Einteilung nach ICD-10

Die Einteilung von Persönlichkeitsstörungen kann nach unterschiedlichen Vorgaben geschehen, z.B. nach historischen Typologien oder medizinischen Klassifikationssystemen wie ICD-10 und DSM-IV.

Im Folgenden einige Einteilungen nach ICD-10.

Paranoide Persönlichkeitsstörung

Die paranoide Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.0) ist gekennzeichnet von tiefem Misstrauen, Streitsucht, dauerndem Groll, starker Selbstbezogenheit, ständiger Annahme von Verschwörungen, um Ereignisse zu erklären. Handlungen und Äußerungen anderer Personen werden häufig als feindlich oder verächtlich missgedeutet.

Schizoide Persönlichkeitsstörung

Die Schizoide Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.1) ist nicht mit Schizophrenie oder der schizotypischen Persönlichkeisstörung zu verwechseln. Zudem verwendet etwa Fritz Riemann in seinem Buch "Grundformen der Angst" einen anderen Schizoid-Begriff. In vielen Wörterbüchern wird "schizoid" fälschlicher Weise als Eigenschaftswort zu "Schizophrenie" erklärt.

Im ICD-10 wird die Schizoide Persönlichkeitsstörung so beschrieben: "Eine Persönlichkeitsstörung, die durch einen Rückzug von affektiven, sozialen und anderen Kontakten mit übermäßiger Vorliebe für Phantasie, einzelgängerisches Verhalten und in sich gekehrte Zurückhaltung gekennzeichnet ist. Es besteht nur ein begrenztes Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben."

In der wissenschaftlichen Diskussion wird auch der "Secret Schizoid" (Heimlich Schizoide) diskutiert. "Es gibt viele fundamental schizoide Personen, die (nach außen) einen verbindlichen, interaktiven Personlichkeitsstil zeigen. Diese Patienten gehören zur Kategorie, die ich als "heimlich schizoid" bezeichne", schreibt Ralph Klein in "Disorders of the self". Im ICD-10 gibt es diese Kategorie nicht.

Dissoziale Persönlichkeitsstörung

Für die dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.2) typisch sind eine niedrige Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten, sehr geringe Frustrationstoleranz, Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen, ein fehlendes Schuldbewusstsein, mangelndes Lernen aus Erfahrung oder Bestrafung, mangelndes Einfühlen in andere. Beziehungen werden eingegangen, jedoch nicht aufrechterhalten. Teilweise sind Dissoziale auch erhöht reizbar. Aus diesen Gründen neigen Patienten mit dissozialer Persönlichkeitsstörung zu Gewalttaten, Kriminalität und Drogen- bzw. Alkoholmissbrauch. Der veraltete Begriff "Psychopathie" für diese Störung wird in der aktuellen Literatur nicht mehr verwendet.

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung

Die wesentlichen Merkmale der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.3) sind impulsives Handeln ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, ständig wechselnde, oft unvorhersehbare und launenhafte Stimmungslagen, Unfähigkeit zur Vorausplanung, heftige Zornesausbrüche mit teilweise gewalttätigem Verhalten und mangelnde Impulskontrolle. Ferner besteht eine Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und zu Konflikten mit anderen, insbesondere wenn impulsive Handlungen durchkreuzt oder behindert werden. Zwei Erscheinungsformen können unterschieden werden: Ein impulsiver Typus, vorwiegend gekennzeichnet durch emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle und ein Borderline-Typus, die Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (F60.31) ist eine schwere Persönlichkeitsstörung, die sich durch sehr wechselhafte Stimmungen, gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, mangelndes Selbstvertrauen und autoaggressive Verhaltensweisen äußert. Diese Instabilitäten ziehen oft das persönliche Umfeld in Mitleidenschaft und beeinträchtigen so Alltag, langfristige Lebensplanung und das Selbstbild.

Während der Merkmalskatalog der American Psychiatric Association (DSM-IV) von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (Diagnose-Nr. 301.83) spricht, benennt der Katalog der WHO (ICD-10) die "emotional instabile Persönlichkeitsstörung" (F60.3), von der der Borderline-Typus (F60.31) eine Unterform darstellt.

Histrionische Persönlichkeitsstörung

Kennzeichnend für die histrionische Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.4), früher als hysterische Persönlichkeitsstörung bezeichnet, sind Übertreibung, theatralisches Verhalten, Tendenz zur Dramatisierung, Oberflächlichkeit, labile Stimmungslage, leichte Beeinflussbarkeit, dauerndes Verlangen nach Anerkennung und der Wunsch, stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, erhöhte Kränkbarkeit, sowie ein übermäßiges Interesse an körperlicher Attraktivität.

Anankastische Persönlichkeitsstörung

Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung, wird durch Gefühle von Zweifel, Perfektionismus, übertriebener Gewissenhaftigkeit, ständigen Kontrollen, Halsstarrigkeit sowie große Vorsicht und Starrheit gekennzeichnet ist. Es können beharrliche und unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen.

