Das Paranal-Observatorium ist ein astronomisches Observatorium im Norden Chiles in der Atacamawüste. Es wird vom European Southern Observatory, der Europäischen Südsternwarte (ESO), betrieben. Paranal liegt etwa 120 km südlich von Antofagasta und 12 km von der Küste entfernt. Er ist Standort das Very Large Telescope (VLT) und des Very Large Telescope Interferometer. Zusätzlich werden die Surveyteleskope VISTA und VST gebaut. Die Atmosphäre über dem Gipfel zeichnet sich durch trockene und außergewöhnlich ruhige Luftströmung aus, was den Berg Cerro Paranal zu einem sehr attraktiven Standort für ein astronomisches Observatorium macht. Der Gipfel wurde in den frühen 1990ern von seiner ursprünglichen Höhe von 2660m auf 2635m heruntergesprengt, um ein Plateau für das VLT zu schaffen.
Logistik und Infrastruktur
Paranal befindet sich weitab der Hauptverkehrsrouten. Das Observatorium ist von Antofagasta aus nur durch eine mehrstündige Fahrt über eine unbefestigte Piste zu erreichen, die von der Panamericana abzweigt. Dementsprechend gibt es keine Versorgungsleitungen nach Paranal, alle Verbrauchsgüter müssen lokal erzeugt oder vorrätig gehalten werden. Neben Betrieb und Wartung der Teleskope bedeutet das die Versorgung von im Mittel etwa 100 Personen, die ständig auf dem Berg sind.
Versorgung
Im Umfeld von Antofagasta befinden sich mehrere Kupferminen, die unter ähnlichen Bedingungen arbeiten. Daher mußte man die komplette Infrastruktur nicht selbst aufbauen, sondern konnte spezialisierte Versorungsunternehmen beauftragen. Wasser wird täglich nach Bedarf von Tanklastzügen geliefert, etwa zwei bis drei am Tag. Tanklastzüge bringen auch Treibstoff für die Tankstelle der observatoriumseigenen Fahrzeuge und die drei Generatorblöcke zur Stromerzeugung. Davon sind zwei ständig in Betrieb; einer für den Teleskopbereich und einer für das Basislager, der dritte wird jeweils in Bereitschaft gehalten oder gewartet. Die Fahrzeuge werden ebenfalls lokal gewartet. Die wissenschaftlichen Instrumente benötigen spezielle Kühlung, weswegen vor Ort Stickstoff aus der Luft verflüssigt wird. Telekommunikation, d.h. Telefonie, Videoverbindungen und Datenverkehr wird über eine Mikrowellenstrecke nach Santiago bereitgestellt, eine ursprünglich von La Silla nach Paranal verlegte Uplinkstation zu einem Kommunikationssatelliten wurde mittlerweile außer Betrieb genommen.
Personal
Ingenieure und Wissenschaftler werden sowohl national in Chile als auch international rekrutiert, meist aus den Mitgliedsländern der ESO. Die offizielle Sprache ist englisch, daneben werden auch spanisch sowie die meisten anderen europäischen Sprachen gesprochen. Die auf Paranal Beschäftigten leben entweder in Antofagasta oder in Santiago de Chile und kommen für Schichten von ein bis zwei Wochen nach Paranal. Die Transportkosten übernimmt ESO, die die knapp zweistündigen Flüge zwischen Santiago und Antofagasta durch ein externes Reisebüro bucht, das jedoch eine Geschäfststelle im ESO-Büro in Santiago unterhält. Es gibt täglich einen Transport von Antofagasta nach Paranal und zurück durch einen gecharteten Bus, bei Bedarf fahren zusätzlich observatoriumseigene Geländewagen.
Gebäude
Außer den Teleskopen und dem VLTI-Laboratorium, die sich auf dem Plateau des Berges befinden, gibt unterhalb des Gipfelbereichs noch ein Kontrollgebäude. Alle Teleskope und das VLTI werden von dort aus einem gemeinsamen Kontrollraum gesteuert, so dass sich nachts niemand im Teleskopbereich befindet.
Die Unterkünfte befinden sich in einem 200 m tiefergelegenen Basislager, etwa fünf Kilometer von den Teleskopen entfernt. Vom ursprünglichen Lager, das aus Wohncontainern aufgebaut war, werden Teile noch genutzt, die meisten Unterkünfte befinden sich jetzt aber in einer Ende 2000 fertig gestellten "Residencia". Die Residencia ist halb in den Berg gebaut und in Beton in rötlicher Farbe gehalten, der sie optisch mit der Wüste verschmelzen läßt. Darin sind Unterkünfte, Verwaltung, Kantine, Entspannungsräume, ein kleines Schwimmbecken und zwei Gärten, die sowohl dem Raumklima der Residencia als auch der Psychologie dienen.
