Norbert Weidner

deutscher Burschenschaftsfunktionär, Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter und ehemaliger Neonazi-Kader
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Norbert Weidner (* 13. September 1972) ist seit 2008 Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter und als solcher Mitglied des Verbandsrates der Deutschen Burschenschaft. Anfang der 1990er Jahre gehörte Weidner als Funktionär mehreren neonazistischen Organisationen an.

Biografie

Norbert Weidner wurde 1972 geboren. Er stammt aus „gutbürgerlichen“ Verhältnissen.[1] Im Alter von 15 Jahren war Weidner Mitglied der später verbotenen Wiking-Jugend. Er schloss sich der neonazistischen Skinheadszene an und brach seine schulische Ausbildung kurz vor dem Abitur aufgrund zunehmender Aktivitäten in der Szene ab.[2] Später war er Mitglied der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und übte zuletzt das Amt des Landesgeschäftsführers in Nordrhein-Westfalen aus. Die neonazistische Organisation wurde 1995 verboten. In dieser Zeit unterhielt er unter anderem sehr enge Kontakte zu Gary Lauck und war drei Mal wegen Körperverletzung verurteilt.

Zu den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen reiste Weidner 1992 aus Bonn an, um Interviews zu geben.[3] Weidner schloss sich der Initiative Gesamtdeutschland an und arbeitete 1993 eng mit Christian Worch zusammen. Sie gaben gemeinsam die Publikation Einblick heraus, in der Namen und Personendaten von politischen Gegnern veröffentlicht wurden. Damit wirkte Weidner an der Entwicklung des Konzepts der Anti-Antifa maßgeblich mit. Des Weiteren wurde Weidner als Organisator von überregionalen Neonaziaufmärschen bekannt. Er stieg rasch zu den „führenden Köpfen“ der neonazistischen Szene auf.[2][1]

Weidner war als Angehöriger des Vorstandes führend in der neonazistischen Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene, die später ebenfalls verboten wurde, tätig.[4]

Weidner wandte sich in der Folgezeit von der neonazistischen Szene ab, betonte aber, dass er nicht aussteige, sondern sich lediglich zurückziehe. Er machte unter anderem seine berufliche Perspektive, eine drohende Haftstrafe und die Identifikation der Szene mit dumpfen Schlägern geltend. Ideologisch grenzte sich Weidner nur punktuell von der Szene ab, in dem er beispielsweise ethnopluralistische statt offen rassistische Positionen vertrat.[2]

Von September 1992 bis September 1996 absolvierte Weidner eine Lehre als Industriemechaniker in der Magnetfabrik Bonn. Er war dort Mitglied im Betriebsrat. Ab 1999 studierte Weidner an der Fachhochschule Köln Wirtschaftsrecht, Medienrecht und Medienmarketing, welches er als Diplom-Wirtschaftsjurist (FH) beendete. 1999 trat Weidner der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn (kurz Raczeks) bei, der er heute als Vorstandsmitglied angehört. [4] Seine Burschenschaft gehört der Burschenschaftlichen Gemeinschaft an und fiel in den vergangenen Jahren im Vorfeld von Tagungen der Deutschen Burschenschaft durch provokante Äußerungen auf. Diese riefen ein breites mediales Echo hervor, das die Deutsche Burschenschaft immer wieder in Verbindung mit dem Rechtsextremismus brachte.[3] Nach eigenen Angaben trat er 1999 auch der FDP bei;[3] nach Auskunft der FDP ist Weidner jedoch erst seit 2001 Parteimitglied.[1]

Von Januar 2000 bis Oktober 2005 arbeitete Weidner als Presseassistent für den Deutschen Tierschutzbund e.V. in Bonn. Von 2004 bis Juni 2006 war er Verbandsobmann für Schulungs-, Publikations- und Netzarbeit.[5] Danach war er von Juli 2006 bis Juli 2008 Pressereferent der Deutschen Burschenschaft. Weidner zog 2007 nach Hamburg.[6] Seit Juli 2008 ist Weidner Chefredakteur (im eigenen Sprachgebrauch Schriftleiter) der Burschenschaftlichen Blätter. Die Stelle ist mit derzeit 23.000 Euro im Jahr die einzige nicht ehrenamtliche Stelle, die die Deutsche Burschenschaft zu vergeben hat.[7] Als Verbandsobmann und Schriftleiter gehörte bzw. gehört Weidner dem Verbandsrat der Deutschen Burschenschaft an. Weidner ist darüber hinaus Mitglied der Akademischen Burschenschaft Carolina zu Prag in München[4][3] und in der Vereinigung Alter Burschenschafter (VAB) Hamburg.

