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Lea Rosh

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Lea Rosh [roːs] (* 1. Oktober 1936 in Berlin; eigentlich Edith Renate Ursula Rosh) ist eine deutsche Fernsehjournalistin und Publizistin. Sie war die erste Frau in Deutschland, die eine Funkhausdirektion innehatte.

Bekannt ist sie auch für ihre Rolle im Streit um Erinnerungskultur und Geschichtspolitik der Berliner Republik. Ihre ebenso öffentlichkeitswirksame wie kontroverse, aber letztlich erfolgreiche Initiative für ein zentrales Denkmal für die ermordeten Juden Europas gilt als Lebenswerk Roshs.[1][2]

Leben

Rosh studierte Geschichte, Soziologie und Publizistik an der FU Berlin. Im Anschluss an ihr Studium absolvierte sie mehrere Volontariate. Sie begann 1961 als Hörfunkreporterin beim RIAS und moderierte später eine Modesendung des SFB-Fernsehens. 1973 wechselte Lea Rosh zum Norddeutschen Rundfunk (NDR) nach Hamburg und moderierte dort die Fernsehreihe ARD-Ratgeber: Technik. Sie entwickelte beim NDR das Magazin Frauenforum und wechselte danach zum ZDF-Studio nach Berlin. Dort moderierte sie als erste Frau das Politikmagazin Kennzeichen D. Mit den Talkshows III nach 9 (Radio Bremen, 1982 bis 1989) sowie Freitagnacht (SFB, bis 1991) wurde sie durch ihre hartnäckigen Fragen bekannt.

Anlässlich der von Ulf Wolter verlegten deutschen Erstausgabe von dem Holocaust-Standardwerk Die Vernichtung der europäischen Juden stellte Rosh den Autor Raul Hilberg 1982 im Fernsehen vor.

Als erste Frau in der Geschichte des deutschen Journalismus hatte Lea Rosh eine Funkhausdirektion inne. Von 1991 bis 1997 leitete sie das NDR-Landesfunkhaus in Hannover. Sie setzte dabei durch, das Niedersachsenlied nur noch ohne den von ihr als faschistoid kritisierten Text zu spielen. Nach kurzer Zeit kam es zu erheblichen Verlusten an Hörern und Zuschauern sowie der Abwanderung von leitenden, der CDU nahestehenden Redakteuren wie Peter Staisch, der Chefredakteur beim Privatsender n-tv wurde, sowie Jürgen Köster, der Rosh vorwarf, „unprofessionell und selbstherrlich" zu agieren.[3] 1992 sorgte Rosh für NDR-interne Verstimmungen, nachdem sie auf kurzem Dienstweg einen Bericht der NDR-Satiresendung extra Drei über einen vorher durch das Magazin Spiegel bekannt gewordenen Briefwechsel mit dem damaligen Potsdamer Oberbürgermeister und SPD-Parteikollegen Horst Gramlich unterbunden hatte. Rosh hatte Gramlich gebeten, ihr diskret beim Erwerb eines „Bauernhauses mit Pferdekoppel“ zu helfen. Gramlich hatte antworten lassen, dass ihn und Rosh offenbar Welten trennten. Die extra drei-Redaktion beklagte nach Roshs erfolgreichem Eingreifen „klassische Zensur“, NDR-Programmdirektor Jürgen Kellermeier ordnete Rosh daraufhin eine Entschuldigung wegen „Mitteln der hierarchischen Intervention, der Einschüchterung und der Drohung in eigener Privatsache“ an.[4] Die Verabschiedung Roshs wurde zum Karrierestart für die damals als Vicky Leandros Imitatorin eingesetzte Sprecherin und Buchautorin Alix Gabele[5].

Ab Januar 2002 moderierte Rosh zusammen mit Gaby Hauptmann die Literatursendung „Willkommen im Club – Menschen und Bücher 2002“, die einige Monate lang von den Fernsehsendern VOX und XXP ausgestrahlt wurde.

