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Bürgerliches Gesetzbuch

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Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt als zentrale Kodifikation des deutschen allgemeinen Privatrechts die wichtigsten Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen. Es bildet mit seinen Nebengesetzen (z.B. Wohnungseigentumsgesetz, Lebenspartnerschaftsgesetz das allgemeine Privatrecht. Das BGB trat am 1. Januar 1900 in Kraft. Der Gesetzgeber nimmt häufig Änderungen am BGB vor, so dass regelmäßig Bedarf an einer Neubekanntmachung besteht (zuletzt vom 2. Januar 2002). Das BGB ist aufgrund seiner langjährigen Beratung in zwei Juristenkommissionen besonders durchdacht. Es wurde Vorbild für die Regelungen etlicher Länder (Japan beispielsweise übernahm Ende des 19. Jahrhunderts eine der Entwurfsfassungen des BGB fast unverändert). Die Schweiz hat mit dem Zivilgesetzbuch eine Variante des Bürgerlichen Rechts eingeführt, die wesentliche Kritikpunkte am BGB berücksichtigt hat.


Basisdaten
Titel: Bürgerliches Gesetzbuch
Abkürzung: BGB
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Privatrecht
FNA: 400-2
Datum des Gesetzes: 18. August 1896 (RGBl. S. 195)
Inkrafttreten am: 1. Januar 1900
Neubekanntmachung vom: 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, ber.
S. 2909 u. BGBl. 2003 S. 738)
Letzte Änderung durch: Art. 3 Gesetz vom 7. Juli 2005
(BGBl. I S. 1970, 2012)
Inkrafttreten der
letzten Änderung: 1)
13. Juli 2005
(Art. 4b Gesetz vom 7. Juli 2005)
1) Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung!


Das BGB ist in fünf Bücher unterteilt:

  • Allgemeiner Teil - er enthält wesentliche Grundregeln für das zweite bis fünfte Buch (vgl. Klammertechnik);
  • Schuldrecht - das römischrechtlich geprägte Schuldrecht enthält Regelungen für verpflichtende Verträge, wie Kaufverträge, Mietverträge oder Dienstverträge;
  • Sachenrecht - das deutschenrechtlich geprägte Sachenrecht enthält insbesondere Regelungen für Eigentum und Besitz;
  • Familienrecht - das deutschenrechtlich geprägte Familienrecht enthält inzwischen die wesentlichen Regelungen über Ehe und Familie;
  • Erbrecht - das deutschenrechtlich geprägte Erbrecht enthält umfangreiche Regelungen zu Testament, Erbfolge und Erben.


Entstehung

Verkündung im Reichsgesetzblatt

Vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs herrschte auf dem Gebiet des 1871 gegründeten Deutschen Reichs Rechtszersplitterung, es galt u. a. Gemeines Recht, Allgemeines Landrecht (ALR), der Code civil, Badisches Recht und Sächsisches BGB.

Den Kodifikationsbestrebungen ging der so genannte Kodifikationsstreit von 1814 zwischen Anton Friedrich Justus Thibaut und Friedrich Carl von Savigny voraus. Während der liberal eingestellte Thibaut eine einheitliche Kodifikation des bürgerlichen Rechts forderte, um den "bürgerlichen Verkehr" (= Wirtschaftsverkehr) zu vereinfachen und zur nationalen Einheit beizutragen, stand der konservative Savigny einer Kodifikation negativ gegenüber. Für eine solche Leistung schien ihm die Rechtswissenschaft seiner Zeit noch nicht reif. Zunächst behielt die Auffassung Savignys die Oberhand.

Im Laufe der Zeit, besonders ab Gründung des Deutschen Reiches 1871, verstärkten sich aber die Forderungen nach einem bürgerlichen Gesetzbuch. 1873 beschlossen Reichstag und Bundesrat auf Antrag der Abgeordneten Miquel und Lasker die Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuches (siehe lex Miquel-Lasker). Die 1. Kommission wurde 1874 einberufen und legte 1888 den 1. Entwurf vor. Er orientierte sich stark an den Grundsätzen des gemeinen Rechts sowie an den Lehren Savignys und wurde als unsozial, unzeitgemäß und schwer verständlich kritisiert. Eine 1890 einberufene 2. Kommission legte 1895 den 2. Entwurf vor. Dieser wurde mit geringen Änderungen 1896 beschlossen und am 18. August verkündet.

Das BGB trat am 2. Januar 1800 in Kraft. Es wurde vom Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) begleitet, in dem die Übergangsregelungen zum bis dahin in Deutschland geltenden Recht und das Internationale Privatrecht enthalten sind. In der Folgezeit wurden bei Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs die jeweiligen Übergangsregelungen (u. a. durch den Einigungsvertrag mit der DDR) in das Einführungsgesetz eingearbeitet.

Entwicklung

Kaiserzeit

In den ersten 14 Jahren seines Bestehens begannen Rechtsprechung und Rechtswissenschaft mit der Entwicklung der Dogmatik des BGB. Die Gerichte ergänzten das das geschriebene Recht etwa um das Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung, dem Rechts am eingerichten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder die vorbeugende Unterlassungsklage gegen drohende Rechtsverletzungen.

