Bewusstseinszustand

Art des bewussten Erlebens
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Oktober 2005 um 10:45 Uhr durch Thomas M. (Diskussion | Beiträge) (Kausales, mystisches Bewusstsein). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Ein Bewusstseinszustand bezeichnet eine bestimmte Art des Erlebens, welches durch die Merkmale Wahrnehmung, Selbstbewusstsein, Wachheit und Handlungsfähigkeit bestimmt ist. Die Wahrnehmung unterscheidet sich wiederum nach Art und Intensität. Die Definition eines bestimmten Bewusstseinszustandes orientiert sich dabei hauptsächlich an der Auswertung der subjektiven Erfahrungen des Menschen. Durch die fortschreitende Medizintechnik werden heute auch empirische Messwerte den einzelnen Zuständen zugeordnet, ein allgemein anerkanntes erklärendes Modell der Bewusstseinszustände existiert in der Wissenschaft nicht. In manchen Bereichen können jedoch Veränderungen gemessen, erklärt und gezielt herbeigeführt werden.

Der Begriff „Bewusstseinsform“ wird meist synonym verwendet, dagegen impliziert der Begriff „Bewusstseinsebene“ eine Hierarchie oder auch eine Entwicklung der Bewusstseinszustände und wird somit nur innerhalb von bestimmten Theorien und Systemen verwendet.

Regenbogen als Symbol für Vielfalt des Phänomens Licht

Einleitung

Gewöhnlich werden vom Menschen die drei Zustände Wachbewusstsein, Schlaf und Traumbewusstsein im ständigen Wechsel erfahren. Die Begriffe verändertes Bewusstsein und erweitertes Bewusstsein setzen die Definition eines „Normalzustandes“ voraus. Als dieser wird das wachbewusste Erleben des Menschen angesehen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass sich die Merkmale wie Wachheit und Wahrnehmung auch innerhalb dieser Hauptzustände ständig ändern und von der Umwelt beeinflusst werden. Ebenso muss man heute davon ausgehen, dass zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen der „Normalzustand“ nicht unbedingt gleich definiert ist. Ein interkultureller Vergleich von Bewusstseinszuständen, ihre Definition, Bedeutung und Bewertung ist daher meist problematisch.

Ebenso konkurrieren die unterschiedlichsten naturwissenschaftlichen, philosophischen, psychologischen, religiösen und esoterischen Systeme um die Einteilung und Erklärung der Bewusstseinszustände. Besonders psychologische und religiöse Erklärungsansätzen weisen zudem daraufhin, dass man Bewusstseinszustände nur verstehen kann, wenn man sie erfährt, ebenso wie man einen mathematischen Beweis nur mit der Voraussetzung eigener Mathematikkenntnisse nachvollziehen kann. Ein Bewusstseinszustand wird heutzutage - im Gegensatz zum 19. Jahrhundert - als eine gegenwärtige Gesamtheit aufgefasst. Demnach wird das so genannte Unbewusste oder Unterbewusste nicht als eigenständiger Bewusstseinszustand gesehen.

Fragestellungen

Die Existenz des gewöhnlichen Wachbewusstseins selbst konfrontiert die Philosophie und die Naturwissenschaft insbesondere mit dem Qualia-Problem und dem Intentionalitäts-Problem. Die Existenz verschiedener Bewusstseinszustände wirft dagegen weitere Frage auf. Zunächst sind dabei die Übergangsphasen und ihre Ursachen von wissenschaftlichem Interesse. Allgemeiner stellt sich die Frage, ob und wie das Gehirn verschiedene „Funktionsmodi" realisiert, ob es eine allgemeine Beschreibung aller möglichen Zustände gibt und ob eine evolutionäre, kulturelle oder spirituelle Entwicklung der Zustände stattfindet. Einige Neurologen und Psychologen sind sogar der Ansicht, dass die Erforschung „ungewöhnlicher“ Bewusstseinszustände auch zum besseren Verständnis der klassischen philosophischen Probleme des Bewusstseins beitragen kann. (vgl. Leib-Seele-Problem, Neurotheologie).

