Unter der Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese versteht man die Hypothese, dass ein Gen die Informationen für die Bildung eines Enzyms, also ein katalytisch wirkendes Eiweißmolekül trage.
Die Hypothese wurde in den 40er Jahren von George Beadle und Edward Tatum entwickelt und am Pilz Neurospora experimentell untermauert. Für ihre Forschungen bekamen sie 1958 den Nobelpreis.
Im Zuge der Aufklärung der Eiweißsynthese musste die Hypothese modifiziert werden. Da einerseits viele Enzyme aus mehreren Polypeptidketten bestehen und andererseits auch Strukturproteine ohne katalytische Wirkung, wie das Keratin der Haare, auf dem selben Weg erzeugt werden, wurde die Hypothese zur Ein-Gen-ein-Polypeptid-Hypothese modifiziert und galt so lange als zentrales Dogma der Molekularbiologie.
Mit der Entdeckung des alternativen Spleißens bei der Transskription der Eukaryonten muss die Hypothese erneut modifiziert werden. Durch unterschiedliche Verarbeitung (Spleißen) der an der DNA erzeugten prä-mRNA können aus derselben DNA-Sequenz mehrere unterschiedliche reife mRNA-Moleküle und damit mehrere unterschiedliche Polypeptide entstehen. Die Regulation ist noch nicht vollständig geklärt.
Nach gegenwärtigem Forschungsstand kann man die Hypothese so modifizieren:
Ein Gen (DNA-Sequenz) + Regulationsinformation des Spleißens führt zu einem Polypeptid.
Die Alternative dazu ist, den Begriff des Gens neu zu fassen und darunter erst die reife mRNA zu verstehen. Dies würde allerdings zu Inkompatibilitäten mit dem Genbegriff der Vererbungslehre führen.