Nach einem Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem machte es sich Lea Rosh, angeregt durch Eberhard Jäckel, seit 1988 zur Lebensaufgabe, in Berlin mit einer zentralen Gedenkstätte an die Judenmorde in Europa zu erinnern.[6] Sie ist bis heute Vizevorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas sowie Vorsitzende des gleichnamigen Förderkreises (vgl. Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Abschnitt Geschichte)

2006 erhielt Lea Rosh für ihre Initiative „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

2008 wurde sie im Rahmen der von Christoph Schlingensief in der Berliner Akademie der Künste gedrehten Dokumentation Die Piloten als Talkshowmoderatorin gezeigt.[7]

Persönliches

Im Alter von 18 Jahren trat sie aus der evangelischen Kirche aus und begann, an Stelle von Edith den Vornamen Lea zu verwenden. Kritische Berichte über diese Veränderung zu einem jüdisch klingenden Namen versuchte sie vergeblich gerichtlich zu unterbinden.[8] Zeitungsberichte, wonach sie auch ihren Nachnamen geändert habe, mussten dagegen nach einem Verleumdungsprozess zurückgenommen werden.[9][10]

Lea Rosh ist seit 1968 Mitglied der SPD. Sie ist verwitwet, ihr 2008 verstorbener Mann war der Architekt und Bauunternehmer Jakob Schulze-Rohr, ein Bruder des Regisseurs Peter Schulze-Rohr.

Rosh betreibt eine PR-Agentur in Berlin und ist seit 2007 Lehrbeauftragte an der University of Management and Communication (FH) Potsdam im Bereich Moderation und Medientraining.

Sie veranstaltet regelmäßig einen Salon mit prominenten Gästen in Berlin, zunächst mit der Societydame Ulla Klingbeil, später bis zu deren Tod mit der Dahlemer FDP-Vorsitzenden Susanne Thaler.[11] Gäste waren beispielsweise Veruschka Gräfin von Lehndorff, Vera Lengsfeld, Kreszentia Flauger und Friedbert Pflüger.[12] Mehrmals war Thilo Sarrazin eingeladen, ob als Finanzsenator, Bundesbanker oder 2010 als Buchautor von Deutschland schafft sich ab, der von Sarrazin vertretenen Position im Kopftuchstreit stimmte Rosh zu.[13]

Rezeption

Lea Rosh wurde bereits als Journalistin und Publizistin überregional bekannt, erhielt mehrere Auszeichnungen wie die Carl-von-Ossietzky-Medaille und war zu Zeiten der Regierung Gerhard Schröder mehrmals als Ministerin[14] im Gespräch. Sie polarisierte jedoch auch und etliche Aussagen und Aktionen Roshs führten zu Kontroversen.[2]

Ihr Einsatz[1], mit denen sie das Ziel einer zentralen Gedenkstätte im Umfeld des Regierungsviertels über Jahre hinweg verfolgt und schließlich durchgesetzt hatte, wurde mit hochrangigen staatlichen und privaten Ehrungen gewürdigt, erzeugte jedoch auch eine kontroverse gesellschaftliche Debatte und rief unterschiedlich geartete Kritik hervor.

Rafael Seligmann bezeichnete das geplante Mahnmal 1995 in einem Artikel für den Spiegel als „überflüssig wie ein Kropf“ und kritisierte, dass man sich mit dem Mahnmal von der nötigen Auseinandersetzung mit der Topographie des Terrors im gesamten Bundesgebiet entferne und stattdessen plane, Geschichte fortan „zentral in Berlin“ zu bewältigen. Er befürchtete, dies führe zu einem Verlust der Auseinandersetzung mit individueller Schuld. Rosh und ihren Mitplanern warf er vor, das „Denkmalprojekt dampfwalzenhaft“ voranzutreiben. Er forderte ein Ende der „Schmetterlingssammlerliebe, die die Juden fast ausschließlich als Opfer begreifen will und sie so innig herzt, dass den lebenden Juden die Luft zum Atmen wegbleibt.“[15]

