Heiliges Römisches Reich
Heiliges Römisches Reich, später Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation war die offizielle Bezeichnung für das Reich, das sich 962 mit der Regentschaft von Otto I. aus dem karolingischen Ostfrankenreich herausbildete und bis 1806 bestand. In der historischen Forschung wird das Heilige Römische Reich seit einigen Jahren auch als Altes Reich bezeichnet.
Die Formel Imperium Romanum (Römisches Reich) gehörte bereits zum Kaisertitel Karls des Großen. Erst in der Zeit Kaiser Friedrichs I. tauchte 1157 der Zusatz Sacrum (Heilig) in der Kaisertitulatur auf.
In deutschsprachigen Urkunden trat die Wendung Sacrum Imperium Romanum (Heiliges Römisches Reich) ab Kaiser Karl IV. auf (erstmals belegt 1254). Ab 1438 findet sich erstmals der Zusatz Nationis Germanicae. 1486 wurde diese Titulatur erstmals in einem Gesetz verwendet. Seit 1512 war die offizielle Titulatur des Reiches Sacrum Romanum Imperium Nationis Germanicae (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation).
Mit der Niederlegung der Reichskrone durch Kaiser Franz II. am 6. August 1806 auf Druck von Napoleon Bonaparte erlosch das alte Reich. Das Reich war allerdings bereits durch die Eroberungen Napoleons und die daraus resultierende Gründung des Rheinbundes so gut wie handlungsunfähig.
Charakter des Reiches
Das Heilige Römische Reich war aus dem ostfränkischen Reich entstanden und war ein vor- und übernationales Gebilde, ein Lehnreich und Personenverbandsstaat, der sich aber dennoch niemals zu einem Nationalstaat wie etwa Frankreich oder Großbritannien entwickelte und aus ideengeschichtlichen Gründen auch nie als solcher verstanden werden wollte.
Das Reich überwölbte als „Dachverband“ viele Territorien und gab dem Zusammenleben der verschiedenen Landesherrn reichsrechtlich vorgegebene Rahmenbedingungen. Diese quasi-selbständigen Fürsten- und Herzogtümern erkannten den Kaiser als zumindest ideelles Reichsoberhaupt an und waren auf der einen Seite den Reichsgesetzen, der Reichsgerichtsbarkeit und den Beschlüssen des Reichstages unterworfen, waren aber auf der anderen Seite durch Königswahl, Wahlkapitulation, Reichstage und andere ständische Vertretungen an der Reichspolitik beteiligt und konnten diese für sich beeinflussen.
Reichsgebiet
Das Reich umschloss neben den Gebieten tiutscher Zunge Bevölkerungsgruppen anderer Sprachen und Kulturen. Daher gehörte beispielsweise auch der König von Böhmen zum Kreis der wahlberechtigten Fürsten, auch wenn dieses Wahlrecht teils angezweifelt wurde (wie im Sachsenspiegel; ab dem Ende des 13. Jahrhunderts wurde er jedoch dazu gezählt). Der Kaiser wurde von einer Gruppe geistlicher und weltlicher Fürsten bestimmt (ab dem Interregnum von einem sich herausbildenden Kollegium der Kurfürsten, die später alle übrigen Reichsfürsten von der Wahl ausschlossen). Erst durch den kurfürstlichen Entscheid und die Krönung durch den Papst wurde der mittelalterliche römisch-deutsche König auch zum Kaiser.
Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung umfasste das Reich den überwiegenden Teil des heutigen Deutschlands, Österreichs, Sloweniens, der Schweiz, Liechtensteins, Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs, der Tschechischen Republik, den östlichen Teil Frankreichs, des nördlichen Italiens und des heutigen westlichen Polens sowie Istrien. Im Reich lebten daher nicht nur Deutsche mit ihren verschiedenartigen nieder-, mittel- und oberdeutschen Dialekten, sondern es wurde auch bevölkert von Menschen mit slawischen Sprachen und den Sprachen, aus denen sich das moderne Französisch und Italienisch entwickelte.
Welche Gebiete genau zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Reich gehörten, also welche genauen Grenzen das Reich hatte, ist teilweise schwer zu beantworten.
Entstehung des Namens
Der Name drückt den Anspruch aus, einerseits der Nachfolger des (antiken) Römischen Reiches und damit gleichsam der Herrscher der Welt zu sein und andererseits wurde dieser Anspruch ins Heilige erhöht, aus dem die irdische Herrschaft abgeleitet und legitimiert wurde.
Mit der Krönung des Frankenkönigs Karl des Großen zum Kaiser durch Papst Leo III. im Jahr 800 erhob dieser den Anspruch auf die Nachfolge des antiken römischen Imperiums, der so genannten Translatio Imperii, obwohl geschichtlich und dem Selbstverständnis nach das christlich-orthodoxe byzantinische Reich aus dem alten römischen Reich entstanden war; nach Ansicht der Byzantiner war das neue westliche „Römische Reich“ ein selbsternanntes und illegitimes. Die Herausforderung zeigte sich sogar auf den Wappen der beiden Reiche, die beide einen doppelköpfigen Adler zeigten (im Heiligen Römischen Reich allerdings erst sehr viel später).
Die Bestrebung Karls des Großen, sein Frankenreich als Großmacht neben dem Byzantinischen Reich und dem Kalifat zu behaupten, hatte zu seinen Lebzeiten Bestand. Aber mit seinem Tod entstand ein Gegensatz zwischen der germanischen Tradition, das Reich zwischen den Söhnen aufteilen zu müssen, und den machtpolitischen und kirchlichen Interessen, die Einheit des Reichs zu wahren. Die Tradition setzte sich zuletzt durch und das Frankenreich zerfiel in das Westfrankenreich auf dem Boden des heutigen Frankreichs und in das Ostfrankenreich auf dem westlichen Teil des heutigen Deutschlands.
Die Kaiserwürde verblieb beim Ostfrankenreich, als Otto I. der Große sich 962 im Zuge italienischer Eroberungen in Rom zum Kaiser krönen ließ. Interessanterweise trug das Reich zu diesem Zeitpunkt noch nicht das Prädikat heilig. Dies war nicht notwendig, da die Machtverhältnisse zu dieser Zeit so waren, dass der Kaiser sich vom Machtanspruch des Papstes emanzipiert hatte. Außerdem wurde der Kaiser als Stellvertreter Gottes auf Erden angesehen. Es bestand also keine Notwendigkeit, dies besonders hervorzuheben. Das Reich war geheiligt.
Erst nachdem die sakrale Sphäre des Kaisertums durch den Investiturstreit von 1075 bis 1122 weitgehend aufgehoben worden war, versuchten die Kaiser diesen Anspruch nunmehr verbal für sich zu reklamieren. So entstand im 12. Jahrhundert in der Kanzlei Friedrichs I., genannt Barbarossa, der Begriff des sacrum imperium.
Im so genannten Interregnum von 1250 (bzw. nach anderer Zählung 1254) bis 1273, als es keinem der drei gewählten Könige gelang, die Königsmacht zur Geltung zu bringen, verband sich der Anspruch, der Nachfolger des Römischen Reiches zu sein, mit dem Prädikat heilig zur Bezeichnung Sacrum Romanum Imperium (deutsch: Heiliges Römisches Reich). Also wurde ausgerechnet während der kaiserlosen Zeit dieser Machtanspruch um so tönender angemeldet - wenn sich freilich auch in der nachfolgenden Zeit daran wenig änderte.
Der Zusatz Nationis Germanicae („Germanischer Nation“, aber übersetzt als „Deutscher (Teutonicae) Nation” ) erschien erst im Spätmittelalter um 1450, wohl auch weil sich die Macht der Kaiser im wesentlichen auf das Gebiet der heutigen deutschsprachigen Länder bezog. Erstmals offiziell verwendet wurde dieser Zusatz im Jahre 1512 in der Präambel des Abschieds des Reichstages in Köln. Kaiser Maximilian I. hatte die Reichstände u. a. zwecks Erhaltung [...] des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation geladen.