Ursachen für Veränderungen

Ausgehend von einem Alltagsbewusstseins werden verschiedene Techniken und Methoden beschrieben, um Veränderungen herbeizuführen. Diese lassen sich grob nach folgenden Kriterien unterscheiden:

  • natürlich – anthropogen – „übernatürlich“, akausal, spontan
  • physisch, materiell – psychisch, spirituell
  • langfristig – plötzlich
  • religiös – säkular

Auf die beiden wichtigsten Dimensionen projiziert, kann man folgende, unvollständige und grobe Einteilung durchführen.


natürlich anthropogen „übernatürlich“
physisch Körpereigene Substanzen, Neurotransmitter,

Endorphine, Neuronale Aktivitätspotentiale, Gehirnschädigungen

Psychedelische Drogen, Psychopharmaka,

Hyperventilation, Tanz, bewusste Atmung, Reizdeprivation, Hatha-Yoga, Musik, Askese, Fasten, Biofeedback

Nahtoderfahrung
psychisch emotionale Krisen Meditation, Kontemplation, Gebet,

Raja-Yoga, Rezitation, Koan

Wunder“, „Erscheinungen“, Satori, „Gnade


Merkmale

Objektive Merkmale

Gehirnwellen

 
14-Kanaliges EEG mit Alpha-Wellen

Eine verbreitete Methode, um empirische Daten über die Gehirnaktivitäten zu erhalten ist das EEG. Es ist damit möglich anhand einer Grundfrequenz, die das Gehirn erzeugt den aktuellen Bewusstseinszustand relativ gut einzuschätzen. Hauptsächlich verbindet man mit diesem Wert, der zwischen 0,4 und 40 Hz liegen kann, einen Grad von Anspannung oder nach außen gerichteter Aufmerksamkeit. Der Zustand des Alltagsbewusstseins, der so genannte Beta-Zustand, liegt typischer Weise bei einer Frequenz von ca. 13 bis 30 Hz und entspricht damit einem Zustand der „permanenten Alarmbereitschaft" (Fritz Perls). Andererseits kann der Delta-Zustand - ein Zustand tiefer Entspannung bei 0,4 bis 3 Hz - auf verschiedene Bewusstseinszustände wie Tiefschlaf, Trance oder Tiefenhypnose hinweisen. Eine Aussage über den Grad der Wachheit oder die Art der Wahrnehmung ist dann nur mithilfe des Frequenzwertes nicht möglich.

Wachheit und Handlungsfähigkeit

Die Wachheit wird unter dem Begriff Vigilanz medizinisch und psychologisch in verschiedene Stadien eingeteilt. Diese reichen vom bewusstlosen Koma bis zur „höchsten Erregung". Die Einteilung erfolgt meist durch phänomenologische Kriterien wie Ansprechbarkeit oder Orientierungssinn, kann aber auch durch physiologische Kriterien unterstützt werden. Man unterscheidet zum Beispiel zwischen Sopor, Somnolenz und Benommenheit.

Die Neurophysiologie kennt heute eine Reihe von Neurotransmittern und Botenstoffen wie beispielsweise das Serotonin, Adrenalin und GABA, welche die Aufmerksamkeit und die Wachheit beeinflussen. Durch die gemessenen Konzentrationen kann der Grad der Wachheit dann objektiv zumindest eingegrenzt werden. Zur Kontrolle der Narkosetiefe kann seit einigen Jahren die Messung der Aktivität der NMDA-Synapsen in der Großhirnrinde herangezogen werden.