Von konservativer Seite wurde eine Neujustierung und Verstärkung von Geschichtspolitik postuliert, die bereits 1987 einsetzte, nicht nur in Deutschland sondern auch international und mit dem Mauerfall deutlich stärker wurde und auf deren Bedürfnisse Rosh Initiative passend einging.[16] Nach der nur teilweisen gelungenen Erneuerung der Neuen Wache 1993 war der protokollarische Bedarf nach einem zentralen innenstadtnahen Denkmal nach wie vor stark, ebenso die Schwierigkeiten im Umgang mit authentischen, sperrigeren Gedenkstätten und deren mangelnde Erreichbarkeit. Ein ursprünglich geplantes zentrales Holocaustmuseum wurde mit Hinweis auf letztere verhindert. Der Denkmalbau an sich wurde in verschiedenen Entwurfsstadien unter anderem aus architektonischen und geschichtspolitischen Gründen abgelehnt, von Opferverbänden unter anderem, da es nicht auch andere Verfolgte mit einschließe.[17]

Claus Leggewie und Erik Meyer veröffentlichten verschiedene kritische Artikel und schließlich ein Buch über die Entstehung und Gestaltung des Mahnmals. Deren Kernthese lautete, dass das monumentale Bauwerk vor allem nationaler Identitätsstiftung diene und sich in ihm schuldstolze Selbstgewissheit und Überheblichkeit als „Gedenkweltmeister“ manifestiere. Ähnlich hatte Michael Naumann den Bau des Mahnmals ursprünglich abgelehnt und als unterschwellige Schlussstrichpolitik und Selbstfindungsprozess[18] des deutschen Bürgertums eingestuft. Während im Kaiserreich nach 1871 das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald, der (abgebrochene) Wiederaufbau des Heidelberger Schlosses oder das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig zu Stätten der Vergewisserung geworden seien, geschehe dies in der Berliner Republik in Debatten um das zentrale Holocaustmahnmal und den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses.[18] Leggewie und Meyer thematisierten neben anderen auch die Konkurrenz des Mahnmals mit weniger prominenten, aber authentischen Gedenkstätten. [19]

Bei den Initiatoren um Rosh konstatierten sie ein selbstherapeutisches Agieren und eine unwürdige, an kommerziellen Vorbildern orientierte skandalheischenden Marketingkampagne am Werk.[20] Rosh hatte ihre Initiative unter anderem mit provokanten Plakataktionen sowie Sammelaktionen über sogenannte 0190-Telefondienste beworben.[19] 150 internationale Wissenschaftler forderten öffentlich „den sofortigen Abbruch dieser unsinnigen [Plakat-]Kampagne“.[21]

Auf massive Kritik stieß Roshs Ankündigung bei der Eröffnung des Denkmals am 10. Mai 2005, den Backenzahn eines Opfers aus dem Vernichtungslager Belzec im Denkmal einbetonieren zu lassen.[14] Den Zahn hatte sie 1995 auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte gefunden und gegen ausdrückliche Verbote mitgenommen. Krystyna Oleksy, stellvertretende Direktorin der KZ-Gedenkstätte Auschwitz, nannte diese Handlung gegenüber dem Berliner Kurier „eine Grausamkeit“, da Rosh die „Totenruhe gestört“ habe. [22] Proteste kamen unter anderem auch von hochrangigen Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland [23] Auch [24] Jörg Lau unterstellte Rosh in einer Glosse in Zeit Online, sie versuche die von ihr gestartete Debatte immer wieder anzuheizen, ohne den erfolgten Abschluss anzuerkennen.[2]

Christian Bommarius ging soweit, von einer „pathologischen Indolenz“ Roshs gegenüber Bedenken und Einwänden insbesondere von Juden zu sprechen. Bommarius erwähnte die Auseindersetzung Roshs mit dem Architekten Peter Eisenman wegen dessen Einbindung der Firma Degussa beim Mahnmalsbau wie dessen verschiedenen lakonischen Bemerkungen und Witze über die deutschen Befindlichkeiten. Sie hatte ihm dabei mangelnde Sensibilität vorgeworfen, da seine Eltern nicht im Holocaust umgekommen seien.[25] Nach vielfachen Protesten gab Rosh die geplante Aktion auf und wurde außerdem der Projektleitung enthoben.[2]

Auszeichnungen

Veröffentlichungen

  • Lea Rosh, Günther Schwarberg: Der letzte Tag von Oradour. Steidl, Göttingen 1997, ISBN 3-88243-092-3
  • Lea Rosh, Eberhard Jäckel: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“ Deportation und Ermordung der Juden, Kollaboration und Verweigerung in Europa. Hoffmann und Campe, Hamburg 1990, ISBN 3-455-08358-7

