Emblematischer Gemäldezyklus

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Der Emblematische Gemäldezyklus im Kreuzgang des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes Wettenhausen, das zur Gemeinde Kammeltal im bayerischen Landkreis Günzburg (Schwaben) gehört, wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts geschaffen. Der Zyklus besteht aus 24 Bildern, die in ovalen, von Stuck gerahmten Feldern im Scheitel der tonnengewölbten Decken der Kreuzgangflügel angebracht sind.

Emblematische Darstellungen im Kreuzgang des Klosters Wettenhausen

Geschichte

Der Kreuzgang des Klosters Wettenhausen, der noch aus dem 12. Jahrhundert stammt - wie eine wieder freigelegte romanische Zwillingsarkade belegt - erhielt seinen heutigen Dekor um 1680. Nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges wurden die zu Beginn des 17. Jahrhunderts begonnenen Umbauten und Erweiterungen der seit 1566 reichsunmittelbaren Abtei fortgeführt. Reichsprälat Dionysius von Rehlingen, unter dessen Leitung auch der Neubau der Klosterkirche in Angriff genommen wurde, beauftragte für deren Ausschmückung Wessobrunner Stuckateure, denen auch die Neugestaltung der Kreuzgangflügel zugeschrieben wird. Namentlich genannt werden Christoph Gigl und Georg Vogel.

Bildprogramm

 
In Deo meo (In meinem Gott)

Die Bilder sind in der Technik der Seccomalerei ausgeführt, bei der die Farben auf den trockenen Putz aufgetragen werden. Alle Darstellungen sind mit lateinischen Inschriften versehen, die in Schriftbändern meist am oberen Bildrand eingefügt sind. Eine Darstellung stellt eine Pyramide mit dem Wappen des Auftraggebers der Sinnbilder, des Wettenhausener Propstes Dionysius von Rehlingen, und dessen Devise In Deo meo (In meinem Gott) dar. Neben Dionysius von Rehlingen war sicherlich Augustinus Erath, der als Chorherr in Wettenhausen lebte, wesentlich an der Ausarbeitung des Bildprogrammes beteiligt. Augustinus Erath hatte die 1653 in Mailand erschienene Emblemsammlung Il mondo simbolico des italienischen Chorherren Filippo Picinelli ins Lateinische übersetzt und um weitere Beispiele aus dem Wettenhausener Zyklus erweitert. Daraus entstand der Mundus symbolicus, die bedeutendste Sinnbildsammlung des 17. Jahrhunderts, deren erste Ausgabe 1681 in Köln veröffentlicht wurde und der noch weitere elf Auflagen folgten.


Nördlicher Kreuzgangflügel

  • Humiliora minus (Die Niederungen werden weniger getroffen)

Auf einer Bergspitze schlagen Blitze ein. Wer hoch oben steht, ist der Gefahr, dem Hochmut zu verfallen, stärker ausgesetzt. Wer weiter unten steht, kann leichter Demut üben.

  • Jugum meum suave et onus leve (Mein Joch drückt mich nicht und meine Last ist leicht)

Ein hoch fliegender Adler hat um seinen Hals eine goldene Kette hängen. Das Bild ist als Ermunterung an die Chorherren zu verstehen, die Anforderungen an ihr klösterliches Leben als leicht zu verstehen und als Gewinn zu werten.

  • Meliora latent (Das Bessere ist verborgen)

Auf einem Teller liegt ein Granatapfel. Unter seiner bitteren Schale verbergen sich viele süße Kerne.

  • Nil Sine Te (Nichts ohne Dich)

Die Sonne scheint auf eine Sonnenuhr. Nur wenn die Sonne scheint, kann man auf der Uhr die Zeit erkennen. Ebenso ist der Mensch von Gott abhängig.

  • In captivitate liber (In Gefangenschaft frei)

Eine Hand hält locker eine Schnur, an die ein Vogel gebunden ist. Ein Sinnbild für das Klosterleben, das nicht Gefangenschaft bedeutet, sondern ein Geführtwerden von Gottes Hand.

  • Dant vincta decorem (Die Bänder dienen dem Schmuck)

Um einen Lorbeerkranz gewickelte Bänder, die in Schleifen enden, symbolisieren die Gelübde, die die Ordensleute auszeichnen.


Westlicher Kreuzgangflügel

 
Sic servasse iuvat (Es gefällt, so bewahrt zu sein)
 
Dat pretium candor (Das Weißglänzende bestimmt den Preis)
  • Moriar ne moriar (Zum Sterben bereit, um nicht zu sterben)

Ein Steinbock springt von einer Bergspitze zu einer weiter entfernten, um dem Jäger zu entgehen. Das Bild führt dem Ordensmann vor Augen, dass es besser ist, den Tod zu erleiden, als das Gelübde zu brechen.