Bis 1806 war Heiliges Römisches Reich deutscher Nation die offizielle Bezeichnung des Reiches (oft abgekürzt als SRI für Sacrum Romanum Imperium auf lateinisch oder HRR auf deutsch).
Geschichte
Entstehung des Reiches
Das Heilige Römische Reich entstand aus dem Ostfränkischen Reich.
Mittelalter
Siehe auch: Deutschland im Mittelalter
Im hohen Mittelalter ergab sich eine Umstrukturierung in der Struktur des Reiches. Schon im Ostfränkischen Reich hatten sich aus den ursprünglich nur als Verwaltungseinheiten gedachten Grafschaften größere Einheiten zusammengeschlossen, die weitgehend den alten Stämmen entsprachen. Diese territorialen Einheiten wurden nun Herzogtümer genannt. Die Herzogtümer waren relativ abgeschlossene Einheiten. Während in unteren „Verwaltungsebenen“ einzelne Rechte und persönliche Bindungen die Machtverhältnisse ausmachten, existierten die Herzogtümer in einer territorialstaatsähnlichen Form. Im Kampf der Herzogtümer gegen die Königsmacht wurden einige der alten Stammesherzogtümer zerschlagen, andere verloren durch die Verleihung der Reichsunmittelbarkeit weite Gebiete. Diese Entwicklung konzentriert sich vor allem im 12. Jahrhundert in der Zeit Friedrichs I. Barbarossa; in der Regierungszeit seines Enkels Friedrich II. wurden den weltlichen und geistlichen Fürsten weitgehende Rechte verbrieft. Im Laufe der Jahrhunderte kam es durch Bündelung und Neuverteilung von Einzelrechten wieder zu territorialen Herrschaften, die aber deutlich kleiner als die Herzogtümer waren. Dieser Prozess war etwa um 1500 abgeschlossen.
Das hochmittelalterliche Reich, also etwa um die Mitte des 11. Jahrhunderts, umfasste etwa 800.000 bis 900.000 km² und wurde von ungefähr 8 bis 10 Millionen Menschen bewohnt. Über das gesamte Hochmittelalter wuchs die Bevölkerung auf schließlich geschätzte 12-14 Millionen Ende des 13. Jahrhunderts an; im Zuge der Pestwellen im 14. Jahrhundert kam es jedoch zu einem deutlichen Bevölkerungsrückgang. Es bestand seit 1032 aus dem Regnum Francorum (Ostfrankenreich), später auch Regnum Teutonicorum genannt, dem Regnum Langobardorum oder Regnum Italicum im heutigen Nord- und Mittelitalien und dem Königreich Burgund.
Im Spätmittelalter fand im Zuge des Untergangs der Staufer und dem drauffolgenden Interregnum ein Verfall der, allerdings traditionell ohnehin nur schwach ausgeprägten, königlichen Zentralgewalt statt. Die französische Expansion im westlichen Grenzgebiet des Imperiums hatte zur Folge, dass die Einflussmöglichkeiten des Königtums im ehemaligen Königreich Burgund auf einen faktischen Nullpunkt sanken; eine ähnliche, aber weniger stark ausgeprägte Tendenz zeichnete sich in Reichsitalien (also im wesentlichen die Lombardei und die Toskana) ab. Erst seit dem Italienzug Heinrichs VII. kam es zu einer zaghaften Wiederbelebung der kaiserlichen Italienpolitik, die aber in wesentlich engeren Grenzen verlief als die Italienpolitik der hochmittelalterlichen römisch-deutschen Könige.
So konzentrierten sich die spätmittelalterlichen Könige wesentlich stärker auf den deutschen Reichsteil, wobei sie sich gleichzeitig stärker als zuvor auf ihre jeweilige Hausmacht stützten; Kaiser Karl IV. kann dabei als ein Musterbeispiel angeführt werden. In seine Regierungszeit fiel auch der Ausbruch des so genannten Schwarzen Todes, der zu einer deutlichen Krisenstimmung beitrug und in deren Verlauf es zu einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung sowie zu Judenpogromen kam. Karl IV. schuf mit der Goldenen Bulle auch eine Art von „Reichsgrundgesetz“.
Frühe Neuzeit
Eine der Möglichkeiten, den Beginn der Neuzeit zu markieren, ist die Einführung des Allgemeinen Landfriedens im Jahre 1495. Bald darauf wurde die Struktur des Reiches verändert. 1500 und 1512 wurde das Reich in Reichskreise eingeteilt.
Im Zuge der Reformation zerbrach die Macht des Kaisers langsam. Es bildeten sich konfessionsgebundene Bündnisse zwischen Reichsständen, die mehrmals gegeneinander Krieg führten. Der zu dieser Zeit herrschende Kaiser Karl V. war nicht in der Lage, diese reichsinternen Kämpfe zu beenden; ebensowenig gelang es ihm, die Reformation aufzuhalten. In der Mitte des Jahrhunderts wurde den Reichsständen das Recht zugestanden, die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen ("cuius regio, eius religio"). Dadurch wurden die Reichsstände konfessional einheitlich. Ausnahmen zu dieser Regel waren nur viele der Reichsstädte und das Hochstift Osnabrück. Mit der konfessionellen Einheitlichkeit eines Territoriums war der Prozess der Territorialstaatsbildung endgültig abgeschlossen. Der Höhepunkt der durch die Reformation eingeleiteten Veränderungen war der Dreißigjährige Krieg. In seinem Verlauf versuchte der Kaiser ein letztes Mal, seine alte Machtstellung zurückzugewinnen und die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Dieser Versuch scheiterte. Es entstand ein Reich, in dem es kaum noch zu Verschiebungen der Grenzen der Territorien kam, und in dem der Kaiser fast nur noch repräsentativen Charakter hatte.
Das Reich beginnt zu zerbröckeln
Koalitionskriege gegen Napoleon und Separatfrieden
Das Reich begann während der Napoleonischen Kriege zu zerbrechen. So hatten bereits der Frieden zwischen Preußen und Frankreich 1795 und der Friede von Lunéville zwischen Österreich und Frankreich von 1801 die Grundfeste des Reiches erschüttert.
Reichsdeputationshauptschluss von 1803
Die Säkularisationen durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 sorgten weiterhin dafür, das prekäre politisch-konfessionelle Gleichgewicht des Reiches zu zerstören, das mit dem Westfälischen Frieden konstituiert worden war. Bereits seit den 1740er aber waren die Teile des Reich auf Grund des Dualismus zwischen Österreich und Brandenburg-Preußen immer mehr auseinandergedriftet. Auf seinem Boden war neben Österreich eine zweite Großmacht entstanden, was letztendlich zum Zerreissen des Reiches führen musste.
Das Ende des Reiches
Zusätzlich zu den inneren und äußeren Erschütterungen hatte sich am 2. Februar 1804 Napoleon zum Kaiser der Franzosen krönen lassen. Mit dieser Erhöhung wollte er einerseits seine Macht festigen, andererseits seine Größe noch deutlicher sichtbar machen. Vor allem wollte er das Erbe Karls des Großen antreten und somit seinem erblichen Kaisertum eine in der Tradition des Mittelalters stehende Legitimation verschaffen. Zu diesem Zweck reiste Napoleon im September 1804 nach Aachen und besuchte den Dom und das Grab Karls des Großen.