Dokumentarfilm

  • Das Tribunal - Mord am Bullenhuser Damm. Sender Freies Berlin 1986[26]

Einzelnachweise

  1. a b Susanne Stiefel: Ein großer Baum fängt viel Wind. In: die tageszeitung. 18. Februar 2004 (taz.de [abgerufen am 9. August 2008]).
  2. a b c d Jörg Lau: Scharfe Richterin. In: Die Zeit. Nr. 46, 6. November 2003 (zeit.de [abgerufen am 9. August 2008]).
  3. Im niedersächsischen Funkhaus knistert es — Anstaltschefin Lea Rosh versucht, sich zu behaupten Mit der Neuen begann der Sturzflug, von Heinrich Thies Die Zeit 10.07.1992 - 08:00 Uhr
  4. Kleiner Dienstweg, Spiegel vom 29.Juni 1992
  5. [1] Ein Leben ohne Radio lohnt sich nicht WDR
  6. Thorsten Schmitz: Der Betonkopf. Süddeutsche Zeitung Magazin, 17/2005
  7. [2]
  8. Sabine Deckwerth: Lea Rosh verliert vor Gericht gegen einen Buchverlag. In: Berliner Zeitung. 29. Mai 2002 (berlinonline.de [abgerufen am 1. Januar 2008]).
  9. Gegendarstellung. In: Der Spiegel. Nr. 40, 1998, S. 226 (online28. September 1998). Zitat: „Frau Rosh […] hat jetzt Dokumente vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß ihr Geburtsname Edith ‚Rosh‘ lautet.“
  10. Thomas Götz: Am Ziel. 60 Jahre Kriegsende. In: Berliner Zeitung. 7. Mai 2005 (berlinonline.de [abgerufen am 1. Januar 2008]).
  11. Lea Rosh hat einen neuen Salon- aber ohne Ulla Klingbeil http://www.welt.de/print-welt/article509976/Lea-Rosh-hat-einen-neuen-Salon-aber-ohne-Ulla-Klingbeil.html
  12. Salon Lea Rosh Kommunikation & Medien
  13. Güner Balci, Dr. Thilo Sarrazin, Lea Rosh Für und Wider – was ist dran an Sarrazins Thesen?“ Salon bei LEA ROSH am 13.12.2010 Bericht von Nicole Siewert
  14. a b Mariam Lau: Gedenken bis zur Selbstdemontage. In: Berliner Morgenpost. 14. Mai 2005 (morgenpost.de).
  15. Genug bemitleidet, Spiegel vom 16. Januar 1995
  16. Michael Wolfssohn Kunst als Politik, in Die Geschichtswissenschaft und Zeiterkenntnis: Von der Aufklärung bis zur Gegenwart; Festschrift zum 65. Geburtstag von Horst Möller Horst Möller Oldenbourg Verlag, 2008 - 779 Seiten
  17. „Ein leeres Grabmal“, Zeit vom 8. Mai 2005
  18. a b Michael Naumann: Ohne Antwort, ohne Trost. In: Die Zeit. Nr. 19, 4. Mai 2005 (zeit.de [abgerufen am 9. August 2008]).
  19. a b Claus Leggewie, Erik Meyer: Schalten Sie nicht ab! Gedenkstätten in der Ökonomie der Aufmerksamkeit. In: Neue Zürcher Zeitung. 9. August 2001 (nzz.ch [abgerufen am 9. August 2008]).
  20. Claus Leggewie, Erik Meyer: Ein Ort, an den man gerne geht. Das Holocaust-Mahnmal und die deutsche Geschichtspolitik nach 1989. Hanser, München / Wien 2005. ISBN 3-446-20586-1.
  21. Holocaust-Plakat. Internationale Kritik. n-tv, 5. August 2001
  22. Lea Rosh gibt Backenzahn an Belzec zurück. Der Spiegel, 13. Mai 2005, abgerufen am 11. Juli 2012.
  23. Holocaust-Mahnmal Juden erwägen Boykott Süddeutsche.de vom 11. Mai 2005
  24. Empörung über Rosh. Tagesspiegel, 12. Mai 2005
  25. Der Göttin Backenzahn, Berliner Zeitung vom 13. Mai 2005
  26. Filmdetails, New York Times