  • Potius mori quam feodari (Eher sterben, als sich verbünden)

Ein Hermelin steht auf einem Felsblock inmitten von Sumpf und Morast.

  • Sic servasse iuvat (Es gefällt, so bewahrt zu sein)

Eine weiße Lilie ist an ihrem Fuß von Dornen umgeben, eine Anspielung auf den hl. Benedikt, der sich in Dornengestrüpp warf, um sich vor Versuchungen zu schützen.

  • Dat pretium candor (Das Weißglänzende bestimmt den Preis)

Auf einem Tisch liegt eine Muschelhälfte mit einer Perle als Symbol der Reinheit und der Keuschheit.


Südlicher Kreuzgangflügel

 
Propry nil habet ista Domus (Dieses Haus hat kein Privateigentum)
 
Relicturo satis (Dem, der alles zurücklässt, ist es genug)
  • Sine pondere sursum (Ohne Gewicht aufwärts)

Ein Adler ist im Begriff hochzufliegen und hat eine Kette, mit der er an die Weltkugel gefesselt war, zerbrochen. Ebenso soll sich der Ordensmann von der Welt lösen.

  • Propry nil habet ista Domus (Dieses Haus hat kein Privateigentum)

Der Bienenkorb ist ein Sinnbild für die Forderung an die Ordensleute auf Verzicht von Eigentum.

  • Relicturo satis (Dem, der alles zurücklässt, ist es genug)

Der Philosoph Diogenes wird in seiner Tonne dargestellt. Er gilt als Vorbild für ein bedürfnisloses Leben und sollte die Chorherren in ihrem Armutsgelübde bestärken.

  • Se obtulit Vni (Sie hat sich dem Einen zugewandt)

Eine Sonnenblume in einem wohlgeordneten Barockgarten wendet sich der Sonne zu. Ebenso soll sich der Mensch von allem abwenden und zu Gott hinwenden.

  • Pereant, ne peream (Sie mögen zugrunde gehen, damit ich nicht zugrunde gehe)

Auf einem in Seenot geratenen Schiff werfen die Seeleute die Fracht über Bord. Auch der Mensch kann sich nur retten, wenn er sich von allem irdischen Besitz löst.

  • Non quae super terram (Nichts, was auf der Erde ist)

Das eigenartige Wesen soll einen Paradiesvogel darstellen und das Streben des Menschen auf das Himmlische richten.


Östlicher Kreuzgangflügel

  • Obedientia prae Victima (Gehorsam vor Opfer)

Thema der Darstellung ist eine Geschichte aus dem Alten Testament, in der König Saul wegen seines Ungehorsams gegenüber Jahwe bestraft wird. Die Szene soll an das Gehorsamsgelübde erinnern.

  • Ad utrumque paratus (Zu beidem bereit)

Ein Ochse zieht einen Pflug, daneben steht ein Opferaltar, auf dem ein Feuer brennt. Die Gehorsamsverpflichtung erfordert sowohl die Bereitschaft zum Tun als auch zum Erleiden.

  • Non transgreditur (Sie wird ihn nicht überschreiten)

Die Sonne steht im Tierkreiszeichen zwischen Waage und Fisch. Wie die Sonne nicht den Tierkreis überschreitet, soll sich der gehorsame Mensch in das Gottgegebene fügen und die von Gott gesetzten Grenzen akzeptieren.

  • OMNIA NVTV (Alles nach dem Willen Gottes)

Die Szene zeigt die Opferung Isaaks durch Abraham, der seinen absoluten Gehorsam bewies, indem er bereit war, auf Geheiß Gottes seinen eigenen Sohn zu töten.

  • Omnia tempus habet (Alles hat seine Stunde)

In der Mitte des Bildes ist ein blühender Rosenstock neben einer Sichel und einer Gießkanne dargestellt. Auf der einen Seite sind Wolken zu sehen und es bläst ein kräftiger Wind, auf der anderen Seite scheint die Sonne. Dieses Emblem möchte dem Betrachter vermitteln, dass ein gelungenes menschliches Leben von der Erfahrung der Freude und des Leids, des Gedeihens und auch der Askese geprägt sein muss.


Literatur

Commons: Emblematischer Gemäldezyklus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 48° 23′ 47,4″ N, 10° 21′ 31,7″ O