Drei weitere feste Gebäude im Basislager dienen als Lager und Sporthalle (Warehouse), als Wartungshalle für Teleskope und Instrumente und zur regelmäßigen Beschichtung der Hauptspiegel der Teleskope mit Aluminium (Mirror Maintenance Building, MMB), und als weitere Büros für Ingeniuere und Techniker. Für Notfälle gibt es eine ständig besetzte Unfallstation, einen Rettungswagen, einen Hubschrauberlandeplatz direkt am Basislager und eine kleine Landebahn am Fuß des Berges. Außerdem unterhält das Observatorium eine kleine Feuerwehr. Die Konstruktion der Gebäude und Teleskope ist so ausgeführt, dass ein Erdbeben der Stärke acht überstanden werden kann.
Die Straßen des Observatoriums selbst sind asphaltiert, um Staub zu vermeiden, der die astronomischen Beobachtungen behindern würde. Intern werden daher auch Kleinwagen gefahren.
Astronomische Dunkelheit
Weil das Observatorium nachts dunkel sein muss, verfügt die Residencia über spezielle Verdunkelungssysteme, die die Oberlichter über den Gärten und der Kantine mit Hilfe spezieller Vorhänge verschließt. Alle anderen Fenster und Türen haben Jalousien aus schwerem Gewebe oder sind nachts durch vorschiebbare Holzblenden verdeckt.
Wie auf allen Observatorien darf nachts nur mit Standlicht gefahren werden, weswegen die meisten Fahrzeuge in weiß gehalten sind und phosphoreszierende Begrenzungsaufkleber haben. Die Straße wird durch Begrenzungsleuchten markiert, die sich tagsüber durch Solarzellen aufladen. Fußwege im Teleskopbereich sind ebenfalls mit weißer Farbe gestrichen und mit phosphoreszierenden Marken versehen. Taschenlampen sind besonders bei Neumond unvermeidlich, dürfen aber im Gipfelbereich nicht in Richtung der Teleskope gerichtet werden.
Very Large Telescope
Das Very Large Telescope (VLT) ist ein aus vier Einzelteleskopen bestehendes astronomisches Großteleskop, dessen Spiegel zusammengeschaltet werden können. Das VLT ist für Beobachtungen im sichtbaren Licht bis hin zum mittleren Infrarot ausgerichtet. Bis zu drei der vier Teleskope können mit Hilfe des VLT Interferometer zur Interferometrie zusammengeschaltet werden. Es ist dem Very Large Telescope in den vergangenen Jahren gelungen, die Auflösung des Hubble Teleskops zu übertreffen.
Dessen Vorteil lag seit Anfang der 1990er Jahre darin, dass die Aufnahmen nicht durch eine störende Atmosphäre verschlechtert werden. Mit Hilfe von adaptiver und aktiver Optik konnte diese Beeinträchtigung aber mittlerweile im Wellenlängenbereich des Nah-Infrarotlichts nahezu ausgeglichen werden, so dass heutige VLT-Aufnahmen im Nah-Infraroten (ca. 1-5 Mikrometer Wellenlänge) Hubble-Bildern zum Teil in Nichts nachstehen. Im optischen Spektralbereich ist das bislang noch nicht möglich, da die Korrektur der atmosphärischen Störungen mittels adaptiver Optik schneller erfolgen müsste, als es derzeit technisch möglich ist.
Die Optik der Unit-Teleskope
Die vier großen Teleskope werden als "Unit Telescopes" (UT) bezeichnet. Sie sind im wesentlichen baugleiche Ritchey-Chrétien-Cassegrain-Teleskope und haben einen Hauptspiegeldurchmesser von jeweils 8,2 Metern. Damit waren es die größten aus einem Stück gefertigten astronomischen Spiegel der Welt, bis das Large Binocular Telescope mit 8,4 Meter-Spiegeln in Betrieb genommen wurde. Noch größere Teleskope wie die Keck-Teleskope haben segmentierte Spiegel. Die Teleskope sind azimutal montiert. Die Spiegel sind mit nur 18 Zentimetern Dicke zu dünn, um ohne hydraulische Unterstützung durch eine aktive Optik in Form zu bleiben, wenn sich das Teleskop bewegt.
