Genealogie (griech., Geschlechterkunde), eine sog. historische Hilfswissenschaft, befaßt sich mit der Abstammung eines Lebewesens von anderen Lebewesen. Genealogie gibt es deshalb nicht nur für Menschen, sondern auch für Hunde, Pferde und andere Tiere. - Im übertragenen Sinne spricht man sogar von der Genealogie von Ideen, wenn man deren Verknüpfung betrachten möchte.
Gegenstand der Genealogie
Bei Menschen kann man, von einer bestimmten Person als Proband ausgehend, die Abstammung in aufsteigender Linie und damit die Vorfahren bzw. Ahnen (deshalb die volkstümliche Bezeichnung Ahnenforschung) einer Person betrachten oder in absteigender Linie die Nachkommen. Personen, die genealogisch miteinander verknüpft sind, gehören zu einer Verwandtschaft. Sobald die Beschreibung der Zusammenhänge über die biologischen Tatsachen hinausgeht, handelt es sich um Familiengeschichtsforschung. Die Darstellung der Zusammenhänge kann in aufsteigender Linie in Form einer Ahnentafel oder Ahnenliste erfolgen, in absteigender Linie als Nachkommentafel oder Nachkommenliste. Werden nur die männlichen Vorfahren oder Nachkommen erfaßt, so handelt sich um eine Stammtafel bzw. Stammliste. Die verwandtschaftlichen Zusammenhänge der Einwohner einer Gemeinde werden in einem Ortsfamilienbuch dargestellt. Ein interessantes - aber völlig selbständiges Wissensgebiet - ist für Familiengeschichtsforscher die Namenforschung, die die Herkunft, Verbreitung und Bedeutung von Familiennamen untersucht.
Geschichte
Der Adel brauchte den Nachweis der Abstammung, um Besitzansprüche geltend zu machen oder die Qualifikation für bestimmte Ämter nachzuweisen. Dieser Nachweis erfolgt mittels der Ahnenprobe. Seit dem 18. Jahrhundert werden Stammbücher z.B. auch für Rennpferde geführt. Etwa um 1900 erfaßte die Familiengeschichtsforschung auch das Bürgertum. 1933 verlangte das Berufsbeamtengesetz den Nachweis der sogenannten arischen Abstammung (z.B. durch den Ahnenpass), und die Genealogie wurde zur Sippenforschung. Nach der Beseitigung der Nürnberger Gesetze im Jahre 1945 entwickelte sich die Familiengeschichtsforschung in den folgenden Jahrzehnten zu einer weit verbreiteten Freizeitbetätigung.
Organisationsformen
In Deutschland gibt es mehr als 60 genealogische Vereine, von denen die meisten dem im Jahr 1949 gegründeten Dachverband 'Deutsche Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände e.V. (DAGV)' angehören. Zu den größten genealogischen Vereinen zählen u.a.:
- Verein für Computergenealogie (CompGen), > 2000 Mitglieder
- Westdeutsche Gesellschaft für Familienkunde e.V. (WGfF), 2065 Mitglieder
- Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e.V. (VFFOW), 1045 Mitglieder
- Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e.V. (AGoFF), ca. 960 Mitglieder
- Arbeitsgemeinschaft für mitteldeutsche Familienforschung e.V. (AMF), ca. 870 Mitglieder
- Hessische familiengeschichtliche Vereinigung e.V. (HFV), ca. 870 Mitglieder
- Bayerischer Landesverein für Familienkunde e.V. (BLF), ca. 840 Mitglieder
Quellen
Auch in anderen Ländern mit geeigneten Quellen, das sind seit dem 16. Jahrhundert vor allem die Kirchenbücher, erlebte die Familiengeschichtsforschung in den letzten Jahrzehnten einen großen Aufschwung. In den Auswanderungsländern in Übersee ist das Interesse an den Vorfahren in Europa stark gestiegen. Dazu kann man auch viele Unterlagen in den Passagierlisten der Auswandererschiffe aus dem 19. und 20. Jahrhundert finden.
Archive
Die Erforschung der Ahnen hat bei der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage (Mormonen) eine wichtige religiöse Bedeutung. Deshalb archiviert die Genealogische Gesellschaft von Utah Kirchenbücher und andere genealogisch wichtige Dokumente auf Mikrofilm. Diese Kirchenbuch-Filme können in vielen Familien-Genealogischen Zentren auf der ganzen Welt auch von Nichtmitgliedern eingesehen werden. In den letzten Jahrzehnten hat sich diese Sammlung daher zu einer wichtigen Quelle für Familienforschungen entwickelt. Die online zugänglichen Datenbanken der Mormonen sind allerdings nicht immer zuverlässig. Zahlreiche Kirchenbuchverfilmungen findet man auch in der Deutschen Zentralstelle für Genealogie in Leipzig.
Wissenschaftliche Bedeutung
Da wissenschaftliche Forschungen bei vielen Fragen der Repräsentativität bedarf, galten genealogische Quellen lange Zeit als ungeeignet. In den Arbeiten von Jacques Dupaquier zur Sozialgeschichte Frankreichs und von Volkmar Weiss zur Sozialgeschichte Sachsens wurden jedoch repräsentative Stichproben erhoben, wobei sich Dupaquier auf Stammlisten stützte und Weiss hunderte von bereits veröffentlichten Ahnenlisten als Datengrundlage hatte.
EDV-Programme
Bei der Verwendung von Genealogieprogrammen zur Datenerfassung ist der Datenaustausch zwischen Forschern sehr wichtig. Damit ein fehleranfälliges Abschreiben der Daten entfallen kann, wurde das Dateiformat GEDCOM entwickelt, welches nahezu alle gängigen Genealogie-Programme verarbeiten können. Im Internet gibt es spezielle Webseiten, bei denen jeder seine eigenen Daten im GEDCOM-Format hochladen kann, um sie anderen Forschern zugänglich zu machen. Aus Datenschutzgründen werden allerdings nur Daten von Personen öffentlich zur Verfügung gestellt, deren Todestag mindestens 100 Jahre zurückliegt. Suchergebnisse können auch in diesem Format auf den eigenen Computer heruntergeladen werden.
Bedeutende Genealogen
Literatur
- Wolfgang Ribbe und Eckart Henning: Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung. 12. Auflage. Neustadt/Aisch: Degener 2001. ISBN 3-7686-1062-4
- Joachim Wolters: Familien- und Stammbaumforschung leicht gemacht, ISBN 3-442-13677-6
Weblinks
Homepages
- Der deutsche Genealogie-Server
- Familienforschung im Internetverzeichnis von ch.dmoz.org
- The LDS Church's online database of family history data, Personal Ancestral File
- GeneWeb (GPL)
- DAGV
- Schweizer Genealogie Forschung
- viele weitere Verweise
- Zeitschrift Computergenealogie online
- Ahnenforschungen - der Katalog
- Deutsche Genealogie Software - Freeware
- Gramps (Genealogical Research and Analysis Management Programming System)
Datenbanken
- GedBas - Die genealogische Datenbasis deutsch
- Das genealogische Ortsverzeichnis deutsch
- Die Aktion Forscherkontakte der DAGV deutsch
- Ortsfamilienbücher deutsch
- historische Adressbücher deutsch
- Familienanzeigen in Tageszeitungen deutsch
- RootsWeb's WorldConnect englisch
- WorldGenWeb Project englisch
Siehe auch: Kekulé-Ziffern, Batch-Nummern, Gelehrtenfamilien, Gründerfamilien, Heiratskreis, Inzucht, Wappen, Heraldik