Wolfgang Hindrichs
Fetter Text
Wolfgang Hindrichs, Prof. Dr., (*16. Mai 1933 in Duisburg, † 13. März 2012 in Bremen)[1], war Sozialist und Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Arbeitswelt, Gewerkschaften und Erwachsenenbildung.
Arbeit und Leben
W.H. wurde am 16. Mai 1933 in Duisburg geboren. Die Kriegszeit verbrachte er auf dem Lande bei Ulm, wo ein Teil seiner Familie lebte. In den 1950er Jahren studierte er Sozialwissenschaften, Theologie und Pädagogik und promovierte im Fach Erwachsenenpädagogik. Er trat in die SPD ein, hielt aber nach Verabschiedung des „Godesberger Programms“ (1959) Distanz zum offiziellen Kurs der Partei. Als Student gehörte er zur linkssozialistischen Opposition gegenüber dem Adenauerregime. Er fand Anschluss an einen Kreis politisch engagierter Sozialwissenschaftler, die sich für demokratische Reformen in der Arbeitswelt engagierten. Zusammen mit Oskar Negt, Willi Pöhler, Reinhard Hoffmann, Olaf Sund und Reinhard Welteke veröffentlichte er sog. Arbeitshefte für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit wie „Die Würde des Menschen in der Arbeitswelt“ und „Industriearbeit und Herrschaft“, die großen Einfluss auf die Entwicklung der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung in den 1960er Jahren haben sollten. Hindrichs erarbeitete mit anderen einer betriebsbezogene neue Konzeption der Weiterbildung für gewerkschaftliche Basisfunktionäre (Vertrauensleute, Betriebsräte). Diese Konzeption hatte nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, insbesondere in der IG Metall. - Was bedeutet "betriebsnahe Bildungsarbeit?
„Im Kern bezeichnet betriebsnahe gewerkschaftliche Bildungsarbeit nicht nur eine raumzeitlich-organisatorische, sondern auch eine soziologisch-konzeptionelle und eine didaktische Ebene. Unternehmen und Betrieb (…) als Ort der Kooperation von Kapital und Arbeit, aber auch der ständigen Konfrontation ihrer gegensätzlichen Interessen, sind gesellschaftliche Voraussetzung und zugleich zentrales Thema der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit; Betriebsbelegschaften und ihre Interessenvertretungen sind die Adressaten. Unternehmen und Betrieb sind aber auch die Orte des praktischen Wirksam-werdens gewerkschaftlicher Bildungsarbeit (…). Gelegentlich hört man zur Bezeichnung dieser Bildungskonzeption auch das Wort „Betriebsansatz". Darin drückt sich aus, dass der Bildungsprozess im Betrieb ansetzt, den Betrieb zentral thematisiert, sich aber nicht auf die betriebliche Ebene beschränkt. Tatsächlich haben die Vertreter des Betriebsansatzes den Betrieb nie isoliert und ausschließlich als Gegenstand der Bildungsarbeit gesehen. Daher muss die Konzeption der betriebsnahen Bildungsarbeit in ihren Zusammenhängen und mit ihren Implikationen betrachtet werden: Es geht um die Belegschaften, d. h. um den Betrieb als Arbeitsstätte und Ort kollekti¬ver Interessenbildung für die Arbeiter, die dort ihre Arbeitskraft verausgaben, ihren Lebensunterhalt verdienen, vielleicht einen Rest von Selbstverwirklichung in der Arbeit finden. Die Belegschaften stehen dabei aber in unaufhebbarem Interessengegensatz zu den Unternehmern, die im Betrieb Kapital investieren, Waren in Abhängigkeit von Markt und Konkurrenz produzieren lassen und dabei maximale Nutzung lebendiger Arbeit anstreben. Die Konzeption richtet sich also auf Betrieb als Ort der Interessenkonstitution und Interessendurchsetzung von Lohnabhängigen und insoweit auf die Keimzelle gewerkschaftlicher Organisation und gewerkschaftlicher Mobilisierung.“ (Hindrichs, 1982, S. 174f)
Mitte der 1960er Jahre wurde Hindrichs Assistent am Lehrstuhl für die „Wissenschaft von der Politik“ an der damaligen technischen Universität Hannover. Leiter des Lehrstuhls war Prof. Dr. Peter von Oertzen, der in den 1970er Jahren niedersächsischer Kultusminister wurde. In den 1970er Jahren gehörte Wolfgang Hindrichs zum Gründungsteam der 1972 in Dortmund neuerrichteten „Sozialforschungsstelle Dortmund“, damals Landesinstitut des Landes NRW. Zusammen mit dem damaligen Leiter Prof. Dr. Willi Pöhler prägte er Profil und Arbeitsweise des Instituts in seiner Anfangszeit. Er leitete mehrere empirische Forschungsprojekte zu aktuellen industriesoziologischen Forschungsthemen dieser Zeit. Streiks und betriebliche Konflikte wur-den als wichtige Phänomene der Arbeitswelt nach dem Ende des Wirtschaftswunders thematisiert und in Hinblick auf das in ihnen angelegte Entwicklungspotential betrieblicher und gewerkschaftlicher Strukturen untersucht.