Subjektive Merkmale

Um sinnvoll über die subjektiven Merkmale bewussten Erlebens zu reden, müssen sie immer unter einem speziellen kulturellen Kontext betrachtet werden. Da beispielsweise Traumwahrnehmungen von den meisten Menschen erinnert und reflektiert werden, kann man diese problemlos miteinander vergleichen und verstehen. Für jemanden, der noch nie geträumt hat, muss es sich allerdings sehr seltsam anhören. Dies gilt besonders für Bewusstseinszustände, die meist nur durch eine lange Übungszeit erreicht werden.

Wahrnehmung

Wahrnehmung aus der Sicht des bewussten Erlebens umfasst alle Eindrücke, die bewusst werden. Darunter fallen die sinnliche Wahrnehmung, rein mentale Bilder und Gedanken ohne konkrete äußere Reize, Gedächtnisinhalte, Stimmungen, Emotionen, Raum- und Zeitempfinden und die so genannte außersinnliche Wahrnehmung. Synästhetiker verknüpfen verschiedene Sinneseindrücke zu einem einzigen Erleben und bieten dadurch einen interessanten Einblick in die Funktionsweise des Wahrnehmens.

Der aktuelle Bewusstseinszustand hat eine vielschichtige Beziehung zur Wahrnehmung. So wird das Wahrgenommene je nach Zustand verschieden organisiert und interpretiert. Wachheit, Verstand, Urteilsvermögen und verschiedene andere kognitive Fähigkeiten messen den Eindrücken eine Bedeutung bei. Ebenso beeinflusst der Bewusstseinszustand die Art und die erlebte Intensität der Wahrnehmung. So ist im Traumzustand die sensorisch-sinnliche Wahrnehmung stark reduziert und der Fokus liegt auf „inneren" Bildern. Durch Drogen, Aufmerksamkeit und Lernprozesse kann gezielt die Wahrnehmung verändert werden. Menschen in Trance berichten von Wahrnehmungen aus „anderen Welten", in der Hypnose kann die Wahrnehmung sehr gezielt fokussiert und gesteuert werden.

Selbstbewusstsein

Die psychologischen, philosophischen und spirituellen Bedeutungen des Begriffes Selbstbewusstsein sind sehr vielfältig. Dies kommt beispielsweise in den verschiedenen Begriffen wie „das Selbst", Ich-Bewusstsein oder Idenditätsbewusstsein zum Ausdruck. Im Tiefschlaf ist kein „Zentrum" des Erlebens aktiv und damit auch kein Geschehen erlebbar. Im Traumbewusstsein existiert dagegen eine „Instanz", durch die Eindrücke zwar erfahren, aber kaum reflektiert werden. Das gewöhnliche „Alltagsbewusstsein" unterscheidet zwischen einem Ich und einem "Nicht-Ich" und sieht sich selbst als Zentrum des Ich-Erlebens. Weite Teile der Psychologie gehen heute davon aus, dass diese Ich-Struktur eine sehr vielschichtige und dynamische Konstruktion ist. Was wir als Ich bezeichnen und erfahren ändert sich demnach auch im wachbewussten Zustand ständig.

Descartes hat durch sein „cogito ergo sum" („Ich denke, also bin ich") einen großen Schritt für unser heutiges Verständnis von Selbstbewusstsein getan. Bei ihm identifiziert sich der Mensch demnach selbst als ein denkendes Wesen. Später wurde die Subjekt-Objekt-Natur des Selbstbewusstsein von Kant hervorgehoben, wobei er feststellt, dass sich der Subjekt-Charakter letztlich nicht erklären lässt. Für Hegel realisiert sich letztlich das ganze Weltgeschehen in seiner Entwicklung als Selbstbewusstsein. In Hegels Dialekt wird das Subjekt mit dem Objekt im Werden wieder eins.