Die vier Hauptspiegel des VLT wurden zwischen 1991 und 1993 bei der Mainzer Spezialglasfirma Schott AG hergestellt. Sie wurden in einem eigens für dieses Projekt entwickelten Schleudergussverfahren hergestellt. Nach dem eigentlichen Guss und Erstarren der Glasmasse wurden die Spiegelrohlinge noch einmal thermisch nachbehandelt, wodurch sich das Glas in die Glaskeramik ZERODUR umwandelt. Bei diesem Fertigungsschritt erhält das Material auch seine außergewöhnliche Eigenschaft der "thermischen Null-Ausdehnung". Nach einer ersten Bearbeitung wurden die Spiegelträger per Schiff zur französischen Fa. R.E.O.S.C. transportiert, wo die hochpräzise, zwei Jahre dauernde Oberflächenbearbeitung stattfand. Die endgültige Spiegeloberfläche hat eine Genauigkeit von einem 500.000stel Millimeter.
Jedes UT hat drei Fokalpunkte, an denen Instrumente montiert werden können, einen Cassegrainfokus und zwei Nasmythfoki. Zusätzlich haben die Teleskope einen Coudéfokus, der Licht in das VLTI einspeisen kann.
Die einzelnen UTs wurden in der Sprache der Mapuche-Indianer Antu (Sonne), Kueyen (Mond), Melipal (Kreuz des Südens) und Yepun (Venus) getauft. Das erste montierte UT lieferte am 25. Mai 1998 die ersten Bilder.
Instrumente
Die erste Instrumentengeneration bestand aus zehn wissenschaftlichen Instrumenten. Dabei handelt es sich um Kameras und Spektrografen für verschiedene Spektralbereiche. CRIRES und HAWK-I sind noch im Bau, HAWK-I war außerdem nicht Teil des ursprünglichen Plans für die erste Generation. Das Design der Instrumente ist so, dass sie einem breiten Kreis von Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, Daten für unterschiedlichste Zielsetzungen aufzunehmen. Es ist absehbar, dass sich Teile der zweiten Intrumentengeneration dagegen auf spezielle und von Astronomen als besonders wichtig angesehene Probleme konzentrieren werden, zum Beispiel Gammablitze oder Exoplaneten.
Instrumente am VLT | |||
Teleskop | Cassegrain-Fokus | Nasmyth-Fokus A | Nasmyth-Fokus B |
Antu (UT1) | FORS 2 | CRIRES | ISAAC |
Kueyen (UT2) | FORS 1 |
FLAMES | UVES |
Melipal (UT3) | VISIR | Gastfokus | VIMOS |
Yepun (UT4) | SINFONI | HAWK-I | NACO |
- FORS 1
- (FOcal Reducer and low dispersion Spectrograph) ist eine Kamera im visuellen Spektralbereich mit großem Gesichtsfeld von bis zu 6.8' × 6.8'. Im diesem Feld können, statt eines Bildes zu machen, mehrere Objekte gleichzeitig mit niedriger Auflösung spektroskopiert werden (MOS: Multi Object Spectroscopy). Zusätzlich sind polarimetrische und spektropolarimetrische Messungen möglich.
- FORS 2
- Wie FORS 1, aber mit erweiterter MOS-Fähigkeit, dafür ohne Polarimetrie.
- ISAAC
- (Infrared Spectrometer And Array Camera) kann im Nahen Infrarotbereich Bilder und Spaltspektren niedriger bis mittlerer Auflösung aufnehmen. Dazu hat das Instrument zwei vonainander unabhängige optische Wege ("Arme"), die jeweils auf die Wellenlängenbereiche von 1 - 2,5 und von 3 - 5 mikrometer optimiert sind.
- UVES
- (Ultraviolett and Visual Echelle Spectrograph) ist ein hochauflösender Spektrograph mit einem blau- und einem rotoptimierten optischen Arm, die simultan betrieben werden können. Der zugängliche Wellenlängenbereich reicht von 300 bis 1100 nanometer.
- FLAMES
- (Fibre Large Area Multi-Element Spectrograph) ist ein Spektrograph, der mit Hilfe von Glasfasern bis zu 130 Objekte im Gesichtsfeld gleichzeitig mit mittlere Auflösung spektroskopieren kann (MEDUSA-Modus). In zwei weiteren Modi, IFU und ARGUS, sind die die Fasern so nahe beieinander gepackt, das räumlich aufgelöste Spektren von nur wenigen Bogensekunden großen Objekten möglich sind. Alternativ können acht Fasern das Licht zu UVES für hochauflösende Spektroskopie leiten.