Napoleons Tun wurde in Wien, der Residenz des Kaisers des Reiches, genau registriert. In den darauffolgenden diplomatischen Gesprächen zwischen Frankreich und Österreich forderte am 7. August 1804 Napoleon in einer geheimen Note die Anerkennung seines Kaisertums, im Gegenzug werde Franz II. als Empereur héréditaire d'Autriche, als Erbkaiser Österreichs anerkannt. Wenige Tage später wurde aus der Forderung faktisch ein Ultimatum. Dies bedeutete entweder Krieg oder Anerkennung des französischen Kaisertums. Franz lenkte ein und nahm als Konsequenz dieses Schrittes zusätzlich zu seinem Titel als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches „für Uns und Unsere Nachfolger [...] den Titel und die Würde eines erblichen Kaisers von Österreich“ an. Dies geschah offensichtlich, um die Ranggleichheit mit Napoleon zu wahren. Hierzu schien der Titel des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches alleine nicht mehr geeignet, da dieses Reich in seinen letzten Zügen lag, auch wenn dies wohl ein Bruch des Reichsrechts war.
Dieser Schritt war auch vom Rechtsbruch abgesehen umstritten und wurde auch als übereilt angesehen, wie ein Brief von Friedrich von Gentz, einem bekannten österreichischen Publizisten, an seinen Freund Fürst von Metternich deutlich macht:
- Bleibt die deutsche Kaiserkrone im österreichischen Hause – und welche Unmaßen von Unpolitik schon jetzt, wo noch keine dringende Gefahr vorhanden, öffentlich zu erkennen zu geben, daß man das Gegenteil befürchtet! – so ist jene Kaiserwürde ganz unnütz
Napoleon ließ sich jedoch nicht mehr aufhalten. Seine Armee, die durch bayerische, württembergische und badische Truppen verstärkt wurde, marschierte auf Wien, und am 2. Dezember 1805 siegten die napoleonischen Truppen in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz über Russen und Österreicher. Der darauffolgende Frieden von Preßburg, der Franz II. und dem russischen Zaren Alexander I. von Napoleon diktiert wurde, dürfte das Ende des Reiches endgültig besiegelt haben, da Napoleon durchsetzte, dass Bayern, Württemberg und Baden mit voller Souveränität ausgestattet wurden und somit Preußen und Österreich gleichgestellt wurden. Der Einfluss Franz' als Kaiser des Reiches auf diese Gebiete war damit zunichte gemacht, da sich die Länder nun faktisch außerhalb der Reichsverfassung befanden.
Dies unterstreicht eine Äußerung Napoleons gegenüber seinem Außenminister Talleyrand:
- Es wird keinen Reichstag mehr geben; denn Regensburg soll Bayern gehören; es wird auch kein Deutsches Reich mehr geben.
Auslöser für das Ende des Reiches war letztlich jedoch, dass der Kurfürst von Mainz, Karl Theodor von Dalberg, den Großalmosenier des französischen Kaiserreiches, Joseph Kardinal Fesch, zu seinem Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge ernannte. Brisant war dabei, dass Dalberg außerdem Erzkanzler des Reiches und damit Haupt der Reichskanzlei, Aufseher des Reichsgerichtes und Hüter des Reichsarchives war. Der zu seinem Nachfolger ernannte Kardinal war zudem nicht nur Franzose und sprach kein Wort deutsch – er war auch der Onkel Napoleons. Sollte also der Kurfürst sterben oder sonst irgendwie seine Ämter abgeben, so wäre der Onkel des französischen Kaisers Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches geworden. Am 28. Mai 1806 wurde der Reichstag davon in Kenntnis gesetzt.
Der österreichische Außenminister Friedrich Graf von Stadion erkannte die möglichen Folgen: entweder die Auflösung des Reiches oder eine Umgestaltung des Reiches unter französischer Herrschaft. Daraufhin entschloss sich Franz am 18. Juni zu einem Protest, der wirkungslos blieb, zumal sich die Ereignisse überschlugen.
Denn am 12. Juli 1806 gründeten Kurmainz, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau, Kleve-Berg und weitere Fürstentümer mit Unterzeichnung der Rheinbundakte in Paris den Rheinbund, als dessen Protektor Napoleon fungierte, und erklärten am 1. August den Austritt aus dem Reich.
Bereits im Januar hatte der schwedische König die Teilnahme der vorpommerschen Gesandten an den Reichstagssitzungen suspendiert und erklärte als Reaktion auf die Unterzeichnung der Rheinbundakte am 28. Juni:
- daß die dermalige Staatsverfassung in Unsern Deutschen Staaten von diesem Tage an aufgehoben, die Landstände nebst den Landräthen aufgelöset, und alle dazu gehörigen Einrichtungen und Verfassungen durchaus abgeschafft werden.
Er führte stattdessen die schwedische Verfassung in Schwedisch-Pommern ein. Damit beendete er auch in diesem Teil des Reiches das Reichsregime. Das Reich hatte faktisch aufgehört zu existieren, denn von ihm blieb nur noch ein Torso übrig.
Die Entscheidung, ob der Kaiser die Reichskrone niederlegen sollte, wurde durch ein Ultimatum an den österreichischen Gesandten in Paris, General Vincent, praktisch vorweggenommen. Sollte Kaiser Franz bis zum 10. August nicht abdanken, dann würden französische Truppen Österreich angreifen, so wurde diesem am 22. Juli mitgeteilt.
In Wien waren jedoch schon seit mehreren Wochen Johann Aloys Josef Freiherr von Hügel, der einige Jahre zuvor die Reichskleinodien aus Nürnberg in Sicherheit gebracht hatte, und Graf von Stadion mit der Erstellung von Gutachten über die Bewahrung der Kaiserwürde des Reiches befasst. Ihre nüchterne und rationale Analyse kam zum Schluss, dass Frankreich versuchen werde, die Reichsverfassung aufzulösen und das Reich in einen von Frankreich beeinflussten föderativen Staat umzuwandeln. Sie kamen zu dem Schluss:
- Das Opfer der Reichsoberhauptlichen Würde und der Verzicht auf die Reichskrone kann – wenn man den noch übriggebliebenen Nutzen betrachtet – keinen Bedenken unterworfen seyn. Die Reichskrone bringt vielmehr auf der anderen Seite in der dermaligen Situation manche Verlegenheit und wird zu Collisionen mit Frankreich unvermeidlich Anlaß geben.
Für die Berater des Kaisers stand außer Frage, dass Franz die Krone niederlegen sollte. Der genaue Zeitpunkt diese Schrittes sollte nach den politischen Umständen bestimmt werden, um möglichst vorteilhaft für Österreich zu sein. Am 17. Juni 1806 wurde dem Kaiser das Gutachten vorgelegt. Den Ausschlag für eine Entscheidung des Kaisers gab wohl jedoch das erwähnte Ultimatum Napoleons. Am 30. Juli entschied sich Franz, auf die Krone zu verzichten; am 1. August erschien der französische Gesandte La Rochefoucauld in der österreichischen Staatskanzlei. Erst nachdem der französische Gesandte nach heftigen Auseinandersetzungen mit Graf von Stadion bestätigte, dass sich Napoleon niemals die Reichskrone aufsetzen werde und die Unabhängigkeit Österreichs respektiere, willigte der österreichische Außenminister in die Abdankung ein, die am 6. August verkündet wurde.
In der Abdankung heißt es:
- Bei der hierdurch vollendeten Ueberzeugung, von der gänzlichen Unmöglichkeit, die Pflichten Unseres kaiserlichen Amtes länger zu erfüllen, sind Wir es Unsern Grundsätzen und Unserer Würde schuldig, auf eine Krone zu verzichten, welche nur so lange Werth in Unsern Augen haben konnte, als Wir dem von Churfürsten, Fürsten und Ständen und übrigen Angehörigen des deutschen Reichs Uns bezeigten Zutrauen zu entsprechen und den übernommenen Obliegenheiten ein Genüge zu leisten im Stande waren.