Verschiedene spirituelle Vorstellungen stellen diese Einheit dagegen schon an den Anfang. So lehrt der Hinduismus die Selbsterkenntnis durch die Auflösung des Atman (persönliches, „kleines" Selbst) im göttlichen Brahman. Der Buddhismus spricht dagegen von der Illusion des Ich-Bewusstseins. Wahres Bewusstsein bzw. Erleuchtung ist das Erkennen dieser Ich-Trennung als Täuschung. In der christlichen Mystik gibt Meister Eckhart eine Reihe von Anleitungen, wie die „Gottesgeburt in der Seele" erreicht werden kann. Es kann allerdings nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob alle Traditionen und ihre Vertreter von demselben Bewusstseinszustand sprechen. So betont der Zen-Buddhismus, dass die Subjekt-Erfahrung nicht äußerlich vermittelt werden, sondern nur selbst erfahren werden kann.

Bewusstseinszustände im Einzelnen

Koma

Das tiefe Koma wird gewöhnlich als das Gegenteil vom Wachbewusstsein angesehen. Wahrnehmung und Handlungsfähigkeit sind scheinbar zum Erliegen gekommen und es existiert auch kein Selbstbewusstsein, welches den Zustand reflektieren könnte. Im so genannten Wachkoma (apallisches Syndrom) ist der Patient scheinbar wach, reagiert aber nicht auf seine Umwelt. In allen komatösen Zuständen kann eine elektrische Aktivität des Gehirns gemessen werden, sobald diese erlischt spricht man vom Hirntod, der allgemein als der Tod des Menschen angesehen wird.

Wachzustand

Wachbewusstes Erleben kann so unterschiedlich sein, dass eine einheitliche Definition nicht möglich ist. Die wesentlichen Eigenschaften zur Unterscheidung von anderen Bewusstseinszuständen sind ein meist sprachlich orientiertes, abstraktes Denken, eine hohe Handlungsfähigkeit, eine personale und soziale Identität, eine deutliche Trennung von Bewusstsein und Unterbewusstsein und eine mehr nach außen gerichtetet Aufmerksamkeit. Das abstrakte Denken ermöglicht und erweitert viele kognitive Fähigkeiten. Dadurch wird die eigene Identität unentwegt in eine Beziehung zur Umwelt und den eigenen Vorstellungen gesetzt. Das Bewusstsein ermöglicht so ein sehr weit reichendes Planen der Lebensumstände, wodurch es auch ein wichtiger Vorteil im Kampf ums Überleben war.

Zudem werden im wachbewussten Zustand auch psychopathologische Krankheitsbilder wie Halluzinationen und Psychosen oder neurologische Krankheiten beobachtet, ohne dafür eigene Bewusstseinszustände zu beschreiben.

Schlaf / Tiefschlaf

 
Die schlafende Ariadne auf Naxos

Die Physiologie und der Verlauf des Schlafes sind heute sehr gut erforscht. Einzelne Schlafphasen werden mittels EEG unterschieden und sind auch bei fast allen Säugetieren und Vögeln nachweisbar. Der traumlose Schlaf ist für die betroffene Person praktisch ohne bewusste Wahrnehmung und damit ereignis- und zeitlos; eine Erinnerung daran ist gewöhnlich nicht vorhanden. Die Handlungsfähigkeit ist dabei nicht zwingend eingeschränkt. Schlafwandler sind in seltenen Einzelfällen sogar ansprechbar und können antworten.

Für die Bedeutung des Schlafes gibt es mehrere Ansätze, wobei der naheliegenste schon von Schopenhauer erwähnt wird: „Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr.“ Der Köper, insbesondere die Skelettmuskulatur regeneriert sich, das Gehirn und seine Funktionen können sich erholen. Ebenso hat der Schlaf beim Menschen einen wichtigen Einfluss auf höhere kognitive Fähigkeiten und auf das seelische Gleichgewicht.

Der Schlaf als wichtiges Phänomen im Leben der Menschen hat in der Mythologie vieler Kulturen eine reichhaltige Geschichte. Die Tatsache des regelmäßigen Verlustes der Kontrolle und der Identität kann tiefe Ängste hervorrufen und am Grundverständnis des Menschen rühren.