- NACO
- Eigentlich NAOS-CONICA, wobei NAOS für Nasmyth Adaptive Optics System und CONICA für COude Near Infrared CAmera steht. CONICA war ursprünglich für den Coudéfokus vorgesehen. NAOS ist ein System zur Bildverbesserung, CONICA eine Infrarotkamera und Spektrograph im Bereich von 1 bis 5 Mikrometern. Der Unterschied zu ISAAC besteht in der hervorragenden Bildqualität, allerdings bei kleinerem Gesichtsfeld. Zusätzlich kann CONICA polarimetrische Messungen aufnehmen und helle Objekte durch Koronographie ausblenden. Mit SDI, dem Simultaneous Differential Imager in NACO, können vier Bilder in vier leicht unterschiedlichen Wellenlängenbereichen gleichzeitig aufgenommen werden. Diese Bilder können so miteinander verrechnet werden, dass die Differenzen auch den Nachweis sehr schwacher Objekte in Gegenwart eines helleren ermöglichen.
- Gastfokus
- Der Gastfokus bietet Wissenschaftlern die Möglichkeit, eigene und besonders spezialisierte Instrumente an einem Teleskop der 8-m Klasse zu verwenden, ohne alle Spezifikationen erfüllen zu müssen, denen ein allgemeines ESO-Instrument unterliegt. Bisher war dort ein Instrument montiert, ULTRACAM. das innerhalb von Millisekunden Bilder eines kleinen Gesichtfeldes von wenigen Bogensekunden machen kann. Wissenschaftliches Ziel von ULTRACAM, das bereits an anderen Teleskopen montiert war, ist die Aufnahme von Veränderungen kürzester Zeitskalen, wie sie z.B. bei Pulsaren und schwarzen Löchern vorkommen.
Zwischen Mai 2003 und März 2005 ging, angefangen mit UT2, zusätzlich die von ESO selbstentwickelte adaptive Optik MACAO (Multi Application Curvature Adaptive Optics) an allen vier Teleskopen in Betrieb. Hiermit sind nochmals sehr viel schärfere Bilder bzw. Bilder schwächerer Lichtquellen möglich, allerdings ist das Gesichtsfeld der MACAO-Optik auf 10 Bogensekunden beschränkt. Von den VLT-Instrumenten nutzt SINFONI die MACAO Technik, ansonsten wird MACAO hauptsächlich für Beobachtungen mit dem VLT Interferometer genutzt.
VLT Interferometer
Die Coudéfoki aller Teleskope können entweder inkohärent oder kohärent kombiniert werden. Der gemeinsame inkohärente Fokus liegt in einem unteriridischen Sammelraum und wird derzeit nicht benutzt. Der kohärente Fokus befindet sich in einem danebenliegenden Labor und wird durch ein spezielles optisches System gespeist, das VLT Interferometer (VLTI). Damit wird durch Interferometrie, äquivalent zu einem radioastronomischen Interferometer, ein weit besseres Auflösungsvermögen erreicht als mit nur einem Teleskop.
Hauptbestandteil des Systems sind in der Länge veränderliche "delay lines". Diese gleichen erstens die Laufzeitdifferenzen zwischen den einzelnen Teleskopen, bedingt durch deren Standort, aus. Zweitens gleichen sie die geometrisch-projizierte Differenz des optischen Weges aus, die entsteht wenn ein Objekt nicht genau im Zenit steht. Da sich diese Längendifferenz durch die scheinbare Bewegung des Objekts am Himmel ändert, müssen die Delay-lines über eine Differenz von bis zu 60 m variabel sein, wobei sich die relative Präzision nur um deutlich weniger als ein Mikrometer ändern darf.
Drei kleinere 1,8-m-Teleskope, die Auxiliary-Teleskope (ATs), die ausschließlich für die Interferenzteleskopie eingesetzt werden und für Interferenzmessungen mit bis zu 200m Abstand verwendet werden können, sind ebenfalls installiert. Ab etwa 2006 soll ein viertes fertiggestellt sein. Die vier großen Unit-Teleskope werden dann hauptsächlich für unabhängige Forschungsprogramme verwendet werden und die ATs voll für die Interferenzmessungen zur Verfügung stehen.