- Wir erklären demnach durch Gegenwärtiges, daß Wir das Band, welches Uns bis jetzt an den Staatskörper des deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst ansehen, daß Wir das reichsoberhauptliche Amt und Würde durch die Vereinigung der conföderirten rheinischen Stände als erloschen und Uns dadurch von allen übernommenen Pflichten gegen das deutsche Reich losgezählt betrachten, und die von wegen desselben bis jetzt getragene Kaiserkrone und geführte kaiserliche Regierung, wie hiermit geschieht, niederlegen.
Was später heftig diskutiert werden sollte, war, ob Franz neben der Niederlegung der Krone berechtigt war, das Reich als Ganzes aufzulösen, denn er verkündete auch:
- Wir entbinden zugleich Churfürsten, Fürsten und Stände und alle Reichsangehörigen, insonderheit auch die Mitglieder der höchsten Reichsgerichte und die übrige Reichsdienerschaft, von ihren Pflichten, womit sie an Uns, als das gesetzliche Oberhaupt des Reichs, durch die Constitution gebunden waren.
Er löste auch die zu seinem eigenen Herrschaftsbereich gehörenden Länder des Reiches aus diesem heraus und unterstellte sie alleine dem österreichischen Kaisertum:
- Unsere sämmtlichen deutschen Provinzen und Reichsländer zählen Wir dagegen wechselseitig von allen Verpflichtungen, die sie bis jetzt, unter was immer für einem Titel, gegen das deutsche Reich getragen haben, los [...]
Auch wenn die Auflösung des Reiches wohl juristisch nicht haltbar war, fehlte es aber am politischen Willen und auch an der Macht, das Reich zu bewahren oder später wiederaufleben zu lassen.
Nach Ende des Reiches
Nach dem Wiener Kongress im Jahre 1815 schlossen sich die deutschen Einzelstaaten zum Deutschen Bund zusammen. Zuvor, im November 1814, richteten jedoch 29 Souveräne kleiner und mittlerer Staaten folgenden Wunsch an den Kongress:
- die Wiedereinführung der Kaiserwürde in Deutschland bei dem Komitee, welches sich mit der Entwerfung des Planes zu einem Bundesstaat beschäftigt, in Vorschlag zu bringen
Grundlage dieser Petition dürfte kaum patriotischer Eifer gewesen sein. Eher kann davon ausgegangen werden, dass diese die Dominanz der durch Napoleon zu voller Souveränität und Königstiteln gelangten Fürsten, z.B. der Könige von Württemberg, Bayern und Sachsen, fürchteten.
Aber auch darüber hinaus wurde die Frage, ob ein neuer Kaiser gekürt werden soll, diskutiert. So existierte u. a. der Vorschlag, dass die Kaiserwürde zwischen den mächtigsten Fürsten im südlichen Deutschland und dem mächtigsten Fürsten in Norddeutschland alternieren solle. Im allgemeinen wurde jedoch von den Befürwortern des Kaisertums eine erneute Übernahme der Kaiserwürde durch Österreich, also durch Franz I., favorisiert.
Da aber auf Grund der geringen Macht der Befürworter der Wiederherstellung, der kleinen und mittleren deutschen Fürsten, nicht zu erwarten war, dass der Kaiser in Zukunft die Rechte erhielte, die diesen zu einem tatsächlichen Reichsoberhaupt machen würde, lehnte Franz die angebotene Kaiserwürde ab. Dementsprechend betrachteten Franz I. und sein Kanzler Metternich diese in der bisherigen Ausgestaltung nur als eine Bürde. Auf der anderen Seite wollte Österreich aber den Kaisertitel für Preußen oder einen anderen starken Fürsten nicht zulassen.
Der Wiener Kongress ging auseinander, ohne das Kaisertum erneuert zu haben. Daraufhin wurde am 8. Juni 1815 der Deutsche Bund als lockere Verbindung der deutschen Staaten gegründet. In diesem führte Österreich bis 1848 den Vorsitz.
Verfassung des Reiches
Der Begriff der Verfassung des Heiligen Römischen Reiches ist nicht im heutigen staatsrechtlichen Sinne einer festgeschriebenen formell-rechtlichen Gesamturkunde zu verstehen. Sie bestand vielmehr im Wesentlichen aus vielen durch lange Überlieferung und Ausübung gefestigte und praktizierte Rechtsnormen, die erst seit dem Spätmittelalter und verstärkt seit der Frühen Neuzeit durch schriftlich fixierte Grundgesetze ergänzt wurden.
Die Verfassung des Reiches wie sie seit dem 18. Jahrhundert durch Staatrechtler definiert wurde, bestand also aus einem Konglomerat geschriebener und ungeschriebener Rechtsgrundsätzen über Idee, Form, Aufbau, Zuständigkeiten und Handeln des Reiches und seiner Glieder. Da sich der stark föderative Charakter des Reiches verbunden mit einer Wahlmonarchie sich kaum in ein Schema pressen lässt, formulierte bereits der Staatsrechtler Johann Jakob Moser ausweichend über den Charakter der Reichsverfassung:
- Teutschland wird auf teutsch regiert, und zwar so, daß sich kein Schulwort oder wenige Worte oder die Regierungsart anderer Staaten dazu schicken, unsere Regierungsart begreiflich zu machen Vorlage:Lit
Trotzdem war das Reich ein Staat mit einem Oberhaupt, dem Kaiser, und seinen Mitglieder den Reichsständen. Der ungewöhnliche Charakter des Reiches wurde nach einer verbreiteten Theorie der Staatrechtler des 18. Jahrhunderts von zwei Majestäten regiert. Auf der einen Seite war die Majestas realis, die von den Reichsständen ausgeübt wurde und auf der anderen Seite die Majestas personalis, die des Erwählten Kaisers. Erkennbar wird dies auch in der häufig anzutreffenden Formulierung Kaiser und Reich. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern war dessen Oberhaupt eben nicht das Reich.
Die Anzahl der Gesetze, Texte und Überlieferungen die zur Reichsverfassung gezählt wurden, entstanden in verschiedenen Jahrunderten und deren Anerkunung als zur Verfassung gehörig nicht einheitlich. Dennoch lassen sich einige dieser allgemein anerkannten „Grundgesetze“ benennen. Als erstes ist hierbei die Goldene Bulle von 1356 zu nennen, die die Grundsätze der Königswahl erstmals verbindlich regelte und damit Doppelwahlen, wie bereits mehrfach geschehen, vermied. Daneben wurden aber noch die Gruppe der Fürsten die zur Wahl des Königs festgelegt und die Kurfürstentümer wurden als unteilbar erklärt, um ein Anwachsen der Kurfürsten zu vermeiden. Außerdem schloss sie päpstliche Rechte bei der Wahl aus und beschränkte das Fehderecht.
Als zweites Grundgesetz gelten die Deutschen Konkordate von 1447 zwischen Papst Nikolaus V. und Kaiser Friedrich III. in denen die päpstlichen Rechte und die Freiheiten der Kirche und der Bischöfe im Reich geregelt wurden. Dies betraf u.a. die Wahl der Bischöfe, Äbte und Pröbste und deren Bestätigung durch den Papst, aber auch die Vergabe von kirchlichen Würden und die Eigentumsfragen nach dem Tod eines kirchlichen Würdensträgers. Die Konkardate bildeten eine wichtige Grundlage für die Rolle und Struktur der Kirche als Reichkirche in den nächsten Jahrhunderten.
Das dritte dieser wichtigen Rechtsgrundsätze ist der Ewige Reichsfrieden der am 7. August 1495 auf dem Reichstag von Worms verkündet wurde. Damit wurde das bis dahin allgemein übliche adlige Recht auf Fehde verboten und versuchte damit das Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Selbsthilfe des Adels wurde als rechtswidrig erklärt. Vielmehr sollten die Gerichte der Territorien bzw des Reiches, wenn es Reichstände betraf, die Streitigkeiten regeln und entscheiden. Der Bruch des Landfriedens sollte hart bestraft werden. So waren für die Brechung des Landfriedens die Reichsacht oder hohe Geldstrafen ausgesetzt.