Traum

 
Jakobs Traum: Die Engelsleiter

Im gewöhnlichen Traumbewusstsein erlebt der Mensch die verschiedensten Szenarien, die aber kaum oder gar nicht reflektiert werden. Die Erlebnisse werden hauptsächlich bildlich erfahren, aber auch alle anderen Sinneswahrnehmungen und kognitive Fähigkeiten wie Sprache können erfahren werden und „Traumhandlungen“ können aktiv ausgeführt werden. Die Bandbreite an erfahrbaren Gefühlen und Gemütszuständen ist sehr groß. Der wesentliche Unterschied zum Wachbewusstsein liegt, neben diesen rein psychischen Traumszenarien, in der unterschiedlichen Ich-Wahrnehmung und Reflexion. Dieser „Rollenwechsel“ unterliegt keiner bewussten Kontrolle. Auch innerhalb der Szenarien erlebt der Träumer nur eine minimale Entscheidungsfreiheit.

Heute geht man davon aus, dass das gesamte Traumgeschehen ein rein inner-psychischer Prozess ist, dessen Ursache, Notwendigkeit und Sinn aber noch nicht geklärt sind. Da die Skelettmuskulatur während der Phase des REM-Schlafes maximal relaxiert ist, wird sie meistens als die typische Zeit des Träumens betrachtet. Tatsächlich ist es aber auch möglich während aller anderer Schlafphasen zu träumen und sogar die Tagträume im Wachzustand unterscheiden sich davon physiologisch kaum.

Klartraum

Wenn eine Person im Traum ein kritisches und reflexives Selbstbewusstsein erlangt, spricht man vom Klartraum oder „luziden Traum“. Je nach Veranlagung und Übung kann die komplette „Traumwelt“ dann kontrolliert werden. Der einzige Unterschied zum Wachzustand ist dann die rein inner-psychische Wahrnehmung und Handlung. Auch hier werden verschiedene Stadien und Phasen unterschieden. Im „einfachsten“ Fall werden die Traumerlebnisse nur besonders bewusst wahrgenommen. Durch große Erfahrung kann der Klartraum gezielt zur tiefenpsychologischen Arbeit genutzt werden. Die Wachheit und das Selbstbewusstsein unterscheiden sich dann nicht vom Wachzustand, eine Kommunikation mit der Umwelt ist eingeschränkt möglich.

Schon Aristoteles und Descartes berichten von Klarträumen. Ihre praktische „Nutzung“ zur Selbsterkenntnis hat in verschiedenen Yoga-Schulen eine lange Tradition. Buddhistische Traditionen sehen darin die Möglichkeit sich des Illusionären Charakters der Wahrnehmung insgesamt bewusst zu werden. Demnach soll es ebenso möglich sein im wachbewussten Zustand zum „wahren“ Selbstbewusstsein zu „erwachen“ wie im Traum zum Klartraum.

Von einzelnen Autoren wird auch das so genannte Witnessing (dt. „bezeugend“) als ein bewusstes Erleben im Tiefschlaf beschrieben (Gackenbach/Bosveld, 1991)

Hypnotische Trance

Die Hypnotische Trance ist ein besonderer Wachzustand mit eingeschränkter, fokussierter Wahrnehmung. Durch eine suggestive Einleitung wird die Aufmerksamkeit auf das Unterbewusstsein gelenkt, das kritische und selbstbewusste Denken tritt in den Hintergrund. Wahrgenommen werden dann besonders körperliche und emotionale Reize, aber auch einfache kognitive Leistungen sind in diesem Zustand möglich. Die Wahrnehmung der äußeren Umwelt ist je nach Tiefe und Intension weitgehend eingeschränkt. Die Tiefe der hypnotische Trance lässt sich leicht am Merkmal der Wachheit messen, wobei sich eine leichte Hypnose hierin kaum vom Wachzustand unterscheidet.

