Aḫḫijawa

Bezeichnung für ein Gebiet, ein Volk oder ein Königreich in hethitischen Keilschrifttexten des 15. bis 13. Jahrhunderts v. Chr.
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Oktober 2005 um 19:56 Uhr durch Dudenfreund (Diskussion | Beiträge) ("ß" zu "ss"). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Ahhijawa ist die Bezeichnung eines Staats, einer Region oder eines Volks in hethitischen Texten. Aus den Dokumenten geht hervor, dass Ahhijawa westlich der Hethiter gelegen war. Die genaue Lokalisierung ist umstritten. Einige suchen es in West- oder Südwest- andere in Nordwest-Kleinasien. Teilweise wird vermutet, dass es sich um ein mykenisches Reich handelt, dass auch Küstenstreifen Westkleinasiens umfasste.

Ahhijawa hatte wechselhafte Beziehungen zum Hethiterreich. Der älteste bisher gefundene Text der Ahhija(wa) erwähnt stammt aus der Regierungszeit des hethitischen Großkönigs Arnuwanda I. (Frühes 14. Jahrhundert v. Chr.). Dabei geht es teilweise um Ereignisse, die bereits in der Regierungszeit seines Vorgängers stattfanden. Somit kam Ahhijawa bereits spätestens gegen Ende des 15. Jahrhundert v. Chr. in den Blickpunkt der Hethiter. Mursili II. zog um oder kurz vor 1300 gegen die Stadt Millawanda, das von vielen mit Milet gleichgesetzt wird, und zerstörte es wohl. Einige Jahre vor der Mitte unterstützte der König von Ahhijawa offenbar einen aufständigen westanatolischen Fürsten. Der hethitische Herrscher Hattušili III. war jedoch um gute Beziehungen zu Ahhijawa bemüht und bat den König von Ahhijawa, den er als gleichberechtigt anerkannte, die Aufständigen nicht weiter zu unterstützen. Zur Zeit Tuthallia IV. (ca. 1240-1215 v. Chr.) wurde der Herrscher von Ahhijawa allerdings als feindlich angesehen und aus einer Liste der gleichgestellten befreundeten Könige nachträglich gestrichen. Zudem wurde im Sausgamuwa-Vertrag ein Embargo verhängt: der Vasall in Amurru sollte verhindern, dass Schiffe von Ahhijawa in seine Häfen einlaufen und Kontakt mit assyrischen Händlern aufnehmen.

Heftig umstritten ist seit 80 Jahren die Gleichsetzung der Ahhijawa mit den Achäern. Erstmals wurde sie 1924 von Emil Forrer vorgeschlagen. Achäer wurden in der Antike einerseits die ursprünglichen Bevölkerung eines Teils Mittelgriechenlands genannt; andererseits begegnet der Ausdruck Achäer aber auch an zahlreichen Stellen in der Ilias als eine von drei Bezeichnungen für die Griechen vor Troja bei Homer. Der Streit, ob mit Ahhijawa Achäer, also (mykenische) Griechen, gemeint sind, ist immer noch nicht entschieden. Die wohl herrschende Meinung der Althistoriker und (klassischen) Archäologen befürwortet eine Gleichsetzung, die Hethitologie ist eher skeptisch. Eine eigene Position nimmt der Geologe Zangger ein, der die These vertritt, dass Ahhijawa mit einem - von ihm angenommenen - mächtigen Reich von Troja gleichzusetzen ist.

Bei den Befürwortern der Gleichsetzung von Ahhijawa mit Achäern, also mykenischen Griechen, gibt es zwei Meinungen, was genau mit Ahhijawa gemeint ist:

Die erste nimmt ein Mykenisches Großreich an, das sich vom griechischen Festland bis zur Ostägäis und eventuell Küstenstreifen des Westkleinasiatischen Festlandes (z. B. Milet) erstreckte. Als Zentrum dieses Reichs wird Mykene oder neuerdings auch Theben angenommen. Denn in Theben wurden unlängst zahlreiche kostbare assyrische Siegel gefunden, die ein Geschenk des assyrischen Herrschers waren. Demzufolge hat dieser versucht das (hypothetische) mykenische Großreich als Verbündeten zu gewinnen. (In den Epen Homers sind die Griechen nur im Krieg zu einem Bund von Stadtstaaten zusammengeschmiedet unter der Führung Agamemnons, des Königs von Mykene. Allerdings wird in dem Schiffskatalog in der Ilias der König von Theben, an erster Stelle genannt.) Gegen diese These spricht jedoch, dass nach Ausweis der Linear-B-Dokumente es am Ende des 13. Jh. viele kleinere und offenbar autonome mykenische Reiche gab. Einer Oberhoheit Mykenes oder Thebens ist nirgendwo auch nur angedeutet. Ein weiteres Argument gegen diese These ist, dass Ahhijawa von Zentralanatolien offenbar auf dem Landwege zu erreichen war.

Die zweite Meinung geht davon aus, dass hinter Ahhijawa ein ostägäisches Reich steckt, dass einige Inseln, eventuell Teile Kretas und Milet (= hethitisch "Milawanda"(?)) umfasste. Auch diese These kann mit einigen guten Argumente aufwarten: Zum einen hätte ein solches Reich und dessen Zentrum dem Reich der Hethiter viel näher gelegen; des weiteren scheint Ahhijawa seinen Höhepunkt erst erreicht zu haben, als sich auf dem griechischen Festland die Lage zuspitzte. Nebenbei sei bemerkt, dass die Inseln und Milet von den Zerstörungen und Umwälzungen, die sich gegen 1200 v. Chr. ereigneten, weitgehend verschont blieben. Im 12. Jh. bildeten einige östliche Inseln und Milet eine kulturelle koine. Sollte Milet eine - eventuell von mehreren - Residenz des Herrschers von Ahhijawa gewesen sein, wäre Ahhijawa durch hethitische Boten auch auf dem Landwege erreichbar gewesen.

Die Gegner der Gleichsetzung Ahhijawa = Achaier lokalisieren das Land in unterschielichen Regionen West, Südwest oder Nordwest-Kleinasiens. Der Geoarchäologe Zangger setzt es gar mit dem - seiner Meinung nach - sehr mächtigem Reich von Troja gleich.

Literatur

  • Emil Forrer, Vorhomerische Griechen in den Keilschrifttexten von Boghazköi, MDOG 63, 1924.
  • Gustav Adolf Lehmann: Die politisch-historischen Beziehungen der Ägäis-Welt des 15.-13. Jh. v. Chr. zu Ägypten und Vorderasien. In: Zweihundert Jahre Homer-Forschung, Colloquium Rauricum 2, Stuttgart 1991, 105-126.
  • Wolf-Dietrich Niemeier, Hattusa und Ahhijawa im Konflikt um Millawanda/Milet. in: Die Hethiter und ihr Reich. Das Volk der 1000 Götter., 2002.
  • Eberhard Zangger: Ein neuer Kampf um Troja. Archäologie in der Krise. München 1994.