Wolfgang Hindrichs heiratete in den 1970er Jahren Eva Hindrichs, geb. Hohlfeld. Die Ehe ging Ende der 1980er Jahre auseinander.
1979 wurde Wolfgang Hindrichs an der Universität Bremen zum Professor am Lehrstuhl für Weiterbildung mit dem Schwerpunkt Arbeiterbildung berufen. Diese Stelle war verbunden mit der Leitung der „Akademie für Arbeit und Politik an der Universität Bremen“. Hier konzentrierten sich seine Forschungsthemen vor allem auf Geschichte und Potentiale der gewerkschaftlichen Arbeiterbildung. Andere Arbeiten knüpften wieder an industriesoziologische Themen aus seiner Dortmunder Zeit an. Er publizierte zu Themen wie „Streiks“, „Betriebsräte“, „gewerkschaftliche Vertrauensleute“ und „Mitbestimmung am Arbeitsplatz“. Mitte der 1990er Jahre arbeitete er mit einer Arbeitsgruppe der Sozialforschungsstelle an einer Studie des Strukturwandels der Arbeit in der Schwerindustrie des Ruhrgebiets und die damit einhergehende Veränderung der Arbeit der Betriebsräte: „Der lange Abschied vom Malocher“ (zusammen mit Uwe Jürgenhake, Christian Kleinschmidt, Wilfried Kruse, Rainer Lichte, Helmut Martens)
Nach seiner Emerition Mitte der 1990er Jahre beschäftigte er sich weiterhin wissenschaftlich mit Themen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung und gehörte u. a. zu den Referenten der „Otto-Brenner-Akademie“ in Hannover.
Wolfgang Hindrichs starb am 13. März 2012 in Bremen im Alter von 78 Jahren.
Auswahl seiner Veröffentlichungen
Adolf Brock, Wolfgang Hindrichs, Reinhard Hoffmann, Oskar Negt, Willi Pöhler, Olaf Sund, Reinhard Welteke, 1968, Industriearbeit und Herrschaft, Arbeit und Leben Niedersachsen,
Adolf Brock, Wolfgang Hindrichs, Reinhard Hoffmann, Oskar Negt, Willi Pöhler, Olaf Sund, Reinhard Welteke, 1969, Die Würde des Menschen in der Arbeitswelt, Arbeit und Leben Niedersachsen,
Adolf Brock, Wolfgang Hindrichs, Reinhard Hoffmann, Oskar Negt, Willi Pöhler, Olaf Sund, Reinhard Welteke, 1969, Die Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betrieb, Arbeit und Leben Niedersachsen,
Adolf Brock, Wolfgang Hindrichs, Reinhard Hoffmann, Oskar Negt, Willi Pöhler, Olaf Sund, Reinhard Welteke, 1969, Der Konflikt um Lohn und Leistung, Arbeit und Leben Niedersachsen,
Dzielak, W., Hindrichs, W., Martens, H. Stanislawski, V., Wassermann, W., 1978: Belegschaften und Gewerkschaft im Streik - Am Beispiel der chemischen Industrie, Frankfurt/Main, New York, Campus-Verlag
Dzielak, Willi, Wolfgang Hindrichs und Helmut Martens; Walter Schophaus: Arbeitskampf um Arbeitsplätze, 1981. Der Tarifkonflikt 1978/79 in der Stahlindustrie , Campus Ffm
W. Hindrichs, 1982:Betriebsnahe gewerkschaftliche Bildungsarbeit, in: Dieter Görs (Hg.) Gewerkschaftliche Bildungsarbeit, Kontroversen und Konzepte, München-Wien-Baltimore
Duddek, H.-J.; Hindrichs, W.; Wassermann, W.; 1995: "Handlungsfeld Betrieb" zwei Studien über Verhältnisse und Perspektiven gewerkschaftlicher Betriebspolitik am Beispiel der Gewerkschaft NGG, Akademie für Arbeit und Politik an der Universität Bremen; Büro für Sozialforschung, Kassel
Wolfgang Hindrichs, Uwe Jürgenhake, Christian Kleinschmidt, Wilfried Kruse, Rainer Lichte, Helmut Martens; 2000: Der lange Abschied vom Malocher. Sozialer Umbruch in der Stahlindustrie und die Rolle der Betriebsräte von 1960 bis in die neunziger Jahre, Essen
- ↑ http://www.weser-kurier.de/trauer/wolfgang-hindrichs-2012-03-13-bremen.a-266632.html Traueranzeige im Weser-Kurier