Viele Aspekte der Hypnose sind heute gut verstanden, da relativ gut kontrollierbare Forschungen möglich sind. Einerseits ist die hypnotische Trance grundsätzlich vom Wachzustand und vom Schlaf zu unterscheiden, andererseits sind die Übergänge auch hier fließend. Ein Wechsel zu einem dieser Zustände kann spontan erfolgen, wenn er vom Hypnotiseur nicht verhindert wird. Im Gegensatz zur schamanischen Trance liegt die Aufmerksamkeit meist auf unmittelbaren und praktischen Zusammenhängen und Wahrnehmungen und ist deutlich eingeschränkt. Die Ich-Identität wird ähnlich wie im Traumbewusstsein wahrgenommen und ermöglicht somit auch nur eingeschränkte Kontrolle und Reflexion.

Schamanische Trance

 
Ein Schamane bei der Arbeit

Die Tradition des Schamanismus ist untrennbar mit der Person des Schamanen und des rituell praktizierten Trancezustandes verbunden. Die Ausprägungen sind kulturell sehr unterschiedlich, vielfach wird behauptet, dass Schamanismus in fast allen Kulturen vor dem Aufstieg der heutigen Religionen verbreitet war. Unser heutiges Bild bestimmt sich vor allem aus den Überlieferungen der sibirischen und innerasiatischen Traditionen. Im Vergleich zu anderen Bewusstseinszuständen fällt besonders diese kulturelle, soziale und rituelle Ausrichtung auf. Die Wahrnehmungswelt innerhalb der Trance wird wesentlich von der Intension des Schamanen und seiner Erfahrung bestimmt. Sie sind zumeist sehr strukturiert (z.B. Drei-Welten-Konzept, Tiertotem) und werden in der Ausbildung an andere Schamanen weitergegeben. Interessanterweise gibt es auch unter den Schamanen selbst keine Einigkeit darüber, ob die Trance ein rein inner-psychisches Erlebnis ist oder ob tatsächlich "Reisen" in andere Welten unternommen werden.

Der Schamane hat gewöhnlich ein zum Wachzustand fast unverändertes Selbstbewusstsein im Trancezustand. Dadurch kann die schamanische Trance von Zuständen abgegrenzt werden, die sich nach langer Meditations- oder Yoga-Praxis einstellen. Die Wahrnehmung ist weniger kontrollierbar als im Klartraum, dagegen ist die Kontrolle über den physischen Körper stärker vorhanden und eine Kommunikation mit der Umwelt weitgehend möglich. Das Spektrum der Erlebnisinhalte ist enorm; es umfasst für den Schamanen Geisterwelten und Unterwelten, Pflanzen- und Tier-Identifikation sowie emotionale Extremzustände.

Die Erlebniswelt in der schamanischen Trance ist mit dem von Carl Gustav Jung postulierten kollektivem Unbewussten womöglich eng verwandt oder gar identisch, da hier archetypische Inhalte erscheinen.

Nahtod-Erfahrung

Viele ähnliche Berichte von kurzzeitig hirntoten Patienten deuten auf ein ähnliches Erleben während dieser Zeit hin (Nahtod-Erfahrung). Ob dies als ein eigenständiger Bewusstseinszustand angesehen werden kann ist umstritten, verschiedene Merkmale des Bewusstseins sind aber deutlich verändert. Das Identitätsgefühl ist meist stark erweitert, und viele Beschreibungen der Wahrnehmung erinnern teilweise an schamanische und teilweise an mystische Zustände oder auch an die Beschreibungen des tibetanischen und ägyptischen Totenbuches. Charakteristisch für die Nahtod-Erfahrung ist die Außerkörperliche Erfahrung. Die Person erlebt sich Selbst beim Verlassen und Beobachten des physischen Körpers. Dabei wird eine gesteigerte Klarheit und Wachheit beschrieben, die das Erleben deutlich von Träumen oder Trancezuständen abhebt. Durch die oft klinischen Situationen ist es ein interessanter Forschungsansatz zumal auch in der Wissenschaft anerkannte Erklärungsansätze existieren.