Typisch für Menschen mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung ist eine Starrheit im Denken und Handeln, die sich als Unflexibilität, Pedanterie und Steifheit zeigt. Es besteht eine übermäßige Beschäftigung mit Details und Regeln, so dass die eigentliche Aktivität oftmals in den Hintergrund tritt. Die Fähigkeit zum Ausdruck von Gefühlen ist häufig vermindert. In zwischenmenschlichen Beziehungen wirken Betroffene dementsprechend kühl und rational. Die Anpassungsfähigkeit an die Gewohnheiten und Eigenheiten der Mitmenschen ist eingeschränkt. Vielmehr wird die eigene Prinzipien- und Normentreue auch von anderen erwartet.

Menschen mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung sind meist übermäßig leistungsorientiert und perfektionistisch. Daher erweisen sie sich im Arbeitsleben als fleißig, übermäßig gewissenhaft und übergenau, wobei der überstrenge Perfektionismus die Aufgabenerfüllung mitunter verhindert. Ihre Angst vor Fehlern behindert die Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen.

Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung: ca. 1,0 %

Ängstliche Persönlichkeitsstörung

Die ängstliche Persönlichkeitsstörung (auch: Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung, ICD-10: F60.6) ist gekennzeichnet durch übermäßige Sorge bis hin zur Überzeugung, abgelehnt zu werden, unattraktiv oder minderwertig zu sein. Folgen sind eine andauernde Angespanntheit und Besorgtsein, der Lebensstil ist wegen des starken Bedürfnisses nach Sicherheit starken Einschränkungen unterworfen. Teilweise sind Ängstliche überempfindlich gegenüber Ablehnung oder Kritik.

Abhängige Persönlichkeitsstörung

Die abhängige Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.7) ist geprägt durch mangelnde Fähigkeit zu eigenen Entscheidungen, ständiges Appellieren an die Hilfe anderer, Abhängigkeit von und unverhältnismäßige Nachgiebigkeit gegenüber anderen, Angst, nicht für sich selbst sorgen zu können und der Angst, von einer nahestehenden Person verlassen zu werden und hilflos zu sein.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung zeichnet sich aus durch mangelndes Selbstbewusstsein und Ablehnung der eigenen Person nach innen, wechselnd mit übertriebenem und sehr ausgeprägtem Selbstbewusstsein nach außen. Daher sind diese Personen immer auf der Suche nach Bewunderung und Anerkennung, wobei sie anderen Menschen wenig echte Aufmerksamkeit schenken. Sie haben ein übertriebenes Gefühl von Wichtigkeit, meinen eine Sonderstellung einzunehmen und auch eine Sonderbehandlung zu verdienen. Sie zeigen ausbeutendes Verhalten und ein Mangel an Empathie. Es können wahnhafte Störungen mit Größenideen auftreten.

Einige Tiefenpsychologen meinen, dass bei Leuten mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, die ideale Vorstellung von sich selbst, mit dem realen Selbst in gewisser Weise verschmolzen ist. Weiter ist das Selbst gespalten in Ideal-Selbst und Entwertetes-Selbst. Diese Selbstrepräsentanzen werden dann auf äußere Objekte projiziert.

Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung: ca. 1,0 %

Einteilung nach DSM-IV und ICD-10

Kategorisierung
ICD 10 DSM IV
Cluster A
sonderbar, exzentrisch
Paranoide PS (F60.0)
Schizoide PS (F60.1)
paranoide PS
schizoide PS
schizotypische PS
Cluster B
dramatisch, emotional
emotional instabile PS: vom Borderline-Typ oder vom impulsiven Typ (F 60.3)
histrionische PS (F60.4)
dissoziale PS (F60.2)
Borderline PS
histrionische PS
antissoziale PS
nazißtische PS
Cluster C
ängstlich, vermeidend
ängstliche PS (F60.6)
abhängige PS (F60.7)
anankastische PS (F60.5)
passiv aggressive PS (F60.8)
sebstunsichere PS
abhängige PS
zwanghafte PS
(passiv aggressive PS)

Behandlung

Die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen erfolgt in erster Linie mittels psychotherapeutischer Verfahren, am häufigsten mit psychoanalytischer, interpersoneller (nach Lorna S. Benjamin) kognitiver (nach Aaron T. Beck) und verhaltenstherapeutischer Ausrichtung. Therapien dauern meist viele Jahre, stellen große Ansprüche an die Therapeuten und sind oft nicht erfolgreich. Bei manchen Typen ist oft akute suizidalität und selbstverletzendes Verhalten vorhanden (zB Borderline). Andere neigen zu Dorgenmissbrauch (zB Narzisstische) oder Delinquenz und Gewalttäigkeit. All diese Faktoren erschweren die therapeutische Arbeit und rufen Ablehnung hervor. Dies führt dazu, dass Persönlichkeitsstörungen manchmal als nicht therapierbar angesehen werden, was aber nicht wahr ist.

Literatur

  • Otto F. Kernberg: Narzißtische Persönlichkeitsstörungen, Schattauer, F.K. Verlag, 1996 Stuttgart, 304 Seiten, ISBN 3794516923.
  • Birger Dulz, Angela Schneider: Borderline-Störungen, Schattauer, F.K. Verlag, 1999 Stuttgart, 186 Seiten, ISBN 3794520130.