Das Wormser Reichsmatrikel von 1521 kann als viertes dieser „Reichsgrundgesetze“ betrachtet werden. In diesem wurden alle Reichsstände mit der Anzahl der für das Reichsheer zu stellenden Truppen und der Summe die für den Unterhalt des Heeres gezahlt werden musste, erfasst. Trotz Anpaßungen an die aktuellen Verhältnisse und kleineren Änderungen war es die Grundlage der Reichsheeresverfassung.
Kaiser
Hauptartikel Römisch-deutscher Kaiser
Reichsstände
Hauptartikel Reichsstände
Als Reichstände bezeichnet man diejenigen reichsunmittelbaren Personen oder Korporationen, die Sitz und Stimme im Reichstag hatten. Sie waren keinem Landesherrn untertan und entrichtete ihre Steuern an das Reich. Zu Beginn der Frühen Neuzeit hatte sich der Umfang der Reichsstandschaft endgültig herausgebildet.
Neben den Unterschieden der Reichstände entsprechendend ihres Ranges, unterscheidet man außedem zwischen geistlichen und weltlichen Reichständen. Diese Unterscheidung ist insofern wichtig, da im Heiligen Römischen Reich geistliche Würdenträger, wie Erzbischöfe und Bischöfe, auch Landesherren sein konnten. Neben der Diözese, in der der Bischof das Oberhaupt der Kirche bildete, regierte er oft auch über einen Teil des Diösesangebietes und war in diesem gleichzeitig der Landesherr. Diese Gebiet wurde als Hochstift, bei Erzbischöfen als Erzstift, bezeichnet. Hier erließ er Verordnungen, zog Steuern ein, vergab Priviligien wie ein anderer Landesherr auch. Um diese Doppelrolle als geistliches und weltliches Oberhaupt zu verdeutlichen wird solch ein Bischof auch als Fürstbischof bezeichnet. Erst diese weltliche Rolle der Fürstbischöfe begründete deren Zugehörigkeit zu den Reichsständen.
Kurfürsten
Hauptartikel Kurfürst
Reichsfürsten
Hauptartikel Reichsfürst
Der Stand der Reichsfürsten hatte sich im Hochmittelalter herausgebildet und umfasste alle die Fürsten, die ihr Lehen nur und unmittelbar vom König bzw. Kaiser erhalten hatten. Es bestand also eine lehnsrechtliche Reichsunmittelbarkeit. Hinzu kamen aber auch Fürsten, die durch Standeserhebungen oder schlicht durch Gewohnheitsrecht zu den Reichsfürsten gezählt wurden. Zu den Reichsfürsten zählten Adlige die über unterschiedlich große Territorien herrschten und unterschiedliche Titel trugen. Die Reichsfürsten gliederten sich genauso wie die Kurfürsten in eine weltliche und eine geistliche Gruppe.
Nach dem Reichsmatrikel von 1521 zählten zu den geistlichen Reichsfürsten die vier Erzbischöfe von Magdeburg, Salzburg, Besancon und Bremen und 46 Bischöfe. Diese Zahl verringerte sich bis 1792 auf die beiden Erzbischöfe von Salzburg und Besancon und 22 Bischöfe. Die Erzbistümer Magdeburg und Bremen und einige Bistümer waren im Zuge der Reformation durch die protestantisch gewordenen benachbarten Fürsten insbesondere im Norden und Nordosten säkularisiert worden und schieden damit aus dem Reichsfürstenstand aus. Hinzu kamen Mediatisierungen und das Ausscheiden von Gebieten aus dem Reich, so wurden z.B. die Bistümer Wallis, Genf und Lausanne eidgenössisch und Cambrai, Verdun, Metz und Toul französisch.
Entgegen der Anzahl der geistlichen Reichsfürsten, die sich bis zum Ende des Reiches um ein Drittel redurzierte, erhöhte sich die Anzahl der weltlichen Reichsfürsten um mehr als das Doppelte. Das Wormser Reichsmatrikel von 1521 zählte noch 24 weltliche Reichsfürsten. Ende des 18. Jahrhunderts werden hingegen 61 Reichsfürsten aufgeführt. Ursache hierfür sind die bereits erwähnten Säkularisationen ehemals geistlicher Reichsfürsten und die Erhebung in den Reichsfürstenstand mit Reichsstandschaft. Eines der bekannteren Beispiele hierfür ist die Erhebung der Fürsten von Thurn und Taxis in den Reichsfürstenstand. Ein weiterer Grund bildet die Aufgliederung von Adelsgeschlechtern in mehrere Seitenlinien. So bildeten sich im Laufe der Zeit je fünf pfälzische und sächsische, vier braunschweigische, drei badische, je zwei fränkisch-brandenburgische, pommersche, mecklenburgische, hessische und holsteinische Linien.
Immerhin wurde bereits 1582 auf dem Augsburger Reichstag die Anzahl der Reichsfürsten durch dynastische Zufälle eingeschränkt. Die Reichsstandschaft wurde an das Territorium des Fürsten gebunden. Erlosch eine Dynastie übernahm der neue Territorialherr die Reichsstandschaft, im Falle von Erbteilungen übernahmen sie die Erben gemeinsam.
Die Reichsfürsten bildeten auf dem Reichstag den Reichsfürstenrat, auch Fürstenbank genannt. Diese war entsprechend der Zusammensetzung der Fürstenschaft in eine geistliche und eine weltliche Bank geteilt. Durch die Bindung des Reichsfürstenstandes an die Herrschaft über ein Territorium war die Anzahl der Stimme nach der Reichsmatrikel bestimmt und bildete die Grundlage für die Stimmberechtigung im Reichstag. War ein weltlicher oder geistlicher Fürst Herr über mehrere Reichsterritorien so verfügte er auch über die dementsprechende Anzahl von Stimmen.
Die größeren der Fürsten waren an Macht und Größe der regierten Territorien zumindest den geistlichen Kurfürsten überlegen und forderten deshalb seit dem zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts eine politische und zeremonielle Gleichstellung der Reichsfürsten mit den Kurfürsten.
Reichsprälaten
Hauptartikel Reichsprälat
Neben den zu den Reichsfürsten gehörenden Erzbischöfen und Bischöfe bildeten die Vorsteher der reichsunmittelbaren Klöster und Kapitele einen eigenen Stand innerhalb des Reiches. Das waren also die Reichsäbte, Reichspröpste und Reichsäbtissinnen. Das Reichsmatrikel von 1521 erfassste 83 Reichsprälaten, deren Anzahl sich bis 1792 durch Mediatisierungen, Säkularisierungen, Abtretungen an andere europäische Staaten und Erhebungen in den Fürstenstand auf 40 verringerte. Aber auch der Austritt der Schweizer Eidgenossenschaft trug zur Verringerung der Zahl der Reichsprälaten bei, da unter anderem St. Gallen, Schaffhausen und Einsiedeln und damit deren Klöster nicht mehr zum Reich gehörten. Die Gebiete der Reichsprälaten waren oft sehr klein, manchmal waren es nur ein paar Gebäude, und konnten sich nur mit Mühe dem Zugriff der umliegenden Territorien entziehen, was aber nicht immer gelang.
Zu Beginn der Frühen Neuzeit gehörten die 14 Äbtissinen von Quedlinburg, Essen, Herford, Niedermünster in Regensburg, Thorn/Mass, Obermünster in Regensburg, Kaufungen, Lindau, Gernrode, Buchau, Rottmünster, Heggbach, Gutenzell und Baindt sowie die Balleinen des Deutschen Ordens von Koblenz, Elsaß und Burgund, Österreich und an der Etsch den Reichsprälatenstand an. Weiterhin gehörten der Hochmeister des Deutschen Ordens und der Großmeister des Johanniterordens dazu.