 
Lichterfahrung

Kausales, mystisches Bewusstsein

Wie bei allen anderen Bewusstseinszuständen auch, ist bei der mystischen Erfahrung die sprachliche Beschreibung der wahrgenommenen Erfahrung von der zugrunde liegenden persönlichen Erfahrung und dem kulturellen Hintergrund abhängig. Vergleicht man aber die mystische Erfahrung in verschiedenen Kulturen und Religionen, so lassen sich viele Übereinstimmungen feststellen. Die gesamte Wahrnehmung wird dabei meistens als eine Einheit beschrieben, die raum- und zeitlos ist und ein „universales" und unmittelbares Wissen verfügbar macht. Die „Andersartigkeit" dieser Realität ist - im Gegensatz zur schamanischen Trance - für die betreffende Person unzweifelhaft.

Ekstatische Zustände

Die Intensität der Erfahrung wird als „unaussprechlich" beschrieben und der erfahrene Frieden und die positive Stimmung kann sich bis zur Ekstase steigern. Das Selbstbewusstsein wird als klar und grenzenlos beschrieben und kann sich im Extremfall auf das ganze Universum beziehen. Die Wahrnehmung der Umwelt ist dabei meistens sehr eingeschränkt, die Person ist „entrückt". Somit ist auch kaum eine Handlungsfähigkeit und Kommunikation mit der äußeren Welt möglich.

Nicht-ekstatische Zustände

Verschiedene buddhistische Traditionen und christliche Mystiker zielen nicht auf diese ekstatischen Zustände ab. Sie lehren einen Zustand, der sich durch eine erhöhte Aufmerksamkeit auszeichnet, die sich auch auf die Umwelt richtet. Durch die Konzentration auf die Wahrnehmung selbst, verliert die Ich-Identität an Gewicht. Das Selbstgefühl ist dann in einem ständigem Fluss und im Idealfall in einem gleichzeitigen „doppelten Erleben" der äußeren und der mystischen Realität. So schreibt Meister Eckhart: „Wo meine Seele ist, da ist Gott, und wo Gott ist, da ist auch meine Seele, und das ist so wahr als Gott Gott ist."

Wissenschaftliche Forschung

In neuerer Zeit versucht die Neurotheologie Verbindungen zwischen den Beschreibungen mystischer Bewusstseinszustände und physiologisch messbaren und beeinflussbaren Kriterien herzustellen. Ein empirischer Beweis der mystischen Erfahrung scheitert aber bisher nicht zuletzt an grundlegenden philosophischen bzw. erkenntnistheoretischen Einwänden. Populär sind auch viele religiös-soziologische Studien, die einen Zusammenhang zwischen Gebet, Religiosität und Meditation mit Lebensumständen wie Gesundheit, Wohlstand oder Langlebigkeit herstellen.

Absolutes Bewusstsein, Leere, Turiya

Über diesen Bewusstseinszustand kann nichts weiter ausgesagt werden, darin sind sich alle Lehren und Systeme, die ihn beschreiben, einig. Eine „Leere" ist dieser Zustand nur solange wie keine Merkmale sich zeigen oder gegenüber einer Umwelt abheben. Als „turiya" ist er das Unendliche, der Ursprung oder der Nicht-Zustand; bei Meister Eckhart ist es die „Gottheit". Übereinstimmend in allen mystischen Lehren und religiösen Traditionen ist auch, dass dieser „Zustand" nicht erreicht werden kann, da er ja unbegrenzt ist, er kann einem nur „widerfahren".

Eine empirische Wissenschaft stößt hier notwendigerweise an ihre Grenze und kann nur bestimmte Auswirkungen beschreiben.

Siehe auch

Bewusstsein, Bewusstseinserweiterung, Phänomenologie, Wissenschaft des Bewusstseins, Awareness

Literatur