Familienzentrum

Niedrigschwelliges Angebot der Unterstützung für Kinder, Eltern und Familien
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Familienzentren (oder: Kinder- und Familienzentren bzw. Eltern-Kind-Zentren) bieten für Kinder und Eltern Angebote einer leicht zugänglichen Unterstützung und Förderung. Der Begriff Familienzentrum bezieht sich in dieser Definition auf Kindertagesstätten, die Knotenpunkte in einem Netzwerk bilden, das Kinder individuell fördert und Familien umfassend berät und unterstützt. Ziel ist die Zusammenführung von Bildung, Erziehung und Betreuung als Aufgabe der Kindertageseinrichtungen mit Angeboten der Beratung und Hilfe für Familien.

Um Wirkung im Sozialraum zu entfalten, sollten Familienzentren zentraler Bestandteil der kommunalen Kinder- und Jugendhilfeplanung sein. Sie sind Bildungs- und Erfahrungsorte, die an nachbarschaftliche Lebenszusammenhänge anknüpfen und die Selbsthilfepotentiale der Eltern nutzen. Kinder- und Familienzentren sollen soziale Netzwerke unterstützen und fördern. Ein spezifisches Beratungsangebot richtet sich nach den Bedürfnissen der konkreten Zielgruppe einer Kita. Das bedeutet, dass Familienzentren sehr unterschiedlich sein können. Ob die finanziellen Ausstattungen den Konzepten und den selbst gestellten Erwartungen der Kommunen und Landesregierungen genügen können, wird sich langfristig zeigen.

Gesellschaftliche Hintergründe für die Entwicklung von Familienzentren

(nach A. Diller)

Formen von Familienzentren

In der Literatur werden verschiedene Modelle/Typen von Familienzentren unterschieden, z.B. "Alles unter einem Dach", Lotsenmodell etc.

1. Ausbau einer bestehenden Kindertageseinrichtung zum Familienzentrum.

2. Kooperation mit externen Fachkräften. Bei der Koordination sind mehrere Partner beteiligt, z.B. Kindertagesstätte und Familienbildungseinrichtung.

3. In der Regie eines Zentrums werden unterschiedliche Angebote gemacht, die jedoch von unterschiedlichen Institutionen verantwortet werden. Die Zentrumsleitung koordiniert das Angebot.

Situation in den Bundesländern

Die Entwicklung von Kinder- und Familienzentren bezieht sich u.a. auf die Early Excellence Centres in England. Vorbild für das erste deutsche Familienzentrum, das 2001 vom Berliner Pestalozzi Fröbel Haus eröffnet wurde, war das Familienzentrum Pen Green im englischen Corby. Ein anderes frühes Modellprojekt "Mo.Ki - Monheim für Kinder" wurde 2002 mit der Zielsetzung Armutsprävention gestartet. Die nordrhein-westfälische Initiative wurde 2004 mit dem Ersten Deutschen Präventionspreis ausgezeichnet.

Inzwischen existieren auch in Deutschland zahlreiche niedrigschwellige Angebote für Kinder und Familien. Familienzentren werden unter verschiedenen Namen in unterschiedlichen Organisationsformen und Zielgruppen initiiert.

Viele Bundesländer haben eigene Fördermodelle für den Aufbau von Familienzentren entwickelt.