Bereits im Kaiserreich machte die Kriegswirtschaft des Ersten Weltkriegs erste Änderungen am BGB notwendig - der Kontrahierungszwang und der diktierte Vertrag sind Beispiele staatlicher Lenkung der Wirtschaft, die zentralen Elementen des liberalen Ursprungs-BGB widersprachen.

Weimarer Republik

Die Weimarer Republik nahm diese Änderungen zurück. Es zeigte sich jedoch, dass es dem BGB an Schutzvorschriften wirtschaftlich schwächerer Bürgerinnen und Bürger im Miet- und Arbeitsrecht fehlte. Im Arbeitsrecht begann bereits in der Weimarer Zeit die Tendenz zur Sondergesetzgebung, die heute zu einer Vielzahl von Arbeitsgesetzen und einer unübersichtlichen Rechtsprechung geführt haben. Die Rechtsprechung inkorporierte auch vor dem Hintergrund der Inflation das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

NS-Zeit

Der Nationalsozialismus änderte zunächst das Familien- und Erbrecht. Da die Generalklauseln, wie z. B. § 242 ("Treu und Glauben"), "Einfallstore" für eine Rechtsdogmatik im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie darstellten, mussten umfangreiche Änderungen an den ersten drei Büchern des BGB nicht erfolgen. Allerdings arbeitete die NS-Reichsregierung an einem "Volksgesetzbuch" das das immer noch dem Wortlaut nach dem liberalen Gleichheits- und Freiheitsgedanken verpflichtete BGB ablösen sollte.

Besatzungszeit

Die Besatzungsmächte nahmen wesentliche Änderungen des NS-Regimes am BGB zurück. Die Entwicklung des BGB ist ab diesem Zeitpunkt in eine west- und ostdeutsche Entwicklung zu unterteilen.

Entwicklung in Ostdeutschland

Die DDR setzte das BGB schrittweise außer Kraft, da es mit ihrer Ideologie nicht vereinbar war. Nacheinander wurden das Familienrecht in ein "Familiengesetzbuch" (1966), das Arbeitsrecht in ein "Arbeitsgesetzbuch" (1966) die übrigen Teile in das "Zivilgesetzbuch" (1976) und das "Vertragsgesetz" (1982) überführt. Das Recht war einer sozialistischen Wirtschaftsordnung untergeordnet. Der Vertrag diente das Instrument der Planwirtschaft. Mit der Wirtschafts- und Währungsunion zum 1. Juli 1990 und der Deutschen Wiedervereinigung zum 3. Oktober 1990 endete dieser Sonderweg. Das BGB wurde mit umfangreichen Übergangsregelungen für das Gebiet der ehemaligen DDR wieder gesamtdeutsches Recht.

Entwicklung in Westdeutschland

Ab 1953 wurde schrittweise die Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes) verwirklicht, in den 1970er Jahren das Scheidungsrecht modernisiert.

In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Verbraucherschutzgesetze außerhalb des BGB erlassen, so z. B. das Haustürwiderrufsgesetz oder das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ("AGB-Gesetz"), so dass die Übersichtlichkeit litt und der Charakter des BGB als Gesamtkodifikation in Mitleidenschaft gezogen wurde.


Entwicklung seit 1990 in Gesamtdeutschland

Die letzte größere Überarbeitung erfolgte im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung zu Beginn des Jahres 2002 (mit Neubekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42)), durch die unter anderem Verbraucherschutzrichtlinien der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt wurden. Bei diesem Anlass wurden viele der erwähnten "ausgelagerten" Gesetze in das BGB "zurückgeholt".

Literatur

Entstehungsmaterialien und Protokolle:

  • Motive zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Amtliche Ausgabe. Bd. 1-5, Berlin/Leipzig 1888.
  • Benno Mugdan: Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Berlin 1899.
  • Horst Heinrich Jakobs, Werner Schubert (Hrsg.): Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen (Berlin / New York ab 1978, mehrere Bde.).

Diskussionen und Literatur zur Zeit der BGB-Entstehung:

  • Georg Maas: Bibliographie des bürgerlichen Rechts. Verzeichnis von Einzelschriften und Aufsätzen über das im Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich vereinigte Recht. Bd. I. 1888-1898. Berlin 1899. Bd. II. 1899. Berlin 1900.

Zur Geschichte:

  • Ulrich Eisenhardt: Deutsche Rechtsgeschichte. 3. Aufl. 1999, insb. S. 404-411 ISBN 3406453082
  • Uwe Wesel: Fast alles was Recht ist: Jura für Nicht-Juristen. ISBN 3492239609
  • Rolf Knieper: Gesetz und Geschichte : ein Beitrag zu Bestand und Veränderung des Bürgerlichen Gesetzbuches. 1996, ISBN 3789043516

Kommentare:

Rechtsvergleichend

Die vergleichbare Kodifikation in Österreich ist das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB). In der Schweiz ist es das Zivilgesetzbuch (ZGB) von 1907, das historisch gesehen auf den Erfahrungen des deutschen BGB aufbaute, aber als moderner und klarer gilt. Was die Zeitpriorität anbelangt, wird häufig übersehen, dass das BGB seinerseits auf das Schweizerische Obligationenrecht von 1881, das heute formell Bestandteil des ZGB ist, folgte. Das BGB wurde u.a. von Japan und Griechenland als Vorbild für das dortige Zivilrecht verwendet.

Siehe auch: Schweizerisches Zivilgesetzbuch; österreichisches ABGB