Straight Edge

Gegen- bzw. Jugendkultur aus dem Bereich des Hardcore Punk
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straight

1.gerade; direkt; 2.(Haar) glatt 3.(denken) klar;
4.(Antwort) offen, direkt, ehrlich 5.(Ablehnung) ohne Umschweife


edge

1.(Klinge) Schneide 2.Kante 3.Rand 4.Vorteil 5. (um)säumen, einfassen;
6.schieben, rücken 7.sich einen Weg bahnen; sich schieben, vorrücken

straight edge bedeutet: gerader Weg

Straight Edge bezeichnet eine Jugendkultur, die aus der Punk bzw. Hardcoremusik kommt. Erstmals erwähnt und somit unfreiwilliger Gründer dieser Bewegung ist die Band Minor Threat Anfang der Achtziger. In ihren Texten beschreiben sie ihre Abneigung über den üblichen Umgang mit Drogen in der Punkszene. Ihrer Meinung nach hatte der Punk als Protestkultur durch die Drogen sein ursprüngliches Ziel verloren: den Protest. Durch Abstinenz versuchte man wieder auf den geraden Weg zurückzufinden.

                          Straight Edge

                      by Minor Threat, 1981 
                     I’m a person just like you
                     But I’ve better things to do
                     Than sit around and fuck my head
                     Hang out with the living dead
                     Snort white shit up my nose
                     Pass out at the shows
                     I don’t even think about speed
                     That’s something I just don’t need
                     I’ve got the straight edge 
                     I’m a person just like you 
                     But i’ve got better things to do
                     Than sit around and smoke dope
                     ‘Cause I know I can cope
                     Laugh at the thought of eating ludes
                     Laugh at the thought of sniffing glue
                     Always gonna keep in touch
                     Never want to use a crutch

Dieser Songtext erwiesen sich als äußerst einflussreich und ließen in den kommenden Jahren diverse Straight Edge Hardcore Bands entstehen, wie SSD, Youth of Today, Gorilla Buiscuits. Von da an blieb Straight Edge ein sehr wichtiger Teil der Hardcoremusik und größtenteils definieren sich Hardcorebands auch darüber. Dennoch gibt es auch Hardcorebands, die mit dieser Lebensart nichts zu tun haben.

                     I’ve got the straight edge 

                     Out of step (with the world)
                        By Minor Threat, 1981 
                     (I) Don’t smoke
                         Don’t drink    
                         Don’t fuck (around)      
                         At least i can fucking think
                         I can’t keep up
                         Can’t keep up
                         Can’t keep up
                         Out of step with the world

Bestandteil dieser Lebensphilosophie ist Abstinenz von bestimmten Dingen. Als allgemein anerkannt gilt die Abstinenz von halluzinogenen Drogen, Zigaretten und Promiskuität, die auch im Songtext Erwähnung finden. Umstritten ist die Meidung der „Droge“: Koffein. Selbst dem Sänger von Minor Threat wurde vorgeworfen er sei nicht „straight“, weil er Kaffee trinke.

Seit dem Ursprung im Jahre 1981 hat sich die Auffassung des Begriffes Straight Edge in der Hardcoreszene gewandelt. Für viele ist Straight Edge mittlerweile mit dem Veganismus/Vegetarismus verbunden, welches ursprünglich nichts miteinander zu tun hatte. So kann man die Abstinenz von Tierprodukten als Erweiterung des ursprünglichen Straight Edge Gedankens ansehen. Allerdings wird in der Hardcoreszene auch immer noch getrennt zwischen „straight“ und „vegan“ unterschieden. Wegweisend war hier unter anderem die Band Earth Crisis.

Schwierigkeiten machten die Meinungen, dass Straight Edge politisch sei. Denn die einzigen Definitionen, die das belegen konnten blieben die Songtexte. Diese ließen aber sehr viel Interpretationsspielraum zu. Durch dieses Fehlen einer richtigen Definition aber wurden in der Hardcorebewegung zahlreiche Diskussionen über die Motive, Mittel und Ziele von Straight Edge ausgelöst.

Als Zeichen benutzt man drei X. Diese stehen symbolisch für die im Song beschriebenen Abstinenzen.



Was ist Straight Edge?

Der Versuch einer Definition.