Die meisten Reichsprälaturen lagen im Südwesten des Reiches weshalb sich auch 1575 das Schwäbische Reichsprälatenkollegium bildete das den durch die geografische Nähe der Prälaturen entwickelten Zusammenhalt abbildete und stärkte. Dieses Kollegium bildete auf den Reichstagen eine geschlossen Gruppe und besaß eine Kuriatsstimme, die einer Stimme eines Reichsfürsten gleichgestellt war. Alle nicht diesem Kollegium zugehörigen Reichprälaten bildeten das Rheinische Reichsprälatenkollegium, das auch eine eigene Stimme besaß, aber auf Grund der größeren geografischen Verteilung seiner Mitglieder, nie den Einfluß des schwäbischen Kollegiums erreichte. So durfte das schwäbische Kollegium stets einen Vertreter in interständische Ausschüße entsenden und hatte im Abt von Wiengarten einen seit 1555 rechtlichen festgeschriebenen Vertreter im Ordentlichen Reichsdeputationstag.
Reichsgrafen
Hauptartikel Reichsgraf
Diese Gruppe war die zahlenmäßig größte unter den Reichsständen und vereinigte diejenigen Adligen, den es nicht gelungen war ihren Besitz in ein Königslehen umzuwandeln, da die Grafen ursprünglich nur Verwalter von Reichseigentum bzw. Stellvertreter des Königs in bestimmten Gebieten waren. Nichtdestotrotz verfolgten die Grafen genauso wie die größeren Fürsten das Ziel ihren Besitz in einen Territorialstaat umzuwamndeln. Faktisch waren sie aber schon seit dem Hochmittelalter Landesherren und wurden auch gelegentlich in den Reichsfürstenstand erhoben, wie man an dem Beispiel der größten Grafschaft Württemberg sieht, die 1495 zum Herzogtum erhoben wurde.
Die zahlreichen zumeist kleinen reichsunmittelbaren Gebiete der Reichsgrafen, das Reichsmatrikel von 1521 zählt 143 Grafen auf, trugen sehr stark zum Eindruck der Zersplitterung des Reichsgebietes bei. in der Liste von 1792 tauchen immerhin noch fast 100 Reichsgrafen auf, was trotz zahlreicher Mediatisierungen und dem Erlöschen von Adelsgeschlechtern auf den Umstand zurückzuführen ist, dass im Laufe der Frühen Neuzeit zahlreiche Personen in den Reichsgrafenstand erhoben wurden, die aber nicht mehr über reichsunmittelbares Gebiet verfügten.
Reichsstädte
Hauptartikel Freie Reichsstadt
Die Reichsstädte bildeten eine politische und rechliche Ausnahme, da sich in diesem Fall die Reichsstandschaft nicht auf eine Einzelperson bezog, sondern auf die Stadt als Ganze, die vom Rat vertreten wurde. Von den anderen Städten des Reiches hoben sie sich ab, da sie keinen anderen Herrn hatten außer dem Kaiser. Rechtlich waren sie den anderen Reichsterritorien gleichgestellt. Allerdings besaßen nicht alle reichsunmittelbaren Städte Sitz und Stimme im Reichstag und damit die Reichsstandschaft. Von den 1521 im Reichmatrikel erwähnten 86 Reichsstädten konnten nur drei Viertel sich die Mitgliedschaft im Reichstag sichern. Bei den anderen war die Reichsstandschaft umstritten bzw. niemals gegeben. So konnte Hamburg beispielsweise seinen Sitz im Reichstag erst 1770 einnehmen, da Dänemark die gesamte Frühe Neuzeit diesen Status bestritten hatte und dies erst 1768 im Vertrag von Gottorp endgültig festgestellt wurde.
Die Wurzeln der frühneuzeitlichen Reichsstädte lagen einerseits in den mittelalterlichen Stadtgründungen der römisch-deutschen Könige und Kaiser, die dann als des Reichs Städte angesehen wurden und nur dem Kaiser unteran waren. Auf der anderen Seite gab es Städte die sich im Spätmittelalter, verstärkt seit dem Investiturstreit, aus der Herrschaft eines meist geistlichen Stadtherren befreien konnten. Diese als „Freie Städte“ bezeichneten Städte hatten im Gegensatz zu den eigentlichen Reichsstädten keine Steuern und Heeresleistungen an den Kaiser zu entrichten.
Seit 1489 bildeten die Reichsstädte und die Freien Städte das Reichsstädtekollegium und wurden unter dem Begriff „Freie- und Reichsstädte“ zusammengefasst. Im Sprachgebrauch verschmolz diese Formel im Laufe der Zeit zur „Freien Reichsstadt“.
Bis zum Jahre 1792 nahm die Zahl der Reichstädte auf 51 ab nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 blieben als Reichsstädte sogar nur noch die Städte Hamburg, Lübeck, Bremen, Frankfurt, Augsburg und Nürnberg übrig. Die Rolle und Bedeutung der Städte nahm seit dem Mittelalter ebenfalls immer mehr ab, da viele nur sehr klein waren und sich häufig dem Druck der umliegenden Territorien nur schwer widersetzen konnten.
Bei den Beratungen des Reichstages wurde die Meinung der Reichsstädte meist nur pro forma zur Kenntnis genommen, nach dem sich die Kurfürsten und die Reichsfürsten geeinigt hatten.
Weitere reichsunmittelbare Stände
Reichsritter
Hauptartikel Reichsritterschaft
Der reichsunmittelbar Stand der Reichsritter gehörte nicht den Reichständen an und fand auch keine Beachtung in der Reichsmatrikel von 1521. Die Reichsritter gehörten dem niederen Adel und waren zu Beginn der frühen Neuzeit als eigener Stand erkennbar. Zwar gelang ihnen nicht wie den Reichsgrafen die volle Anerkennung jedoch konnten sie sich dem Zugriff der diversen Territorialfürsten widersetzen und ihre Reichsunmittelbarkeit bewahren.
Sie genossen den besonderen Schutz des Kaisers, blieben aber vom Reichstag ausgeschlossen und wurden auch nicht in die Reichskreisverfassung einbezogen. Ab dem Spätmittelalter schloßen sich die Reichsritter in Ritterbünden zusammen, die sich seit der ersten Hälfte 16. Jahrhundert zu quasi-territorialen Zwangsverbände entwickelten. Auf Grund von Steuerforderungen gegenüber den Reichsritter im Jahre 1542, die wegen der drohenden Türkengefahr vom Kaiser erhoben wurden, mussten die Reichsritter eine Organisationform finden, die es einerseits erlaubte ihre Rechte und Priviligien zu bewahren und auf der anderen Seite ihre Pflichten gegenüber dem Kaiser zu erfüllen.
Deshalb organisierte sich die Reichsritterschaft ab der Mitte des 16. Jahrhunderts in insgesamt 15 Ritterorten, die wiederum, bis auf eine Ausnahme, in drei Ritterkreise zusammengefasst wurden. Die Ritterorte wurden seit dem 17. Jahrhundert, entsprechend des Vorbildes der Schweizer Eidgenossenschaft Kantone genannt. Die sechs Kantone Odenwald, Gebürg, Rhön-Werra, Steigerwald, Altmühl und Baunach gehörten dem Fränkischen an, die fünf Kantone Donau, Hegau-Allgäu-Bodensee, Neckar-Schwarzwal, Kocher und Kraichgau dem Schwäbischen und die drei Kantone Oberrhein, Mittelrhein und Niederrhein dem Rheinischen Ritterkreis. Der Kanton Niederelsaß nahm als 15. Kanton eine Sonderstellung ein.
Seit 1577 fanden zwar als „Generalkorrespondenztage“ bezeichnete Zusammenkünft der Reichsritterschaft statt, jedoch blieben die Kreis und besonders die Kantone auf Grund der starken territorialen Verankerung der Ritter wesentlich wichtiger.
