Oswald von Wolkenstein (* um 1377 vermutlich auf Burg Schöneck im Pustertal/Südtirol, † 2. August 1445 auf Burg Hauenstein bei Seis/Schlerngebiet) war ein Sänger, Dichter, Komponist, teils mehr als nur regional bedeutender "Politiker" und Diplomat.

Leben und Werk
Seine oft humorvolle, lebensfrohe aber auch derbe Lyrik stand bereits an der Schwelle zur Renaissance und ist damit naturgemäß nicht mit der klassischen Minnelyrik (Minnesänger) des Hochmittelalters gleichzusetzen. Zu seinen Liedern sind originale Melodien überliefert.
Sein Leben ist - anders als bei den klassischen Minnesängern - in vielen Dokumenten überliefert. Im Gefolge König Sigmunds unternahm er zwischen 1415 und 1432 eine Reihe von Reisen und wurde mit diplomatischen und kriegerischen Missionen beauftragt. Seine Reisen führten ihn bis nach Portugal und ins Heilige Land sowie ans Schwarze Meer. Eine Darstellung, die Oswalds Königsnähe widerspiegelt, findet sich auf dem Retabel des Hochaltars in der Dortmunder Reinoldikirche, wo Oswald kniend vor Sigmund abgebildet ist.
Oswald zeichnet sich künstlerisch nicht zuletzt auch dadurch aus, dass er einerseits sein eigenes Leben (sowohl die guten wie die schlechten Zeiten) ausführlich in seinen Liedern behandelte, dass er bemüht war, sein Wirken personenbezogen zu überliefern: Oswald ließ Handschriften seiner Lieder anfertigen, von denen mehrere auch erhalten sind.
Andererseits verband Oswald diese künstlerischen Fähigkeiten bewusst und geschickt mit seinen staatsmännischen und persönlichen Ambitionen. Man kann sagen, er instrumentalisierte geschickt Dichtung und Sangesvortrag für seine persönlichen Ziele.
Hervorzuheben ist noch, dass Oswald neben dem so genannten "Mönch von Salzburg" ein früher Vertreter des mehrstimmigen deutschsprachigen Liedes ist.
Um die (wahrscheinlich unrechtmäßig angeeignete) Burg Hauenstein bei Seis führte er eine mehrjährige erbitterte Auseinandersetzung, die ihn auch für einige Jahre in den Kerker seiner Feinde brachte, da er gleichzeitig in einem langjährigen Konflikt zum Tiroler Landesherren lag. Oswald als Vertreter des niederen aber ursprünglich reichsunmittelbaren Adels suchte letztlich erfolglos, dem Bestreben der Landesfürsten um mehr Macht Einhalt zu bieten. Frei kam Oswald erst, nachdem er dem Landesfürsten die so genannte Urfehde, die Anerkennung der landesherrschaftlichen Mittelbarkeit, geleistet hatte.
Die persönlichen Mitteilungen, welche über ihn vor allem in seinen Liedern enthalten sind, lassen den Schluss zu, dass es sich in Oswald um einen alles andere als zimperlichen, um nicht zu sagen gewalttätigen, Menschen gehandelt haben mag. Über seine Kindheit gibt insbesondere das Lied "do ich was von zehen iaren" Aufschluss. Diebstahl und Gewalt sind in Oswalds Sphären nichts Ungewöhnliches.
Liedbeispiel (in vereinfachter Graphemik):
Ach senliches leiden
- Ach senliches leiden
- meiden neyden schaiden das tut we
- besser wer versunken jn dem see
- zart minnikliches weib
- dem leib mich schreibt und treibt gen josophat
- hertz mut syn gedanck ist worden mat
- es schaidt der tod
- ob mir dem gnad nicht hellfen wil
- auss großer not
- mein angst ich dir verhil
- dem mundlin rot
- hat mir so schier mein gier erwecket vil
- des wart ich genaden an dem zyl
Literatur
Ausgaben
- Lieder. Mittelhochdeutsch und neuhochdeutsch. Auswahl. Hrsg., übersetzt und erläutert von Burghart Wachinger. Langewiesche-Brandt, Ebenhausen 1964. Lizenzausgabe: Reclam, Stuttgart 1995. ISBN 3-15-002839-6
- um dieser welten lust. Leib- und Lebenslieder. Übertragen und hrsg. von Hubert Witt. Insel, Leipzig 1968 (Lizenzausgabe: Herbig, Berlin 1968)
- Die Lieder Oswalds von Wolkenstein. Hrsg. von Karl Kurt Klein. Unter Mitwirkung von Walter Weiss und Notburga Wolf. 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage. Niemeyer, Tübingen 1975. ISBN 3-484-20029-4 oder ISBN 3-484-20084-7
- Handschrift A. Vollständige Faksimile-Ausgabe im Originalformat des Codex Vindobonensis 2777 der Österreichischen Nationalbibliothek. Mit einem Kommentar von Francesco Delbono. (= Codices selecti; Band 59). Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1977. ISBN 3-201-00995-4
- Oswald von Wolkenstein. Die Lieder. In Text und Melodien neu übertragen und kommentiert von Klaus J. Schönmetzler. Vollmer, München 1979. ISBN 3-87876-319-0
- Sämtliche Lieder und Gedichte. Ins Neuhochdeutsche übersetzt von Wernfried Hofmeister. Kümmerle, Göppingen 1989. ISBN 3-87452-749-2
- Anton Schwob (Hrsg.): Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein. Edition und Kommentar. Böhlau, Wien u.a. 1999-2004. ISBN 3-205-99050-1, ISBN 3-205-99370-5, ISBN 3-205-77274-1
Biographisches und Sekundärliteratur
- Jahrbuch der Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft. Begründet in Marbach am Neckar 1981, erscheint heute in Frankfurt am Main. ISSN 0722-4311
- Karen Baasch und Helmuth Nürnberger: Oswald von Wolkenstein. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 2. Auflage. Rowohlt, Reinbek 1995. ISBN 3-499-50360-3
- Dirk Joschko: Oswald von Wolkenstein. Eine Monographie zu Person, Werk und Forschungsgeschichte. Kümmerle, Göppingen 1985. ISBN 3-87452-617-8
- Dieter Kühn: Ich Wolkenstein. Eine Biographie. Erweiterte Neuauflage. Insel, Frankfurt am Main 1988. ISBN 3-458-15044-7
- Ulrich Müller (Hrsg.): Oswald von Wolkenstein. (= Wege der Forschung; Band 526). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980. ISBN 3-534-07516-1
- Anton Schwob: Oswald von Wolkenstein. Eine Biographie. (= Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes; Band 4). Athesia, Bozen 1977. ISBN 88-7014-073-3
Tonträger
- Ensemble für Frühe Musik Augsburg: Oswald von Wolkenstein - Eine Auswahl von 24 Liedern; CD; Freiburg 1988
Weblinks
Quellen
Sekundäres
- W. Focke: Oswald von Wolkenstein
- Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft
- Oswald von Wolkenstein
- Nachweise von Lyrik im Internet
- Burg Hauenstein (historisch nicht ganz korrekt)
Personendaten | |
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NAME | Oswald von Wolkenstein |
KURZBESCHREIBUNG | mittelalterlicher Dichter, Komponist und Diplomat |
GEBURTSDATUM | um 1377 |
GEBURTSORT | vermutlich Burg Schöneck, Pustertal/Südtirol |
STERBEDATUM | 2. August 1445 |
STERBEORT | Burg Hauenstein, Seis/Schlerngebiet |