Straight Edge ist der Ausweg des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Abhängigkeit. Abhängigkeit ist ein sich natürlich einstellender Zustand, sofern die Angst und die Bequemlichkeit den menschlichen Verstand lähmen. Selbstverschuldet ist diese Abhängigkeit durch die Angewohnheit der menschlichen Natur sich an eine Sache, einen Zustand oder ein Gedankengebäude, zu klammern und alle anderen, zu negieren. Angst und Bequemlichkeit sind und entstehen selbstverschuldet.

Nicht die Abhängigkeitsprävention von Drogen, sondern die Abhängigkeitsprävention vom Denken anderer ist das Hauptziel des Straight Edge Gedankens. Dogmatisch wird er durch seine Auslegung, durch die Bequemlichkeit der menschlichen Natur. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht alleine auf das hier behandelte Thema, sondern ist überall anwendbar und für die Psyche des einzelnen sogar notwendig, weil eine differenzierte statt der dogmatischen Sichtweise nicht das eindeutige Schwarz oder das eindeutige Weiß beschreibt, sondern einen der unzähligen Grautöne. Eben die Vielzahl der Möglichkeiten und Abstufungen machen es schwierig den eigenen Standpunkt ontologisch zu bestimmen oder den Standpunkt, des dialektischen Gegners, genau zu lokalisieren und zu entkräften. Ein verschwommenes Feindbild weckt eher Ängste als entschlossenen Willen. Wer ein klares Ziel vor Augen hat, definiert sich und seine Handlungsweise in eindeutiger Absicht. Ein differenzierter, weil objektiverer Standpunkt bringt dem einzelnen weniger emotionalen Rückhalt und den Menschen automatisch in Versuchung sich der Bequemlichkeit zu ergeben.

Abhängigkeit ist nicht ausschließlich negativ zu betrachten. Sehr gerne begibt sich mensch auch in bewusste Abhängigkeiten, wenn sie mehr nutzen als schaden. So gibt es Menschen, die eine vom Verkäufer angebotene Ware kaufen, weil der Verkäufer sie für das beste Stück auf dem Markt hält. Die anderen kaufen diese angepriesene Ware, weil sie durch selbstständiges Prüfen zum gleichen Ergebnis gekommen sind. Trotz gleichendem Endzustand wurden verschiedene Stadien durchlaufen. Hauptsache bleibt für viele, dass das gleiche Ziel erreicht wurde. So wird häufig angenommen, dass der Zweck mehr zählt als die Mittel, welches eine problematische Einstellung sein kann. Nicht nur das Ziel sollte sinnvoll gewählt sein, vielmehr gibt es wesentlich mehr Kontroversen um die Mittel. Stellt man sich mal Themen, wie „Weltfrieden“ oder „Gesundheit“ vor und schreibt die Mittel dazu auf, die von den verschiedensten Leuten vertreten werden, um diese beiden Sachen zu erhalten, so wird man feststellen, dass diese Liste ziemlich lang sein wird. Es fällt dann auf, dass sowohl ein Ziel als auch die Mittel zur Erreichung dieses Zieles von der Wichtigkeit her gleichberechtigt sind. Denn ein moralisches Ziel legitimiert nicht unmoralische Mittel, sondern die negative Auswirkung der Mittel mindert auch das Ziel, sie sind voneinander abhängig. Ein Ziel sollte man nicht isoliert betrachten! In diesem Fall ist der Weg das Ziel!

Mit Abhängigkeit ist hier die Abhängigkeit vom Denken anderer gemeint. Die Gedanken sind zwar frei, jedoch die Denkenden meistens nicht. Gerade das Denken beeinflusst unsere Existenz gravierend. Denn es bestimmt das Fortleben und die Lebens-/Gesellschaftsgestaltung. Bleibet es abhängig vom Denken der Herrschenden findet eine Ausnutzung dieser Personen und eine zunehmende Schutzhaltung der Ausgenutzten gegenüber den Herrschenden statt. Sie verteidigen sich und somit auch die Menschen, von denen ihr Denken und vielleicht Handeln abhängt. Das Anliegen der Herrschenden ist aber nicht das Gemeinwohl sondern es sind ihre eigenen Interessen. Diese zwei Punkte stehen aber häufig im Widerspruch zueinander. Strebe ich nun nach Unabhängigkeit vom externen Denken befinde ich mich auf dem Weg zur Anarchie des Geistes (Anarchie = Fremdherrschaftslosigkeit). Genau dieser Unterschied macht die Lücke zwischen „Hardcore“ und „Punk“, zwischen „Anarchie“ und „Anarchie des Geistes“ aus. DIY(Do it yourself) ist z. B. eine Gemeinsamkeit, die beide Gruppen teilen und deren Interpretation sogar verwandtschaftlich klingt. Mache so viel wie möglich selber. Bleibe unabhängig. Denke selber!