Die Reichsritter wurden sehr häufig durch den Kaiser zu Kriegsdiensten hernagezoegn und gewannen dadurch einen sehr großen Einfluß im Militär und der Verwaltung des Reiches aber auch der Territorialfürsten.
Reichsdörfer
Hauptartikel Reichsdorf
Die Reichsdörfer wurden im Westfälischen Frieden von 1648 neben den anderen Reichständen und der Reichsritterschaft anerkannt. Diese Überbleibsel der im 15. Jahrhundert aufgelösten Reichsvogteien waren zahlenmäßig gering und bestanden aus auf ehemaligen Krongütern gelegenen Gemeinden, Reichsflecken oder waren sogenannte Frei Leute. Sie besaßen die Selbstverwaltung und hatten die niedere, teilweise sogar die hohe Gerichtsbarkeit und unterstanden nur dem Kaiser.
Von den ursprünglich 120 urkundlich bekannten Reichsdörfern existierten im Jahre 1803 nur noch fünf, die im Rahmen des Reichsdeputationshauptschlusses mediatisiert, also benachbarten großen Fürstentümern zugeschlagen, wurden.
Institutionen des Reiches
Reichstag
Hauptartikel Reichstag
Der Reichstag war das bedeutendste und dauerhafteste Ergebnis der Reichsreformen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Er entwickelte sich seit der Zeit Maximilian I. zur obersten Rechts- und Verfassunginstitution, ohne dass es einen formellen Einsetzungsakt oder eine gesetzliche Grundlage gab. Im Kampf zwischen einer stärkeren zentralistischen oder stärker förderalisitischen Prägung des Reiches zwischen dem Kaiser und den Reichsfürsten entwickelte er sich zu einem der Garanten für den Erhalt des Reiches.
Bis 1654/54 trat der Reichstag in verschiedenen Reichsstädten zusammen und bestand seit 1663 als Immerwährender Reichstag in Regensburg. Auf der anderen Seite wurde er trotz mehrfacher Debatten auch nicht beendet. Der Reichstag dufte nur vom Kaiser einberufen werden, der aber seit der Wahlkapitulation Karls V. aus dem Jahre 1519 verpflichtet war vor Versendung der „Ausschreiben“ genannten Einladungsschreiben die Kurfürsten um Zustimmung zu bitten. Der Kaiser hatte ebenfalls das Recht die Tagesordnung festzulegen, wobei er aber nur einen geringen Einfluß auf die tatsächlich diskutierten Themen hatte. Die Leitung des Reichstages hatte der Kurfürst von Mainz inne, der auch gleichzeitig den Kurfürstenrat leitete. Den Reichsfürstenrat wurde abwechselnd durch den Erzherzog von Österreich und den Erzbischof von Salzburg geleitet, die Leitung des Reichstädterates lag jeweils in der Hand der Stadt in der der Reichstag stattfand.
Der Reichstag trat bis 1663 etwa 40 bis 45mal zusammen und konnte zwischen einigen Wochen bis mehreren Monaten dauern. Der Reichstag (zumindest in seiner nicht-permanenten Zeit) begann neben zeremoniellen Akten mit der Verlesung der kaiserlichen Proposition, der vom Kaiser vorab festgelegten Tagesordnung, und endete mit Verlesung und Beurkundung der Beschlüsse des Reichstages, dem Reichsabschied. Der letzte dieser Reichsabschiede war der „Jüngste Reichsabschied“ (recessus imperii novissimus) aus dem Jahre 1653/54. Dieser Reichstag in Regensburg hatte die Aufgabe die bei den Friedenverhandlungen von 1648 zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges nicht behandelten Themen zu beraten. Dies gelang allerdings nicht vollständig.
Die Permanzenz des Immerwährenden Reichstags wurde nie formell beschlossen, war aber in den Beschlüssen des Westfälischen Friedens angelegt woraus sich allmählich die Permanzenz des Reichstages entwickelte. Dieser Reichstag entwickelte sich aber nach Meinung der heutiger Historiker niemals zu einem Parlament oder einer ständischen Volksvertretung, sondern war und blieb immer die Vertretungsinstistution der Kurfürsten, der fürstlichen und nicht fürstlichen Reichstände, die sich aber immer mehr zu einem Gesandtenkongreß entwickelte.
Da der Immerwährende Reichstag seit 1663 nicht formell beendet wurde, konnten seine Beschlüsse auch nicht als Reichsabschied erarbeitet werden. Die Beschlüsse wurden deshalb in Form sogenannter Reichsschlüsse niedergelegt. Die Ratifizierung dieser Beschlüsse wurde meist durch den Vertreter des Kaiser beim Reichstag, dem Prinzipalkommissar, in Form eines „Kaiserlichen Commissions-Decrets“ durchgeführt.
Die Reichsabschiede und Reichschlüsse behandelte eine große Bandbreite von Themen zu denen es zu einem Konsens zwischen dem Kaiser und den verschieden Ständen kommen musste. So wurden Fragen des Auf- und Ausbaus der Regierung, Verwaltung, Justiz und des Militärs auf Reichsebene behandelt. Weiterhin wurden behandelt Themen wie die Erhaltung und Wiederherstellung des Landfriedens, die regelung des friedlichen Nebeneinanders der verschiedenen christlichen Religionen, der Erklärung von Krieg und Frieden, die Finanzierung von Reichsinstitutionen und Reichsunterrnehmungen und die Gestaltung der Wirtschaft im Reich.
Die Entscheidungen wurden in einem langwierigen und komplizierten Entscheidungs- und Beratungsverfahren getroffen. Wenn durch Mehrheits- oder einstimmigen Beschluß Entscheidungen in den jeweiligen Ständeräten getroffen waren, wurden die Beratungsergebnisse ausgetauscht und versucht dem Kaiser einen gemeinsamen Beschluss der Reichstände vorzulegen. Wichtig waren dabei die Entscheidungen des Kurfürsten und Reichsfürstenrates entscheidend, das Votum des Reichsstädterates war meist von untergeordneter Bedeutung, wenn es überhaupt zur Kenntnis genommen wurde.
Auf Grund der immer schwerer werdenden Entscheidungsprzesse wurde auch versucht Entscheidung mittels verschiedener Ausschüsse zu lösen. In diese Ausschüsse wurden meist Fachleute und Gesandte der Reichsstände entsandt. Daraus entwickelte sich seit dem 16. Jahrhundert eine Elite von Fachleuten und Politikern, die besonders vertraut waren mit den auf den Reichstagen behandelten Themen und Reichsangelegenheiten und über alle Stände hinweg Ansehen genossen.
Nach der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg bildeten sich in Folge der Glaubenspaltung das im Jahre 1653 Corpus Evangelicorum und später das Corpus Catholicorum. Diese versammelten die Reichsstände der beiden Konfessionen und berieten getrennt die Reichsangelegenheiten. Der Westfälische Frieden bestimmte nämlich, dass in Religionsangelegenheiten, aber auch auf anderen politischen Gebieten nicht mehr das Mehrheitsprinzip, sondern das der freundlichen Verständigung gelten soll.
Reichskreise
Hauptartikel Reichskreis
Die Reichskreise entstanden in Folge der Reichsreform vom Ende des 15. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 16. Jahrhunderts und der Verkündung des Ewigen Landfriedens in Worms im Jahre 1495. Sie sollten hauptsächlich der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung des Landfriedens durch den geographischen Zusammenhang seiner Mitglieder dienen und ausbrechende Konflikte bereits auf dieser Ebene versuchen zu lösen und über Störer des Landfriedens auch zu richten. Außerdem solten die Kreise die Reichsgesetze verkünden und notfalls auch durchsetzen.
Die ersten sechs Reichskreise wurden auf dem Reichstag von Augsburg 1500 im Zusammenhang mit der Bildung des Reichsregiment gebildet. Sie wurden lediglich mit Nummern bezeichnet und setzten sich aus Reichständen aller Gruppen, mit Ausnahme der Krufürsten, zusammen.