  • Nordrhein-Westfalen: NRW fördert seit 2006 Familienzentren (ca. ein Drittel aller Kitas). An den 1.916 Familienzentren sind rund 2.700 Kindertageseinrichtungen (teilweise in Verbünden) beteiligt. Im Kindergartenjahr 2012/2013 gehen 150 neue Familienzentren in Gebieten mit besonderem Unterstützungsbedarf an den Start. Das Gütesiegel Familienzentrum NRW, das für einen Zeitraum von vier Jahren verliehen wird, sichert den zertifizierten Einrichtungen eine jährliche finanzielle Förderung in Höhe von 13.000 Euro. Familienzentren in sozialen Brennpunkten erhalten 14.000 Euro pro Jahr. Familienzentren mit mindestens vier Verbund-Partnern haben die Möglichkeit einen zweiten Zuschuss zu beantragen.
  • Hamburg: Das erste Eltern-Kind-Zentrum in Hamburg wurde im April 2007 eröffnet. Inzwischen gibt es in allen Hamburger Bezirken Treffpunkte für Familien mit Kindern unter drei Jahren. Eltern können dort Förder-, Bildungs- und Beratungsangebote nutzen und Hilfestellung in Erziehungsfragen erhalten. Ende 2012 gibt es 41 Eltern-Kind-Zentren in Hamburg. Die finanzielle Regelausstattung pro Standort und Jahr beträgt 51.551,64 Euro. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Betrag auf 54.545,88 Euro oder sogar um 25 Prozent, auf 68.182,32 Euro erhöht werden.
  • Rheinland-Pfalz: In Rheinland-Pfalz heißen Kitas, die im Sozialraum aktv sind, Häuser der Familie. Familienzentren sind in diesem Bundesland Selbsthilfeinitiativen von Eltern [1]
  • Hessen: In Hessen werden seit September 2011 Familienzentren als Knotenpunkte in einem Netzwerk von Kooperation und Information gefördert. Die Förderung ist für die Entwicklung oder Weiterentwicklung von Familienzentren in der Regel für die Dauer von maximal drei bis fünf Jahren bestimmt und beträgt bis zu 12.000 Euro pro Jahr. Insgesamt werden vom Land 99 Familienzentren gefördert.
  • Thüringen: Das Land fördert ab 2011 zweieinhalb Jahre modellhaft die Weiterentwicklung von zehn Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren.
  • Sachsen-Anhalt: Das Land fördert bereits seit 2007 die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Kinder-Eltern-Zentren – KEZ. Das Modellprojekt hat 50 Zentren gefördert und lief Ende 2011 aus. Es ist geplant, alle Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt zu Kinder-Eltern-Zentren zu entwickeln. Die Planung erfolgt nach der Auswertung der Modellphase.[2]
  • Berlin: Der Berliner Senat beginnt im Juli 2012 mit dem flächendeckenden Aufbau von Familienzentren. Geplant ist, bis Ende 2013 in jedem Berliner Bezirk zwei Familienzentren aufzubauen. Die Koordination sowie die Evaluation des Gesamtprozesses soll durch eine zentrale Servicestelle - angesiedelt bei einem Freien Träger - erfolgen. Für den Aufbau stehen in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt zwei Millionen Euro zur Verfügung.
  • Brandenburg: Das »Landesprogramm Eltern-Kind-Zentren« unterstützte zwischen 2006 und 2009 in zwölf Jugendamtsbezirken Angebote zur Bündelung familienunterstützender Angebote und zur Entwicklung familiennaher Infrastruktur. Daran schloss sich das dreijährige Modellprogramm Eltern-Kind-Gruppen an, um Jugendämter für den Aufbau einer neuen Angebotsform der Betreuung zu gewinnen. Als Angebot der Kindertagesbetreuung liegt die Verantwortung nach der dreijährigen Modellphase auf der kommunalen Seite.[3]
  • Sachsen: Hier gibt es keine landesweite Förderung für Familienzentren in Anbindung an Kindertagesstätten. Familienzentren sind in Sachsen in der Regel in Familienbildungsstätten angesiedelt und werden im Rahmen der Jugendpauschale gefördert.
  • Baden-Württemberg: keine landesweite Förderung von Kitas zu Familienzentren, aber Förderung von Mütterzentren
  • Bayern: keine landesweite Förderung von Kitas zu Familienzentren, aber Förderung von Mütterzentren[4]

Angebote

Im Zentrum der Bemühungen um die Förderung der Kinder stehen bisher im Vordergrund:

Kinder- und Familienzentren orientieren sich jeweils an den konkreten Bedarfen des Sozialraums. Das Angebot an die Eltern und Familien konzentriert sich in der Regel auf:

  • Austausch und Begegnung (z.B. Eltern-Café)
  • Beratung bei Erziehungs-, Ehe- sowie Familienproblemen, bei Schwangerschaftskonflikten oder bei Fragen der Gesundheit (Sucht, psychische Erkrankungen) bzw. Vermittlung an spezifische Beratungsstellen (z.B. Schuldnerberatung)
  • Elternbildung mit Referaten und Gesprächskreisen (z.B. thematische Elternabende)
  • Unterstützung von Eltern bei der Erziehungskompetenz (Elternschule/Elterntraining)
  • Sprachkurse (z.B. Mama lernt Deutsch)
  • arbeitsmarktorientierte Angebote

Qualifizierung

Um den vielfältigen Anforderungen in Kinder- und Familienzentren gerecht zu werden, kommt der Fort- und Weiterbildung der pädagogischen Fachkräfte immer größere Bedeutung zu. Die Karl Kübel Stiftung bietet Weiterbildungen zur ‚Multiplikator/in Familienzentrum‘ im Odenwaldinstitut und im Osterberginstitut an. Die Heinz und Heide Dürr Stiftung bietet in Berlin eine Weiterbildung zur ‚Berater/-in für Early Excellence Centres‘ an.

Literatur

Familienzentrum allgemein

  • Angelika Diller (2006): Eltern-Kind-Zentren. Grundlagen und Rechercheergebnisse, München: Deutsches Jugendinstitut
  • Angelika Diller/Regine Schelle (2009): Von der Kita zum Familienzentrum, Freiburg: Herder Verlag
  • Gabriele Mankau/Harald Seehausen/Wiebke Wüstenberg (2010): Kinder- und Familienzentren als neue Orte frühkindlicher Bildung, Kronach: VS-Verlag
  • Stephan Rietmann/Gregor Hensen (Hg.) (2008): Tagesbetreuung im Wandel. Das Familienzentrum als Zukunftsmodell, Wiesbaden: VS Verlag
  • Stephan Rietmann/Gregor Hensen (Hg.) (2009): Werkstattbuch Familienzentren. Methoden für die erfolgreiche Praxis, Wiesbaden: VS Verlag
  • Vanessa Schlevogt (2012): KiFaz, Eltern-Kind-Zentrum oder Haus der Familie - Konzepte und Fördermodelle von Kinder- und Familienzentren im bundesweiten Vergleich, in: KiTa aktuell spezial „Kinder- und Familienzentren" 1/2012

Praxisbezogen

  • Ilona Heuchel/Eva Lindner/Karin Sprenger (Hg.) (2009): Familienzentren in Nordrhein-Westfalen. Beispiele innovativer Praxis, Münster, New York, München, Berlin: Waxmann
  • Gerda Holz/Thomas Kunz/Evelin Klein/Vanessa Schlevogt (2005): Armutsprävention vor Ort - »Monheim für Kinder« - Frankfurt am Main: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik
  • Christine Karkow/Barbara Kühnel: Das Berliner Modell. Qualitätskriterien im Early Excellence Ansatz, In: Kindergarten heute-spezial, 2010[5]
  • Ulrike Wehinger (2006): Einblick in die Arbeit des Pen Green Centre, England, in: Sigrid Tschöpe-Scheffler (Hg.): Konzepte der Elternbildung – eine kritische Übersicht, Budrich Opladen

Fachzeitschriften

  • KiTa aktuell spezial 1/2012: Kinder- und Familienzentren
  • Tps 6/2008: Bedarfsgerecht und vernetzt: Familienzentren
  • klein&groß, Heft 6/08: Themenheft Familienzentrum

Einzelnachweise

  1. Familienzentren in Rheinland-Pfalz
  2. Landesgesetz in Sachsen-Anhalt
  3. Eltern-Kind-Zentren in Brandenburg
  4. Mütterzentren in Bayern
  5. PFH-Seite