Dieser Geisteszustand setzt nicht nur Verstand, sondern eine Mobilisierung des Verstandes voraus (ein fruchtbarer Acker auf dem nichts angepflanzt wird ist ebenso wenig wert wie ein Stück Ödland). Denken und vor allem kritisches Denken sind notwendig, um ein Streben nach Unabhängigkeit zu schaffen. Straight Edge markiert also nicht den Endzustand, die Anarchie des Geistes, ob dieser Zustand wirklich realisierbar ist, darf zu Recht kritisiert werden, sondern den Weg dorthin. Wenn mensch also jemanden begegnet, der behauptet er sei „straight edge“(engl. gerader Weg) heißt das nicht, dass er sich in einem besseren Zustand befindet, also besser ist als normale Menschen, sondern dass er nur kenntlich gemacht hat auf welchem Weg er einem bestimmten Ziel näher kommen will. Ein Mittel, welches zum Ziel führen kann, ist die Benutzung des klaren Verstandes. Einen klaren Verstand zu jeder Zeit erhalte ich nur durch unterlassende Lähmung des Verstandes. Dies erreiche ich nur durch unterlassene Einnahme von halluzinogenen Drogen. Denn Drogen führen zu einer rapiden Einschränkung der Wahrnehmung, man wird zunehmend triebgesteuerter, unlogischer und ist schlichtweg, je nach Maß der Applikation, zu keiner vernünftigen Handlung mehr fähig. Wahrnehmung ist aber die Ausgangsposition eines jeden Erkenntnisgewinns. Wenn mensch dies vermeidet, können die Gedanken nun zu jeder Zeit geradlinig sein, weil mensch jede Ablenkung verhindert. Der drogenfreie Geist steht aber in keiner zwingenden Verknüpfung mit einem Erkenntnisgewinn. Mensch wandelt somit zwar auf einem geraden Weg und wird nicht durch unwichtige Dinge vom Weg abgebracht, ob mensch aber weitergeht hängt nicht mit der Drogeneinnahme zusammen, sondern wie mensch das gewonnene Kapital nutzt. Wie mutig ein jeder ist entscheidet über das Voranschreiten zur Anarchie des Geistes.

Für viele ist dieser Zustand nicht erstrebenswert, denn er ist unbequem. Es kostet viel Mühe und Arbeit. Allzu oft wird das Aufhören als wesentlicher und einziger Schritt des Straight Edge Gedankens verkannt. Demnach wäre Straight Edge keine Lebensphilosophie, sondern eine Konsumhaltung.

Straight Edge ist kein ausschließliches Aufhören, sondern ein Anfangen, ein Anfangen mit Denken! Erst ein neues Denken, ein neues Bewusstsein kann Folgen, wie Veganismus, Humanismus und Antifaschismus haben. Aus einer Konsumhaltung Schlüsse zu politischen Themen zu ziehen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern auch unlogisch. Ebenso ist es nicht richtig Straight Edge ein modisches Erscheinen nachzusagen. Eine Geisthaltung, die so unbequem ist und das Gegenteil von unkritischer Nachahmerei sein will, ist von vornherein für ein modisches Ausweiten disqualifiziert. Die auffällige modische Erscheinung rührt von der Konsumhaltung her, welche aber, wie oben behandelt, keinerlei Aussage über die Geisteshaltung zulässt, und welche noch lange nicht die Bezeichnung Straight Edge verdient. Schließlich muss es einen Unterschied zwischen einem nichtrauchenden Antialkoholiker und einem Straight-Edge-Kid geben.

Wohlgemerkt sind die Worte Straight Edge das Symbol für den Zweck, Abstinenz von Drogen ist ein Mittel, ebenso könnte man Veganismus als ein Mittel betrachten.