Mit der Schaffung vier weiterer Reichskreise im Jahre 1512 wurden nun auch die österreichischen Erblande und die Kurfürstentümer mit in die Kreisverfassung eingebunden. Außerhalb der Kreiseinteilung blieben bis zum Ende des Reiches das Kurfürstentum und Königreich Böhmen mit den zugehörigen Gebieten Schlesien, Lausitz, Mähren. Ebenso nicht eingebunden wurden die Schweizerische Eidgenossenschaft, das Gebiet des Deutschen Ordens, die Reichsritterschaft, die Lehnsgebiete in Reichsitalien und einige Reichsgrafschaften und -herrschaften, wie z.B. Jever.
Reichskammergericht
Hauptartikel Reichskammergericht
Das Reichskammergericht wurde im Zuge der Reichsreform und der Errichtung des „Ewigen Landfriedens“ im Jahre 1495 unter Kaiser Maximilian I. errrichtet und hatte bis zum Ende des Reiches 1806 Bestand. Es war neben dem Reichshofrat das oberste Gericht des Reiches sein und und hatte die Aufgabe ein geregeltes Streitverfahren an die Stelle von Fehden, Gewalt und Krieg zu setzen.
Nach seiner Gründung am 31. Oktober 1495 hatte das Gericht seinen Sitz in Frankfurt am Main, nach Zwischenstationen in Worms, Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Speyer und Esslingen war es ab 1527 in Speyer und nach dessen Zerstörung infolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges von 1689 bis 1806 in Wetzlar ansässig.
Nach den Beschlüssen des Reichstages von Konstanz im Jahre 1507 entsandten von den insgesamt 16 Assesoren, also den Beisitzern des Gerichtes, die Kurfürsten je einen. Der römisch-deutsche König für Burgund und Böhmen benannte ebenfalls je zwei und jeder der im Jahre 1500 gebildeten Reichskreise durfte ebenfalls einen Beisitzer zum Reichskammergericht entsenden. Außerdem wurden die letzten beiden Sitze auf Vorschlag der Reichskreise durch den Reichstag gewählt, so dass die Assesoren des Reichskammergerichts zur Hälfte aus Vertretern der Reichskreise bestand.
Auch als im Jahre 1555 die Anzahl der Beisitzer auf 24 erhöht wurde, blieb die Rolle der Reichskreise entsprechend ihrer Wichtigkeit für den Landfrieden erhalten. Seitdem durfte jeder Reichskreis einen ausgebildeten Juristen und einen Vertreter der Reichsritterschaft entsenden, also jetzt zwei Vertreter. Auch nach dem Westfälischen Frieden, wo die Anzahl auf 50 erhöht wurde, und dem Jüngsten Reichsabschied wurde die Hälfte der Assesoren mit Vertretern der Reichskreise besetzt.
Durch die Einrichtung des Gerichtes wurde die oberste Richterfunktion des König und Kaisers aufgehoben und dem Einfluß der Reichsstände zugänglich. Dies war bei dem seit Anfang des 15. Jahrhunderts bestehenden königlichen Kammergericht nicht der Fall gewesen. Die erste Reichsgerichtkammerordnung vom 7. August 1495 begründete Unser [also des Königs] und des Hailigen Reichs Cammergericht. Vom selben Tag datieren auch die Urkunden zum Ewigen Landfrieden, Handhabung Friedens und Recht und die Ordnung des Gemeinen Pfennigs die alle zusammen den Erfolg der Reichsstände gegenüber dem Kaiser zeigen, was sich auch bei den Regelungen für das Gericht bezüglich Tagungsort, eine von der Residenz des Kaisers weit entfernte Reichsstadt, Finanzierung und personeller Zusammensetzung zeigte.
Die Partizipation der Stände an der Einrichtung und Organisation des Gerichtes hatte aber zur Folge, dass diese sich an der Finanzierung beteiligen mussten, da desses Gebühren und sonstige Einnahme nicht ausreichten. Wie wichtig aber das Gericht den Ständen war, zeigt die Tatsache, dass mit dem „Kammerzieler“ die einzige ständige Reichssteuer durch diese bewilligt wurde nachdem der Gemeine Pfennig als allgemeine Reichssteuer 1507 im Reichsabschied von Konstanz scheiterte. Trotz festgelegter Höhe und Zahlungstermine kam es aber immer wieder durch Zahlungsverzug bzw. -weigerung zu finanziellen Schwierigkeiten des Gerichtes und verursachten auch noch im 18. Jahrhundert lange Unterbrechungen in der Arbeit des Gerichtes.
Reichshofrat
Hauptartikel Reichshofrat
Der Reichshofrat war neben dem Reichskammergericht die oberste gerichtliche Instanz. Dessen Mitglieder wurden alleine vom Kaiser ernannt und standen diesem, zusätzlich zu den gerichtlichen Aufgaben, auch als Beratungsgremium und Regierungsbehörde zur Verfügung. Neben den Rechtsgebiete, die auch durch das Reichskammergericht behandelt werden konnten, gab es einige Streitfälle die nur vor dem Reichshofrat verhandelt werden konnte. So war der Reichshofrat auschließlich zuständig für alle Fälle die Reichslehnsachen, inklusive Reichsitaliens, und die kaiserlichen Reservatrechte betrafen.
Da sich der Reichshofrat im Gegensatz zum Reichskammergericht nicht streng an die damalige Gerichtsordnung halten musste und sehr oft auch davon abwich, waren Verfahren vor dem Reichshofrat im allgemeinen zügiger und unbürokratischer. Außerdem beauftragte der Reichshofrat häufig örtliche nicht am Konflikt beteiligte Reichsstände mit der Bildung einer „Kommission“, die die Vorgänge vor Ort untersuchen sollten.
Auf der anderen Seite überlegten sich die protestantischen Kläger oft, ob sie tatsächlich vor einem Gericht des Kaisers, der stets katholisch war und auch bis in 18. Jahrhundert nur Katholiken in den Reichshofrat berief, klagen wollten.
Siehe auch
Literatur
Quellen
Sekundärliteratur
Mittelalter
- Karl-Friedrich Krieger: König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 14), München 2005. ISBN 3-486-57670-4
- Malte Prietzel: Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt 2004. ISBN 3534151313
- Ernst Schubert: König und Reich. Studien zur spätmittelalterlichen deutschen Verfassungsgeschichte (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 63), Göttingen 1979. Wichtiges Standardwerk
- Hans K. Schulze: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 3, Stuttgart u.a. 1998. ISBN 3170130536 Gutes Überblickswerk
Frühe Neuzeit
- Karl Otmar von Aretin: Das Alte Reich 1648 - 1806, 4 Bde., Stuttgart 1993-2000. ISBN 3-608-91043-3
- Peter Claus Hartmann: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation in der Neuzeit 1486-1806, Stuttgart 2005. ISBN 3-15-017045-1. Sehr informativer Kurzüberblick über das Reich und seine Institutionen
- Axel Gotthard: Das Alte Reich, Darmstadt 2003. ISBN 3534151186
- Helmut Neuhaus: Das Reich in der frühen Neuzeit, (Enzyklopädie Deutscher Geschichte Band 42) München 2003. ISBN 3-486-56729-2. Enzyklopädischer Teil und zusätzlich ausführlicher Überblick über die aktuelle Forschung
- Georg Schmidt: Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495–1806, München 1999. ISBN 340645335X
Weblinks
- Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
- Quellen zur mittelalterlichen Reichsgeschichte
- Karte: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation um 1580
- Interaktive Karte: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation 1789
- Ausstellung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962–1806“ 28. August bis 10. Dezember 2006 in Berlin und Magdeburg
- Vorlesung online: Das Alte Reich 1495-1806, eine sehr schöne Seite, mit vielen Quellen und einer ausführlichen Bibliographie.