Äußerungen zu Dietrich Bonhoeffer

Im April 2012 erschien ein Spiegel-Online-Artikel, der Weidners Äußerungen und Vergangenheit thematisierte.[3] In einem Leserbrief der Verbandszeitung der Raczeks hatte er den 1945 durch die Nationalsozialisten ermordeten Theologen und Teilnehmer des Widerstands gegen den Nationalsozialismus Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräter“ bezeichnet. Heute gelte es schrieb Weider, „als en vogue, jegliche Kritik am Nationalsozialismus zu glorifizieren, auch wenn die damaligen Kritiker sich zu Lasten von Deutschland und seiner Volksangehörigen wendeten“[8]. Des Weiteren hatte er dessen Verurteilung als „juristisch […] gerechtfertigt“ bezeichnet. Aufgrund dieser Äußerungen leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren aufgrund des Verdachts der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gegen Weidner ein[9].

Im Zuge um die Diskussion Weidners Äußerungen über Dietrich Bonhoeffer distanzierte sich die Deutsche Burschenschaft in einer Pressemitteilung von Weidners Äußerungen. Innerhalb des Verbands wurde zudem eine Unterschriftenaktion gestartet, die die Absetzung Weidners als Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter fordert. Die Bonner FDP, in der Weidner Mitglied ist, aber nicht in Erscheinung trat, plant ihn nach Bekanntwerden seiner Äußerungen zum NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer aus der Partei auszuschließen.[7]. Die Wiederwahl des Vorstandsmitglieds Norbert Weidner zum „Schriftleiter“ der DB-Zeitung Burschenschaftliche Blätter auf dem Burschentag des Dachverbands Deutsche Burschenschaft (DB) in Eisenach im Juni 2012 führte zu Rücktritt von fünf Mitglieder des erweiterten Vorstands von ihren Ämtern aus Protest gegen rechtsextreme Tendenzen. Die zählen zur liberalen Strömung Burschenschaftliche Zukunft innerhalb des Dachverbandes[8]. Der Eklat um die Nazi-Positionen Weidners führte zum vorzeitigen Abbruch der Burschentag-Veranstaltung[8].

Einzelnachweise

  1. a b c Lisa Inhoffen, Rita Klein: FDP-Mitglied war früher Neonazi. In: General-Anzeiger. 14. April 2012.
  2. a b c Christoph Seils: Der Aussteiger. In: die tageszeitung, 13. Mai 1995, S. 12. (Text auf Nadir)
  3. a b c d e Florian Diekmann: Burschenschafter hetzt gegen Nazi-Widerstandskämpfer. In: Spiegel Online. 11. April 2012.
  4. a b c Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): „Ehre, Freiheit, Vaterland!“ – Burschenschaften als Refugium für intellektuelle Rechtsextremisten. 23. April 2007.
  5. Nachrichtenblatt 291 der Deutschen Burschenschaft vom 28. September 2004
  6. Ab Nachrichtenblatt 300 der Deutschen Burschenschaft vom 10. Juli 2007 wird Hamburg anstatt Bonn als Weidners Kontaktadresse angegeben
  7. a b Andreas Speit: Auch unter Konservativen zu viel. In: die tageszeitung. 13. April 2012.
  8. a b c Süddeutsche Zeitung, Onlineausgabe, 04.06.2012: Eklat beim Burschentag in Eisenach. Rechtsextremistische Tendenzen entzweien Burschenschaften
  9. rik: Bei der Bonner Staatsanwaltschaft gingen Strafanzeigen ein. In: General-Anzeiger. 20. April 2012.