Angst ist einer der natürlichsten Instinkte. Alle Tiere haben diesen Schutzmechanismus, der unseren Vorfahren in lebensbedrohlichen Situationen zwei Sachen ermöglicht hatte: kämpfen oder fliehen. Auch heutzutage funktioniert dieser Instinkt noch erstaunlich gut. Das Problem der Angst ist allerdings, dass der Adrenalinausstoß nicht nur Reserven mobilisiert, sondern auch das Gehirn blockiert. Das Denken wird also stark beeinträchtigt. Der Mensch ist im Angstzustand größtenteils nur noch zu Reflex- und Affekthandlungen in der Lage, wohlüberlegte Handlungen sind nicht mehr möglich. Angst ist also auf dem Weg zur Unabhängigkeit hinderlich. Aus Angst tun Menschen Sachen, die sie eigentlich nicht wollen. Mit Angst werden Menschen in Abhängigkeiten gepresst, die es zu verhindern gilt. Häufig wird Angst bewusst eingesetzt, um Macht auszuüben oder Macht zu schaffen. Macht und Herrschaft sind demnach Instrumente, ängstliche Wesen in Abhängigkeit zu treiben und zu halten. Fremdherrschaft ist gerade das Gegenteil von dem, was Straight Edge will. Festzuhalten bleibt: Angst benebelt den Verstand und das Denken! Mensch sollte also versuchen Probleme nicht mit Angst zu begegnen, sondern sollte versuchen diesen Trieb zu unterdrücken. Nur die Unterdrückung von Trieben (Sexualtrieb, Hungertrieb), machen ein zivilisiertes Leben erst möglich. Versucht mensch seine Angst zu unterdrücken, unterdrückt er damit auch die Grundursache der Gewalt. Übt mensch sich darin, seinen Verstand in Problemsituationen zu benutzen und nicht zu lähmen, muss auch Gewalt als Problembewältigung gestrichen werden. Wenn mensch allerdings Triebe für natürlich hält und es logisch findet ausschließlich danach zu handeln, degradiert mensch sich vom vernunftbegabten Tier zum gemeinen Tier. Straight Edge, bzw. das Wandeln auf dem geraden Weg ist demnach ein gewaltfreies Fortbewegen!

Auch bei der Triebunterdrückung greift der dritte Punkt des Straight Edge Gedankens ein. Triebgesteuertes Verhalten führt zu unmoralischem Verhalten (Gewalt, Promiskuität) und es kann keinesfalls der Anspruch erhoben werden ein zivilisiertes Wesen zu sein. Das „Don´t fuck around“ soll keine Lebenserschwernis sein, sondern soll dem einzelnen den eigentlichen Sinn von zwischengeschlechtlichen Beziehungen aufzeigen. So ist nicht der Sex das erstrebenswerte, sondern die Liebe, die Partnerschaft, das Vertrauen. Der Unterschied ist beträchtlich. Sex ist eine Ware, die man erwerben kann. Sex ist käuflich, Liebe ist es nicht. Unsere Verhaltensweise soll demnach nicht materialistisch, also nicht auf den bloßen Erwerb von Waren (Sex, Drogen, Geld) ausgerichtet sein, sondern nach höheren Dingen streben. Mache ich mich endlich von aller materieller Gier frei und strebe nach Erkenntnis, die mich mindest ebenso befriedigen kann, wie Sex oder Drogen, die ja mir nur innere Glückseligkeit vorgaukeln; sogar ein höheres Maß an Vervollkommnung, Selbstbewusstsein und Genugtuung erhalte ich dann.

Natürlich ist es bequemer, zu bleiben wie mensch ist, als jeden Tag für die eigene Meinung zu kämpfen und genau das ist die Selbstverschuldung. Einfach den Mut haben seine eigenen Gedanken zu denken und nicht vorgefertigte Lebensweisen übernehmen oder politischen/gesellschaftlichen Vorstellungen glauben, weil sie Tradition sind oder weil es alle machen. Kläre dich selber auf, indem du an allem Gegebenen zweifelst. Übe Kritik, wo sie notwendig wird. Schärfe deine Warnnehmung, lass dich nicht täuschen. Der Name für dieses Verhalten lautet Straight Edge.

                           Don´t drink!
                           Don´t smoke!
                           Don´t fuck (around)!
                     at least I can fucking think!